Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300105/2/WEI/Bk

Linz, 11.11.1997

VwSen-300105/2/WEI/Bk Linz, am 11. November 1997 DVR.0690392 VwSen-300184/2/Wei/Bk

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufungen der Ehegatten J und E P F, gegen das ihren minderjährigen Sohn P betreffende Straferkenntnis der Bezirks-hauptmannschaft Freistadt vom 12. September 1996, Zl. Pol 96-85-1995, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 1 Abs 1 O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG zu Recht erkannt:

Die Berufungen der gesetzlichen Vertreter werden als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Im Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12. September 1996 wurde der mj. P, geb. wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 5.5.1995 um 21.55 Uhr in L, an der H. G, während des U Frühlingsmarktes, bei der rückseitigen Zeltwand der 'Linzer Halle', (ca. 5 Meter neben der öffentlichen WC-Anlage) die kleine Notdurft verrichtet. Durch dieses Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet, haben Sie den öffentlichen Anstand verletzt." Dadurch erachtete die belangte Behörde § 1 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 lit a O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG eine Geldstrafe von S 500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG der Betrag von S 50,-- (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 19. September 1996 beim Postamt S hinterlegt und seit diesem Tag zur Abholung bereitgehalten wurde, richtet sich die Berufung vom 30. September 1996 der Eltern und gesetzlichen Vertreter des Bestraften, die am 2. Oktober 1996 bei der belangten Behörde rechtzeitig überreicht wurde und sich sinngemäß gegen die Höhe der Strafe richtet. 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige vom 10. Juni 1995 der BPD L, Wachzimmer O, wurde gemeldet, daß P am 5. Mai 1995 um 21.55 Uhr an die rückseitige Planenzeltwand der Linzer Halle urinierte, obwohl sich die nächste öffentliche WC-Anlage nur ca. 5 m entfernt befand. Auf Beanstandung der Polizeibeamten hätte P, der übermäßig Alkohol konsumiert hätte, ungehalten reagiert und nicht eingesehen, daß er für die kleine Notdurft S 4,-- hätte bezahlen müssen. Die Bezahlung eines Organmandates hätte er abgelehnt.

2 weitere Jugendliche hätten nach Belehrung und Ermahnung durch den Meldungsleger von ihrem Vorhaben, ebenfalls an dieser Stelle die kleine Notdurft zu verrichten, Abstand genommen. P wäre dann zurückgekommen und hätte heftig gestikulierend diese Amtshandlung behindert. Wegen seines aggressiven Verhaltens wäre er abgemahnt und ihm auch die Festnahme angedroht worden. Danach hätte er sich entfernt.

2.2. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 8. August 1995 berichtete P P, daß er um 21.55 Uhr ein von einem Getränkestand mitgenommenes Bier erst zu zwei Drittel ausgetrunken gehabt und zuvor noch keinen Alkohol getrunken hätte. Da er kein Kleingeld von S 4,-- für die WC-Anlage und das Bier dabei hatte, ging P, wie dies viele Erwachsene auch täten, hinter das Zelt, um zu urinieren, wobei er ins Grüne neben einen Baum uriniert hätte. Dabei wäre er von BI K und dessen Kollegen ertappt und höflich aufgefordert worden, eine Ordnungsstrafe von S 300,-- zu bezahlen. Nachdem er versucht hatte, die Polizeibeamten umzustimmen, hätte er sich zur Zahlung bereiterklärt und wollte sich S 150,-- von seinem Bruder ausborgen. Dann hätte er gesehen, daß zwei andere Jugendliche etwas entfernt vom Dienstauto der Polizisten urinierten. Darauf hätte er die Beamten aufmerksam gemacht und der Fahrer hätte nur die Ausweise kontrolliert und die Anstandsverletzung nicht geahndet. Er hätte sich daraufhin auf sein "Recht auf Gleichberechtigung" berufen, was die Polizeibeamten aber nicht beachteten. Einer der Beamten hätte ihm dann wütend das Bier ausgeschüttet und ihm übermäßigen Alkoholkonsum vorgeworfen. Auf den von ihm verlangten Alkotest wären die Polizeibeamten nicht eingegangen. Er hätte sich dann ausweisen müssen, weil ihm eine Anzeige angekündigt wurde. Wegen des erniedrigenden Verhaltens und der fehlenden Bereitschaft auf seine Argumente einzugehen, hätte P keinen Sinn mehr gesehen, sich um die Aufklärung des Sachverhaltes zu bemühen. Der Vorwurf des übermäßigen Alkoholkonsums wäre ungerechtfertigt gewesen, was sein Bruder K bezeugen könnte.

2.3. Die Polizeibeamten BI K und RI K wurden im Rechtshilfeweg von der Bundepolizeidirektion L als Zeugen einvernommen. Sie bestätigten die Richtigkeit des Anzeigesachverhaltes und bezeichneten die Angaben des Bw als Schutzbehauptungen. RI K berichtete, daß die beiden anderen Burschen, nachdem sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam gemacht wurden, davon Abstand nahmen und die Toilette nebenan aufsuchten.

2.4. Der Beschuldigte P verlangte nach Kenntnisnahme dieser Aussagen einen Lokalaugenschein, den die belangte Behörde aber nicht durchführte. Im Straferkenntnis verwies die Strafbehörde darauf, daß der Beschuldigte zugab, hinter dem Zelt uriniert zu haben. Ein Lokalaugenschein wäre entbehrlich gewesen, weil die ohnehin zugestandene Anstandsverletzung hinlänglich erwiesen wäre. Ob er auf die Zeltwand oder den Boden urinierte, wäre nicht relevant. Nur die Öffentlichkeit während der Anstandsverletzung wäre von Bedeutung.

2.5. In der Berufung der Eltern des Beschuldigten finden sich zunächst weitläufige Ausführungen zur Erziehung und Ausbildung ihres Sohnes, die mit dem Anlaßfall wenig zu tun haben. Danach wird unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz festgestellt, daß es richtig gewesen wäre, die Bezahlung der Strafe zu verweigern. Dabei ist in beleidigender Schreibweise gegenüber den Polizeibeamten die Rede von Analphabet und Amtsmißbrauch.

Zum Straferkenntnis wird aktenwidrig behauptet, daß anläßlich der niederschriftlichen Vernehmung vom 21. Juli 1995 die Strafe mit S 300,-- festgelegt worden wäre. Tatsächlich wurde P damals nur der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt (vgl Niederschrift vom 21.7.1995, Aktblatt 5). Eine Erledigung der Strafsache erfolgte nicht.

In weiterer Folge bekämpft die Berufung die Strafhöhe und verweist zur Begründung darauf, daß keine erschwerenden Gründe geltend gemacht werden könnten und daß der Gleichheitsgrundsatz mißachtet worden wäre, wobei abermals in beleidigender Schreibweise von nazistischem Willkürakt eines Beamten gesprochen wird. Schließlich betonen die Berufungswerber, daß sie hinter ihrem Sohn stünden, der moralisch und charakterlich in Ordnung wäre. Sein Einspruch vom 8. August 1995 (gemeint: Stellungnahme zur Anzeige) wäre leichtfertig abgelehnt worden, weshalb ihn die Eltern vor Gericht vertreten würden. Die Strafe werde zurückgewiesen, da im Rechtsstaat der Gleichheitsgrundsatz zu gelten habe.

2.6. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung abgesehen und in der Sache auf die Begründung des Straferkenntnisses verwiesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht bestritten wurde.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs 1 O.ö. PolStG begeht außer in den Fällen sonstiger strafbarer Handlungen eine Verwaltungsübertretung wer den öffentlichen Anstand verletzt.

Nach § 1 Abs 2 O.ö. PolStG ist als Anstandsverletzung jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

In diesem Sinne wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Für die Publizität genügt es, wenn die Anstandsverletzung in einer Weise begangen wird, daß die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist, wobei Zeugen - zu denen auch Sicherheitswachebeamte zählen - nicht als Beteiligte anzusehen sind (vgl VwSlg 11.472 A/1984; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

Das öffentliche Verrichten der kleinen Notdurft in Gegenwart von Zeugen widerspricht grundsätzlich den Umgangsformen gesitteter Menschen und ist daher geeignet, den Tatbestand einer Anstandsverletzung zu erfüllen (vgl VwGH 22.3.1991, 89/10/0207; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

4.2. Der Beschuldigte hat nicht bestritten, daß er zur angegebenen Tatzeit am 5. Mai 1995 hinter der Linzer Halle etwa 5 m neben der öffentlichen WC-Anlage die kleine Notdurft in der Öffentlichkeit verrichtete und dabei von den beiden einschreitenden Polizeibeamten bei seinem "Geschäft" erwischt wurde. Strittig sind lediglich Begleitumstände, die allerdings im gegenständlichen Verfahren nicht entscheidungswesentlich sind.

Der dargestellte Tatbestand der öffentlichen Anstandsverletzung ist schon nach der eigenen Einlassung des Beschuldigten erwiesen. Die beantragte Durchführung eines Lokalaugenscheines hat die belangte Strafbehörde daher mit Recht unterlassen. Außerdem wäre eine genaue Rekonstruktion des Vorfalles an Ort und Stelle gar nicht möglich gewesen, weshalb einem Lokalaugenschein kein weiterführender Beweiswert zugekommen wäre. Weder P noch die Berufung seiner Eltern bestreiten, daß er die Bezahlung eines Organmandates verweigert hatte. Aus welchen Gründen dies geschah, ist nicht wesentlich. Der Beschuldigte hat überdies keinen Rechtsanspruch darauf, daß seine Verwaltungsübertretung mit Organstrafverfügung nach den Bestimmungen des § 50 VStG geahndet wird (vgl mit Judikaturnachweisen Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 1012 Anm 3 zu § 50 VStG). Die wiederholte Berufung auf den Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kritik am behaupteten Verhalten der Polizeibeamten vermag - selbst wenn man von der Richtigkeit der Behauptungen des Beschuldigten und der Unrichtigkeit der Aussagen der Polizisten ausginge - an der tatsächlich begangenen Anstandsverletzung nichts zu ändern. Außerdem sind die Berufungswerber darauf hinzuweisen, daß es keine Gleichheit im Unrecht gibt und daß niemandem ein Rechtsanspruch auf Strafverfolgung anderer zukommt. Dennoch ist zuzugeben, daß eine ungleiche Verfolgung von Straftaten durch Polizeibeamte nicht gerecht erschiene. Ob dies gegenständlich der Fall war, braucht nicht geprüft zu werden, weil es an der Strafbarkeit des Beschuldigten nichts ändern könnte. Da ein unkorrektes Verhalten der Polizisten aber nicht ausgeschlossen werden kann, hat der erkennende Verwaltungssenat davon abgesehen, eine Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise gegen die Berufungswerber zu verhängen.

4.3. Im Rahmen der Strafbemessung war entsprechend den Angaben des P anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 21. Juli 1995 von einem monatlichen Einkommen von ca. S 5.000,-- bei fehlendem Vermögen und fehlenden Sorgepflichten auszugehen. Rechtskräftige Vorstrafen wegen Verwaltungsübertretungen scheinen bei der belangten Strafbehörde nicht auf, weshalb der Beschuldigte als unbescholten gilt. Die belangte Behörde wertete das Geständnis und die Unbescholtenheit als strafmildernd. Einen Erschwerungsgrund stellte sie nicht fest. Dazu ist einschränkend festzustellen, daß beim gegebenen Sachverhalt nur ein Tatsachengeständnis, nicht aber ein reumütiges Geständnis, wie es § 34 Z 17 StGB iVm § 19 Abs 2 VStG voraussetzt, angenommen werden kann. Dieser besondere Milderungsgrund des Geständnisses, der von der Schuldeinsicht des Täters ausgeht, kann daher nicht angenommen werden. Nur ein qualifiziertes Geständnis bildet einen Milderungsgrund (vgl etwa VwGH 29.3.1994, 93/04/0086 und VwGH 14.6.1996, 94/02/0492). Die von der belangten Strafbehörde verhängte Geldstrafe von S 500,-- entspricht lediglich 10 % des anzuwendenden Strafrahmens bis zu S 5.000,-- gemäß § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG. Sie ist auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen und erscheint auch erforderlich, um ihn in Hinkunft vor weiteren Anstandsverletzungen abzuhalten.

Die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe wurde von der Strafbehörde mit 12 Stunden bemessen. Beim gegebenen Ersatzfreiheitsstrafrahmen von bis zu 2 Wochen entspricht dies weniger als 4 % des Strafrahmens. Diese milde Ersatzfreiheitsstrafe kann ebenfalls nicht beanstandet werden.

5. Trotz Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses war den Berufungswerbern kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach der geltenden Rechtslage kann nur dem Bestraften, nicht aber einem davon verschiedenen Berufungswerber ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werden (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A, E 4a zu § 64 VStG).

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. W e i ß

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