Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110078/2/Kl/Rd

Linz, 04.09.1997

VwSen-110078/2/Kl/Rd Linz, am 4. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.6.1997, VerkGe96-35-1997-Len, wegen einer Verfallserklärung nach dem Verwaltungsstrafgesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 37a, 37 Abs.5 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen obzitierten Bescheid wurde die am 17.6.1997 bei Betreten auf frischer Tat wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz eingehobene vorläufige Sicherheit von 2.500 S gemäß § 37a und § 37 Abs.5 VStG für verfallen erklärt. In der Begründung wurde ausgeführt, daß am 17.6.1997 von einem ermächtigten Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Betreten auf frischer Tat und infolge des ausländischen Wohnsitzes des Bw eine vorläufige Sicherheit von 2.500 S eingehoben wurde, weil er anläßlich der Ausgangsabfertigung beim Zollamt Wullowitz keine Güterbeförderungsbewilligung vorweisen konnte. Aufgrund des Wohnsitzes im Ausland (Tschechien) und mangels zwischenstaatlicher Abkommen erweist sich die Strafverfolgung wie auch der Vollzug der Strafe als unmöglich, sodaß die vorläufige Sicherheit für verfallen erklärt werden konnte.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin begründend ausgeführt, daß am 11.6.1997 ein Kaufvertrag mit Vertretern der Fa. S, Österreich, über den Kauf eines neuen S-Lastanhängers abgeschlossen worden sei und die Abnahme für den 17.6.1997 in H festgelegt worden sei. Bei der Antragstellung um Ausstellung einer einmaligen Beförderungsbewilligung allerdings wurde auf eine Tagung der tschechisch-österreichischen Kommission am 5.6.1997 hingewiesen, wonach die in Österreich neu gekauften oder die zur Garantieuntersuchung nach Österreich fahrenden Fahrzeuge, falls sie nicht beladen sind, ohne Bewilligung ein- und ausfahren dürfen. Dieser Beschluß erlangte am 9.6.1997 seine Gültigkeit. Es sei daher die vorläufige Sicherheit am 17.6.1997 ungerechtfertigt eingehoben worden. Der Berufung wurde eine Rechnung der Fa. S, eine Kopie der Bescheinigung über die vorläufige Sicherheit sowie ein Telefax über das Protokoll der Verhandlungen der tschechisch-österreichischen gemischten Kommission über den internat. Straßengüterverkehr am 5. und 6.6.1997 in Prag angeschlossen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben. Weil schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 37a Abs.1 VStG kann die Behörde besonders geschulte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigen, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von 2.500 S festzusetzen und einzuheben. Besondere Ermächtigungen in anderen Verwaltungsvorschriften bleiben unberührt.

Gemäß § 37a Abs.2 Z2 VStG kann die Ermächtigung sich darauf beziehen, daß das Organ von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, die vorläufige Sicherheit einhebt.

Über den als vorläufige Sicherheit eingehobenen Betrag oder die Beschlagnahme ist sofort eine Bescheinigung auszustellen. Die vorläufige Sicherheit ist der Behörde mit der Anzeige unverzüglich vorzulegen (Abs.4). Die vorläufige Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder wenn nicht binnen drei Monaten gemäß § 37 Abs.5 der Verfall ausgesprochen wird (Abs.5).

4.1.1. Die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit nach § 37a Abs.2 Z2 VStG setzt das Betreten auf frischer Tat voraus. Eine Person wird auf frischer Tat betreten, wenn das Sicherheitsorgan die Begehung der Tat unmittelbar wahrnimmt, ohne daß zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und Schlüsse gezogen werden müssen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 950 E3).

Nach der Anzeige des Zollamtes Wullowitz vom 18.6.1997 wurde die grenzüberschreitende Güterbeförderung ohne erforderliche Bewilligung (§ 23 Abs.1 Z6 iVm § 8 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz 1995) angelastet und zum Sachverhalt ausgeführt, daß der Bw am 17.6.1997 um 18.00 Uhr sich mit dem näher umschriebenen Sattelkraftfahrzeug beim Zollamt Wullowitz zur zollrechtlichen Ausgangsabfertigung stellte und dabei keine Güterbeförderungsbewilligung vorlegen konnte, weil nach seinen Angaben aufgrund eines Vertrages zwischen der Republik Österreich und Tschechien vom 5.6.1997 die Genehmigungspflicht für Garantiereparaturfahrten sowie für die Abholung von neuen Anhängern bzw. Aufliegern aufgehoben worden sei.

Gemäß § 7 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz 1995 - GütbefG, ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und eine Bewilligung des BMföWuV für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich erhalten haben; eine Bewilligung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anderslautende Anordnung nach Abs.6 ergangen ist oder wenn eine Vereinbarung gemäß § 8 besteht.

Gemäß § 8 Abs.1 leg.cit. können Vereinbarungen über die grenzüberschreitende Beförderung von Gütern gemäß § 7 auf Grundlage dieses Bundesgesetzes geschlossen werden, wenn der Umfang des zwischenstaatlichen Güterverkehrs dies erfordert. In den Vereinbarungen ist vorzusehen, daß Kraftfahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Fahrten nach, durch und aus Österreich durchführen können. Dabei können auch zwischenstaatliche Kontingente festgelegt werden, bei deren Ausmaß die verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen Österreichs sowie der Schutz der Bevölkerung und Umwelt zu berücksichtigen sind. Gemäß § 23 Abs.1 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu ahnden ist, wer Z3: Beförderungen gemäß § 7 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt; Z6: andere als die in Z1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes sowie zwischenstaatlicher Vereinbarungen gemäß § 8 dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z6 hat die Geldstrafe mindestens 20.000 S zu betragen (Abs.2); als vorläufige Sicherheit iSd § 37a VStG kann bei Verdacht einer Übertretung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen gemäß § 8 dieses Bundesgesetzes oder von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen ein Betrag von 20.000 S festgesetzt werden (§ 24 GütbefG).

Aufgrund der obzitierten Bestimmungen des GütbefG ist daher für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern über die Grenze eine Bewilligung des Bundesministers nur dann erforderlich, wenn eine Vereinbarung gemäß § 8 nicht getroffen wurde. Aufgrund der Anzeige wegen einer Übertretung gemäß § 23 Abs.1 Z6 iVm § 8 Abs.1 GütbefG 1995 wird offenkundig auf eine zwischenstaatliche Vereinbarung abgestellt. Allerdings ergibt sich aufgrund dieses Tatbestandes eine Mindeststrafe von 20.000 S und als vorläufige Sicherheit ein Betrag von 20.000 S. Der Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.6.1997 sowie auch der angefochtene Verfallsbescheid gehen auf eine konkrete Tat nicht ein, sodaß nicht nachvollzogen werden kann, aufgrund welcher konkreten Tat (nämlich Güterbeförderung über die Grenze ohne Bewilligung oder ohne Kontingenterlaubnis) die vorläufige Sicherheit eingehoben und sodann diese für verfallen erklärt wurde.

4.2. Eine vorläufige Sicherheit darf nur dann eingehoben werden, wenn die Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird. Schon nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage "wurde eine Ergänzung vorgenommen, die jener im § 37 entspricht. Auch diese Ergänzung bezieht sich in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich auf ausländische Täter". Aufgrund des Wohnsitzes des Bw im Ausland (Tschechien) ist daher diese Voraussetzung als gegeben zu betrachten.

4.3. Die Sicherheit kann für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden (§ 37 Abs.5 VStG).

Während früher die Sicherheit nach § 37 Abs.3 verfiel, wenn sich der Beschuldigte der Verfolgung oder dem Vollzug der Strafe entzog oder einer den Verfall androhenden, zu eigenen Handen zugestellten Ladung der Behörde unentschuldigt keine Folge leistete, kann nunmehr die Sicherheit nur dann für verfallen erklärt werden, wenn sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist, also etwa, wenn dem Beschuldigten keine Ladung zugestellt werden kann (vgl. Hauer-Leukauf, S. 948 Anm.8).

Im Gegensatz zu § 37a Abs.2 Z2 VStG genügt es nicht, daß die Strafverfolgung "offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird", sondern ist es erforderlich, daß sich die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. Dies bedeutet daher, daß - im Gegensatz zur Einhebung der vorläufigen Sicherheit - für den Ausspruch des Verfalls von der Behörde Schritte der Strafverfolgung zu setzen gewesen wären. Erst dann kann sich die Strafverfolgung als unmöglich erweisen, sodaß dann - als äußerstes zum Ziel führendes Mittel - mit Verfall vorzugehen ist.

Dies gebietet einerseits schon die grammatikalische Interpretation des Wortes "erweist", andererseits aber auch die verfassungsmäßig gebotene einschränkende und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Interpretation der in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum eingreifenden Bestimmung.

In diesem Sinne bedeutet auch die Bestimmung über das Freiwerden der vorläufigen Sicherheit (§ 37a Abs.5 VStG), einerseits eine Erleichterung für die Behörde, als nicht - wie nach der früheren Rechtslage - die vorläufige Sicherheit schon außer Kraft tritt, wenn nicht binnen drei Monaten noch kein Straferkenntnis (Strafverfügung) erflossen ist. Allerdings stellt die Frist von drei Monaten eine Schlechterstellung dar, da nach der früheren Rechtslage die Sicherheitsleistung (vorläufige Sicherheit), wenn ein Straferkenntnis (-verfügung) innerhalb von drei Monaten erfloß, bis zum Strafvollzug haftete (vgl. Hauer-Leukauf, S. 947 Anm.7 sowie S. 950 Anm.10). Im Grunde dieser Ausführungen genügt daher nicht - wie bei der vorläufigen Sicherheit - schon allein der Verdacht, daß aufgrund des Wohnsitzes im Ausland eine Strafverfolgung bzw. der Strafvollzug unmöglich oder erschwert sein wird, sondern es ist im Verfahren zur Erklärung des Verfalls ein konkreter Nachweis der Unmöglichkeit (der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges) erforderlich.

4.4. Weil aber ein konkretes Strafverfahren von der belangten Behörde noch nicht eingeleitet worden ist, konnte vom O.ö. Verwaltungssenat auch keine Verbesserung vorgenommen werden.

Aus den angeführten Gründen war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Vorwurf einer bestimmten Straftat, Ausländer, ausländischer Wohnsitz, Nachweis der Unmöglichkeit der Strafverfolgung

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