Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-110549/2/Kl/Pe

Linz, 09.03.2004

 

 

 VwSen-110549/2/Kl/Pe Linz, am 9. März 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung der B S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 9.12.2003, VerkGe96-154-2003, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 2, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 9.12.2003, VerkGe96-154-2003, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z9 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4 erster Satz der Verordnung (EWG) Nr.881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002, verhängt, weil sie die für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortliche Person der BS L GmbH ist und Verwaltungsstrafen gemäß § 9 VStG somit gegen sie zu verhängen sind. Die BS L GmbH hat mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen eine Güterbeförderung (Transport von Trauben) von der Türkei durch Österreich nach Deutschland durchgeführt und für diesen Transport den türkischen Staatsangehörigen A K als Fahrer verwendet. Sie hat hierbei der Verpflichtung nicht entsprochen, dem Fahrer eine Fahrerbescheinigung zur Verfügung zu stellen, welche der Lenker den Kontrollberechtigten auf Verlangen hätte vorzeigen können, obwohl der Fahrer ein Fahrzeug im grenzüberschreitenden Verkehr mit einer der Firma BS Lo GmbH als Verkehrsunternehmen erteilten Gemeinschaftslizenz geführt hat. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am: 28.9.2003 um: 14.00 Uhr an folgendem Ort: Innkreisautobahn A8, aus Richtung Sattledt kommend, bei ABkm. 49,6, Autobahnparkplatz "Grübl Nord", Gemeindegebiet Peterskirchen, Bezirk Ried/Innkreis, festgestellt.

Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist - mit einer Fahrerbescheinigung, die der Verkehrsunternehmer dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und diese damit begründet, dass der europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 21.10.2003 ausdrücklich bestätigt hat, dass türkische Staatsangehörige, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, durch die Stillhalteklausel geschützt sind. Vorsorglich werde auch noch gegen die Höhe der Geldstrafe Berufung erhoben und ein monatliches Einkommen in Höhe von 500 Euro angeführt. Es wurde um die Einstellung des Verfahrens ersucht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches und nach außen vertretungsbefugtes Organ der BS L GmbH vorgeworfen, dass die BS L GmbH die im Spruch des Straferkenntnisses näher angeführte gewerbliche Güterbeförderung durch einen Lenker, welcher türkischer Staatsangehöriger ist, vornehmen ließ und dabei der Verpflichtung nicht nachgekommen ist, dem Fahrer eine Fahrerbescheinigung zur Verfügung zu stellen, obwohl der Fahrer ein Fahrzeug im grenzüberschreitenden Verkehr mit einer Gemeinschaftslizenz durchgeführt hat.

 

Mit diesem Tatvorwurf wird der Beschuldigten vorgeworfen, dem namentlich genannten Fahrer die erforderliche Fahrerbescheinigung nicht zur Verfügung gestellt zu haben und somit eine Zuwiderhandlung gegen die Anordnung gemäß Art.6 Abs.4 der Verordnung (EWG) Nr.881/92 idF der Verordnung (EG) Nr.484/2002 begangen zu haben, wonach die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers ist, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z9 Güterbeförderungsgesetz idF BGBl. I Nr.32/2002 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu bestrafen ist, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 2 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Nach dem zitierten Tatvorwurf hat die Beschuldigte der bereits näher ausgeführten Verpflichtung der Zurverfügungstellung der Fahrerbescheinigung nicht entsprochen, also nicht gehandelt, obwohl sie hätte handeln sollen. Allerdings ist die Handlung am Sitz des Güterbeförderungsunternehmens vorzunehmen, weil von dort aus die Fahrerbescheinigung beantragt wird und dann auch dem jeweiligen Fahrer zur Verfügung gestellt wird bzw. die beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren ist. Tatort iSd vorzitierten Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG ist daher der Sitz der BS L GmbH in Stuttgart. Gemäß der Reglung des § 2 Abs.1 VStG sind aber nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar.

 

Es ist daher die gegenständliche Verwaltungsübertretung mangels eines Tatortes im Inland nicht strafbar. Es war daher das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

5.2. Eine ausdrückliche gesetzliche Sonderregelung, die § 2 Abs.1 erster Halbsatz VStG verlangt, wurde hingegen nicht getroffen.

 

Gemäß § 23 Abs.3 GütbefG wird nämlich eine Sonderregelung nur dahingehend getroffen, dass ein Unternehmer nur dann nach Abs.1 Z3 und Z6 strafbar ist, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG wird unter Strafe gestellt, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt.

 

In § 7 Abs.1 GütbefG sind die Berechtigungen taxativ aufgezählt und ist in Z1 dieser Gesetzesstelle die Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr.881/92 angeführt. Auf die allenfalls mit einer Gemeinschaftslizenz verbundene Fahrerbescheinigung wird nicht Bezug genommen. Gemäß dem Grundsatz der restriktiven Auslegung von Verwaltungsstraftatbeständen und dem Grundsatz, dass als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (§ 1 Abs.1 VStG), war daher die Sonderregelung über einen im Inland liegenden Tatort nicht auf die gegenständliche Verwaltungsübertretung auszudehnen. Auch in § 9 Abs.1 GütbefG hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs.1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden. Da ausdrücklich auf die angeführten Berechtigungen Bezug genommen wird und nur die Gemeinschaftslizenz angeführt wird, war auch in diesem Wege eine Sonderregelung hinsichtlich der Strafbarkeit nach § 23 Abs.3 GütbefG nicht abzuleiten.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 

 
Beschlagwortung:
Fahrerbescheinigung, Tatort im Ausland, keine weitere Auslegung, keine Analogie, keine Strafbarkeit

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum