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des Landes Oberösterreich
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VwSen-110552/2/Kl/Pe

Linz, 23.03.2004

 

 

 VwSen-110552/2/Kl/Pe Linz, am 23. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung der C S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L J K und Dr. J M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 22.12.2003, VerkGe96-98-2003, wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 22.12.2003, VerkGe96-98-2003, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.3 GütbefG iVm Art.1 Abs.1 lit.a bis b Verordnung Nr. 3298/94 und 1524/96 verhängt, weil sie es als gewerberechtliche Geschäftsführerin der S S mbH, welche im Standort, die Konzession für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit 158 Lkw des Straßenverkehrs (Güterfernverkehr) ausübt, zu verantworten hat, dass Herr C K, wie am 10.5.2002 gegen 8.30 Uhr auf der Tauernautobahn A 10, Höhe Parkplatz Rennweg/Ried, im Gemeindegebiet von Rennweg am Katschberg anlässlich einer Zollkontrolle festgestellt wurde, als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit dem österreichischen Kennzeichen (A) und Sattelanhänger mit dem niederländischen Kennzeichen (NL), eine Transitfahrt im grenzüberschreitenden gewerbsmäßigen Güterbeförderungsverkehr (Ausgangsland Italien - Zielland Frankreich), für welche Ökopunkte benötigt werden, durchgeführt hat, ohne dem Fahrer vor Fahrtantritt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten übergeben zu haben und den Fahrer nicht darüber belehrt zu haben, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkte zu treffen hat, obwohl jeder Unternehmer, der veranlasst, dass eine Fahrt durch Österreich durchgeführt wird, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000 (Ökopunkteverordnung) Ökopunkte zu entrichten sind, dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von gültigen Ökopunkten zu übergeben hat und er den Fahrer darüber zu belehren hat, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher Rechtswidrigkeit in Folge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wurde und beantragt wurde, das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. In einer Berufungsergänzung wurde dazu dargelegt, dass der Fahrer bei der Einstellung einer ausführlichen Einschulung unterzogen wurde, insbesondere auch hinsichtlich der Einhaltung der Ökopunkteverordnung und des eigenständigen Ausfüllens bzw. Ergänzens unvollständiger Frachtbriefe. Ergänzende Einschulungen finden auch in Form von Rundschreiben und Ergänzungen des Fahrerhandbuches statt. Auch gäbe es bereits eine Übersetzung des Fahrerhandbuches in der Landessprache der jeweiligen Fahrer. Der Lenker wusste daher sehr wohl, ob für eine Fahrt Ökopunkte notwendig sind, was auch aus der Aussage dieses Zeugen ersichtlich ist, weil er Herrn S gefragt hat, wie er zu Ökopunkten komme. Auch kann von einem Berufskraftfahrer erwartet werden, auch wenn er der deutschen Sprache nicht vollständig mächtig ist, dass er die im internationalen Transitverkehr geltenden Rechtsvorschriften kennt und anhand der ihm übergebenen Musterfrachtbriefe und der ihm erteilten Einschulung in der Lage ist, einen Frachtbrief dementsprechend auszufüllen. Ob Frachtbriefe vollständig ausgefüllt werden, wird in der Fahrerabrechnung durch Frau P S kontrolliert und werden die jeweiligen Fahrer auch entsprechend aufmerksam gemacht und sanktioniert. Auch sei die Feststellung unrichtig, dass der Lenker eine Transitfahrt von Italien nach Frankreich durchführen sollte, für welche Ökopunkte benötigt werden. Richtig und nach eingehender Prüfung bestätigt wäre, dass er angewiesen wurde, nach der Beladung in Italien einen Frachtbrief mit dem Bestimmungsort Peuerbach zu schreiben, weil Bestimmungsort der gegenständlichen Ladung nicht Frankreich gewesen ist, sondern Peuerbach. Dies ergibt sich auch aus der Aussage des Lenkers bei seiner Anhaltung, dass er nach Peuerbach fahren muss, um die Zugmaschine zu wechseln. Ansonsten wäre der kürzeste Weg für diesen Transport von Castelfidardo über die Schweiz nach Frankreich, wofür aber keine Ökopunkte benötigt worden wären. Auch die Route Brenner-Kiefersfelden wäre wesentlich kürzer als die Route über Peuerbach. Vielmehr war am gegenständlichen Auflieger dringend eine durchzuführende Reparatur geplant, weshalb der Transport bis Peuerbach durchgeführt werden sollte. Das Ladegut wurde dann auf den Auflieger umgeladen und nach Frankreich weitertransportiert, wofür auch ein CMR-Frachtbrief vorgelegt wird. Es lag sohin keine Transitfahrt vor, sondern ein bilateraler Transport. Darüber hinaus wurde auch geltend gemacht, dass der genannte Fahrer nicht bei der Firma S SgmbH beschäftigt war, sodass diese nicht tatsächlicher Dienstgeber war. Dienstgeber des Lenkers war F T.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskrichen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs.3 GütbefG 1995, BGBl. Nr.593, idF BGBl. I Nr.36/2002, hat jeder Unternehmer, der veranlasst, dass eine Fahrt durch Österreich durchgeführt wird, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr.2012/2000 (Ökopunkteverordnung) Ökopunkte zu entrichten sind, dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Wird ein Umweltdatenträger benützt, hat sich der Unternehmer davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert. Er hat weiters den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z6 leg.cit begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer § 9 Abs.3 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3, Z6 und Z8 bis 10 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs.3 GütbefG ist ersichtlich, dass in dieser Bestimmung dem Unternehmer mehrere Verpflichtungen auferlegt werden, nämlich

  1. dem Fahrer eine entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben,
  2. sich davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen,
  3. sich davon zu überzeugen, dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert und
  4. den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat.

 

Eine Zuwiderhandlung gegen (Nichtbeachtung) jede(r) dieser einzelnen angeführten Pflichten erfüllt das Tatbild gemäß § 23 Abs.1 Z6 und stellt jeweils für sich eine Verwaltungsübertretung dar.

 

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

 

Nach dem in § 22 Abs.1 VStG festgelegten Kumulationsprinzip ist daher für jede selbständige Tat auch eine selbständige Strafe zu verhängen.

 

4.2. Mit dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gegen die Beschuldigte erhobenen Tatvorwurf hingegen wurde die Beschuldigte mehrerer Taten bezichtigt, nämlich dass von dem namentlich angeführten Lenker zu den näher angeführten Umständen eine Transitfahrt durchgeführt wurde,

  1. ohne dem Fahrer vor Fahrtantritt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten übergeben zu haben und
  2. ohne den Fahrer darüber belehrt zu haben, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkte zu treffen hat.
  3. Weiters wurde auch noch im Spruch ausgeführt, dass, wenn ein Umweltdatenträger benützt wird, sich der Unternehmer davon zu überzeugen hat, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert.

 

Zum dritten Vorwurf ist auszuführen, dass schon aus der Aktenlage und aus der Begründung des Straferkenntnisses zum Sachverhalt hervorgeht, dass am Fahrzeug kein ecotag-Gerät angebracht war. Dieser Tatvorwurf ist überhaupt unverständlich.

 

Die übrigen vorgeworfenen Pflichtverletzungen bilden aber unter Zugrundelegung der unter Punkt 4.1. gemachten Ausführungen jede für sich eine Verwaltungsübertretung und wäre daher jede für sich mit einer Strafe zu behängen. Indem die belangte Behörde aber in einem einheitlichen Tatvorwurf mehrere Taten vorgeworfen hat und für diese mehreren Taten auch nur eine einheitliche Gesamtstrafe von 1.600 Euro verhängt hat, hat sie gegen das Kumulationsprinzip gemäß § 22 Abs.1 VStG verstoßen.

 

Eine nachträgliche Berichtigung durch Änderung des Schuldspruches und Strafausspruches im Rahmen einer richtigen rechtlichen Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat ist aber insofern nicht möglich, als in Folge der verhängten Gesamtstrafe nicht gesagt werden kann, welche Strafe für welches Delikt die belangte Behörde wirklich verhängen wollte und sohin der Oö. Verwaltungssenat Gefahr laufen würde, gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 51 Abs.6 VStG zu verstoßen.

 

Darüber hinaus widerspricht aber der Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses dem § 44a VStG, wonach eine Tat so konkret vorzuwerfen ist, dass der Beschuldigte davor geschützt wird, nicht ein zweites Mal wegen der selben Tat zur Verantwortung gezogen zu werden und dass der Vorwurf geeignet ist, dass der Beschuldigte geeignete Beweismittel zu seiner Entlastung vorbringen kann. Der gegenständliche Tatvorwurf enthält alternative Tatbestände, sodass letztlich nicht gesagt werden kann, welche der einzelnen Alternativen der Beschuldigten tatsächlich vorgeworfen wird bzw. ob alle Alternativen gleichzeitig der Beschuldigten vorgeworfen werden sollen. Auch die Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 2.7.2002 als erste und einzige Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist wirft sämtliche Alternativen vor und war daher rechtswidrig.

 

Es konnte daher auch insofern eine Spruchkorrektur nicht vorgenommen werden. Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4.3. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Beschuldigten wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.1.2002, Zl. 2001/03/0283, hingewiesen, dass für Übertretungen nach dem GütbefG nicht der gewerberechtliche, sondern der handelsrechtliche Geschäftsführer zur Verantwortung zu ziehen ist.

Weiters enthält der im Straferkenntnis zitierte Art.1 Abs.1 lit.a bis d der VO (EG) Nr. 3298/94 idF Nr. 1524/96 nur Pflichten des Lenkers und nicht des Unternehmers.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 
 
Beschlagwortung:
Alternativvorwürfe, Kumulationsprinzip, keine Gesamtstrafe

 
 

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