Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107831/2/BI/KM

Linz, 20.09.2001

VwSen-107831/2/BI/KM Linz, am 20. September 2001 DVR.0690392  

E R K E N N T N I S  

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M S, vertreten durch RAe M, R, S & Partner OEG, vom 7. August 2001 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Juni 2001, S-7589/01 V1P, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:  

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit Maßgabe folgender Ergänzung bestätigt wird: "... die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen. ...", die Geldstrafe jedoch auf 1.000 S (entspricht 72,67 €) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt werden.   II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 100 S (entspricht 7,26 €); ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.   Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a Z1, 51 Abs.1 und 19 VStG. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.     Entscheidungsgründe:   zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S (64 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 15. September 2000 um 16.30 Uhr in P, Ausfahrt des Parkplatzes beim Einkaufszentrum P-C, im Bereich der Pluskaufstraße das Kfz Kz. gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 150 S auferlegt.   2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).   3. Die Bw führt aus, es sei angesichts der unbedenklichen Aufzeichnungen des GP P davon auszugehen, dass die Verständigung eineinviertel Stunden nach dem Verkehrsunfall stattgefunden habe. Sie selbst habe nach dem Ereignis, das sich mit geringfügigsten Geschwindigkeiten zugetragen habe, mehrfach auf die Verständigung von Polizei und Rettung gedrängt, aber die übrigen Unfallsbeteiligten hätten dies vehement abgelehnt. Sie sei selbst Diplomkrankenschwester und habe geringfügige Schürfverletzungen am Knie der Beifahrerin wahrgenommen, dies aber für eine Verletzung gehalten, die auch ohne Behandlung kurzfristig abheilen werde. Die Zeugin P habe bei ihrer Einvernahme selbst angegeben, sie und die Lenkerin des Mopeds hätten am Unfallsort keine Verletzungen geltend gemacht. Es sei am Unfallsort mit den übrigen Beteiligten vereinbart worden, dass sich die beiden sofort melden, wenn ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Als sich die beiden in Spitalsbehandlung begeben hätten, sei auch die Meldung erfolgt, eben eineinviertel Stunden nach dem Vorfall. Es handle sich nur um ein geringfügiges Fehlverhalten und sie habe sich sofort nach dem Unfall bemüht, den Sachschaden einer Regelung zuzuführen. Präventive Vorkehrungen seien nicht erforderlich. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.   4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, dass die Bw als Lenkerin des angeführten Pkw am 15.9.2000 gegen 16.30 Uhr auf der Ausfahrtsstraße vom Parkplatz N zur Kreuzung mit der Pstraße fuhr, als die Zeugin J K ihr Motorfahrrad, auf dem die Zeugin M P Beifahrerin war, auf der Pstraße vom Parkplatz des "H M" kommend in Richtung zum Kreisverkehr Rstraße kam. Die Bw wollte nach links in die Pstraße einbiegen und übersah das von links kommende Motorfahrrad. Nach einer geringfügigen Berührung der beiden Fahrzeuge stürzte die Zeugin Kollmann mit dem Motorfahrrad. Laut Verletzungsanzeigen des UKH Linz erlitten die Zeuginnen Kollmann und P geringfügige Verletzungen am rechten Ellbogen und Oberschenkel bzw am rechten Bein. Die Verständigung des GP P erfolgte am 15.9.2000 um 17.45 Uhr durch die Bw telefonisch. Sie gab an, die Lenkerin des Motorfahrrades habe an der Unfallsstelle gesagt, ihr würde eigentlich nichts fehlen. Bei der Beifahrerin, der Zeugin P, habe sie Verletzungen am Knie gesehen, weshalb sie beide gefragt habe, ob sie die Rettung verständigen solle. Da dies beide Zeuginnen abgelehnt hätten, hätten sie nur die persönlichen Daten ausgetauscht. Beide hätten gesagt, sie wüssten noch nicht, ob sie einen Arzt aufsuchen würden. Da ihr die Sache keine Ruhe gelassen habe, habe sie schließlich die Gendarmerie verständigt.   Die Zeugin Kollmann gab an, die Bw habe sich nach dem Unfall um sie beide gekümmert. Sie hätten zu ihr gesagt, sie würden wahrscheinlich zum Arzt gehen, weil sie Schmerzen im Bereich des Knies verspürt hätten. Eine Verständigung der Gendarmerie sei von allen unterblieben. Die Zeugin P bestätigte, es seien lediglich die Daten ausgetauscht, aber keine Verletzungen geltend gemacht worden. Kurz nachdem die Bw den Unfallsort verlassen gehabt habe, habe sie stärkere Schmerzen im rechten Bein verspürt und ihren Bruder angerufen, der sie und die Zeugin K ins UKH Linz gebracht habe, wo Prellungen und Abschürfungen am rechten Bein und am rechten Arm festgestellt worden seien.   Zusammenfassend ist daher für den Unabhängigen Verwaltungssenat davon auszugehen, dass die Unfallmeldung eineinviertel Stunden nach dem Unfall stattfand, wobei davon auszugehen ist, dass die Bw an der Unfallstelle zwar eine Verletzung der Beifahrerin des Motorfahrrades bemerkte, aber genauso wenig wie die beiden Zeuginnen an eine sofortige Meldung des Verkehrsunfalls dachte.   In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen. Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz leg.cit. haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei dem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die nächste Polizei- oder Gendar-meriedienststelle sofort zu verständigen.   Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass in einem solchen Fall eine Unfallsaufnahme zum Schutz der Personen, die wegen ihrer beim Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen nicht in der Lage waren, ihre Interessen ausreichend zu wahren, zu erfolgen hat, um diesen die Möglichkeit zu geben, eventuelle Ansprüche auf der Grundlage gesicherter Beweise geltend zu machen. Diese Beweissicherung hat im Wege der Unfallsaufnahme zu erfolgen, die im gegenständlichen Fall unterblieben ist und wegen der verstrichenen Zeit bis zur Unfallsmeldung nicht mehr nachholbar war.   Die Verständigungspflicht besteht auch beim Vorliegen "nicht nennenswerter" Verletzungen (vgl VwGH v 20.4.1988, 87/02/0118,ua), da sich diese, wie im gegen-ständlichen Fall, in der Folge als schwerer herausstellen können, als es zunächst schien. Die Meldepflicht hat nichts mit dem Verschulden am Unfall zu tun, sondern betrifft jeden "ursächlich am Unfall Beteiligten", besteht aber nicht bezüglich eigener Verletzungen (vgl VwGH v 18.5.1965, 1041/64). Die Meldung hat "sofort", dh unmittelbar nach eventuell erforderlicher Hilfeleistung oder dem Herbeiholen von Hilfe, zu erfolgen (vgl VwGH v 2.10.1967, 894/67), eben zum Zweck der Beweis-sicherung.   Die Bw ist Inhaberin einer Lenkberechtigung, für deren Erwerb umfangreiche Fachkenntnisse auch der Bestimmungen bezüglich des Verhaltens bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden erforderlich waren, dh sie kann sich nicht auf Unwissenheit berufen. Gerade ein solcher Verkehrsunfall stellt eine Ausnahmesituation dar, bei der das bis dahin theoretische Wissen zwar vorhanden ist, aber möglicherweise nicht auf die konkrete Situation unmittelbar bezogen wird. Gerade das ist aber in einer solchen Situation erforderlich. Von der Lenkerin eines Kraftfahrzeuges, die die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ist zu erwarten, dass sie die erforderliche Willensstärke und Umsicht aufbringt, sich pflichtgemäß zu verhalten, dh ihren Verpflichtungen im Interesse aller Unfallbeteiligten auch fristgerecht nachzukommen (vgl VwGH v 11.12.1978, 23/78). Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht um einen Verkehrsunfall mit (bloßem) Sachschaden, bei dem der Identitätsnachweis reicht, um auf eine Meldung an die nächste Gendarmeriedienststelle verzichten zu können, sondern es lag eine Verletzung vor, die die Bw auch als solche erkannte und einschätzte, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie als Diplomkrankenschwester über ausreichende medizinische Kenntnisse verfügte, die eine baldige Abheilung der Schürfwunde bei normaler Desinfektion und Versorgung erwarten ließ.   Durch die verspätete Unfallsmeldung an den GP P hat die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und - da es sich bei dieser Bestimmung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG handelt, bei dem ihr die Glaubhaftmachung (gänzlich) mangelnden Verschuldens nicht gelungen ist - ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. DIe Spruchergänzung war im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung des Tatvorwurfs geboten, wobei ein vollständiger Tatvorwurf schon in der Strafverfügung vom 23.2.2001 - fristgerecht im Sinne des § 32 Abs.2 VStG - erfolgte.   Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit a StVO von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe bzw von 24 Stunden bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Als geringfügig im Sinne des § 21 Abs.1 VStG vermag der Unabhängige Verwaltungssenat das Verschulden der Bw nicht anzusehen, zumal zwar eine Verständigung des GP P erfolgte, aber erst geraume Zeit nach dem Unfall (vgl VwGH v 26.3.1993, 92/03/0113-0117, ua).   Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht hervor, dass weder mildernde noch erschwerende Umstände berücksichtigt und die finanziellen Verhältnisse der Bw mit ca 20.000 S netto monatlich und dem Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten angenommen wurden. Der Einkommensschätzung hat die Bw nicht widersprochen, sodass diese auch im Rechtsmittelverfahren zugrunde zu legen war. Dem Verfahrensakt ist auch zu entnehmen, dass die Bw nicht unbescholten ist (wenngleich einschlägig nichts vorliegt). Mildernd ist aber nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates wohl zu berücksichtigen, dass die Unfallsmeldung durch die Bw von sich aus, wenngleich verspätet, erfolgte, wobei auch zu bedenken ist, dass auch die Zeugin K hinsichtlich der Verletzungen ihrer Beifahrerin meldepflichtig war und offenbar ebenfalls die Unfallsstelle ohne Meldung an die Gendarmerie verlassen hat. Das gänzliche Unterbleiben einer Unfallsaufnahme ist daher nicht der Bw allein zuzurechnen. Aus diesen Überlegungen und auf Grund der Einsichtigkeit der Bw war eine Herabsetzung der verhängten Strafen gerechtfertigt. Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den finanziellen Verhältnissen der Bw und hält auch general- sowie spezialpräventiven Überlegungen stand. Die Ersatzfrei-heitsstrafe wurde der Geldstrafe innerhalb des Strafrahmens angemessen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.   zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.   Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.   Mag. Bissenberger
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