Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130078/4/Kei/Shn

Linz, 09.05.1997

VwSen-130078/4/Kei/Shn Linz, am 9. Mai 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Ing. H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 25. Jänner 1996, Zl.933-10-5714511-Ob, zu Recht: I. Der Berufung wird insoferne Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird. Das Verwaltungsstrafverfahren wird nicht eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage: Art.6 Abs.1 MRK iVm § 51e Abs.1 VStG, §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er "am 29.5.1995 um (von-bis) Uhr 9:31-12:30 in Linz Gerstnerstraße neben 18 das mehrspurige Kraftfahrzeug, Renault dunkelrot, mit dem polizeilichen Kennzeichen in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt" habe "und damit der Verpflichtung der Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen" sei. Dadurch habe er eine Übertretung der "§§ 2 und 5 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 11.5.1989 betreffend die Einhebung einer Gemeindeabgabe für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen i.V.m. § 6 Abs.1 lit.a) OÖ. Parkgebührengesetz" begangen, weshalb er "gemäß § 6 Abs.1 lit.a) OÖ. Parkgebührengesetz" zu bestrafen gewesen sei. 2. Gegen dieses dem Bw am 30. Jänner 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 13. Februar 1996 bei der belangten Behörde eingelangt ist und fristgerecht erhoben wurde.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt des Magistrates Linz vom 20. Februar 1996, Zl.933-10-5714511-Ho, Einsicht genommen. Bereits auf Grund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß gemäß § 51e Abs.1 VStG der "angefochtene Bescheid aufzuheben ist" (weshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen: Im Hinblick darauf, wie die genauen örtlichen Gegebenheiten zur gegenständlichen, dem Bw vorgeworfenen Tatzeit gewesen sind - zB genaue Stelle von Tafeln, des Kraftfahrzeuges des Bw - hätten durch die belangte Behörde weitergehendere Ermittlungen - zB Ortsaugenschein, Einvernahme des Meldungslegers Thomas Wodal im Zuge eines Ortsaugenscheines, Einvernahme des RI Franz Kerschbaummayr - vorgenommen werden müssen. Auch wird bemerkt, daß dem im gegenständlichen Verwaltungsakt sich befindenden, am 4. September 1995 übermittelten Telefax im Hinblick auf oa Aspekte nur sehr wenig zu entnehmen ist und daß handschriftliche Bemerkungen auf den zwei im Verwaltungsakt sich befindenden Ausfertigungen einer Organstrafverfügung durch den O.ö. Verwaltungssenat nicht zu "enträtseln" sind. Der O.ö. Verwaltungssenat hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art.6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl Art.90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von den anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des O.ö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann. Denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw korrigierender Art sein. § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs.1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird. Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis vom 4. September 1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl zB VwGH vom 8. Oktober 1992, 92/18/0391, 0392). Aus den angeführten Gründen war der Berufung insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Das Strafverfahren war nicht einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bw gemäß § 65 iVm § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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