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VwSen-110093/3/Ur/Ri

Linz, 10.08.1999

VwSen-110093/3/Ur/Ri Linz, am 10. August 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des J A H, vertreten durch Dr. U S und Dr. G S, Rechtsanwälte, - W, Rstraße , gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt W vom 18.1.1999, MA 2 -Pol-6161-1998, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 (GelVerkG) bzw. nach der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1994, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Verfahrenskostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a Z.1, 45 Abs.1 Z.1 und 3, 51, 51c 1.Satz,

51e Abs.2 Z.1, 2. Alternative VStG.

zu II.: § 65 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe am 23.10.1998 um 10.20 Uhr in W, M-T-Straße, Richtung Westen fahrend, den Mietwagen PKW M, behördliches Kennzeichen, der Firma H Taxi- und Mietwagen Gesellschaft mbH, E bei L, Sstraße, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw sei, gelenkt, obwohl im Fahrdienst nur vertrauenswürdige Personen tätig sein dürften. Im Zusammenhang mit dem Antrag des Bw auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises vom 7.4.1998 sei jedoch vom Bw am 5.10.1998 vor der Bundespolizeidirektion W niederschriftlich seine mangelnde Vertrauenswürdigkeit zur Kenntnis genommen und der angeführte Antrag zurückgenommen worden. Der Bw habe dadurch die Rechtsvorschriften der §§ 13 Abs.1 und 15 Abs.1 Z.6 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (GelVerkG) iVm § 25 Abs.1, § 2 und § 6 Abs.1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) verletzt, weswegen über ihn eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 34 Stunden) gemäß § 15 Abs.1 Z6 GelVerkG verhängt wurde. Begründend wurde hiezu im wesentlichen ausgeführt, der Bw habe am 5.10.1998 bei der Bundespolizeidirektion W seinen Antrag auf Erteilung einer Taxilenkerberechtigung zurückgezogen, da aufgrund der Vormerkungen seine Vertrauenswürdigkeit in Frage gestellt und mit einer positiven Erledigung dieses Antrages nicht zu rechnen gewesen sei. Weiters habe der Bw in der Strafverhandlung vom 30.11.1998 vorgebracht, daß gegenständliches Fahrzeug als Mietwagen zugelassen sei und es sich daher um eine Mietwagenfahrt gehandelt habe. Aufgrund der erwähnten Niederschrift vom 5.10.1998 sowie der Aussage des Bw in der Strafverhandlung vom 30.11.1998 sei daher der Sachverhalt und die im Spruch beschriebene Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen.

2. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 21.1.1999 rechtzeitig Berufung erhoben.

3. Der Magistrat der Stadt W als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Berufungsvorentscheidung getroffen.

4. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war das zuständige Einzelmitglied des Oö. Verwaltungssenates zur Entscheidung berufen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z.1 2.Alternative VStG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Einleitend ist festzustellen, daß wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu § 6 Abs.1 Z3 BO 1994 allgemein ausgesprochen hat, mit dem Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet werden soll. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens des Taxilenkers zu beurteilen. In erster Linie kommt es auf dessen Gesamtpersönlichkeit und die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit an. Ob jemand nach diesen Grundsätzen zum Lenken eines Taxis ungeeignet ist, ergibt sich nur aus der Würdigung der Umstände des einzelnen Falles. Bei Verfehlungen kommt es auf ihre Art, Anzahl und Schwere an, zudem können die näheren Tatumstände von Bedeutung sein (vgl. VwGH-Erkenntnisse vom 3.11.1986, 85/15/0176 und vom 17.2.1999, Zl. 97/03/0332).

Der Oö. Verwaltungssenat ist der Ansicht, daß diese allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Vertrauenswürdigkeit von Taxilenkern - mangels entsprechender Definition in der BO 1994 - auch für die Vertrauenswürdigkeitsprüfung von Mietwagenlenkern heranzuziehen sind.

Es ist daher im Ermittlungsverfahren die Vertrauenswürdigkeit des Mietwagenlenkers im Hinblick auf dessen Gesamtpersönlichkeit und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu überprüfen und der Bescheidbegründung zugrunde zu legen. Eine allfällige niederschriftliche Kenntnisnahme der mangelnden Vertrauenswürdigkeit hat dabei außer Betracht zu bleiben.

5.2.

Gemäß § 2 BO 1994, BGBl. Nr. 951/1993 ("Allgemeine Bestimmungen über die Ausbildung, Gesundheit und Zuverlässigkeit der im Fahrdienst tätigen Personen"), dürfen im Fahrdienst nur vertrauenswürdige Personen tätig sein. Als Fahrdienst gilt die Einsatzzeit gemäß § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr.461/1969 idF BGBl.Nr.335/1993.

Nach § 4 Abs.1 leg.cit. dürfen als Lenker im Fahrdienst (Taxilenker) nur Personen tätig werden, die einen Ausweis nach dem Muster der Anlage 1 besitzen.

Gemäß § 4 Abs.3 leg.cit. hat der Lenker den Ausweis während des Fahrdienstes mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen auszuhändigen.

Gemäß § 6 Abs.1 Z.3 leg.cit. ist der Ausweis auszustellen, wenn der Bewerber vertrauenswürdig ist; die Vertrauenswürdigkeit muß zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.

Gemäß § 15 Abs.1 Z.6 GelVerkG in der wiederverlautbarten Fassung BGBl. Nr. 112/1996 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 S zu ahnden ist, wer andere als die in Z.1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

Weiters ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Mietwagengewerbe dem Bedürfnis nach der Beförderung eines geschlossenen Teilnehmerkreises - auch der Transport einer einzelnen Person kann, sofern die zu befördernde Person bereits im erteilten Auftrag individualsiert ist, das Erfordernis des geschlossenen Teilnehmerkreises erfüllen - auf Grund besonderer Aufträge zu dienen bestimmt. Erfahrungsgemäß werden Mietwagen zur Durchführung von Fahrten auf längere Dauer mit entfernteren Fahrzielen in Anspruch genommen, während das Wesen des Taxigewerbes darin liegt, daß PKWs zur Durchführung irgendwelcher, meist kurzer Fahrten innerhalb eines enger umgrenzten Gebietes im Bedarfsfall bereitgehalten werden. Beim Mietwagengewerbe handelt es sich um Werkverträge, bei welchen für die Festlegung des Entgelts zwischen den Kontrahenten nach der Natur der vom Unternehmer zu erbringenden Leistung der Umfang dieser Leistung im Vordergrund steht. Maßgebend für die Entgeltberechnung ist in erster Linie die gemäß dem erteilten Fahrtauftrag entsprechende Entfernung, über welche die Beförderungsleistung zu erbringen ist. Im Falle einer telefonischen Anforderung des Fahrzeuges kann sich ein Unternehmer dann nicht darauf berufen, in Ausübung des Mietwagengewerbes tätig geworden zu sein, wenn nicht schon bei der Bestellung ein dem Umfang der zu erbringenden Leistung hinreichend bestimmter Fahrtauftrag im Sinne der genannten Rechtsprechung erteilt wurde (vgl. VwGH Erkenntnisse vom 15.12.1993, Zl. 93/03/0032 und vom 26.3.1993, Zl. 92/03/0113 - 0117)).

5.3.

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 1.Alternative VStG hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Die nach den obigen Rechtsprechungsgrundsätzen des Verwaltungsgerichtshofes vorzunehmende - zugegebenermaßen schwierige - Emittlung des Sachverhaltes und die folgliche Qualifikation des Fahrtauftrages als Mietwagen- oder Taxifahrt läßt sich weder aus der Anzeige vom 1.11.1998 der Bundespolizeidirektion W, noch aus dem gesamten Akteninhalt zweifelsfrei erschließen. Dies ist jedoch für die Gestaltung des Tatvorwurfes samt der entsprechenden Individualisierung der Tatbestandsmerkmale und für die Zuordnung des Tatverhaltens zu den verletzten Verwaltungsvorschriften maßgeblich. Die nicht weiter überprüfbaren Angaben des namentlich unbekannten Fahrgastes - es habe sich um eine Mietwagenfahrt gehandelt (vgl. Seite 2 der Anzeige vom 1.11.1998) - reichen jedenfalls für eine Qualifikation des gegenständlichen Fahrdienstes (Tatbestandselement) als Mietwagenfahrt nach oben angeführten Kriterien ebensowenig aus, wie die diesbezügliche Verantwortung des Bw (vgl. Niederschrift zur Strafverhandlung vom 30.11.1998), daß gegenständliches Fahrzeug als Mietwagen zugelassen sei. Für die faktische Beurteilung einer Mietwagen- oder Taxifahrt sind weder die Zulassungsdaten noch die Kennzeichnung des verwendeten Kraftwagens als Taxi- oder Mietwagen entscheidend sondern der erteilte Fahrtauftrag. Dem Tatvorwurf ist aber nicht zu entnehmen, ob überhaupt ein Fahrtauftrag einer dritten Person erfolgt ist.

Die Personaldaten des für die verläßliche Sachverhaltsermittlung wesentlichen Zeugen - der vor den Exekutivorganen keine Angaben machen wollte - konnten vom Oö. Verwaltungssenat nicht erhoben werden, um anläßlich einer Zeugenbefragung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den Inhalt des Fahrtauftrages (Umschreibung der Bestellung, Fahrziel, Entgeltvereinbarung, telefonische Vorbestellung) zu verifizieren. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte daher zu keiner Klärung des Sachverhaltes beigetragen und konnte daher dieser mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachträglich nicht mehr festgestellt werden.

5.4. Darüberhinaus widerspricht die im gegenständlichen Verwaltungsverfahren gewählte Vorgangsweise der belangten Behörde dem Verwaltungsstrafgesetz und der Judikatur des VwGH. Die belangte Behörde hat nämlich ihr gemäß Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.11.1998 eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren mit Schreiben vom 15.12.1998 formell eingestellt und gleichzeitig mit Aufforderung zur Rechtfertigung desselben Datum wegen desselben Tatverhaltens - aber bei anderer rechtlicher Würdigung - das Strafverfahren fortgesetzt. Die Einstellung des Verfahrens hat zur Folge, daß eine Bestrafung wegen derselben Tat - auch unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift - den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist. Die Verfahrenseinstellung hat u.a. zur Folge, daß die Behörde das Strafverfahren nur gemäß § 52 VStG iZm § 69 AVG wiederaufnehmen darf (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des öst. Verwaltungsverfahrens, S.1017, E13 ff).

Abschließend ist zu bemerken, daß es dem Oö. Verwaltungssenat nicht entgangen ist, daß der Berufungswerber seine Verteidigungsstrategie aufgrund der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises mangels Vertrauenswürdigkeit dahingehend aufbaute, indem er versuchte eventuelle Taxifahrten a priori als Mietwagenfahrten zu "titulieren".

In diesem Zusammenhang wird auf die Vorschriften der §§ 24, 44 Abs.2 und Abs.3 Oö. Taxi-, Mietwagen- und Hotelwagen-Betriebsordnung und auf die Strafbestimmung des § 48 Abs.1 leg.cit. iVm § 15 Abs.1 Z.6 GelVerkG hingewiesen.

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund aufzuheben, ohne daß es einer weiteren Erörterung des Berufungsvorbringens bedurfte.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Mietwagenfahrt, Fahrtauftrag, Tatbestandselement, Tatkonkretisierung, keine Bestrafung nach Verfahrenseinstellung

 

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