Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-120009/2/Fra/Ka

Linz, 02.11.1993

VwSen - 120009/2/Fra/Ka Linz, am 2. November 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des F H, vertreten durch Dr. H S, Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Juni 1993, VerkR01-478/1992+1, betreffend Übertretung des Schiffahrtsgesetzes 1990, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c und § 51e Abs.1 VStG.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Straferkenntnis vom 11. Juni 1993, VerkR01-478/1992+1, über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 81 Abs.4 iVm § 86 Abs.1 und 2 Z4 Schiffahrtsgesetz, BGBl.Nr.87/1989 (im folgenden: Schiffahrtsgesetz 1990), gemäß § 86 Abs.1 und 2 Z4 leg.cit. eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) und wegen der Verwaltungsübertretung nach 2.) § 51 Abs.1 iVm § 71 Abs.1 und 2 Z6 Schiffahrtsgesetz 1990 gemäß § 71 Abs.1 und 2 Z6 leg.cit. eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt. Ihm wird mit dem angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, daß er im Sinne des § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung der Firma "W W Schiffahrtsgesellschaftm.b.H." nach außen Berufener am 27. Juni 1992 gegen 14.00 Uhr das Motorschiff "W A" am sogenannten "R" an der Dr. R-Promenade angelegt, sohin 1.) auf dem oberösterreichischen Teil des Wolfgangsees die Konzession zur Ausübung der gewerbsmäßigen Schiffahrt im Gelegenheitsverkehr mit dem Motorschiff "W A" vorschriftswidrig ausgeübt hat, da er nicht über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen oder Benützungsrechte an Schiffahrtsanlagen an der Anlagestelle verfügt, 2.) die Schiffahrtsanlage (Ratzsteg an der Dr. Rais-Promenade) benützt, ohne daß die Behörde eine Bewilligung zur Benützung erteilt hat.

Ferner wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat hinsichtlich des Faktums 2 (§ 51 Abs.1 iVm § 71 Abs.1 Z6 Schiffahrtsgesetz 1990) keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern die Berufung samt Strafakt - ohne Erstattung einer Gegenschrift - dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser entscheidet, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c VStG). Bezüglich des Faktums 1 (§ 81 Abs.4 iVm § 86 Abs.1 und 2 Z4 Schiffahrtsgesetz 1990) hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Bescheid vom 31. August 1993, VerkR01-478/1992+1, gemäß § 51b VStG eine Berufungsvorentscheidung erlassen. Mit dieser Entscheidung wurde das gegen den Berufungswerber eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 81 Abs.4 iVm § 86 Abs.1 und Abs.2 Z4 Schiffahrtsgesetz 1990 gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt. Die Berufungsbehörde entscheidet daher lediglich über Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses (§ 51 Abs.1 iVm § 71 Abs.1 und Abs.2 Z6 Schiffahrtsgesetz 1990).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 bedarf ua die wesentliche Änderung und Benützung einer bestehenden Schiffahrtsanlage einer Bewilligung.

Gemäß § 51 Abs.1 legt.cit. darf eine Schiffahrtsanlage nach der Anzeige über die Bauvollendung erst benützt und betrieben werden, wenn die Behörde die erstmalige Überprüfung (Erstüberprüfung) vorgenommen und die Bewilligung zur Benützung erteilt hat.

Gemäß § 71 Abs.1 leg.cit. begeht, wer gegen die Vorschriften dieses Teiles oder aufgrund dieses Teiles (C) erlassenen Verordnungen verstößt, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 71 Abs.2 Z1 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs.1, wer ua ohne Bewilligung bestehende Schiffahrtsanlagen wesentlich ändert (§ 46 Abs.1).

Gemäß § 71 Abs.2 Z6 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs.1, wer eine Schiffahrtsanlage benützt oder betreibt, bevor die Behörde die erstmalige Überprüfung vorgenommen und die Benützungsbewilligung erteilt hat (§ 51 Abs.1).

Aus dem vorliegenden Akt geht zweifelsfrei hervor, daß nach Rechtsauffassung der Salzburger Landesregierung die Änderung der bestehenden Schiffahrtsanlage mit dem Ziel der Benützung durch die "W A" eine wesentliche Änderung der Anlage darstellen würde, die gemäß § 46 ff Schiffahrtsgesetz 1990 bewilligungspflichtig wäre. Die Wesentlichkeit der Änderung ergibt sich nach Auffassung der Salzburger Landesregierung schon aus dem Umstand, daß die Anlage lediglich für das Anlegen von wesentlich kleineren Fahrzeugen konzipiert wurde und nun dem Druck des großen Schiffes, den Passagieren etc entsprechen muß (vgl. das Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 16.11.1990, Zl.9/02-2362/119-1990, an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden).

Es finden sich nun keinerlei Anhaltspunkte, aus denen geschlossen werden könnte, daß die Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine andere Rechtsauffassung als die Salzburger Landesregierung zum Gegenstand vertritt. Sie geht offenbar davon aus, daß der Umstand des Anlegens des Motorschiffes "W A" am "R" an der Dr.-R-Promenade in S die Bewilligungspflicht des gegenständlichen Steges iSd § 46 Abs.1 leg.cit. auslöst. Daraus folgt jedoch aus verwaltungsstrafrechtlicher Sicht, daß das hier relevante Verhalten des Beschuldigten unter dem Aspekt der Erfüllung des Tatbestandes einer Verwaltungsübertretung nach § 71 Abs.2 Z1 Schiffahrtsgesetz 1990 zu untersuchen gewesen wäre, zumal diese Strafbestimmung auf § 46 Abs.1 leg.cit. verweist. Dem Beschuldigten wurde jedoch die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 71 Abs.1 und 2 Z6 iVm § 51 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 zur Last gelegt.

§ 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 normiert eine Bewilligungspflicht für die Errichtung und Benützung einer neuen Schiffahrtsanlage, die Wiederverwendung einer früheren Schiffahrtsanlage nach Erlöschen oder Widerruf der Bewilligung sowie die wesentliche Änderung und Benützung einer bestehenden Schiffahrtsanlage, während § 51 Abs.1 leg.cit nach der Bauvollendung die Einholung einer Benützungsbewilligung vorschreibt. Von der Systematik und von der ratio des Gesetzes ist davon auszugehen, daß nur solche Anlagen einer Benützungsbewilligung im Sinne des § 51 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 bedürfen, welche auch gemäß § 46 Abs.1 leg.cit. bewilligungspflichtig sind. Denn nichts deutet darauf hin, daß Anlagen, welche bisher schiffahrtsanlagenrechtlich bewilligungsfrei waren, auch benützt wurden, nunmehr weiterbenützt werden, einer eigenen (von § 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz losgelösten) Benützungsbewilligung im Sinne des § 51 Abs.1 leg.cit. bedürfen. Die Benützungsbewilligungspflicht im Sinne dieser Bestimmung leitet sich offensichtlich - wie erwähnt - von der Bewilligungspflicht im Sinne des § 46 Abs.1 leg.cit. ab. Bereits eine grammatikalische Interpretation stützt diese Auffassung (argumentum: ....."nach Anzeige über die Bauvollendung...."). Doch auch der oben ausgesprochene Gesetzeszweck ergibt keine andere sinnvolle Auslegung: Denn auszugehen ist davon, daß der Gesetzgeber wohl nur dann einen Bewilligungstatbestand normiert, wenn dies aufgrund eines öffentlichen Interesses geboten ist. Ist die Bewilligungspflicht einer Anlage im Sinne des § 46 Abs.1 leg.cit. zu verneinen (siehe weiter unten), so kann ein öffentliches Interesse an einer Bewilligungspflicht im Sinne des § 51 Abs.1 leg.cit. auch nicht erblickt werden.

Wird nun eine Schiffahrtsanlage wesentlich geändert, wovon die Erstbehörde offensichtlich ausgegangen ist, ohne daß eine Bewilligung nach § 46 Abs.1 leg.cit. vorliegt, so scheint es denkunmöglich, den Tatbestand des § 71 Abs.2 Z6 Schiffahrtsgesetz 1990 zu verwirklichen, weil ansonsten der Tatbestand des § 71 Abs.2 Z1 leg.cit. ohne Sinn bliebe. Das pönalisierte Verhalten des Tatbestandes des § 71 Abs.2 Z6 leg.cit. liegt offenbar darin, daß zwar eine Bewilligung nach § 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 erteilt wurde, die Schiffahrtsanlage jedoch vor Erteilung einer Benützungsbewilligung nach § 51 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 benützt oder betrieben wird. Mit anderen Worten: Die Unrechtmäßigkeit des unter Strafsanktion gestellten Verhaltens kann erst nach Vorliegen einer Bewilligung des § 46 Abs.1 leg.cit. beginnen. Liegt eine derartige Bewilligung gar nicht vor, obwohl von einer wesentlichen Änderung einer Schiffahrtsanlage ausgegangen wird, so ist dieses Verhalten nach Ziffer 1 des § 71 Abs.2 Schiffahrtsgesetz 1990 unter eine gesonderte Strafsanktion gestellt.

Zusammenfassend stellt der unabhängige Verwaltungssenat fest, daß das von der Erstbehörde angenommene Verhalten des Beschuldigten allenfalls den Tatbestand des § 71 Abs.2 Z1 Schiffahrtsgesetz 1990 zu verwirklichen vermag. Nicht auseinandergesetzt - weil dies im gegenständlichen Verfahren nicht zu beurteilen ist - hat sich der O.ö. Verwaltungssenat mit der Frage, ob tatsächlich von einer wesentlichen Änderung und Benützung des verfahrensgegenständlichen Steges, welcher offenbar baulich keine Änderung erfahren hat, - zumindest ergeben sich aus dem Akt zu dieser Frage keine Anhaltspunkte auszugehen ist. Eine derartige Beurteilung obliegt der Erstbehörde in allenfalls weiteren durchzuführenden Verfahren.

Der O.ö. Verwaltungssenat teilt jedenfalls nicht die Auffassung, daß durch die Verwendung eines größeren Motorschiffes eine wesentliche Veränderung der Anlage bewirkt wird. § 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 stellt offenbar auf eine bauliche Veränderung der Anlage ab (argumentum: "Änderung und Benützung"). Würde der Gesetzgeber die wesentliche Änderung der Benützung einer Bewilligungspflicht unterworfen haben, so hätte er dies auch durch eine entsprechende Formulierung, beispielsweise durch "wesentliche Änderung der Benützung" zum Ausdruck gebracht. Eine solche Formulierung würde jedoch wiederum bedeuten, daß die Änderung der Anlage als solche nicht bewilligungspflichtig wäre, was aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 46 Abs.1 Schiffahrtsgesetz 1990 der Gesetzgeber mit Sicherheit nicht beabsichtigte.

Da somit die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht jenen Tatbestand erfüllt hat, von welchem die Erstbehörde im angefochtenen Schuldspruch ausgegangen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Der Ausspruch über den Entfall von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens ist auf die angegebene Gesetzesbestimmung gegründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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