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des Landes Oberösterreich
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VwSen-130245/2/Kei/Shn

Linz, 30.10.1998

VwSen-130245/2/Kei/Shn Linz, am 30. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung der Dr. Sylvia B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 18. Juni 1998, Zl. VerkR96-8248-1998-(Kb), zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 45 Abs.1 Z1 und § 51 Abs.1 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet: "Sehr geehrte Frau B! Sie haben am 06.11.1997 das Fahrzeug mit dem Kennzeichen in M, im Bereich der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne dieses Fahrzeug mit einem an gut sichtbarer Stelle hinter der Windschutzscheibe angebrachten gültigen Parkschein gekennzeichnet zu haben und haben sohin die Parkgebühr hinterzogen. Dieser Sachverhalt wurde am 06.11.1997 um 10.05 Uhr von einem von der Stadtgemeinde Mattighofen bestellten Parkraumüberwachungsorgan festgestellt." Die Berufungswerberin (Bw) habe dadurch "§ 6 Abs.1 lit.a PGG 1998 iVm. §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6 Zi.1 der Verordnung d. Gemeinderates der Stadtgemeinde Mattighofen vom 26.06.1991, 144/1 u. 2-1991" übertreten, weshalb sie gemäß "§ 6 Abs.1 lit.a PGG" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 400 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden).

2. Gegen dieses der Bw am 22. Juni 1998 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 3. Juli 1998 der Post zur Beförderung übergeben wurde und die fristgerecht erhoben wurde. Die Bw brachte in der Berufung im wesentlichen vor (auszugsweise wörtliche Wiedergabe): Der angefochtene Bescheid ist sowohl materiell als auch verfahrensrechtlich verfehlt. Zur Zeugin Frau L, welcher weder in ihrer Fähigkeit betreffend der Beurteilung ob es sich bei der gegenständlichen Hausein- bzw. Ausfahrt um eine solche handelt oder nicht, eine Beurteilungsfähigkeit nach dessen Aussage mehr Beweiskraft zukommen kann, ist zu bemerken, daß diese anläßlich ihrer Einvernahme lediglich ausführt eine Ladetätigkeit nicht beobachtet zu haben (wörtlich meinte sie: "Ladetätigkeit konnte keine beobachtet werden"). Die Behörde in erster Instanz setzt diese Äußerung damit gleich, daß tatsächlich keine Ladetätigkeit durchgeführt wurde, welche Folgerung jedoch nicht einmal durch die Aussage der Zeugin Frau L gedeckt ist. Überdies wird die Zeugin in ihrer Eigenschaft als Überwachungsorgan nicht nur die Ein- bzw Ausfahrt des Hauses Stadtplatz 28 beobachtet haben. Es muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß der Zeuge lediglich erklärte: "Ladetätigkeit konnte keine beobachtet werden", jedoch bei seiner Aussage die Vornahme von einer Ladetätigkeit nicht ausschloß. Es wurde mit Eingabe vom 20.5.1998 die Vornahme eines Lokalaugenscheines beantragt, damit sich die Behörde erster Instanz ein Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten machen kann. Diesem Beweisantrag wurde jedoch seitens der Behörde erster Instanz ohne hiefür eine Begründung abzugeben nicht Folge geleistet. Bei Durchführung eines Ortsaugenscheines hätte sich die Behörde erster Instanz eine Vorstellung von der Örtlichkeit und der Wahrnehmungsmöglichkeit der Zeugin L ein Bild machen können. Entgegen der Verpflichtung diesem Beweisantrag nachzukommen, hat die Behörde erster Instanz es nicht einmal für notwendig gefunden, den gestellten Beweisantrag zu erwähnen, geschweige denn irgendeine Begründung dafür zu geben, weshalb sie diesen Beweisantrag nicht durchführte bzw diesem nicht stattgab. Es wäre Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen den zugrundeliegenden Sachverhalt nach einem mangelfreien Verfahren festzustellen, die Gründe für ihre Beweiswürdigung übersichtlich darzulegen und danach den richtig festgestellten Sachverhalt einer eingehenden und richtigen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Da der Behörde erster Instanz sowohl bei der Beweiswürdigung schwerwiegende Fehler unterlaufen sind, zumal die Behörde verpflichtet ist, die der Entlastung der Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden und die Behörde im Gegensatz zu dieser gesetzlichen Verpflichtung sich mit der Entlastung der Beschuldigten dienenden Umständen in keinster Weise auseinandergesetzt hat, als auch es die Behörde unterlassen hat die erforderlichen Beweise aufzunehmen, erweist sich der angefochtene Bescheid in wesentlichen Punkten als den verfahrensrechtlichen Mindesterfordernissen nicht entsprechend, verfehlt und mangelhaft. Ich stelle daher den Antrag auf Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß das Verwaltungsstrafverfahren gegen mich eingestellt und ich von der Einstellung benachrichtigt werde.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshaupt-mannschaft Braunau am Inn vom 8. Juli 1998, Zl. VerkR96-8248-1998-(Kb), Einsicht genommen. 4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs.2 Oö. Parkgebührengesetz gelten als Abstellen im Sinne dieses Gesetzes das Halten und Parken gemäß § 2 Abs.1 Z.27 und 28 StVO 1960. Gemäß § 2 Abs.1 Z27 StVO ist Halten eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62). Gemäß § 2 Abs.1 Oö. Parkgebührengesetz ist zur Entrichtung der Parkgebühr der Lenker verpflichtet. Gemäß § 4 Abs.2 Oö. Parkgebührengesetz ist die Parkgebühr bei Beginn des Abstellens fällig. Gemäß § 5 Oö. Parkgebührengesetz ist die Parkgebühr nicht zu entrichten für (lit.d) Fahrzeuge, die lediglich zum Zwecke des Aus- oder Einsteigens von Personen oder für die Durchführung einer Ladetätigkeit halten.

Gemäß § 6 Abs.1 Oö. Parkgebührengesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, wer (lit.a) durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht.

4.2. Die Meldungslegerin Brunnhilde L hat vor der belangten Behörde ua zum Ausdruck gebracht (Niederschrift vom 30. April 1998): "Ich konnte jedoch in keinem der ggst. Fälle eine Ladetätigkeit beobachten. Auch nachdem ich jeweils die Organstrafverfügungen ausgestellt und angebracht hatte, beobachtete ich das ggst. Fahrzeug noch einige Zeit, konnte jedoch niemals eine Ladetätigkeit beobachten." ... "Ich kann somit heute mit absoluter Sicherheit angeben, daß das Fahrzeug in allen 8 ggst. Fällen in der Kurzparkzone, vor dem Haus M, ohne ordnungsgemäß angebrachten Parkschein abgestellt war und auch keine Ladetätigkeit durchgeführt wurde." Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses (S. 5) u.a. ausgeführt: "Die Zeugenaussage Frau Ls ist schlüssig und widerspruchsfrei ...". Der Oö. Verwaltungssenat teilt diese Beurteilung aus im folgenden angeführten Gründen nicht. Zwischen den beiden oben angeführten Aussagen der Brunnhilde L liegt ein Widerspruch. Durch die Formulierungen "Ich konnte jedoch in keinem der ggst. Fälle eine Ladetätigkeit beobachten" und "... ich ... konnte jedoch niemals eine Ladetätigkeit beobachten" wird zum Ausdruck gebracht, daß es möglich ist, daß eine Ladetätigkeit im gegenständlichen Zusammenhang vorgelegen ist und daß die Meldungslegerin Brunnhilde L eine solche nur nicht hätte beobachten können. Anderes wird durch die zweite der o.a. Aussagen der Brunnhilde L zum Ausdruck gebracht. Durch diese Aussage wird dezidiert ausgeschlossen, daß eine Ladetätigkeit durchgeführt worden sei. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ua ausgeführt: "Auf die Einvernahme des Zeugen Herrn DI Heinz S wurde verzichtet, zumal keine gegenteilige Aussage zu Ihren Rechtfertigungsangaben zu erwarten und der Sachverhalt aufgrund der Zeugenaussage der Meldungslegerin, Frau Brunnhilde L, hinreichend geklärt ist." Der Oö. Verwaltungssenat schließt sich dieser durch die belangte Behörde vorgenommenen Beurteilung aus im folgenden angeführten Gründen nicht an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 96/03/0253, u.a. zum Ausdruck gebracht: "Gemäß § 25 Abs.2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Dabei kommt gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Verwaltungsverfahren ist eine antizipative Beweiswürdigung fremd. Die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach Aufnahme der Beweise möglich." Die belangte Behörde hätte der beantragten Beweisaufnahme - der beantragten Einvernahme des DI Heinz S - die objektive Eignung, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern, nicht von vornherein absprechen dürfen und sie hätte DI Heinz S einvernehmen müssen. Es lag im gegenständlichen Zusammenhang eine antizipative Beweiswürdigung, die nicht zulässig war, vor. Bei dieser durch den Oö. Verwaltungssenat vorgenommenen Beurteilung wurde auch weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der antizipativen Beweiswürdigung berücksichtigt (siehe hiezu Hauer/Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 5. Auflage, S. 891 und S. 892, 10 a bis 10 d). Für den Oö. Verwaltungssenat liegt vor dem Hintergrund der oa Ausführungen betreffend die Aussagen der Brunnhilde L und der oa Ausführungen zur Frage des Unterlassens der Einvernahme des DI Heinz S im Hinblick auf die Frage, ob der objektive Tatbestand der der Bw vorgeworfenen Übertretung verwirklicht wurde - insbesondere im Hinblick auf die Frage ob eine Ladetätigkeit vorgelegen ist - trotz Vorliegen von Anhaltspunkten (die belangte Behörde hat solche in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführt) nicht mehr als ein Verdacht vor und es ist für den Oö. Verwaltungssenat das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der der Bw vorgeworfenen Übertretung nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen. Es war spruchgemäß (Spruchpunkt I) zu entscheiden.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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