Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107719/7/Br/Bk

Linz, 26.07.2001

VwSen-107719/7/Br/Bk Linz, am 26. Juli 2001 DVR.0690392  

ERKENNTNIS  

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 12. Juni 2001, Zl. VerkR96-1597-1999-Br, nach der am 26. Juli 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:  

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 29/2000 - AVG, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000 - VStG;   II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 160 S (20% der verhängten Geldstrafe, entspricht 11,63 €) auferlegt. Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.     Entscheidungsgründe:   1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat wider den Berufungswerber mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis eine Geldstrafe in der Höhe von 800 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von neunzehn Stunden verhängt und in dessen Spruch folgende Tatvorwürfe erhoben: "Sie haben am 24.04.1999 um 11.05 Uhr als Lenker des Kombis (CZ) auf der B 125 bei Strkm 50,0 im Gemeindegebiet von Leopoldschlag, Fahrtrichtung Freistadt, einen Kleinbus überholt, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten, weil Sie den Überholvorgang nicht in der Hälfte der zu Überholbeginn vorhandenen Sichtweite abschließen konnten, sodass sowohl der entgegen kommende als auch der überholte Fahrzeuglenker behindert worden ist".   1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf die Angaben der Gendarmeriebeamten die vom Überholvorgang des Berufungswerbers betroffen wurden und an deren Angaben bzw. deren Beurteilung dieses Vorganges sie keine Zweifel hegte.   2. In der dagegen fristgerecht bei der Behörde erster Instanz protokollarisch eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber dem Inhalt nach Folgendes aus: "Hinsichtlich der Begründung für diese Berufung verweise ich auf meine Einspruchsangaben vom 07.12.1999 bezüglich gegen die an mich wegen derselben Übertretung ergangene Strafverfügung. Ich stelle den Antrag, dass in diesem Fall eine mündliche Verhandlung samt Lokalaugenschein durchgeführt werden möge. Bei der ggst. Fahrt ist noch die Tochter meiner Gattin, \/, wohnhaft in Z, in dem von mir gelenkten Fahrzeug am Beifahrersitz mitgefahren. Ich ersuche daher auch diese Person bei der Berufungsverhandlung als Zeugin sowie einen Dolmetscher beizuziehen." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einbeziehung des Inhaltes des erstinstanzlichen Verfahrensaktes. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung sowie durch die vor Ort durchgeführte Vernehmung der Zeugen BI S und RI G. Die Vorfallsörtlichkeit wurde auch bildlich dokumentiert. Der zur Berufungsverhandlung ordnungsgemäß geladene Berufungswerber und auch die Behörde erster Instanz nahmen unbegründet an dieser im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten Verhandlung nicht teil.   4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:   4.1. Der Berufungswerber lenkte zum o.a. Zeitpunkt sein Fahrzeug aus Wullowitz kommend in Richtung Freistadt. Im Bereich von Strkm 50,2 verläuft die B 310 (früher B125) in einer flachen Rechtskurve. An beiden Seiten befindet sich in diesem Bereich eine zum Teil bewachsene Böschung. Etwa im Bereich von Strkm 50,1 leitete der Berufungswerber an dem mit etwa 90 km/h vor ihm fahrenden zivilen Dienstkraftwagen ein Überholmanöver ein. Bei Strkm 50,0 befand er sich mit seinem Pkw etwa auf gleicher Höhe mit dem überholten Dienstkraftwagen der Gendarmerie. In diesem Bereich ist auf Grund des Kurvenverlaufes die Gefahrensichtweite in südlicher Richtung mit etwa 250 m (neun Leitpflockabstände) beschränkt (siehe beiliegendes Bild). Bereits vor dem Überholmanöver fiel dem Lenker des Dienstkraftwagens ein sehr knapper Nachfahrabstand des Berufungswerberfahrzeuges auf. Infolge eines entgegenkommenden mehrspurigen Kraftfahrzeuges während des Überholvorganges musste folglich sowohl der Lenker des Dienstkraftwagens als auch der Lenker im Gegenverkehr sein Fahrzeug abbremsen, um dem Berufungswerber die Beendigung des Überholvorganges zu erleichtern. Der Lenker des Dienstkraftwagens lenkte zusätzlich sein Fahrzeug noch äußerst rechts an den Fahrbahnrand. Auf Grund dieses Vorganges erfolgte dann im Ortsgebiet von Rainbach die Anhaltung des Berufungswerbers, wobei dieser sich uneinsichtig zeigte und provokante Äußerungen gegenüber den Gendarmeriebeamten von sich gab. 4.2. Das Faktum des Überholvorganges an sich wird selbst vom Berufungswerber anlässlich seiner bisherigen Verantwortung nicht bestritten. Im Gegensatz zu den Anzeigelegern will er aber keine Gefährlichkeit in diesem Fahrmanöver erblickt haben. Dem vermag jedoch angesichts der Feststellungen vor Ort in Verbindung mit den Aussagen der Zeugen nicht gefolgt werden. Beide Gendarmeriebeamten schilderten im Ergebnis übereinstimmend die Stelle des Beginnes des Überholmanövers etwa bei Strkm 50,1. An diese Örtlichkeit begab man sich im Rahmen der Berufungsverhandlung. Gemäß der dort zu treffenden Feststellungen liegt von der Position einen Meter rechts von der Mittellinie und etwa in Augenhöhe eines Pkw-Lenkers die Gefahrensichtweite im Bereich von 250 Meter. Geht man ferner davon aus, dass das überholte Fahrzeug mit 90 km/h unterwegs war, ergibt sich unter Annahme einer zu Gunsten des Berufungswerbers als maximal möglich anzunehmenden Beschleunigungskomponente von 2 m/sek² und eines minimalen Sicherheitsabstandes von nur einer Sekunde (28 m) ein Überholweg von etwa 260 m (Berechnung mit Analyzer Pro 4.0).   4.2.1. Damit sind die Angaben der Zeugen schlüssig nachvollziehbar und es bestehen keine objektiven Anhaltspunkte, an diesen Angaben Zweifel zu hegen. Die Gendarmeriebeamten erklärten im Rahmen der Berufungsverhandlung den Punkt des Überholbeginnes übereinstimmend. Nicht zu zweifeln ist an deren inhaltlichen Richtigkeit über das Auftreten eines Gegenverkehrs und eines dadurch erzwungenen Abbremsens sowohl ihres Fahrzeuges als auch jenes im Gegenverkehr. Angesichts des im Hinblick auf bloße Plausibilität errechneten Überholdiagramms lässt sich schlüssig nachvollziehen, dass der Gegenverkehr, der zum Zeitpunkt der Einleitung des Überholvorganges des Berufungswerbers vermutlich noch nicht sichtbar gewesen sein dürfte, etwa auf gleicher Höhe des überholenden mit dem überholten Fahrzeug in Bezug zur Fahrgeschwindigkeit doch schon sehr knapp an die Position der beiden Fahrzeuge angenähert war, sodass ein Bremsen und Ablenken geradezu zwingend angenommen werden kann. Wenn das Fahrzeug im Gegenverkehr, so wie vom Zeugen S angegeben, auf der an dieser Stelle gut ausgebauten B 310 mit 100 km/h unterwegs war, legte es während der Hälfte des Überholvorganges zumindest 110 m zurück. Daraus folgt, dass es auf unter 150 m an dem noch am linken Fahrstreifen befindlichen Fahrzeug des Berufungswerbers angenähert war. Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit beider Fahrzeuge von zumindest 50 m/sek blieben für die Vermeidung einer Kollision nur mehr drei Sekunden übrig. Damit ist die Notwendigkeit eines erzwungenen Abbremsens sowohl des Gegenverkehrs als auch des überholten Pkw anschaulich belegt. Eine Anhörung der vom Berufungswerber ohne nähere Begründung zur Befragung der von ihm beantragten Zeugen bedurfte es angesichts dieses klaren Beweisergebnisses nicht. Der Berufungswerber blieb unentschuldigt der Berufungsverhandlung fern. Er erklärte zwar im Rahmen einer fernmündlichen Mitteilung, dass er zum Verhandlungstermin nicht anwesend wäre. Dieses Faktum stellte jedoch schon angesichts entsprechender Hinweise in der Ladung weder eine hinreichende Begründung dar die bereits anberaumte Verhandlung wieder abzusetzen, noch wurde damit dargelegt, dass es ihm nicht zuzumuten gewesen wäre, sich um eine entsprechende Vertretung zu bemühen. 5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:   5.1.1. § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 lautet: Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen: a) wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist, . . . . . Der Zweck der allgemeinen Überholverbotsnormen ist der Ausschluss der Gefährdung von Straßenbenützern. Die Strafnorm des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 lässt in ihrer generalisierenden Form in Verbindung mit den Tatbildern des § 16 StVO keinen Unterschied erkennen, welch anderer Aspekt den Überholverboten innewohnen sollte. Das Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.a StVO gründet dem klaren Wortlaut nach vor allem in der Vermeidung der Gefährdung und Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge und schließt wohl gleichzeitig auch den abstrakten Gefährdungsaspekt von "anderen" Straßenbenützern noch mit ein. Daher vermag hier am Verstoß gegen das Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.a StVO kein Zweifel übrig bleiben. Die Zulässigkeit des Überholens ist ferner nicht nur vom Endpunkt des Überholmanövers, sondern auch von dessen Beginn aus zu beurteilen (VwGH 20.11.1967, ZVR 1969/11 u.v.a.). Dabei setzt für eine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraus, die für die Länge der für den Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung ist, das sind in erster Linie die Geschwindigkeiten des Überholenden und des zu überholenden Fahrzeuges. Ebenso sind vor dem Überholmanöver Umstände zu beurteilen, welche einem Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten (VwGH 12.3.1986, 85/03/0152). Wenn nun ein Überholentschluss trotz nicht ausreichender Gefahrensichtweite gefasst wird und sich in der Folge ergibt, dass auf Grund eines auftretenden Gegenverkehrs das überholte Fahrzeug zum Abbremsen und/oder Ausweichen genötigt wird, wurde dem Schutzziel des "§ 16 Abs.1 lit.a StVO" zuwidergehandelt, indem hierdurch vor allem der überholte Fahrzeuglenker nachteilig betroffen wurde. Die Schutzfunktion des § 16 Abs.1 lit.a StVO besteht nicht nur darin, einen gefahrlosen Gegenverkehr zu ermöglichen, sondern wäre auch in der Verhinderung von Schäden zu erblicken, die beim Überholen und Wiedereinordnen entstehen können (vgl. OGH 23.11.1977, 8 Ob 160/77, ZVR 1979/120).   6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.   6.1. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass knappe Überholmanöver auf potentiell gefährliche Fahrneigung schließen lassen, indem damit offenkundig die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer leichtfertig, routinemäßig und wohl als Folge einer auf wenig Geduld schließen lassende Neigung in Kauf genommen wird. Von einer Inkaufnahme einer zumindest abstrakten Gefährdung muss bei einem Überholentschluss wie er hier vorlag - nämlich mangels ausreichender Überholsichtweite und von nachfolgend zumindest in Bedrängnis gebrachten anderer [überholter Pkw und Gegenverkehr] - und damit zwingenden notwendig werdenden Bremsens und Ausweichens nach rechts des überholten Fahrzeuges zwecks Vermeidung einer sonst drohenden Kollision mit dem Gegenverkehr, ausgegangen werden. Solche Verhaltensmuster könnten im Wiederholungsfall durchaus auch die Frage nach der Verkehrszuverlässigkeit im Rahmen eines Administrativverfahrens aufwerfen. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass angesichts des hohen Gefährdungspotentials riskanter Überholmanöver bei bloßer Ausschöpfung des Strafrahmens unter einem Zehntel, die Strafe unverhältnismäßig niedrig angesetzt wurde. Insbesondere aus Gründen der Generalprävention schiene es geboten derartige Fehlverhalten im Straßenverkehr, die auf mangelhaftes Unrechtsbewusstsein und einer erhöhten Neigung zur Rücksichtslosigkeit schließen lassen, durch entsprechende Ausschöpfung des Strafrahmens entsprechend stärker zu ahnden. Angesichts des Grundsatzes der reformatio in peius (des Verschlechterungsverbotes im Berufungsverfahren) konnte jedoch im Rahmen des Berufungsverfahrens diese offenkundig verfehlte Straffestsetzung nicht korrigiert werden. Rechtsmittelbelehrung:   Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   H i n w e i s:   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.     Dr. B l e i e r
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