Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130083/2/Kei/Shn

Linz, 15.05.1997

VwSen-130083/2/Kei/Shn Linz, am 15. Mai 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Dr. R, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 2. Februar 1996, Zl. 933-10-4771389-Ho, zu Recht:

I. Der Berufung wird insoferne Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird. Der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wird abgewiesen.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Rechtsgrundlage: Art.6 Abs.1 MRK iVm §§ 51e Abs.1 VStG, 65 und 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er "am 23.1.1995 um 15:38 Uhr in Linz, Prunerstraße 5 das mehrspurige Kraftfahrzeug, Chrysler grau, mit dem polizeilichen Kennzeichen in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt" habe und "damit der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen" sei. Dadurch habe er eine Übertretung der "§§ 2 und 5 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 11.5.1989 betreffend die Einhebung einer Gemeindeabgabe für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen i.V.m. § 6 Abs.1 lit.a) OÖ. Parkgebührengesetz" begangen, weshalb er "gemäß § 6 Abs.1 lit.a) OÖ. Parkgebührengesetz" zu bestrafen gewesen sei. 2. Gegen dieses dem Bw am 6. Februar 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 20. Februar 1996 der Post zur Beförderung übergeben und fristgerecht erhoben wurde.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 4. März 1996, Zl. 933-10-4771389-Ob, Einsicht genommen. Bereits auf Grund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß gemäß § 51e Abs.1 VStG der "angefochtene Bescheid aufzuheben ist" (deshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte). 4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Im Hinblick auf das in § 44a VStG normierte Konkretisierungsgebot war das im folgenden Angeführte zu berücksichtigen (zitiert aus Hauer/Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 5. Auflage, Linde Verlag, S.969 und 970): Es darf nicht übersehen werden, daß es erforderlich ist, Tatort und Tatzeit - entsprechend dem konkreten Fall - möglichst präzis anzugeben. Die Tat ist hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß (ua) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Der Vorschrift des § 44a lit.a (jetzt Z1, Anmerkung) VStG ist dann entsprochen, wenn (ua) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Im Hinblick darauf, wie die genauen örtlichen Gegebenheiten zur gegenständlichen, dem Bw vorgeworfenen Tatzeit gewesen sind - zB genaue Stelle des abgestellten Kraftfahrzeuges des Bw - hätten durch die belangte Behörde weitergehendere Ermittlungen - insbesondere ein Ortsaugenschein, Einvernahme des Meldungslegers Herrn Roth und des Bw im Zuge eines Ortsaugenscheines - vorgenommen werden müssen. Es wird auch auf unterschiedliche Beschreibungen im Hinblick auf die Stelle des abgestellten Kraftfahrzeuges hingewiesen - Strafverfügung und Straferkenntnis - "Prunerstraße 5", zwei Niederschriften, die mit dem Meldungsleger Herrn Roth aufgenommen wurden: "gegenüber Prunerstraße 5". In Anbetracht von örtlichen Gegebenheiten wäre im gegenständlichen Zusammenhang gegebenenfalls - vor dem Hintergrund der aus Hauer/Leukauf zitierten Ausführungen - eine noch präzisere Tatortbeschreibung als "Prunerstraße 5" oder "gegenüber Prunerstraße 5" vorzunehmen oder vorzunehmen gewesen.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art.6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl Art.90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von den anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des O.ö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann. Denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw korrigierender Art sein. § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs.1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird. Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis vom 4. September 1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl zB VwGH vom 8. Oktober 1992, 92/18/0391, 0392). Aus den angeführten Gründen war der Berufung insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Das Strafverfahren war nicht einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bw gemäß § 65 iVm § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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