Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110327/12/Le/Km

Linz, 22.03.2002

VwSen-110327/12/Le/Km Linz, am 22. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Herrn R K, R 2, 3 B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W S, G 42, 3 A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8.11.2001, VerkGe96-112, wegen einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes iVm der Verordnung (EG) 3298/94 idgF., nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 6.3.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungs-strafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8.11.2001 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 23 Abs.1 Z8 iVm § 7 Abs.1 iVm § 23 Abs.1 Z3 Güterbeförderungsgesetz (im Folgenden kurz: GBG) in Verbindung mit der Verordnung (EG) 3298/94 und in Verbindung mit § 7 VStG eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass in Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes ein (näher bezeichneter) Arbeitnehmer auf einem (näher bezeichneten) Parkplatz der Autobahn A  einen grenzüberschreitenden gewerbsmäßigen Güterkraftverkehr (Ladung 22.100 kg Haselnusspaste) vom Beladeort in der Türkei nach Deutschland vorgenommen habe, wobei der Lenker die für diese Transitfahrt erforderlichen Ökopunkte von dem im Führerhaus angebracht EXO-TAG (gemeint: ecotag) nicht abgebucht habe. Der Fahrer habe den Auftrag erhalten, die genannte Fahrt ohne Entrichtung der Ökopunkte vorzunehmen, weshalb der Beschuldigte zu dieser Verwaltungsüber-tretung vorsätzlich beigetragen habe.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 27.11.2001, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu lediglich eine Ermahnung auszusprechen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber an, dass der verfahrensgegenständliche Lkw-Zug keine Transitfahrt durchgeführt hätte. Es wäre vielmehr nur ein Gütertransport von W nach Deutschland durchzuführen gewesen, was keine Ökopunkte erfordere. Die Erstbehörde habe die angebotenen Beweise nicht aufgenommen und das Strafverfahren lediglich zu Lasten des Beschuldigten durchgeführt. Sie lasse die Rechtfertigung des Beschuldigten vom 13.9.2001 völlig unberücksichtigt. Hinsichtlich der Ökopunkte werden im Unternehmen des Beschuldigten regelmäßig Schulungen und Kontrollen durchgeführt und wurde auch der verfahrensgegenständliche Lenker L P T dahingehend regelmäßig geschult und unterrichtet.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat am 6.3.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teil; der Meldungsleger RI H T wurde als Zeuge befragt. Die wesentlichen Aktenteile wurden verlesen.

3.2. Als Ergebnis dieser mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Arbeitnehmer des Berufungswerbers, Herr L P T, holte am 20.7.2001 von der Firma K G S in I 22.100 kg Haselnusspaste ab und brachte diese nach Österreich. Im CMR-Brief Nr. 04606 war als Empfänger die Firma "R H L" in London genannt und als Auslieferungsort des Gutes "W A"; als Einfuhrzollamt war die "S V.A.C. A H 1, M. Zollamt, 3. Stock" angegeben.

Nach Auskunft des Fahrers kam dieser am 22.7.2001 um ca. 20.00 Uhr mit seinem Sattelfahrzeug beim Zollamt N nach Österreich. Er brachte die Ware zum angegebenen Einfuhrzollamt in W, wo am 23.7.2001 die Verzollung stattfand. Daraufhin fuhr der Lkw zur Firma M nach W, wo die Ware nach einer Überprüfung jedoch nicht angenommen wurde.

Der Lenker fuhr daraufhin zum Unternehmenssitz in B und stellte den Lkw mit der gesamten Ladung dort ab.

Der Berufungswerber gab zur Ladung an, dass es sich hierbei um Haselnusspaste handelte, die ständig auf einer Temperatur von 60 Grad gehalten werden musste.

Wie aus dem Telefax der Firma R H Ltd vom 17.7.2001 hervorgeht, waren diese 22.100 kg Haselnusspaste für die J M und Komp. AG in W bestimmt.

Aus dem weiters vorgelegten Telefax der Firma R H Ltd vom 25.7.2001 ist ersichtlich, dass - offensichtlich nach der Annahmeverweigerung durch die Firma M - der verfahrensgegenständliche Sattelzug mit den Kennzeichen ME- und N- nach B umdisponiert wurde; auf diesem Telefax findet sich ein handschriftlicher Vermerk "neuen CMR schreiben, K an R".

Der Berufungswerber gab dazu an, dass dieser Vermerk vom Disponenten der Firma, Herrn O K, angebracht wurde; ob tatsächlich ein neuer CMR-Brief geschrieben wurde, wusste der Berufungswerber nicht.

Tatsache ist jedoch, dass im ursprünglichen CMR-Brief der Auslieferungsort des Gutes ("W A") durchgestrichen und durch die Angabe "B" und ein "D" als Bezeichnung für Deutschland ersetzt wurde. Diesen CMR-Brief führte der Fahrer bei seiner Kontrolle am 29.7.2001 mit und diesen legte er auch dem Kontrollorgan vor.

Der Berufungswerber gab an, dass im Betrieb die Dienstanweisung für die Fahrer bestehe, Ökopunkte abzubuchen, wenn Transitfahrten durchgeführt werden, jedoch keine abzubuchen, wenn keine Transitfahrten durchgeführt werden.

Im vorliegenden Fall wäre der Transport ursprünglich von Istanbul nach W bestimmt gewesen, weshalb seiner Auffassung nach dafür ebensowenig Ökopunkte abzubuchen gewesen wären wie beim Transport von B nach B.

Tatsächlich hatte der Lenker bei der am 29.7.2001 durchgeführten Kontrolle auf dem Parkplatz P 6 der Autobahn A 25 keine Ökopunkte entrichtet, und zwar weder in elektronischer Form durch Abbuchung vom ecotag-Gerät noch in Papierform.

Der Meldungsleger bestätigte als Zeuge den vom Berufungswerber dargestellten Ablauf, wonach der Fahrer des Berufungswerbers bei N nach Österreich eingefahren war, die Ware beim Zollamt W verzollt, dann zur Firma M in W und von dort zur Firma K nach B gebracht habe. Dort hätte er den Auftrag bekommen, die Ladung nach Deutschland zu bringen.

Zur Verzollung gab der Zeuge an, dass diese im EU-Raum nur einmal erforderlich ist. Wo sie im EU-Raum stattfindet, sei egal.

Der Zeuge teilte mit, dass sich auf der Westautobahn bei Enns eine Kontrollstelle für Ökopunkte befindet. Ob dort auch nachträglich Ökopunkte abgebucht werden könnten, konnte er nicht mit Sicherheit sagen.

Eine nach der Verhandlung telefonisch durchgeführte Anfrage bei der Firma K ergab, dass eine solche nachträgliche Abbuchung von Ökopunkten bei den innerhalb Österreichs befindlichen Kontrollstellen nicht möglich ist.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 726 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. EU-Ökopunkteverordnung und Strafbestimmungen:

Die EU-Ökopunkteverordnung (vgl. Verordnung Nr. 3298/94 der Kommission vom 21.12.1994 idF der Verordnung (EG) Nr. 2212/2000) trifft nach ihrer Überschrift Regelungen "über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich".

Dem Berufungswerber wurde eine Verletzung dieser EU-Verordnung vorgeworfen (ohne allerdings diesen Vorwurf durch Anführung des Art.1 Abs.1 der Verordnung zu konkretisieren). Mit dieser Bestimmung wird der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs verpflichtet, bei Transitfahrten Ökopunkte zu entrichten, und zwar entweder durch ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt, oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät ("ecotag"), oder er hat nachzuweisen, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden oder er hat Unterlagen mitzuführen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt.

Zur Beurteilung der Angelegenheit ist daher maßgeblich, ob es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fahrt um eine Transitfahrt handelte oder nicht:

Während die Erstbehörde den Standpunkt vertrat, es hätte sich um eine Transitfahrt gehandelt, weil Ausgangspunkt und Zielpunkt dieser Fahrt jeweils im Ausland gelegen wären, vertrat der Berufungswerber die Auffassung, dass es sich um keine Transitfahrt handelte, weil der ursprüngliche Bestimmungsort in Österreich lag; es hätte sich vielmehr um zwei verschiedene bilaterale Fahrten gehandelt.

Aus dem Ermittlungsverfahren steht als erwiesen fest, dass der Lenker am 20.7.2001 von Istanbul 22.100 kg Haselnusspaste abholte und diese nach W transportierte, wo die Ware zunächst verzollt und dann zur Firma M geliefert wurde. Als Bestimmungsort war laut CMR-Brief W eingetragen und wurde die Ware tatsächlich auch zur Firma M gebracht.

Wegen der Annahmeverweigerung durch die Firma M musste der Empfänger R H Ltd offensichtlich einen neuen Abnehmer suchen, weshalb die 22.100 kg Haselnusspaste schließlich von W nach B umdirigiert wurden. Dies geht aus dem Telefax der Fa. R vom 25.7.2001, das der Fahrer beim Transport mithatte und dem Zollbeamten auch zeigte, eindeutig hervor. Die Ware wurde daher eine Woche nach dem Einfuhrtag mit dem selben Sattelzug nach Deutschland befördert.

4.3. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist hier aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles nicht mehr von einer Transitfahrt zu sprechen:

Es steht fest, dass die Ware ursprünglich von der Türkei nach Österreich transportiert werden sollte. Erst als der ursprünglich vorgesehene Empfänger in W die Annahme der Ware verweigerte, musste über die Ladung neu disponiert werden; offensichtlich wurde ein neuer Abnehmer in Deutschland (B) gefunden, weshalb die Ladung dorthin umdirigiert wurde. Dies geschah jedoch eine Woche nach der Einfahrt in das österreichische Bundesgebiet.

Zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich bestand daher weder seitens des Lenkers noch seitens seines Arbeitgebers, des nunmehrigen Berufungswerbers, die Absicht, eine Transitfahrt durchzuführen. Es war daher auch nicht erforderlich, eine Transitfahrt zu deklarieren.

Es stellt sich daher weiters die Frage, ob der Fahrer bzw. der Berufungswerber als sein verantwortlicher Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, nach Bekanntgabe des neuen Bestimmungsortes, der nunmehr in Deutschland lag, nachträglich Ökopunkte zu entrichten. Dies wäre nur mehr in Papierform möglich gewesen, da elektronische Abbuchungen nur an den dafür bestimmten Grenzübergängen, nicht aber innerhalb Österreichs, möglich sind.

Ein "nachträgliches" Entrichten von Ökopunkten ist allerdings weder in der EU-Ökopunkte-Verordnung noch im Güterbeförderungsgesetz oder an anderer Stelle vorgesehen: Vielmehr ist aus Art.2 der EU-Ökopunkteverordnung ersichtlich, dass die Ökopunkte bei der Einreise auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet werden müssen, wobei die entsprechenden Abstempelungen vor bzw. bei der Einreise vorzunehmen sind.

Dies ist auch durch die zahlreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gesichert (siehe hiezu etwa VwGH v. 14.5.1997, 96/03/0290; 12.9.2001, 99/03/0352).

Ein nachträgliches Entwerten von Ökopunkten ist nach Art.2 dieser Verordnung somit nicht vorgesehen. Wenn eine Transitfahrt ohne Entrichtung der dafür erforderlichen Ökopunkte durchgeführt wird, so ist das Delikt des § 23 Abs.1 Z8 GBG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 106/2001) bereits bei der Einreise verwirklicht worden. Ein nachträgliches Begehen dieses Deliktes ist daher in Wahrheit gar nicht möglich.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der besonderen Umstände davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich noch nicht die Absicht bestand, eine Transitfahrt durchzuführen, weshalb zu Recht auch keine Ökopunkte entrichtet wurden.

Die nachträgliche Änderung des Auslieferungsortes kann dem Transport jedoch nicht mehr (nachträglich) den Charakter einer Transitfahrt verleihen. (Dies wäre nur dann der Fall, wenn von vornherein die versteckte Absicht bestanden hätte, eine Transitfahrt durchzuführen.)

Im gegenständlichen Fall besteht jedoch ein solcher Verdacht einer Umgehungsabsicht nicht: Ein Frächter fährt in fremdem Auftrag, entweder jenem des Absenders oder jenem des Empfängers. Er hat sich dabei nach deren Wünschen zu richten, um die beförderten Waren möglichst rasch von einem Ort zum anderen zu bringen. Es steht daher nicht in seinem Belieben, eine Ladung über Umwege und zeitliche Verzögerungen zum Bestimmungsort zu bringen, nur um Ökopunkte zu "sparen".

Im vorliegenden Fall ist noch dazu zu berücksichtigen, dass es sich beim transportierten Gut um Haselnusspaste handelte, die ständig warm gehalten werden musste und auch nur eine beschränkte Haltbarkeit hat. Weiters, dass zwischen dem Einfahren in das Bundesgebiet und dem Betreten des Lenkers im Zuge der Ausfahrt ein Zeitraum von einer ganzen Woche lag.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass in diesem Fall keine ökopunktpflichtige Transitfahrt vorlag, weshalb die dennoch erfolgte Bestrafung rechtswidrig war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, dass der Berufungswerber weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

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