Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107905/2/WEI/Be

Linz, 29.08.2002

VwSen-107905/2/WEI/Be Linz, am 29. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27. Juli 2001, Zl. VerkR 96-7603-2001, wegen Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs 1 lit a) und § 4 Abs 5 StVO 1960 (BGBl Nr. 159/1960 idFd 20. StVO-Novelle BGBl I Nr. 92/1998, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 128/2002) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufgehoben und es werden die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 28.01.2001 um 15.30 Uhr den PKW, von der Raststätte Mondsee kommend zur Auffahrt auf die A 1 gelenkt, wobei es zu einer Kollision mit dem Pferdeanhänger des PKW, kam. Obwohl Sie in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall standen haben Sie es

1) unterlassen sofort anzuhalten und

2) haben Sie nicht sofort die nächste Polizei- oder Sicherheitsdienststelle verständigt, obwohl Sie einander weder Namen noch Anschrift nachgewiesen haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.) § 4 Abs.1 lit.a StVO.1960

2.) § 4 Abs.5 StVO.1960"

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde "gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO.1960" Geldstrafen zu 1) von S 1.000,-- (72,67 Euro) und zu 2) von S 500,-- (36,34 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen zu 1) von 48 Stunden und zu 2) von 24 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurde ein einheitlicher Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren in Höhe von S 150,-- (10,90 Euro) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 6. September 2001 zu eigenen Händen zugestellt wurde, richtet sich die per Telefax am 14. September 2001 rechtzeitig eingebrachte Berufung gleichen Datums, mit der erschließbar die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung der Strafverfahren angestrebt wird. Ihr Inhalt lautet:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Wie bereits im Protokoll vom Gendarmerieposten angegeben, kam es am 28.01.2001 um 15.30 Uhr bei der Raststätte Mondsee mit dem PKW, Kennzeichen:, zu keiner Kollision.

Aufgrund dieser Tatsache ist mir keine Schuld zuzuweisen, daher erhebe ich Einspruch.

Mit freundlichen Grüßen

unleserliche Unterschrift eh."

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige vom 28. April 2001, Zl. 737/1/2001, übermittelte die Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Außenstelle (VAASt) Seewalchen/Attersee, der belangten Behörde einen Verkehrsunfallbericht vom 28. April 2001, Zl. C 2/454/2001 sowie drei aufgenommene Niederschriften mit beteiligten Personen betreffend einen Vorfall vom 28. Jänner 2001 um 15.30 Uhr auf der A 1 bei Km 258,78 im Gegenverkehrsbereich Mondsee, wo es bei der Auffahrt von der Raststätte Mondsee zu einer Kollision zwischen dem von Frau S auf der A 1 gelenkten VW Golf C, samt Einachsanhänger mit Pferd und dem vom Bw gelenkten PKW Honda Civic, gekommen sein soll, wobei der Letztgenannte Fahrerflucht begangen hätte.

Nach dem Bericht der VAASt Seewalchen meldete S, , erstmals um ca. 19.30 Uhr Herrn RI S im Wachzimmer GNIGL der BPD Salzburg einen Verkehrsunfall. Entgegen ihrer Behauptung in der mit ihr von der BPD Salzburg aufgenommenen Niederschrift vom 18. April 2001 hatte sie den Unfall nach ihrem Eintreffen beim Stall in Anif nicht der Autobahngendarmerie Mondsee, und zwar weder dem GPK Mondsee oder dem GPK Unterach, noch der VAASt Seewalchen gemeldet. Sie hat es auch trotz mehrmaliger Aufforderung durch GI S unterlassen, die Fahrzeugdaten des Pferdeanhängers bekannt zu geben.

2.2. Nach Darstellung der Barbara S (vgl Niederschrift der BPD Salzburg, Wachzimmer GNIGL, vom 18.04.2001) fuhr sie auf der A 1 Richtung Salzburg und benützte den rechten Fahrstreifen. Auf Höhe der Baustelle bei der Raststättenauffahrt Mondsee hätte der Bw und Unfallgegner eine "Stop-Tafel" nicht beachtet und wäre in die Autobahn eingefahren, ohne die Geschwindigkeit merklich zu verringern. S hätte wegen des Pferdeanhängers ein starkes Ablenken vermieden und wäre auf dem rechten Fahrstreifen weitergefahren. Der Bw hätte ihren Pferdeanhänger gerammt und dadurch am Radkasten in der Mitte beschädigt. Der Anhänger hätte leicht geschleudert und das mitgeführte Pferd hätte sich an der Bordwand den Kopf angestoßen. Sie hätte sofort angehalten, um nach den Beschädigungen bzw. dem Pferd zu sehen. Der Bw wäre ohne anzuhalten in Richtung Salzburg weitergefahren. Nach Ankunft in Anif, hätte sie telefonisch die Autobahngendarmerie Mondsee verständigt und den Vorfall gemeldet. Von dort hätte man ihr gesagt, dass sie die Anzeige bei der Polizeidienststelle des Wohnortes vornehmen sollte. Zum Pferdeanhänger hätte sie bis dato keine genauen Angaben machen können, weil sich dieser bei einem Tournier in Wien befände. Sie werde eine Kopie des Zulassungsscheines ehestens dem zuständigen Gendarmerieposten übermitteln.

Irgendwelche Angaben zur Schadenshöhe hat S nicht gemacht. Allfällige Reparaturkosten oder Tierarztkosten sind auch nicht aktenkundig.

2.3. Anders die Darstellung des Bw und seiner Freundin und Beifahrerin H, der auch der vom Bw gelenkte PKW gehörte.

Frau H wurde am Gendarmerieposten Winklern (Kärntner Bezirk Spittal/Drau) niederschriftlich als Auskunftsperson einvernommen (vgl Niederschrift vom 27.02.2001, Zl. P-122/01-Gra). Sie gab an, dass der Bw ihren PKW von der Raststätte Mondsee kommend lenkte vor dem Ausfahren auf die A 1 beim Stopzeichen angehalten hätte. Beim nachfolgenden Einbiegen auf den rechten Fahrstreifen wäre plötzlich das Gefährt mit dem Pferdeanhänger da gewesen, die Lenkerin hätte aber noch nach links ausweichen können und es wäre zu keiner Kollision gekommen. Sie hätte dann nach ca 100 m rechts angehalten und sich erregt gezeigt. Da keine Notwendigkeit zum Anhalten bestand, wäre der Bw mit geringer Geschwindigkeit weitergefahren. Die Frage der Vorrangverletzung wollte Frau H nicht beurteilen. Von einer Beschädigung oder Verletzung des Pferdes hätte man nichts mitbekommen. Ihr Fahrzeug, das auch von der Gendarmerie in Winklern besichtigt worden wäre, wies keinerlei Beschädigungen auf.

Der Bw wurde am Gendarmerieposten Winklern (Kärntner Bezirk Spittal/Drau) niederschriftlich als Beteiligter einvernommen (vgl Niederschrift vom 03.03.2001, Zl. P-122/01). Zum Zwischenfall bei der Raststättenausfahrt zur A 1 erklärte der Bw, dass er beim Stopzeichen kurz angehalten hätte und durch vorhandene Betonabsperrwände den Verkehr nur schlecht einsehen hätte können. Er hätte etwas auf den rechten Fahrstreifen hinausfahren müssen, um nach links sehen zu können. Bei diesem Einbiegen hätte dann der VW-Golf mit Pferdeanhänger auf den linken Fahrstreifen ausweichen müssen, wobei er aber mit hundertprozentiger Sicherheit sagen könnte, dass es zu keiner Kollision kam. Die Lenkerin des VW-Golf blieb kurz danach auf einer Baustellenausweiche stehen. Beim Vorbeifahren hätte der Bw sehen könne, dass sie wild gestikulierte. Ein Grund zum Anhalten hätte sich nicht ergeben. Auch von einer Verletzung des Pferdes hätte man nichts mitbekommen.

2.4. Die belangte Behörde erließ nach unbeantwortet gebliebener Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13. Juni 2001 in weiterer Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 27. Juli 2001. Begründend wird zum maßgeblichen Sachverhalt pauschal und im Übrigen aktenwidrig angeführt, dass S am 28. Jänner 2001 den Sachverhalt persönlich in der Verkehrsabteilung - Außenstelle Seewalchen zur Anzeige gebracht hätte. Eine Erörterung der Aktenlage fehlt zur Gänze. Dem Bw wurde nur ausgerichtet, dass er von der Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, keinen Gebrauch gemacht hat, weshalb das Strafverfahren ohne seine weiter Anhörung durchgeführt werde. Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde von einem geschätzten monatlichen Einkommen von netto S 15.000,--, keinem Vermögen und fehlenden Sorgepflichten aus.

3. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt durch die Faktenlage nicht erwiesen werden kann. Der von der belangten Strafbehörde im Spruch zum Ausdruck gebrachte Sachverhalt wurde im Strafverfahren erster Instanz in keiner Weise untermauert. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis schon mangels ausreichender Beweise aufzuheben.

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 4 Abs 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

  1. wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
  2. wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,
  3. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Nach § 4 Abs 5 StVO haben die in Abs 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Gemäß § 99 Abs 2 lit a) StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,-- , im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

wer als Lenker eines Fahrzeugs, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, den Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 2 StVO zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

Gemäß § 99 Abs 3 lit b) StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

wer in anderer als der in § 99 Abs 2 lit a) StVO bezeichneten Weise gegen die Bestimmung des § 4 StVO verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.

4.2. Was den im vorliegenden Fall maßgeblichen Sachverhalt betrifft, kann das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats der belangten Strafbehörde nicht folgen. Die Behauptungen der S werden durch die glaubhaften Angaben des Bw sowie der Zeugin H, wonach es gegenständlich zu keiner Kollision gekommen war, in Frage gestellt. Das Fahrzeug der H wurde auch von BI G vom GPK W am 27. Februar 2001 besichtigt und dieser konnte keine Beschädigungen feststellen (vgl Verkehrsunfallbericht der VAASt Seewalchen, Aktblatt 8). S hat demgegenüber trotz mehrfacher Aufforderung nicht einmal den Zulassungsschein des Einachs-Pferdeanhängers der VAASt Seewalchen vorgelegt, geschweige denn den behaupteten Schaden irgendwie bescheinigt. Ihre telefonischen Schadensangaben gegenüber GI S am 8. Februar 2001 um 09.00 Uhr unterscheiden sich auch noch von den vor der BPD Salzburg in der Niederschrift vom 18. April 2001 gemachten Angaben. Laut Verkehrsunfallbericht der VAASt Seewalchen vom 28. April 2001, Seite 3, gab S gegenüber GI S eine Beschädigung des Kombis links hinten und des Anhängers vorne links sowie des Radkastens an, während sie bei der niederschriftlichen Einvernahme nur von einer Beschädigung des Radkastens in der Mitte des Anhängers sprach. Schließlich konnte auch die Behauptung der S, telefonisch die Autobahngendarmerie in Mondsee nach ihrer Ankunft in Anif verständigt zu haben, von GI S nicht verifiziert werden. Den Aussagen dieser Beteiligten durfte die belangte Behörde daher nicht ungeprüft Glauben schenken. Auch von der BPD Salzburg wurden die angeblichen Schäden an den Fahrzeugen mangels Besichtigung zu irgendeinem Zeitpunkt nicht bestätigt.

Bei der gegebenen Beweislage kann entgegen der belangten Strafbehörde keinesfalls vom Zutreffen der Behauptungen der S ausgegangen werden. Viel eher erscheinen die widerspruchsfreien und durchaus lebensnahen Angaben des Bw und seiner Freundin als wahrheitsgemäß, zumal auch an dem vom Bw gelenkten Fahrzeug am 27. Februar 2001 durch die Gendarmerie Winklern keine Schäden festgestellt werden konnten. Jedenfalls kann nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit von einem Sachverhalt ausgegangen werden, der die Handlungspflichten des § 4 Abs 1 und 5 StVO ausgelöst hat. Da im gegenständlichen Strafverfahren auch keinerlei Beweissicherung stattfand, ist nunmehr nach Ablauf von mehr als 1 1/2 Jahren seit dem Vorfall nicht mehr damit zu rechnen, dass das Geschehen eindeutig aufgeklärt werden könnte. Deshalb war zumindest im Zweifel zugunsten des Bw anzunehmen, dass sich bei der von ihm der Sache nach zugestandenen Vorrangverletzung vom 28. Jänner 2001 um 15.30 Uhr keine Kollision ereignete, die zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden geführt hatte.

5. Im Ergebnis ist daher das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufzuheben und sind die beiden Strafverfahren mangels erwiesener Verwaltungsübertretungen gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

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