Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110314/3/Le/La

Linz, 06.12.2001

VwSen-110314/3/Le/La Linz, am 6. Dezember 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Herrn U K, In der K 7, D 5 F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G H, R 32, 4 W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 17.4.2001, Zl. VerkGe96-77-2000-GRM, wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes iVm der Verordnung (EWG) Nr. 881/92, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungs-strafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 17.4.2001 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung nach § 23 Abs.1 Z3 und Z7 iVm § 17 Güterbeförderungsgesetz 1995 (im Folgenden kurz: GütbefG) sowie der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als Dienstgeber in Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes (Gewerbewortlaut Güterbeförderung und Erdarbeiten) zu verantworten, dass - festgestellt auf dem Parkplatz KM 10 (A), Gemeindegebiet M von Linz kommend in Richtung P fahrend, Bezirk W, Oberösterreich, anlässlich einer Zollkontrolle durch die Zollwachabteilung L am 27.10.2000 um 15.30 Uhr - der Kraftfahrer H B, geb. 16.12.1939 in E (D), wh. D-5 E, Auf der F 4, mit dem LKW AK- (D), eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern ohne Frachtbrief (CMR) durchführte. Gemäß CMR-Übereinkommen sind der Versender der Ware bzw. der Frachtführer für einen ordentlich ausgestellten Frachtbrief verantwortlich. Da mit D ein Amtshilfeabkommen besteht, wurde auch keine Fahrtunterbrechung angeordnet. Der LKW-Fahrer wurde über die Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt.

Die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgte im Wege der Bezirksregierung Köln am 2. oder 3.10.2001 (undeutliche Schreibweise).

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 12.10.2001, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass er seinen Kraftfahrer H B beauftragt hatte, am 27.10.2000 eine Maschine zu einem österreichischen Empfänger zu transportieren; bei Ablieferung der Maschine wäre von diesem österreichischen Empfänger eine bereits früher gelieferte Maschine zur Reparatur zum Transport nach D zurückgestellt worden, wobei H B die Maschine zurückgenommen hätte, um sie wiederum nach D zu transportieren. Für diesen Transport habe dieser einen Frachtbrief ausgestellt, jedoch keinen CMR-Frachtbrief. Er selbst habe bei Erteilung des Frachtauftrages von D nach Österreich keine Kenntnis davon gehabt, dass der Empfänger eine Maschine für den Rücktransport zur Durchführung einer Reparatur übergeben werde, weshalb er auch erst nachträglich davon erfahren habe, dass H B diese nach D zurücktransportierte. Von diesem Rücktransport habe er unverschuldet keine Kenntnis gehabt, sodass ihm auch kein Verschulden dafür angelastet werden könne.

Er rügte weiter, dass er in diesem Verfahren nicht gehört worden wäre und dass auch die Schätzung des Einkommens unrichtig wäre.

3. Die Bezirkshauptmannschaft W hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich ist, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht durchzuführen (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Zu den Erfordernissen des Spruches eine Straferkenntnisses legt § 44a VStG folgende Kriterien fest:

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung; ...

Nach Lehre und Judikatur (siehe etwa Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Linde-Verlag, 5. Auflage, Seite 969 ff) kommt dem Spruch eines Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu: Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert und welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde.

Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren), in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt (Hinweis auf VwGH, verstärkter Senat, 13.6.1984, Slg. 11466/A). Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt - siehe VwGH 14.2.1985, 85/02/0013 -, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein Verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein.

Hinsichtlich des Tatortes fehlt im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses eine genaue Angabe: Es gibt lediglich die Angabe, wo die Kontrolle des LKW stattgefunden hat, nämlich "auf dem Parkplatz KM 10 (A), Gemeindegebiet M".

Im vorliegenden Fall wurde als Tatort der angelasteten Verwaltungsübertretung somit offensichtlich der Ort der Kontrolle des LKW-Lenkers und als Tatzeit der Zeitpunkt eben dieser Kontrolle angenommen.

§ 17 Abs.1 GütbefG normiert Folgendes:

"(1) Die Güterbeförderungsunternehmer haben bei Güterbeförderungen ab 50 km Entfernung oder über die Grenze für jede Sendung, mindestens jedoch für das auf ein Kraftfahrzeug (einen Kraftwagenzug) verladene Gut, jeweils einen Frachtbrief mitzuführen."

Diese Bestimmung, dass der Güterbeförderungsunternehmer den Frachtbrief mitzuführen hat, bereitet dann keine Auslegungsschwierigkeiten, wenn der Güterbeförderungsunternehmer selbst den Lastkraftwagen lenkt. Dann wird der Ort der Anhaltung und Feststellung des Fehlens des Frachtbriefes wohl der Ort der Begehung (= Tatort) sein.

Wenn allerdings der Güterbeförderungsunternehmer die Güterbeförderung durch einen Kraftfahrer durchführen lässt, so kann er nicht selbst den Frachtbrief "mitführen", sondern muss veranlassen, dass der Kraftfahrer diesen Frachtbrief mitführt. Wenn er dieses Veranlassen unterlässt und der Kraftfahrer keinen Frachtbrief mitführt, so wird dem Unternehmer die versäumte Veranlassung, den Frachtbrief mitzuführen, wohl am Sitz des Unternehmens vorzuwerfen sein, weil das Versäumnis im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgte (siehe hiezu etwa VwGH vom 20.9.2000, 2000/03/0071 und die dort zitierte Judikatur zu den Arbeitszeitvorschriften).

Daraus ist daher für den vorliegenden Fall, da es sich bei dem Bestraften um einen Güterbeförderungsunternehmer mit Unternehmenssitz in D handelt, örtliche Unzuständigkeit der österreichischen Behörden gegeben.

4.3. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses leidet aber auch in Anbetracht des § 44a Z1 bis 3 VStG an einer Reihe von Mängeln, die wegen Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG nicht mehr saniert werden können.

4.3.1. Der Berufungswerber wurde "als Dienstgeber in Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes" bestraft.

§ 17 Abs.1 GütbefG verpflichtet dagegen den "Güterbeförderungsunternehmer". Die beiden Begriffe können nicht synonym verwendet werden, da die Bezeichnung "Dienstgeber" im konkreten Zusammenhang unvollständig ist und nur etwa durch die Beifügung der Worte "des Kraftfahrers ..." sinnvoll verstanden werden kann. Im vorliegenden Fall sollte jedoch Herr U K nicht als Dienstgeber des Kraftfahrers H B bestraft werden, sondern als Güterbeförderungsunternehmer iS des § 17 Abs.1 GütbefG.

4.3.2. § 17 Abs.1 GütbefG fordert das Mitführen eines Frachtbriefes für Güterbeförderungen "ab 50 km Entfernung oder über die Grenze".

Diesem Tatbestandsmerkmal entspricht der im Straferkenntnis verwendete Tatvorwurf "eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern ohne Frachtbrief (CMR) durchführte" nicht, weil keines der beiden, die Mitführungspflicht des Frachtbriefes auslösende Tatbestandsmerkmal erwähnt ist.

Somit ist der Tatvorwurf im Hinblick auf die Bestimmung des § 44a Z1 VStG nicht ausreichend konkretisiert, weil das Nachholen dieser Merkmale in der Begründung nicht ausreicht, weshalb schon aus diesem Grunde aufzuheben war.

4.4. Aber auch der Bestimmung des § 44a Z2 VStG wurde nicht entsprochen:

4.4.1. Als verletzte Verwaltungsvorschriften wurden §§ 23 Abs.1 Z3und Z7 iVm 17 GütbefG sowie die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 festgestellt. Dies ist unzutreffend bzw. unvollständig:

Die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 regelt den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft, insbesondere die Gemeinschaftslizenz; nicht jedoch die Verwendung und den Inhalt eines CMR-Frachtbriefes. Diese Verordnung ist daher für das vorliegende Verfahren überhaupt nicht anwendbar.

4.4.2. Die Bestimmung des § 17 GütbefG umfasst insgesamt 7 Absätze, weshalb es erforderlich gewesen wäre, die verletzte Vorschrift durch Angabe nicht nur des § 17, sondern auch des verletzten Absatzes zu konkretisieren, zumal offensichtlich nicht alle 7 Absätze des § 17 verletzt wurden.

4.4.3. Eine Verletzung des § 17 GütbefG ist gemäß § 23 Abs.1 Z6 leg.cit. zu bestrafen. Die Z3 und Z7 des § 23 Abs.1 GütbefG sanktionieren andere Übertretungen, die aber gegenständlich nicht vorliegen.

Dies hatte auch Auswirkungen auf die Strafbemessung, da die in § 23 Abs.2 GütbefG vorgesehene Mindeststrafe für Übertretungen des § 23 Abs.1 Z6 leg.cit. lediglich 5.000 S beträgt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, dass der Berufungswerber weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

Beschlagwortung: Nichtmitführen eines Frachtbriefes; Tatort; mangelhafter Spruch

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