Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-120034/4/Weg/Ri

Linz, 16.08.1996

VwSen-120034/4/Weg/Ri Linz, am 16. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des H L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. U, vom 9. Juli 1996 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13. Juni 1996, Zl...., zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als im Wege des § 29a VStG zuständig gewordene Strafbehörde hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 1.04 Abs.1 lit.a Wasserstraßen-Verkehrsordnung iVm § 6 Abs.1 Z1 Schiffahrtsgesetz in Anwendung des § 40 Abs.2 Z9 Schiffahrtsgesetz eine Geldstrafe von 5.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, wobei der Spruch wie folgt formuliert ist (wörtliche Wiedergabe):

"Nach einer Anzeige der Schiffahrtspolizei ... vom 21.7.1995 waren Sie am 9.7.1995 um ca. 15.10 Uhr auf der ... bei Stromkilometer ... mit ihrem Hausboot Marke S S mit dem amtlichen Kennzeichen 0-... zu Berg unterwegs und hatten das ... Sportboot R, das unbesetzt war, im Anhang. Im Hausboot, das etwa in der Strommitte fuhr, befanden sich zu diesem Zeitpunkt 12 Personen. Zum selben Zeitpunkt fuhr das Gütermotorschiff "M C" stromaufwärts in Richtung .... Als das Gütermotorschiff bei Ihrem Hausboot, daß sich auf der Steuerbordseite vom Gütermotorschiff befand, vorbeifahren wollte, wollten Sie knapp vor dem Motorschiff des Fahrweg kreuzen. Durch dieses Manöver wurde ihr Hausboot vom Motorschiff gerammt und das angehängte Motorboot versenkt.

Durch dieses Fahrmanöver haben Sie die allgemeine Sorgfaltspflicht als Schiffsführer verletzt und die an Bord befindlichen Menschen und sich selbst gefährdet." Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 500 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde nahm den zum Vorwurf gemachten Sachverhalt auf Grund einer Anzeige der Strom- und Schleusenaufsicht Aschach, welche sich auf die "Zeugenaussage" des Ing. ... V stützt, der die Schiffshavarie vom ersten Stock seines Hauses aus gesehen habe, als erwiesen an. Die Zeugenaussage des Ing. V decke sich auch mit der "Zeugenaussage" des Lotsen des Gütermotorschiffes, welcher angegeben habe, daß sich das Hausboot des Beschuldigten bei Stromkilometer ... (richtig:

...), wo die ... eine scharfe Linkskurve mache, plötzlich über Backbord vor dem Motorgüterschiff vorbeigedreht habe.

Daß sich der Unfall in der Strommitte zugetragen habe gehe außerdem aus der Aussage der "Zeugin" C G, welche sich als Passagier auf dem Hausboot befunden habe, hervor. Ein weiteres Indiz dafür, daß sich die Kollision etwa in der Strommitte ereignet habe, sei die Tatsache, daß das Gütermotorschiff keine Möglichkeit mehr gehabt habe, die Linksbiegung auszufahren, wenn sich die Havariestelle - wie vom Beschuldigten angegeben - ca. 25 m bis 30 m vom linken Ufer entfernt befunden hätte. Die Einvernahme der vom Berufungswerber namhaft gemachten Zeugen C L, P, M und G R, erübrige sich nach Ansicht der erkennenden Behörde, da der Sachverhalt durch die Zeugen Ing. V und C G sowie durch die Angaben des Lotsen eindeutig festgestellt worden sei.

3. Zu den vorhin angeführten Zeugenaussagen ist vorweg zu bemerken, daß es sich dabei um keine förmlichen Zeugenaussagen handelt, weil der Strom- und Schleusenaufsicht ... (Schiffahrtspolizei) keine Behördenfunktion zukommt.

4. Der Berufungswerber wendet in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß ein, er habe die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Schiffsführers keinesfalls verletzt und es habe sich die Havarie völlig anders zugetragen, als dies die Erstbehörde als erwiesen angenommen hat. Die vom Schiffahrtspolizeiorgan Insp. S auf Grund der Aussagen insbesondere des Ing. V und des Lotsen des Güterschiffes rekonstruierte Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht erweise sich als unzutreffend. Zum einen sei Insp. S kein nautischer Sachverständiger, als der er sich bezeichnet habe. Das anzeigende Organ habe den Unfall nicht selbst wahrgenommen. Richtig sei, daß er (der Berufungswerber) mit dem Hausboot (amtliches Kennzeichen 0-...) welches mit 12 Personen besetzt war und an welchem ein ca. 6 m langes Motorboot geschleppt worden sei, nahe des linken Ufers (ca. 30 m) bergwärts gefahren sei. Das Schubschiff "M C" mit einer Gesamtlänge von 168 m sei ebenfalls bergwärts gefahren und zwar mit überhöhter Geschwindigkeit und habe der Schiffsführer (es ist dies ein slowakischer Lotse - angeblich ohne Schiffsführerpatent) durch völlig unsachgemäße Fahrweise den Unfall verschuldet.

Es bestehe in diesem Bereich ein Überholverbot, welches vom Schiffsführer des Gütermotorschiffes nicht beachtet worden sei. Der Schiffsführer habe nach der Havarie die Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit, welche eindeutig überhöht gewesen sei, fortgesetzt. Hilfeleistung habe er nicht angeboten. Die Erstbehörde habe auch unberücksichtigt gelassen, daß das Fahrverhalten des Beschuldigten den gesetzlichen Vorschriften entsprechend gewesen sei. Es befinde sich in diesem Bereich ein Gebot, die Fahrwasserseite zu halten, die an der Steuerbordseite des Fahrzeuges liegt. Der Beschuldigte sei durch dieses Gebot verhalten gewesen, die Fahrwasserseite zu halten, die an der Steuerbordseite des Fahrzeuges liegt. Dies habe er getan.

Hingegen habe der Schiffsführer des Güterschiffes dem Gebot "Schallzeichen zu geben" nicht entsprochen, obwohl ein derartiges Gebot in diesem Bereich der Donau bestünde. Hätte hingegen der Schiffsführer des Gütermotorschiffes diesem Gebot entsprochen, so wäre er (der Beschuldigte) auf das Herannahen des Gütermotorschiffes aufmerksam gemacht worden.

Der Unfall habe sich nicht dadurch ereignet, daß der Beschuldigte das Fahrwasser vor dem Güterschiff gekreuzt habe, sondern dadurch, daß der Schiffsführer des Gütermotorschiffes infolge überhöhter Geschwindigkeit und nicht ausreichender Sicht nach vorne mit der Bugwelle des Schubleichters das angehängte Beiboot erfaßt und versenkt habe, wodurch das ziehende Hausboot in seinem Kurs außer Kontrolle geraten sei. Es bestehe auch die Möglichkeit, daß das angehängte Beiboot durch die Bugwelle des Schubleichters gegen den Motor des ziehenden Hausbootes gedrückt worden sei, das Beiboot dadurch gegen den Motor gestoßen worden sei und dadurch den eingeschlagenen Kurs beeinflußt habe. Dies decke sich auch mit den Aussagen des Ing. V.

Ing. V sei bei seinen Beobachtungen zum Schluß gekommen, daß der Schiffsführer des Frachtschiffes den Schiffsunfall nicht bemerkt habe, ansonsten die Weiterfahrt mit nicht reduzierter Geschwindigkeit nicht erklärbar wäre.

Zusammenfassend führt der Berufungswerber aus, das Alleinverschulden am gegenständlichen Unfall sei dem Schiffsführer des Güterschiffes anzulasten, da dieser trotz bestehenden Überholverbotes überholt habe, dieser der Vorschrift, Schallzeichen abzugeben, nicht entsprochen habe, dieser eine überhöhte Geschwindigkeit gefahren sei und letztendlich nicht dafür Sorge getragen habe, daß er ausreichende Sicht nach vorne hat. Es wird sohin beantragt, der Berufung - allenfalls nach Durchführung eines Ortsaugenscheines und weiterer ergänzender Erhebungen Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat dem Antrag des Berufungswerbers folgend am 12. August 1996 einen Ortsaugenschein durchgeführt. Anläßlich dieses Ortsaugenscheines wurde mit einem Wasserfahrzeug die ... im Bereich des Tatortes abgefahren. Außerdem wurde vom Haus des Herrn Ing. V eine Sichtprobe durchgeführt. Bei diesem Ortsaugenschein waren der Berufungswerber, die zum Tatzeitpunkt mitgefahrene P Z, der Sohn des Berufungswerbers, C L, sowie der Rechtsfreund des Beschuldigten anwesend. Es konnte auch Ing. V angetroffen und befragt werden. Dieser überreicht der Berufungsbehörde ein ca. 1/2 Minute nach der Havarie aufgenommenes Lichtbild, welches die Tatörtlichkeit zumindest erahnen läßt. Auf dem Lichtbild ist ersichtlich, daß sich der Unfall nicht bei Stromkilometer ... sondern bei Stromkilometer ... zugetragen hat. Es ist daraus ferner ersichtlich, daß der Unfall ca.

70 m bis 80 m vom linken Ufer entfernt stattgefunden hat.

Auf dem Lichtbild ist der heckseitige Teil des Gütermotorschiffes ersichtlich und daß der Steuerstand offenbar nicht zur Gänze ausgefahren war. Es ist auch das letztlich versunkene geschleppte Beiboot (noch aus dem Wasser ragend) erkennbar. Die ... ist in diesem Bereich etwa 300 m breit. Auf der tatörtlichen Stecke ist ein Überholverbot verordnet und gemäß A2 der Anlage 7 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung zwischen Stromkilometer ...

und ... kundgemacht. Zwischen Stromkilometer ... und ... ist das Gebot, ein Schallzeichen abzugeben, kundgemacht. Der Unfall hat sich sowohl innerhalb des Überholverbotbereiches als auch innerhalb des Schallgebotbereiches, zugetragen.

Betreffend die Lage der Schiffahrtsrinne befindet sich bei Stromkilometer ... linksufrig das Schiffahrtszeichen gemäß B2 der Anlage 8 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung und etwa bei Stromkilometer ... (ohne Gewähr) am rechten Ufer das Schiffahrtszeichen B1 der Anlage 8 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung. Die diesbezüglichen Angaben in der Anzeige bzw die der Anzeige beigelegten Gesetzblattauszüge sind unrichtig.

Hinsichtlich der Unfallstelle führte Herr Ing. V beim Ortsaugenschein aus, daß das Schubschiff etwa 70 m vom Ufer entfernt bergwärts fuhr und sich somit der Unfall ca. 70 m vom linken Ufer entfernt zugetragen hat. Ing. V hat das Fahrmanöver vor dem Unfall nicht beobachtet, er hat vielmehr aus dem Fenster seines Wohnzimmers blickend nur Wahrnehmungen zum Unfall selbst machen können. Zu diesem Zeitpunkt war das Hausboot auf kreuzendem Kurs zum rechten Ufer wahrnehmbar, wobei sich aus der Sicht Ing. Vs der Unfall durch dieses Kreuzungsmanöver zugetragen haben könnte. Ing. V konnte nicht ausschließen, daß sich der Unfall (die erste Berührung des Schubschiffes mit dem Beiboot) nicht schon kurz vor dem ersten Ansichtigwerden der Unfallszene zugetragen hat.

Der Beschuldigte führte aus, daß er das sich von hinten nähernde Schubschiff nicht gesehen hat. Er führt dies auf die überhöhte Geschwindigkeit dieses Schubschiffes zurück.

Er wurde erst im Moment der Kollision mit dem geschleppten Beiboot auf das Frachtschiff aufmerksam. Dabei sei das Beiboot in die Höhe geschleudert worden, seien die Leinen dieses Beibootes gerissen und sei durch das Beiboot der Trieb beschädigt worden, sodaß in der Folge das Hausboot nicht mehr manövrierfähig gewesen sei. Durch die Zugbewegung und dem Ausfall des Triebes sei er in Richtung rechtes Ufer verrissen worden und sei so auch die Beobachtung des Ing. V erklärbar (daß nämlich zum Zeitpunkt des Ansichtigwerdens der Unfallszene das Hausboot eher auf Kreuzungskurs gesichtet wurde, allerdings erst Sekunden oder Sekundenbruchteile nach dem Unfall).

Zum vorgelegten Akt wird noch bemerkt, daß die Schiffahrtspolizei durch die Übermittlung von Auszügen der Wasserstraßen-Verkehrsordnung und der Kennzeichnung der relevanten Gesetzesstellen die Erstbehörde insofern irregeführt hat, als der gegenständliche Bereich der ...

keine Strecke mit vorgeschriebenem Kurs durch die Zeichen B1, B2, B3 oder B4 der Anlage 7 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung ist, ebensowenig in diesem Bereich der Donau das Schiffahrtszeichen B3 der Anlage 8 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung angebracht ist, sondern wie beim Lokalaugenschein festgestellt, es sich hiebei um die Zeichen B1 (rechtes Ufer) und B2 (linkes Ufer) der Anlage 8 zur Wasserstraßen-Verkehrsordnung handelt.

Fest steht auf Grund des Akteninhaltes und der ergänzenden Erhebungen desweiteren, daß das Schubschiff kein Schallzeichen abgegeben hat, obwohl das Gebot, ein solches zu geben, bestand, daß ferner - sollte ein Überholmanöver durch das Schubschiff geplant gewesen sein - dieses wegen des dort bestehenden Überholverbotes rechtswidrig gewesen wäre. Ob nun ein rechtswidriges Überholmanöver stattgefunden hat oder ob der Schiffsführer des Schubschiffes den Fahrkurs nicht genau beobachtete und das Hausboot des Beschuldigten übersehen hat, konnte nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit eruiert werden. In beiden Fällen würde die Sorgfaltswidrigkeit eher beim Schiffsführer des Schubschiffes anzusiedeln sein. Sollte tatsächlich ein Kreuzungsmanöver durch den Beschuldigten stattgefunden haben, was im Bereich des Möglichen, aber nicht Erwiesenen liegt, so läge die Schuld an dieser Havarie zum Teil auch beim Beschuldigten.

Auf Grund der oben angeführten Beweismittel kann jedoch mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit nicht als erwiesen angenommen werden, daß der Beschuldigte ein unzulässiges Kreuzungsmanöver durchgeführt und sohin der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines Schiffsführers zuwidergehandelt hat.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Auf Grund des oben angeführten Beweisergebnisses war iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, wonach - wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann - von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, spruchgemäß zu entscheiden.

Bei diesem Verfahrensergebnis war nicht mehr zu prüfen, ob das Straferkenntnis den Vorschriften des § 44a VStG betreffend Tatkonkretisierung entspricht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum