Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110372/2/SR/Ri

Linz, 27.06.2002

VwSen-110372/2/SR/Ri Linz, am 27. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des Ing. M K, vertreten durch die Lkw W International Transportorganisation AG,I N-S, Straße, W N, diese wiederum vertreten durch Mag. F K, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding, Zl. VerkGe96-421-2001, vom 16. Oktober 2001, zu Recht erkannt.

I. Der Berufung wird stattgegeben und der Verfallsbescheid ersatzlos behoben.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 65/2002 - AVG iVm § 24, § 17 Abs.3, § 32, § 34, § 37 Abs. 5, § 37a Abs. 5, 51c und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 65/2002 - VStG;

zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Im angefochtenen Bescheid wurde dem "Verantwortlichen der B D S s.r.o.(Unternehmer) eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern ohne der hiefür erforderlichen Bewilligung vorgeworfen". Die gemäß § 37a VStG eingehobene Sicherheit wurde gemäß § 37 Abs.5 und § 17 Abs.3 VStG für verfallen erklärt.

In der Begründung hat die Behörde erster Instanz u.a. ausgeführt, dass die B D S s.r.o. der Aufforderung vom 20. September 2001 zur Bekanntgabe des Verantwortlichen gemäß § 9 Abs.1 VStG nicht nachgekommen wäre. Da somit keine bestimmte Person verfolgt bzw. bestraft werden könne, hätte gemäß § 17 Abs.3 VStG der Verfall ausgesprochen werden müssen.

2. Mit Schreiben vom 17. Mai 2002 hat Mag. F K, Vertreter der Lkw W International Transportorganisation AG die Bezirkshauptmannschaft Schärding um Bescheidzustellung ersucht. Darüber hinaus wurde der Behörde erster Instanz mitgeteilt, dass die Lkw W International Transportorganisation AG als "Zustellungsbevollmächtige der beiden Beschuldigten" nominiert worden ist. Die entsprechenden Vollmachten wurden dem Ersuchen beigelegt.

2.1. Am 24. Mai 2002 hat die Behörde erster Instanz der Lkw W International Transportorganisation AG je eine amtliche Kopie des Schreibens vom 20. September 2001 (Ersuchen um Bekanntgabe des Verantwortlichen) und des Bescheides vom 16. Oktober 2001 (Verfall der vorläufigen Sicherheit) übermittelt. Die Absendung der amtlichen Kopien erfolgte am 28. Mai 2002.

2.2. Am 12. Juni 2002 hat der Vertreter die Berufung mittels Fax eingebracht. Eine weitere Ausfertigung wurde am 13. Juni 2002 zur Post gegeben.

In der Begründung führt der Vertreter aus, dass der Verfallsbescheid erst durch "Zustellung an die Lkw W International Transportorganisation AG" rechtswirksam erlassen worden sei. Die Nichtbeantwortung des Schreibens vom 20. September 2001 würde keine hinreichende Begründung für einen Verfallsbescheid darstellen. Da das Schreiben vom 20. September 2001 vom Beschuldigten angenommen worden sei, hätte nicht darauf geschlossen werden dürfen, dass sich die Strafverfolgung als unmöglich erweisen könnte. Durch "amtswegige Nachforschungen (Einholung eines Firmenbuchauszuges oder Einsicht in den Unternehmerbericht) wäre es ein leichtes gewesen, den Geschäftsführer des Beschuldigten herauszufinden". Vor dem Verfallsausspruch hätte die Behörde Schritte der Strafverfolgung setzen müssen (Verweise auf die Judikatur der UVS von Oberösterreich und Burgenland).

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding.

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 22. August 2001 hat K J für die B D S s.r.o. einen gewerblichen Gütertransport ohne Genehmigung durchgeführt. Im Zuge der Amtshandlung hob der Meldungsleger GrInsp T bei K J den Betrag von 20.000 Schilling als vorläufige Sicherheit ein (BlockNr. 040681, Fortl. Zl. 09), und bezeichnete die §§ 37a Abs. 2 Z2 VStG und 24 GütbefG als Rechtsgrundlage für die Einhebung.

Im Anhang an die Anzeige befindet sich eine Erklärung des K J. Darin bezeichnet der Fahrer "Hr. H von der Lkw W International Transportorganisation AG als Zustellungsbevollmächtigten im Verfahren wegen gewerblicher Güterbeförderung am 22.08.2001 ohne der erforderlichen Güterbeförderungsgenehmigung".

Mit Schreiben vom 20. September 2001 hat die Behörde erster Instanz das Unternehmen "B D S s.r.o., V , CZ V B, Tschechien" ersucht, den gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich Verantwortlichen bekannt zugeben. Obwohl der Empfänger (das Unternehmen) genau bezeichnet worden ist, wurde das behördliche Ersuchen am 3. Oktober 2001 der Lkw W International Transportorganisation AG in W N (Poststempel und Firmenstempel) zugestellt.

Am 16. Oktober 2001 hat die Behörde erster Instanz die Zustellung des angefochtenen Bescheides mit der Zustellverfügung "An den Verantwortlichen der B D S s.r.o., V, CZ V B, Tschechien", gemäß der §§ 10 und 23 ZustellG ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen.

Der Vertreter hat dem Schreiben vom 17. Mai 2002 die Vollmacht des Ing. M, Geschäftsführer der B D S s.r.o. beigelegt und diese als "Zustellungsvollmacht" bezeichnet. Tatsächlich schließt die Vollmacht u.a. auch die Erhebung von Rechtsmittel mit ein.

Am 24. Mai 2002 (zur Post gegeben am 28. Mai 2002) hat die Behörde erster Instanz dem Vertreter eine amtliche Kopie des angefochtenen Bescheides übermittelt.

Die Zustellung des Bescheides vom 16. Oktober 2001 erfolgte am 29. Mai 2002. Dagegen hat der Vertreter am 12. Juni 2002 Berufung erhoben.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 34 VStG (Ausforschung):

Ist der Täter oder der Aufenthalt des Beschuldigten unbekannt, so hat die Behörde den Sachverhalt möglichst ins klare zu bringen und Nachforschungen nach dem Beschuldigten einzuleiten. Solche Erhebungen sind abzubrechen, sobald die weitere Verfolgung aussichtslos erscheint oder der hiefür erforderliche Aufwand in einem Missverhältnis zum Grad und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlicher Interessen steht.

§ 37 Abs.5 VStG:

Die Sicherheit kann für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 17 Abs.3 VStG:

Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann auf den Verfall selbstständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.

§ 10 ZustellG:

Einer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen Beteiligten kann von der Behörde aufgetragen werden, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden mindestens zweiwöchigen Frist für ein bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wird diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen. Der Auftrag, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, muß einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten.

§ 23 Abs.1 ZustellG:

Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß eine Sendung ohne vorübergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

4.2. Die Vornahme von Nachforschungen liegt nicht im Ermessen der Behörde, sondern diese ist vielmehr von Amts wegen dazu verpflichtet. Das VStG regelt die Mittel der Nachforschungen nicht.

Aber mit diesem behördlichen Ersuchen an das "beschuldigte Unternehmen" wird die Behörde erster Instanz dem gesetzlichen Auftrag - Nachforschungen anzustellen - nicht gerecht. Die Behörde erster Instanz hätte beispielsweise eine Auskunft beim zuständigen tschechischen Firmenbuchgericht einholen können um den Verantwortlichen des Unternehmens zu eruieren.

Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz wurde die Anfrage auch nicht dem Unternehmen "B D S s.r.o." zugestellt. Die Aktenlage lässt eindeutig erkennen, dass trotz der Zustellverfügung " B D S s.r.o, V, CZ V B, Tschechien" die Aufforderung zur Bekanntgabe des Verantwortlichen dem nunmehrigen Bevollmächtigen zugestellt worden ist. Ob der Bevollmächtige schon zu diesem Zeitpunkt auch der Zustellungsbevollmächtigte war, hat die Behörde erster Instanz trotz des Hinweises in der Anzeige (Erklärung des Fahrers im Anhang der Anzeige) nicht geklärt. Nach der Aktenlage ist die Behörde erster Instanz nicht von einer Zustellungsbevollmächtigung ausgegangen.

Es kann somit dahingestellt bleiben, ob das Ersuchen an das Unternehmen "B D S s.r.o." nicht in tschechischer Sprache abzufassen gewesen wäre, um allenfalls in Ansätzen von einer Nachforschung sprechen zu können.

Keinesfalls ist jedoch die fehlgeleitete Anfrage als Nachforschung zu betrachten.

Durch die unzureichende Nachforschung bzw. dem Untätigbleiben konnte sich die Behörde zu Recht auf die §§ 35 Abs.5 und 17 Abs.3 VStG stützen.

4.3. Die Behörde hat sich in der Zustellverfügung auf § 10 ZustellG bezogen und den Bescheid in Verbindung mit § 23 ZustellG bei der Behörde hinterlegt. Eine Hinterlegung bei der Behörde ist gemäß § 10 ZustellG nur dann vorzunehmen, wenn die Partei dem behördlichen Auftrag - Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten - nicht fristgerecht nachgekommen ist. Dem Verwaltungsakt kann kein derartiger Auftrag entnommen werden.

Aus § 23 ZustellG alleine lässt sich keine Berechtigung zur Hinterlegung des Bescheides bei der Behörde ableiten. § 23 Abs.1 ZustellG verweist auf eine gesetzliche Vorschrift. Der von der Behörde in Anspruch genommene § 10 ZustellG kann schon aus obigen Überlegungen nicht herangezogen werden.

Die Hinterlegung bei der Behörde erster Instanz war somit nicht zulässig. Durch die mangelhafte Zustellung wurde der angefochtene Bescheid zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen.

4.4. Eine Heilung des Zustellmangels ist erst mit der Übermittlung der "amtlichen" Kopie des Bescheides an den ausgewiesenen Vertreter erfolgt. Der angefochtene Bescheid wurde der Post am 28. Mai 2002 zur Beförderung übergeben. Die am 12. Juni 2002 eingebrachte Berufung ist daher rechtzeitig eingebracht worden.

4.5. Gemäß § 37a Abs.5 i.V.m. § 37 Abs.5 VStG wird die vorläufige Sicherheit frei, wenn nicht binnen sechs Monaten der Verfall ausgesprochen wird.

Unstrittig ist, dass die vorläufige Sicherheitsleistung am 22. August 2001 durch ein besonders geschultes Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eingehoben und der Verfall durch Bescheid vom 16 Oktober 2001, zugestellt und erlassen am 29. Mai 2002, ausgesprochen worden ist.

Gemäß § 32 Abs.2 AVG enden nach Monaten bestimmte Fristen mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Die Frist wäre nur dann gewahrt gewesen, wenn der Verfall mittels Bescheid bis spätestens 22. Februar 2002 ausgesprochen (dh erlassen) worden wäre. Da - wie bereits ausgeführt - der Verfall erst am 29. Mai 2002 ausgesprochen worden ist, war eine behördliche Verfügung über die ex lege frei gewordene, vorläufige Sicherheit nicht mehr zulässig. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos zu beheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider