Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110283/4/SR/Ri

Linz, 22.11.2001

VwSen-110283/4/SR/Ri Linz, am 22. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer, Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Mag. Stierschneider, Beisitzer: Dr. Konrath, über die Berufung des A I, Kweg , L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 15. Juni 2001, VerkGe96-235-2001, wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (im Folgenden: GütbefG), zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 15. Juni 2001 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen vier Übertretungen des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG iVm Art.1 Abs.1 und Art.5 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF Nr. 2012/2000 Geldstrafen in Höhe von je 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von je 67 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 7.11.2000 um 05.40 Uhr, am 11.11.2000 um 12.30 Uhr, am 16.11.2000 um 19.18 Uhr und am 24.11.2000 um 18.45 Uhr im österreichischen Bundesgebiet und zwar auf der Iautobahn A, bei StrKm., Gemeindegebiet S (Ökopunkte-Abbuchungsstation bei der Einreise nach Österreich), aus Richtung Deutschland kommend, als Fahrer des Lastkraftwagens mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t, amtliches Kennzeichen, Zulassungsbesitzer: M Spedition und L GmbH, Sstraße, B H, keine der nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt, entweder:

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2. Juli 2001, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Bw aus, dass er sich vor der Einreise nach Österreich extra bei seiner Firma erkundigt habe, ob genügend Ökopunkte zur Verfügung stehen. Diese hätte ihm bestätigt, dass genügend Punkte vorhanden wären und er den "ecotag" ordnungsgemäß bedienen könne. Darüber hinaus habe es sich bei den unter a, b und c angeführten Zeiten um bilaterale Fahrten gehandelt. Die entsprechenden Frachtbriefe könnten bei der Spedition M eingesehen werden. Bei der Fahrt am 24. 11. 2000 habe er vorschriftsmäßig das "ecotag"-Gerät bedient und dieses habe keinen Fehlercode angezeigt. Vor der gegenständlichen Fahrt seien die erforderlichen Ökopunkte aufgebucht worden und der Arbeitgeber könne dies bestätigen.

Der Berufung war ein Auszug einer Frächterabfrage beigelegt. Die Auswertung vom 28. Juni 2001 ergab für den 17. November 2000 eine Punkteaufbuchung von 210 Ökopunkten.

Über Ersuchen des unabhängigen Verwaltungssenates wurde vom Bw die Übermittlung der Frachtbriefe betreffend der Fahrten am 7.11.2000, 11.11.2000 und 16.11.2000 veranlasst.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Da schon aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der ergänzenden Erhebung hervorgeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

3.2. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass unter Bezugnahme auf eine Weisung der Bundesministerin für Verkehr, Technologie und Innovation dem Landeshauptmann Datensätze vom September 2000 und Oktober 2000 übersandt und diese vom Amt der Oö. Landesregierung an die Bezirkshauptmannschaft Schärding zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren weitergeleitet wurden. Im vorliegenden Fall handelte es sich um das Unternehmen M Spedition und L GmbH, Sstraße, B H -T.

Aus diesem Datensatz ergibt sich hinsichtlich der verfahrensgegenständlich angelasteten Übertretungen lediglich, dass zu den gegenständlichen Tatzeiten beim Grenzübergang S eine Einreise ins Bundesgebiet erfolgte; Ausreisen sind nicht registriert.

Die Erstbehörde führte ausschließlich Lenkererhebungen nach § 103 Abs.2 KFG durch und erhielt vom Unternehmen die Auskunft, dass der Bw den LKW mit dem Kennzeichen S zur fraglichen Zeit gelenkt hat.

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Mai 2001 wurde der Bw als Beschuldigter aufgefordert, sich zu dem alternativen Tatvorwurf, der auch dem nunmehrigen Straferkenntnis zu Grunde liegt, binnen einer bestimmten Frist zu äußern.

Der Beschuldigte hat keine Stellungnahme abgegeben, worauf die Erstbehörde ohne weitere Ermittlungen das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erließ.

Dagegen hat der Beschuldigte Berufung erhoben.

Der Bw hat sich rechtzeitig vor der Einreise am 24.11.2000 beim Frächter erkundigt, ob sich genügend Ökopunkte auf dem Ökopunktekonto befinden, oder ob Papierpunkte zu kleben wären. Der Frächter hat dem Bw zweifelsfrei bestätigt, dass das Ökopunktekonto genügend Ökopunkte aufweisen würde. Nach der Bestätigung durch den Verantwortlichen hat der Bw den Umweltdatenträger ordnungsgemäß bedient.

Mangels Ökopunkteguthaben fand die Abbuchung der erforderlichen sieben Ökopunkte nicht statt.

Die Fahrten am 7.11., 11.11. und 16.11.2000 haben bilaterale Fahrten dargestellt. Der Bw hat es dabei unterlassen, den Umweltdatenträger ordnungsgemäß zu bedienen. Die Behörde erster Instanz hat dem Bw ausschließlich angelastet, keine (der im Spruch angeführten - nachstehenden -) Unterlagen mitgeführt zu haben.

3.3. Das Vorbringen des Bw ist glaubwürdig und deckt sich mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens und den Aufzeichnungen im Kontrollausdruck. Dem Kontrollausdruck ist eindeutig zu entnehmen, dass bei jedem Transport auf ökopunktepflichtige Fahrt eingestellt war und eine Abbuchung nicht stattgefunden hat.

Weiters ist das Vorbringen des Bw schlüssig, nachvollziehbar und deckt sich sowohl mit dem ho Amtswissen. Es sind Fälle bekannt, bei denen z.B. Abbuchungen der Ökopunkte auf das Ökopunktekonto zeitversetzt stattgefunden haben, auf Grund technischer Unzulänglichkeiten Ökopunkte nicht bzw. zeitversetzt aufgebucht worden sind und andere Fahrer des Frächters, die bilaterale Fahrten vorgenommen hatten, mangels entsprechender Betätigung des Umweltdatenträgers die aufgebuchten Punkte konsumiert haben. Auf Grund dieser Vorkommnisse hat sich auch beim Arbeitgeber des Bw die Praxis eingebürgert, dass vor Durchführung von Transitfahrten die Aufbuchungen der erforderlichen Punkte über die zuständige Abteilung des Amtes der Oö. Landesregierung grundsätzlich rechtzeitig veranlasst werden.

Unstrittig ist, dass bei den ersten drei angeführten Tatzeiten der Umweltdatenträger nicht auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt war.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1.1. Zur Transitfahrt am 24.11.2000:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Das VStG versteht unter "Schuld" die subjektive Tatseite, dh jene tatsächlichen Vorgänge in der Psyche des Täters, die vorliegen müssen, um das Delikt zu verwirklichen ("psychologische Schuldauffassung"). Sie kann in der Absicht oder im Bewusstsein bestehen, das rechtswidrige objektive Verhalten zu setzen, oder in der fehlenden Aufmerksamkeit bei dessen Verwirklichung. Die Rechtsordnung typisiert diese psychischen Einstellungen in die Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Das VStG geht von einer erforderlichen - in Vorsatz und Fahrlässigkeit vertypten - psychischen Beziehung des Täters zu den Merkmalen des Tatbestandes und der Pflichtwidrigkeit aus. Die Annahme des Erfordernisses der Kenntnis (oder schuldhafter Unkenntnis) der Rechtswidrigkeit verwandelt die zu Grunde liegende psychologische Schuldauffassung nicht zu der - derzeit für das gerichtliche Strafverfahren weiterhin vertretenen - normativen Schuldauffassung. Das dem VStG zugrunde liegende Konzept trennt klar zwischen den psychischen Tatsachen und der - für die normative Schuldauffassung kennzeichnenden - Zumutbarkeit, sich gebotsgemäß zu verhalten (Walter Thienel, die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. neu bearbeitete Auflage, zu § 5 VStG Anmerkung 1, Seite 49f).

Im vorliegenden Fall ist es dem Bw gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der angelasteten Vorschrift kein Verschulden trifft.

Der Fahrer eines Lastkraftwagens hat im Fahrzeug keine Möglichkeit festzustellen, ob der Frächter Ökopunkte auf seinem Konto hat oder nicht. Auf seinem "ecotag" hat er lediglich die Möglichkeit, die Einstellung des Gerätes auf Transitfahrt ("rot") oder auf transitbefreite Fahrt ("grün") zu überprüfen und gegebenenfalls umzustellen. Es besteht aber keine Möglichkeit, den Ökopunktestand abzurufen. Insofern ist der Fahrer auf die Angaben seines Arbeitgebers angewiesen. Dabei wird er nach h. Ansicht in der Regel auch darauf vertrauen dürfen, dass noch hinreichende Ökopunkte vorhanden sind, wenn er einen Lenkauftrag von seinem Arbeitgeber erhält. Er muss bei lebensnaher Betrachtung im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber nicht von vornherein damit rechnen, dass er belogen oder mit rechtswidrigen Lenkaufträgen beauftragt wird. Da er sich selbst rechtmäßig verhalten hat, darf er im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit Bediensteten seines Arbeitgebers auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich diese sorgfältig verhalten, es sei denn fremdes Fehlverhalten wäre erkennbar. Diese vom Vertrauensgrundsatz iSd § 3 StVO 1960 abgeleitete Wertung erscheint analogiefähig (vgl. dazu näher mwN Kienapfel, Grundriss des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I3 Rz 68 und 69 ff zu § 80 StGB).

Der Bw hat in seiner Berufung unwiderlegt vorgebracht, dass er sich bei seiner Firma sogar vor der Einreise nach Österreich erkundigt hatte, ob Ökopunkte vorhanden waren. Durch eine solche Anfrage bei einem Verantwortlichen des Unternehmens kommt der Fahrer jedenfalls seiner Sorgfaltsverpflichtung nach. Auf Grund dieser Information konnte der Bw darauf vertrauen, dass sich am Ökopunktekonto des Unternehmens die erforderlichen Ökopunkte befinden. Es war ihm nicht zuzumuten, die Angaben in Zweifel zu ziehen und weitere Erkundigungen, etwa bei der Behörde, einzuholen. Es bestand für ihn auch keine Veranlassung, eine Abbuchung bzw. Entrichtung von Ökopunkten auf eine andere Art und Weise zu veranlassen.

Da das Vertrauen des Bw in keiner erkennbaren Weise durch einen ähnlich gelagerten Vorfall erschüttert und gegen den Bw erstmalig ein derartiger Tatvorwurf erhoben worden ist, war dem glaubwürdigen Vorbringen des Bw zu folgen und davon auszugehen, dass er der an ihn gerichteten Sorgfaltsverpflichtung nachgekommen ist (siehe auch die neueste Rechtsprechung des VwGH, E. vom 11.7.2001, 2000/03/0307-7).

4.1.2. Zu den bilateralen Fahrten am 7.11., 11.11. und 16.11.2000:

4.1.2.1.EU-Ökopunkteverordnung und Strafbestimmungen:

Die EU-Ökopunkteverordnung (vgl Verordnung Nr. 3298/94 der Kommission vom 21.12.1994 idF Nr. 2012/2000) trifft nach ihrer Überschrift Regelungen "über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich".

Dem Berufungswerber wurde eine Verletzung des Artikel 1 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF 2012/2000 der Kommission vorgeworfen. Mit dieser Bestimmung wird der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs verpflichtet, die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, und zwar:

entweder

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als "Ökokarte" bezeichneten Bestätigung ist im Anhang A enthalten;

oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als "Umweltdatenträger" ("ecotag") bezeichnet wird;

oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist.

Gemäß Art.5 Abs.1 der EU-Ökopunkteverordnung sind Zuwiderhandlungen eines Lastkraftwagenfahrers oder eines Unternehmers gegen das Protokoll Nr. 9 oder die EU-Ökopunkteverordnung nach den jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften zu ahnden.

Nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG 1995 (BGBl Nr. 593/1995 idF BGBl I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz iVm § 23 Abs.2 leg.cit. mit Geldstrafe von 20.000 S bis zu 100.000 S zu bestrafen,

wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Ergänzende Bestimmungen ergeben sich weiter aus dem EU-Beitrittsvertrag (vgl BGBl Nr. 45/1995):

Im Art.1 lit.d) des Protokolls Nr. 9 zur Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens wurde der Begriff des "Lastkraftwagens" definiert als jedes zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern in einem Mitgliedsstaat zugelassene Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t einschließlich Sattelzugfahrzeuge sowie Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t, die von einem in einem Mitgliedsstaat zugelassenen Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t oder weniger gezogen werden.

Weiters ist im Art.1 lit.c) dieses Protokolls der Begriff "Transitverkehr durch Österreich" als jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegt, definiert.

Der Bw hat glaubwürdig dargelegt, dass es sich bei den gegenständlichen Transporten um bilaterale Fahrten gehandelt hat. Aus den vorgelegten Frachtbriefen kann abgeleitet werden, dass diese bei der Fahrt mitgeführt worden sind.

4.1.2.2. Bei näherer Betrachtung des Spruches fällt zunächst auf, dass die Erstbehörde dem Bw nur vorgeworfen hat, als Fahrer eines Lastkraftwagens "keine der nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt" zu haben.

Mangel der Tatbestandsmäßigkeit:

Hinsichtlich der Tatvorwürfe nach Art.1 Abs.1 lit.a) (Nichtmitführen eines ordnungsgemäß ausgefüllten Einheitsformulares) und Art.1 Abs.1 lit.c) (Nichtmitführen der in Art.13 angeführten geeigneten Unterlagen) gibt es weder eine Anzeige noch irgendwelche Ermittlungen der belangten Behörde, die einen solchen Tatvorwurf überhaupt rechtfertigen könnten.

Den Tatvorwürfen in Bezug auf die Tatbestände nach Art.1 Abs.1 lit.b) und lit.d) liegt nur die Datenauswertung der Grenzkontrollstelle, deren elektronische Geräte die Einreise des LKW registriert haben, zu Grunde. Sonstige Beweise hat die belangte Behörde nicht aufgenommen. Aus der Datenmeldung, die der Erstbehörde vom Bundesministerium für Verkehr, Technologie und Innovation ohne weitere Ermittlungen im Wege des Amtes der Oö. Landesregierung übermittelt wurde, geht lediglich hervor, dass der LKW mit dem amtlichen Kennzeichen am 7.11.2000 um 05.40 Uhr, am 11.11.2000 um 12.30 Uhr und am 16.11.2000 um 19.18 Uhr auf der Innkreisautobahn A, bei StrKm., Gemeindegebiet S in das österreichische Bundesgebiet eingefahren ist. Der Umweltdatenträger "ecotag" war dabei auf "Transitfahrt" eingestellt. Er lieferte alle für die richtige Abbuchung von Ökopunkten notwendigen Daten.

Zum Tatvorwurf nach Art.1 Abs.1 lit.d) EU-Ökopunkteverordnung ist festzustellen, dass diesbezüglich auch keine Anzeige vorliegt und keine Ermittlungen von der Erstbehörde durchgeführt wurden. Bezogen auf die Berufungsausführungen (lit. a bis lit.c: der Bw hat zumindest bei diesen drei Fahrten keine Transitfahrt durchgeführt) hat, der Bw den "ecotag" lediglich falsch bedient, indem er auf Transitfahrt stellte, obwohl er auf "ökopunktbefreite Fahrt" hätte stellen müssen. Die wesentlichere Verpflichtung des Bw wäre aber gewesen, geeignete Unterlagen mitzuführen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelte. Die Behörde hat von ihrer Berechtigung keinen Gebrauch gemacht und den Bw nicht aufgefordert, geeignete Unterlagen vorzulegen. Ganz im Gegenteil dazu hat sie nur in der Begründung des Straferkenntnisses lediglich allgemein auf eine allfällige fehlerhafte Einstellung hingewiesen. Weder aus der Aufforderung zur Rechtfertigung noch aus dem Spruch des Straferkenntnisses und dessen Begründung ist hiezu ein eindeutiger Tatvorwurf ableitbar. Die Behörde erster Instanz hat dem Bw ausschließlich vorgeworfen, dass er "keine der nachstehend angeführten Urkunden mitgeführt hat".

Dass der Bw nicht jene geeigneten Unterlagen mitgeführt hat, aus denen auf eine bilaterale Fahrt geschlossen werden kann, lässt sich aus der Aktenlage nicht ableiten und ist mangels Überprüfung durch die Behörde erster Instanz (diese hat kein Prüfungsverlangen gestellt) auch nicht festgestellt worden. In Ergänzung zum Berufungsvorbringen hat der Bw bzw. dessen Beauftragter jene Frachtpapiere vorgelegt, die seine Angaben - Durchführung von bilateralen Fahrten - bestätigen und einen Rückschluss auf das Mitführen zulassen.

Abgesehen von der Begründung des Straferkenntnisses ist dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt lediglich ein alternativer und darüber hinaus unvollständiger Tatvorwurf zu entnehmen (argum. in der Aufforderung und im Spruch: "Sie haben ..... keine der nachstehenden Unterlagen mitgeführt, ...."). Die Behörde erster Instanz hat es aufgrund des "scheinbaren Vorliegens des Mangels geeigneter Unterlagen" unterlassen, dem Bw vorzuwerfen, dass er darüber hinaus den Umweltdatenträger nicht zweckentsprechend eingestellt hatte (2. Tatbestandselement des Art.1 Abs.1 lit.d der angeführten Verordnung).

Die Begründung des Straferkenntnisses lässt auf die tatsächliche Intention der Behörde erster Instanz schließen. Darin stellt sie ausschließlich auf eine Übertretung des Art.1 Abs.1 lit. b der angeführten Verordnung ab (argum.: 1. Seite 5 der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - "Es ist zumutbar, dass sich der Lenker vor Antritt der Transitfahrt ... über den aktuellen Ökopunktestand ... informiert"; 2. "Da Sie diesen berufsgebotenen Informations- bzw. Sorgfaltspflichten offensichtlich nicht nachgekommen sind, ist von einem schuldhaften und zwar fahrlässigen Verhalten Ihrerseits auszugehen"; 3. "Zur Strafbemessung ist festzustellen, dass durch die Entrichtung der Transitgebühr in Form von Ökopunkten ...").

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass dem Bw kein alle Tatbestandsmerkmale umfassender Tatvorwurf im Hinblick auf Art.1 Abs.1 lit.d) gemacht wurde, die Intention der Behörde erster Instanz lediglich auf einen Tatvorwurf gemäß Art.1 Abs.1 lit.b) gezielt hat und aufgrund der eingeschränkten Vorhaltung auch der erforderliche Tatvorwurf aus der alle Alternativen umfassenden Anführung des Art.1 der bezeichneten Verordnung nicht abgeleitet werden kann.

4.2. Da der Bw die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen einerseits nicht verschuldet (Pkt. 4.1.1.) und andererseits nicht begangen hat (Pkt. 4.1.2.), war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, dass der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz, noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Tatbestandsmäßigkeit, Transit

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