Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280644/46/Wim/Sta

Linz, 22.03.2006

 

 

 

VwSen-280644/46/Wim/Sta Linz, am 22. März 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in 1010 Wien, gegen den die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verfügenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5.9.2002, Zl. Ge96-2584-2001, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 17. Jänner 2006 und 27. Februar 2006, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Bescheides wie nachstehend geändert wird:

"Herr G S, O, F a H, hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 strafrechtlich verantwortliche zur Vertretung nach außen berufene Organ der G. & G. S B mbH mit Sitz in A. als Arbeitgeberin zu verantworten, dass am Montag, den 16.7.2001 auf der Baustelle in T, S (Umbau einer Sendeanlage im Umspannwerk EVN) Bauarbeiten ohne geeignete Absturzsicherungen durchgeführt wurden, obwohl Absturzgefahr bestand und bei Öffnungen und Vertiefungen im Erdboden, wie Schächten, geeignete Absturzsicherungen angebracht werden müssen.

Es wurden durch ihn dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idgF iVm § 8 Abs.1 und § 7 Abs.2 Z1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Stunden gemäß § 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG verhängt."

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24 sowie 19 und 44a Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten hat mit Schreiben vom 21. November 2001, Zl. 1218/121-51/2001, nachstehenden Strafantrag mit folgendem hier relevanten Inhalt gestellt:

Anlässlich eines schweren Arbeitsunfalls auf der gegenständlichen Baustelle am 16.07.2001, dessen Ursache in einer Übertretung umseitig noch näher bezeichneter Arbeitnehmerschutzvorschriften liegt, wird auf Grund § 9 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, BGBl. Nr. 27, (ArbIG) iVm § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 hiermit die Anzeige erstattet und beantragt, über die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (siehe Seite 2) eine Geldstrafe von
S 20.000,--- (Schilling zwanzigtausend) zu verhängen.

 

Anlässlich einer am 16.07.2001 durchgeführten Amtshandlung durch die Gendarmerie im Zuge einer Erhebung eines schweren Arbeitsunfalls auf der Baustelle T, S, Umbau Sendeanlage im Umspannwerk EVN, auf welcher Arbeitnehmer des Unternehmens G. & G. S B., A, O, Bauarbeiten durchgeführt haben, wurde folgender Sachverhalt bekannt:

Obwohl Absturzgefahr von ca. 3 m in einen Schacht bestand, waren keine geeigneten Absturzsicherungen angebracht.

Dies stellt eine Übertretung des § 8 Abs.1 iVm § 7 Abs.2 Z1 Bauarbeiterschutzverordnung, BauV, BGBl. Nr. 340/1994 dar, wonach bei Öffnungen und Vertiefungen im Erdboden, wie Schächten, geeignete Absturzsicherungen angebracht werden müssen.

 

Das beantragte Strafausmaß wird damit begründet, dass die Missachtung der angeführten Verwaltungsvorschrift zu einem schweren Arbeitsunfall geführt hat, also die Tat schwerwiegende Folgen hatte.

 

1.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. September 2002 wurde das gegen Herrn G S wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung eingeleitete Strafverfahren eingestellt, weil mit der innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG einzigen Verfolgungshandlung, nämlich der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Dezember 2001, eine Darstellung des Tatvorwurfes erfolgt sei, die "nicht dem tatsächlichen Geschehen entsprochen" habe, sodass Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs.1 und 2 VStG eingetreten sei.

 

Die dagegen vom Arbeitsinspektorat eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 1. Juli 2003, VwSen-280644/2/Kon/He, als unbegründet abgewiesen.

 

Auf Grund einer vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. April 2005, Zl. 2003/02/0182-7, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung wurde vom Verwaltungsgerichtshof angeführt, dass der erhobene Tatvorwurf als auch die dem Strafverfahren zu Grunde liegende Verfolgungshandlung sehr wohl ausreichend konkretisiert waren.

 

 

2. Da auf Grund dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren wieder in das Stadium zum Zeitpunkt der Berufung unter Bindung an die Rechtsansicht des Höchstgerichtes zurückversetzt wurde und wegen Nichteinrechenbarkeit der Dauer des VwGH-Verfahrens in die Strafbarkeitsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.3 VStG, hat der Unabhängige Verwaltungssenat ein weiteres Ermittlungsverfahren samt zwei mündlichen Verhandlungen am 17. Jänner und 27. Februar 2006 durchgeführt.

 

Vom Beschuldigten wurde in diesem Verfahren zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht zu verantworten habe, da der gegenständliche Arbeitsunfall nicht dadurch passiert sei, dass der Arbeiter J L in den 3 m tiefen Schacht klettern wollte, ausrutschte und in die Grube stürzte, sondern er sich vielmehr deswegen verletzt habe, weil er auf einen Betonschachtring aufgestiegen sei, um sich mit dem Bagger aus dem Schacht herausheben zu lassen. Dabei dürfte sich eine Kette, an welcher der Betonschachtring befestigt war, gelöst haben, sodass J L zu Boden stürzte und sich dabei verletzte.

Auf Grund der technischen und örtlichen Gegebenheiten sei die Anbringung von Absturzsicherungsmaßnahmen nicht möglich gewesen. Weiters seien diese Absturzsicherungen auch nicht erforderlich gewesen, weil sich am Rand des Schachtes kein Arbeitnehmer aufgehalten habe und dies auch nicht beabsichtigt gewesen sei. Der beim gegenständlichen Arbeitsunfall verletzte Arbeitnehmer sei nicht über den Rand des Schachtes in diesen hineingestiegen, sondern über eine zum Schacht hinzuführende Künette dorthin gelangt.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Jänner 2006 wurde noch zusätzlich zum Beweis dafür, dass im vorliegenden Fall die Anbringung von Absperrsicherungen auf Grund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich und im Hinblick auf die Dauer der Arbeiten und der Arbeitsvorgänge selbst nicht sinnvoll gewesen sei und darüber hinaus die Anbringung derartiger Absperrvorrichtungen deswegen nicht erforderlich gewesen sei, weil sich am Rand des Schachtes weder Arbeitnehmer aufgehalten haben, noch dies geplant gewesen sei, beantragt:

  1. Die neuerliche Ladung und Einvernahme des Zeugen A K,

  2. die Durchführung eines Ortsaugenscheines an der seinerzeitigen Unfallstelle in T,

  3. die Beischaffung der Originallichtbilder, welche dem Bericht des Gendarmeriepostens T angefügt waren und

  4. die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Bauwesens.

 

Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurde in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2006 der Zeuge A K einvernommen. Weiters wurde für diese Verhandlung auch der bezughabende Strafakt des Bezirksgerichtes T angefordert in dem sich auch die Originallichtbilder des Gendarmeriepostens T befanden. Zusätzlich wurde auch Einsicht in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt genommen.

 

3.1. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht folgender entscheidungsrelevante Sachverhalt fest:

Am 16. Juli 2001 wurde an der im Spruch angeführten Baustelle ein Aushub für die Errichtung eines neuen Sickerschachtes im Durchmesser von ca. 1,5 bis 2 m und einer Tiefe von ca. 2,5 bis 3 m ausgehoben. Rund um diesen Schacht waren während der Aushub- und Montagearbeiten für den Sickerschacht zumindest bis zum gegenständlichen Arbeitsunfall um ca. 17.05 Uhr keine Absturzsicherungsmaßnahmen angebracht. Ebenfalls zu dieser Zeit war auf der einen Seite des Schachtes eine Künette gegraben, die in den neu errichteten Schacht führte. Rechts dieser hineinführenden Künette befand sich im Abstand von ca. einem halben Meter ein Gebüsch. Gegenüber der hineinführenden Künette war ein Lastwagen rückwärts zum Schacht hin abgestellt, auf dem Schachtringe für den Sickerschacht geladen waren und linksseitig war eine Aufschüttung mit Aushubmaterial vorhanden. Ein Bagger stand links neben dem geparkten Lkw und führte die Arbeiten zum Versetzen der Schachtringe durch. Dabei kam es zu dem im Vorbringen beschriebenen Arbeitsunfall. Die Dauer der gegenständlichen Bauarbeiten beim Schacht betrug ca. 1 Stunde bis zum Arbeitsunfall und insgesamt etwa einen halben Tag.

Die mangelnde Absperrsicherung war für den eingetretenen Arbeitsunfall nicht ursächlich.

 

3.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem Gendarmerieprotokoll bzw. der dem Gerichtsakt angeschlossen Lichtbildbeilage in der die örtlichen Verhältnisse ersichtlich sind.

 

Vor allem bezüglich des Ablaufes des Geschehens und auch der örtlichen Verhältnisse rund um die Baugrube wurden von sämtlichen drei Zeugen im Wesentlichen übereinstimmende Aussagen gemacht. So haben alle Zeugen angegeben, dass unmittelbar um den Schacht keine Sicherungsanlagen angebracht waren und wurde dies auch vom Beschuldigten nicht bestritten.

Die exaktesten Schilderungen der örtlichen Verhältnisse rund um den Schacht wurden vom Zeugen A K gegeben unter Vorhalt der angefertigten Lichtbilder aus dem Gendarmerieprotokoll. Da er als Baggerfahrer sicherlich den besten Überblick über die örtliche Situation hatte und er diese unter Zuhilfenahme der Lichtbilder glaubwürdig dargelegt hat, sieht der Unabhängige Verwaltungssenat seine Schilderung, als die den Tatsachen am exaktesten entsprechende an. Sie wird wie gesagt auch durch die anderen Zeugen im Grunde gestärkt, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, dass der Tatzeitpunkt in etwa schon fast 5 Jahre zurückliegt.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt wiedergegebenen Bestimmungen zuwiderhandelt.

Im 9. Abschnitt des ASchG regelt § 118 die Vorschriften über Bauarbeiten und bildet die Grundlage für die Geltung der Bauarbeiterschutzverordnung.

 

§ 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) lautet:

Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

§ 7 Abs.2 Z1 BauV lautet:

Absturzgefahr liegt vor bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschossdecken, wie Installationsöffnungen oder in Dächern wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen.

 

§ 7 Abs.3 BauV lautet:

Müssen zur Durchführung von Bauarbeiten Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfernt werden, sind geeignete andere Schutzmaßnahmen zu treffen, wie die Verwendung persönlicher Schutzausrüstungen. Nach Beendigung oder Unterbrechung solcher Arbeiten ist unverzüglich dafür zu sorgen, dass diese Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen wieder angebracht oder andere gleichwertige Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Abs. 4 dieser Bestimmung lautet:

Die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) kann entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

 

§ 8 Abs.1 BauV lautet:

Geeignete Absturzsicherungen sind

  1. tragsichere oder unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder

  2. Umwehren (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen.

§ 8 Abs.2 BauV lautet:

Brust-, Mittel- und Fußwehren müssen aus widerstandsfähigem Material hergestellt und so befestigt sein, dass sie nicht unbeabsichtigt gelöst werden können. Werden Wehren aufgesteckt oder mit Klammern oder Nägeln befestigt, müssen sie derart angebracht sein, dass sie bei Belastung gegen die Stützen gedrückt werden. Brustwehren müssen in mindestens 1 m Höhe über den Arbeitsplätzen oder Verkehrswegen angebracht und für eine waagrecht angreifende Kraft von 0,30 kN in ungünstigster Stellung bemessen werden. Fußwehren müssen mindestens 12 cm hoch sein. Mittelwehren müssen zwischen Brustwehren und Fußwehren derart angebracht werden, dass die lichten Abstände zwischen den Wehren nicht mehr als 47 cm betragen.

 

4.2. Vom Vertreter des Arbeitsinspektorates wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass zweckmäßige und regelungskonforme Absicherungsmaßnahmen in der Errichtung von drei Stehern, verbunden mit jeweils drei Latten in Form eines Brust-, Mittel- und Fußwehres mit einer Stärke von ca. 2,5 cm aus Holz bestanden hätten.

 

Grundsätzlich wurde die Tatsache, dass unmittelbar um den ausgehobenen Schacht keine Absturzsicherungsmaßnahmen angebracht waren, von keinem der Beteiligten und auch nicht vom Beschuldigten bestritten.

Aus den vorhin zitierten arbeitsrechtlichen Vorschriften geht eindeutig hervor, dass solche Absturzsicherungen im konkreten Fall anzubringen gewesen wären.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ergibt sich aus den räumlichen Verhältnissen eindeutig, dass eine derartige Absicherung ohne Weiteres angebracht hätte werden können. Nachdem rund um den Schacht auch an der engsten Stelle zumindest ein halber Meter Abstand vorhanden war, hätten derartige Steher durch erfahrene Bauarbeiter auch entsprechend standsicher verankert werden können, noch dazu wo aus den Aussagen des Baggerfahrers, des Zeugen A K ableitbar ist, dass der Untergrund eher hart und zumindest verdichtet war und im unteren Bereich des Schachtes sogar geschrämt werden musste, um die endgültige Tiefe zu erreichen. Auch der Lkw bzw. das Aushubmaterial, das ebenfalls auf den verschiedenen Seiten des Schachtes gelagert bzw. vorhanden war, hätten durchaus so platziert werden können, dass die Steher mit den entsprechenden Wehren standsicher angebracht hätten werden können.

Auch durch die befragten Zeugen bzw. auch durch den Beschuldigten wurde zwar immer wieder einerseits angegeben, dass eine Absturzsicherung zum Teil auch als nicht errichtbar angesehen wurde, in den Hauptaussagen wurde jedoch immer auf die Unzweckmäßigkeit von derartigen Absperrungsmaßnahmen hingewiesen. Dies wurde auch durch den Beschuldigten selbst in seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht.

 

Da bereits aus den vorhandenen Lichtbildern in Verbindung mit den Aussagen der Parteien und Zeugen die obigen Beweisergebnisse zweifelsfrei erhoben werden konnten, war die Durchführung eines Lokalaugenscheines und die Befassung eines Bausachverständigen entbehrlich, wobei hinzukommt dass den Angaben des in den öffentlichen mündlichen Verhandlungen anwesenden Vertreters des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, dass derartige Absperrungen durchaus errichtbar gewesen wären, auf Grund seiner allgemeinen Fachkompetenz große Beweiskraft zukommt.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ist es durchaus nachvollziehbar, dass es in der Praxis durchaus zu Änderungen des Arbeitsablaufes durch entsprechende regelkonforme Absperrungen kommen kann, die von den Beteiligten auch als hinderlich empfunden werden können. Dies ändert jedoch nichts an der Verpflichtung solche Absperrungen anzubringen, um den arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften nachzukommen und letztendlich generell auch Arbeitsunfälle zu verhindern.

Überdies hätte durch entsprechende Gestaltung des Arbeitsablaufes (Gestaltung der Platzverhältnisse um den Schacht) und entsprechende Geräteauswahl (Bagger mit entsprechend großer Ausschwenklänge) die Abwicklung des Bauvorhabens auch mit den Absturzsicherungen durchgeführt werden können.

 

Auch wenn sich am Schachtrand keine Arbeitnehmer aufgehalten haben sollten, ändert dies nichts an der Notwendigkeit zum Anbringen dieser Schutzvorrichtungen, da bei derartigen Baustellen niemals ausgeschlossen werden kann, dass sich nicht doch Personen dem Schacht nähern und in Absturzgefahr kommen könnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier nicht nur auf die Situation zum Zeitpunkt des Eintretens des Arbeitsunfalls ankommt, zu dem die Schachtbereiche zugegebener Maßen durchaus erschwert zugänglich waren, sondern auf die Dauer der gesamten Baumaßnahmen.

 

Zum Einwand, dass auf Grund der kurzen Dauer der Bauarbeiten (ca. 1 Stunde bis zum Arbeitsunfall bzw. auch insgesamt etwa nur einen halben Tag) ist anzuführen, dass grundsätzlich auch für kurzfristige Arbeiten entsprechende Absturzsicherungen anzubringen sind. Die Ausnahme des § 7 Abs.4 BauV über den Entfall der Anbringung von Absturzsicherungen ist nur dann gegeben, wenn der erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist.

Das Einschlagen von drei Holzstehern und das Anbringen von den dazugehörigen Holzlatten kann in diesem Zusammenhang mit Sicherheit nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn die Baustelle insgesamt für zumindest einen halben Tag angesetzt war.

 

Der objektive Tatvorwurf ist somit als gegeben anzunehmen.

 

4.3. Vom Beschuldigten wurde überdies zugestanden, dass er keine Kontrolle der Absicherungsmaßnahmen wegen der großen Entfernung der Baustelle vom Firmensitz und der Kurzfristigkeit der Baumaßnahmen vorgenommen oder veranlasst hat. Damit wurde auch kein entsprechendes Kontroll- und Überwachungssystem eingerichtet.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Diese Voraussetzungen treffen auf den Beschuldigten zu. Der bloße Hinweis auf die Entfernung der Baustelle bzw. auf eine Kurzfristigkeit der Bauarbeiten entbindet nicht davon, ein entsprechendes Kontroll- und Überwachungssystem zu installieren, dass die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherstellt.

 

Der Beschuldigte hat somit die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

 

4.4. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß Abs.2 sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

In Anwendung dieser Bestimmungen ist der Unabhängige Verwaltungssenat bei der Strafbemessung von den Einkommensverhältnissen und Familienverhältnissen des Beschuldigten, die er in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bekannt gegeben hat (Einkommen von 3.000 Euro, Sorgepflicht für 4 minderjährige Kinder, Ehegattin übt ein Kleingewerbe aus) ausgegangen.

Erschwerungsgründe sind keine ersichtlich.

Als Milderungsgründe kommen vor allem in Betracht, dass der Beschuldigte bisher keine einschlägigen Verwaltungsvorstrafen wegen Übertretung arbeitsrechtlicher Vorschriften aufweist, sowie vor allem auch der Umstand, dass die mangelnde Absperrsicherung für den eingetretenen Arbeitsunfall nicht ursächlich war.

 

Es war daher dem beantragten Strafmaß in der Anzeige des Arbeitsinspektorates, das damit begründet wurde, dass die Missachtung der angeführten Verwaltungsvorschriften zu einem schweren Arbeitsunfall geführt hat, also die Tat schwerwiegende Folgen hatte, nicht zu folgen und im Gegensatz zum Strafantrag die Strafe massiv niedriger anzusetzen.

 

Ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gemäß § 20 VStG oder gar ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG wegen geringfügigen Verschuldens des Beschuldigten und unbedeutenden Folgen der Übertretung war jedoch nicht möglich, da der Vorfall genau so zu beurteilen war, als wenn der Arbeitsunfall überhaupt nicht passiert wäre.

Auch in einem solchen Fall ist allein auf Grund des Verstoßes gegen die arbeitsrechtlichen Vorschriften bei den gegebenen Verhältnissen mit der Verhängung einer Strafe vorzugehen.

 

4.5. Da im Erstbescheid keine Strafe und damit auch kein Kostenbeitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt wurde und die Berufung nicht durch den Beschuldigten erhoben wurde entfällt jegliche Kostenvorschreibung gem. § 64 und 65 VStG (s. VwGH v. 19.5.1993, 92/09/0031).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Wimmer

 

 

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 11.08.2006, Zl.: 2006/02/0105-5

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