Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300137/2/WEI/Bk

Linz, 23.02.1998

VwSen-300137/2/WEI/Bk Linz, am 23. Februar 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des A vom 23. Jänner 1997 gegen Punkt 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. Jänner 1997, Zl. Pol 96-465-1996-W, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 Abs 1 O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 30/1995) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Punkt 2 des Straferkenntnisses aufgehoben und das Strafverfahren zu Punkt 2 gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens zu Punkt 2 entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Jänner 1997 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben 1. den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der Sitten verstoßen 2. ungebührlich störenden Lärm erregt in dem Sie am 18.08.1996, um 06.45 Uhr vor dem offenen Wachzimmerfenster der Städtischen Sicherheitswache B, laut schreiend mehrmals die Worte 'hier sind sie drinnen, die Arschlöcher' riefen." Dadurch erachtete die belangte Behörde zu 1. den § 1 Abs 1 O.ö. PolStG und zu 2. den § 3 Abs 1 O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen jeweils nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG eine Geldstrafe zu 1. von S 500,-- (24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und zu 2. von S 400,-- (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe). Als Beiträge zu den Kosten der Strafverfahren wurden S 50,-- und S 40,-- vorgeschrieben. 1.2. Gegen Punkt 2 des Straferkenntnisses, das dem Bw am 10. Jänner 1997 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich vertretene Berufung vom 23. Jänner 1997, die am 24. Jänner 1997 rechtzeitig zur Post gegeben wurde und am 27. Jänner 1997 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung beantragt, Punkt 2 des Straferkenntnisses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Die städtische Sicherheitswache von B hat mit Schreiben vom 23. August 1996 der belangten Behörde angezeigt, daß der Bw am 18. August 1996 um 06.45 Uhr in B vor dem offenen Wachzimmerfenster mehrmals die Worte "hier sind sie drinnen, die Arschlöcher" schrie. Drei Sicherheitswachebeamte, die sich im Wachzimmer aufhielten, und ein weiterer Beamter in einem Nebenraum hörten den Bw laut schreien. Trotz der wiederholten Aufforderung, sein Verhalten einzustellen, und trotz mehrmaliger Abmahnung schrie er weiterhin "Ihr Arschlöcher", weshalb er schließlich von GI H festgenommen und in die Dienststelle verbracht wurde, wo er sich weiterhin beleidigend (Ihr Arschlöcher, ihr seid alle Idioten etc.) äußerte. Der Bw wäre zwar alkoholisiert, jedoch zeitlich und örtlich orientiert gewesen.

Die belangte Behörde erließ daraufhin die Strafverfügung vom 5. September 1996, in der Tatvorwürfe wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet wurden. Dagegen erhob der Bw den rechtzeitigen Einspruch vom 23. September 1996, in dem er darauf verwies, daß er Anzeige gegen die Sicherheitswachebeamten erstattet hätte. Die belangte Behörde erhob daraufhin, daß der Bw aus Anlaß des gegenständlichen Vorfalles Anzeige wegen Körperverletzung beim Gendarmeriepostenkommando B erstattet hatte (vgl aktenkundige Strafanzeige an den Bezirksanwalt vom 14.11.1996, GZP-). Die Sicherheitswachebeamten wurden über Ersuchen der belangten Behörde vom Stadtamt B niederschriftlich einvernommen. Sie bestätigten alle, daß der Bw vor dem geöffneten Wachzimmerfenster sinngemäß die Beschimpfung "da sind sie drinnen die Arschlöcher" geschrien hatte. Er hätte dies einige Male in so lautem Ton getan, daß alle anwesenden Polizeibeamten und auch noch andere Personen dies wahrnehmen konnten. Nach Angaben des Zeugen H wiederholten sich die Beschimpfungen über einen Zeitraum von ca. 5 Minuten, wobei der Bw immer lauter geworden wäre.

2.2. In der Berufung gegen den Schuldspruch nach Punkt 2 des Straferkenntnisses wegen Erregung ungebührlich störenden Lärmes nach § 3 Abs 1 O.ö. PolStG wird der dargestellte Sachverhalt nicht bestritten. Vielmehr wird ausdrücklich auf die belastenden Angaben der einvernommenen Sicherheitswachebeamten Bezug genommen und argumentiert, daß der Vorfall, der sich in der Früh um 6.45 Uhr - also zu einer Zeit, in der bereits reger Verkehr herrschte - am Stadtplatz in B ereignete, von dem dortigen Publikum gehört werden konnte. Die Tat wäre daher in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise begangen worden und stelle sich als gerichtlich strafbare Handlung im Sinne des § 111 StGB dar, weshalb sie der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden entzogen wäre.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt unbestritten feststeht und daher nur strittige Rechtsfragen zu klären sind.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs 1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu bestrafen, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Unter "störendem Lärm" sind gemäß § 3 Abs 2 O.ö. PolStG alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

Nach § 3 Abs 3 O.ö. PolStG ist der Lärm dann als "ungebührlicherweise erregt" anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zu Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann.

Im gegenständlichen Fall ist von einem lauten und wiederholten Schreien der Worte "hier sind sie drinnen, die Arschlöcher" vor dem Wachzimmerfenster der Stadtpolizei (städtischen Sicherheitswache) B auszugehen. Diese lautstark in der Öffentlichkeit des Frühverkehrs um ca. 6.45 Uhr verkündeten Beschimpfungen wiederholten sich über einen Zeitraum von mehreren Minuten, wobei der Bw die Lautstärke seiner Stimme noch steigerte (Zeuge H). Ein solches Verhalten erfüllt an sich den Tatbestand der ungebührlichen Lärmerregung nach dem § 3 Abs 1 O.ö. PolStG.

Die belangte Strafbehörde hat allerdings übersehen, daß § 3 Abs 1 O.ö. PolStG eine Subsidiaritätsklausel enthält, wonach die ungebührliche Lärmerregung nur "außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung" eine Verwaltungsübertretung darstellt.

Die Berufung geht zwar zu Unrecht von einem Fall der Üblen Nachrede nach dem § 111 StGB aus, weil die gegenständlichen Beschimpfungen in Wahrheit unter die Beleidigung des § 115 StGB fallen, ist aber im Ergebnis mit dem Argument im Recht, daß eine gerichtliche strafbare Handlung vorlag. Der lautstarke Vorfall ereignete sich in der Öffentlichkeit des Stadtplatzes von B, weshalb das Publizitätserfordernis des § 115 Abs 1 StGB "öffentlich oder vor mehreren Leuten" nicht ernsthaft bezweifelt werden kann. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 115 Abs 1 StGB waren erfüllt. Die gerichtliche Strafbarkeit der Beleidigung der Sicherheitswachebeamten hätte durch den Staatsanwalt mit Ermächtigung der Beamten und der vorgesetzten Dienststelle oder durch die Verletzten selbst geltend gemacht werden können (vgl dazu näher § 117 Abs 2 und 4 StGB). Für die gegenständliche Subsidiarität kommt es nicht darauf an, ob eine gerichtliche Strafverfolgung tatsächlich stattfand oder nicht, sondern nur darauf, daß der dem Bw angelastete Sachverhalt eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung bildete.

5. Da wegen des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Beleidigung von einer Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 O.ö. PolStG nicht ausgegangen werden konnte, war das Straferkenntnis im Anfechtungsumfang aufzuheben und das Strafverfahren insofern gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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