Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150291/3/Lg/Hue/Hu

Linz, 07.12.2005

 

 

 

VwSen-150291/3/Lg/Hue/Hu Linz, am 7. Dezember 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des E H, E, W, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W H und Dr. J S, R, R, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 20. Jänner 2005, Zl. 0059438/2004, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verspätung der Einbringung eines Einspruches gegen die Strafverfügung vom 27. Oktober 2004, Zl. 0059438/2004, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. (§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG).

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) vom 23. Dezember 2004 um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "im Hinblick auf die Möglichkeit zur Einbringung eines Einspruches" gegen die Strafverfügung vom 27. Oktober 2004, Zl. 0059438/2004, abgewiesen.

 

Begründend wird auf § 71 Abs. 1 Ziffer 1 AVG hingewiesen, wonach gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Es wird auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach ein "minderer Grad des Versehens" nur dann vorliege, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handle, also dann, wenn ein Fehler begangen werde, der gelegentlich auch von einem sorgfältigen Menschen gemacht werde. Dieser "mindere Grad des Versehens" würde im gegenständlichen Fall nicht vorliegen, da die Annahme, dass eine Verständigung irrtümlich weggelegt worden sei, weil bereits vorher eine Verständigung zugestellt worden sei, im gegenständlichen Fall unerheblich sei, da der Absender des Schriftstückes einwandfrei aus der Verständigung erkennbar sei. Bei entsprechender Sorgfalt im Umgang mit behördlichen Schriftstücken sei daher die fristgerechte Setzung von Verfahrenshandlungen sichergestellt gewesen.

 

2. In der Berufung wird vorgebracht, dass aus dem Rückschein ersichtlich sei, dass angeblich am 3. November 2004 (Mittwoch) der erste Zustellversuch und am 4. November 2004 (Donnerstag) der zweite Zustellversuch gewesen sei. Der Bw sei naturgemäß als Kraftfahrer den ganzen Tag unterwegs und hätte das Vorhandensein irgendeiner Benachrichtigung nicht gesehen und verständlicherweise, wenn andere Familienmitglieder ein- und ausgegangen sind, auch spät am Abend nicht mehr sehen können. Aus dem Rückschein ergebe sich jedenfalls, dass dieser in keiner Weise unterschrieben worden sei, da eben von diesem Zustellversuch keine Kenntnis erlangt worden sei und daher die Behebung beim Postamt für den Bw nicht möglich gewesen sei. Somit sei die Ausführung der Erstbehörde unzutreffend, dass zum Zustellzeitpunkt von zwei Behörden Strafbescheide zugestellt worden seien. Präzise gesehen, sei dem Bw ein Strafbescheid zugestellt worden. Hinsichtlich des zweiten Strafbescheides hätte es einen Zustellversuch und möglicherweise eine Verständigung einer Hinterlegung, jedenfalls aber keine Zustellung, gegeben. Der Bw würde sorgfältig mit behördlichen Schriftstücken umgehen. Dies würde die Tatsache, dass ein Rechtsmittel gegen den ersten Strafbescheid (von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) eingelegt worden sei, belegen. Möglich wäre, dass seitens der Post keine Verständigung von der Hinterlegung erfolgt sei, aber auch, dass der Hinterlegungszettel irrtümlich zur Werbung gekommen und z.B. durch Familienmitglieder irrtümlich weggeworfen worden sei. Es sei nicht nachweisbar, dass dem Bw eine Verständigung von der Hinterlegung zugegangen ist. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bw trotz Kenntnis einer Hinterlegung das Schriftstück nicht behoben habe. Es sei in keiner Weise geklärt, ob nicht doch ein fehlerhafter Zustellvorgang vorliegt.

 

Beantragt wird die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Mit Strafverfügung vom 27. Oktober 2004, Zl. 0059438/2004, wurde der Bw wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 bestraft. Für diesen Bescheid (RSa-Brief) erfolgte - lt. Vermerken auf dem Rückschein durch die Post - am 3. November 2004 der erste Zustellversuch, am 4. November 2004 der zweite Zustellversuch und am 5. November 2004 schließlich die Hinterlegung des Schriftstückes. Die Ankündigung des zweiten Zustellversuches und die Mitteilung über die Hinterlegung des Bescheides beim Postamt ... sei an der Eingangstüre der Abgabestelle angebracht gewesen.

 

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 brachte der Bw den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob gleichzeitig Einspruch gegen die Strafverfügung. Demzufolge habe der Bw erst anlässlich eines Mahnschreibens der belangten Behörde vom 10. Dezember 2004, zugestellt am 20. Dezember 2004, von der Strafverfügung vom 27. Oktober 2004 Kenntnis erlangt. Die weitere Argumentation entspricht im Wesentlichen der gegenständlichen Berufungsbegründung. Es wird ein minderer Grad des Versehens gem. § 71 Abs. 1 Ziffer 1 AVG geltend gemacht.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Abweisungsbescheid.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Zunächst ist die Frage der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages zu prüfen. Diese setzt gemäß § 71 Abs.1 AVG eine Fristversäumnis voraus, diese wiederum die Wirksamkeit der Zustellung (hier: der gegenständlichen Strafverfügung). Der Antragsteller stellt die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags selbst in Frage, indem er die Wirksamkeit der Zustellung in Zweifel zieht.

 

Die Wirksamkeit der Zustellung setzt voraus, dass - entsprechend § 21 Abs.1 ZustG - vom Zustellungsorgan die Ankündigung des zweiten Zustellversuchs und die Verständigung von der Hinterlegung des Bescheids an der Abgabestelle zurückgelassen wurden, wobei es gemäß § 17 Abs.4 ZustG der Wirksamkeit keinen Abbruch tut, wenn die in § 21 Abs.2 ZustG genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde. Für die Annahme eines fehlerhaften Zustellvorgangs bietet der Sachverhalt jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Der Rückschein indiziert, dass die Ankündigung des zweiten Zustellversuches und die Verständigung über die Hinterlegung ordnungsgemäß stattgefunden haben. Eine bloße Mutmaßung reicht für die Annahme des Gegenteils nicht aus, zumal der Bw in einer Alternativmutmaßung ausdrücklich selbst mit der Möglichkeit rechnet, dass die Verständigung von der Hinterlegung durch Familienmitglieder irrtümlich weggeworfen worden sein könnte. Ergänzend ist anzumerken, dass Entsprechendes für die angedeutete Verwechslung durch die Post gilt. Dazu kommt, dass sich für die vom Bw vorgebrachte Verwechslung zweier Schriftstücke durch die Post keine Hinweise ergeben, zumal eine Verwechslung aufgrund der unterschiedlichen Absender (BH Linz-Land und Magistrat Linz) und der differierenden Aktenzahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Weiters sind auf dem Rückschein für die Strafverfügung vom 27. Oktober 2004 die entsprechenden Vermerke angebracht, die einer möglichen Verwechslung durch den Zusteller entgegen stehen. Eine Hinterlegung des Schriftstückes beim zuständigen Postamt gemäß § 17 Abs.1 Zustellgesetz hat - unbestritten - stattgefunden, während das zweite Schriftstück übernommen worden ist, sodass auch dies eine mögliche Verwechslung durch die Post ausschließt. Mithin ist von der Wirksamkeit der Zustellung - als Zulässigkeitsvoraussetzung des Wiedereinsetzungsantrags - auszugehen. Auch die Zulässigkeitsvoraussetzung der Verspätung des Einspruchs liegt vor, da die Strafverfügung vom 27. Oktober 2004 am 5. November 2004 zugestellt (hinterlegt) worden ist, die Rechtsmittelfrist somit am 19. November 2004 geendet hat, der Einspruch jedoch erst am 23. Dezember 2004 erfolgt ist.

 

4.2. Die Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags hängt davon ab, ob es dem Antragsteller gelingt, glaubhaft zu machen, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Diesbezüglich trifft den Wiedereinsetzungswerber eine - mit dem Wiedereinsetzungsantrag zeitlich limitierte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/16/0523) - Behauptungslast.

 

Das unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis erblickt der Antragsteller offenbar in der Nichtkenntnis der Ankündigung und der Verständigung gemäß § 21 Abs.1 ZustG.

 

Die Glaubwürdigkeit dieser Behauptung hängt - von den Konsequenzen her - unmittelbar mit der darauf folgenden Frage des (Nicht-)Verschuldens bzw. des minderen Grades des Versehens zusammen: Es ist dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, eine Lösung getroffen zu haben, die es durch die bloße Behauptung der Nichtkenntnis und der Sorgfalt bei der Beschau des Posteingangs erlaubt, die gesetzlichen Fristbestimmungen zu unterlaufen. Abzulehnen ist demnach eine Auslegung, die dazu einlädt mittels leicht aufzustellender aber schwer widerlegbarer Behauptungen die gesetzlichen Fristen illusorisch zu machen. Daraus ergibt sich weiter, dass, wenn man, wie hier, trotz Zweifels, der Behauptung der Nichtkenntnis folgt, man an die bei der Behandlung des Posteingangs zu beachtende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen hat. Das Vorliegen der nach diesem Maßstab die Annahme eines minderen Grades des Versehens rechtfertigenden Umstände hat der Antragsteller glaubhaft zu machen.

 

Zu dieser Sorgfalt gehört, dass der Posteingang "täglich mit der entsprechenden Sorgfalt" (vgl. VwGH vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022) durchgesehen wird. Tut die Partei dies nicht selbst - nach den Darlegungen im Akt kommt auch die Gattin des Antragstellers bzw. der Kreis der Familienmitglieder in Betracht - so hat er für eine entsprechende Genauigkeit bei der Postdurchsicht der in Betracht kommenden Personen und eine zweckentsprechende Kommunikation zu sorgen; dazu gehört, dass er sich vergewissert, dass in beiderlei Hinsicht mit entsprechender Sorgfalt vorgegangen wird. Diese Sorgfaltspflicht trifft auch - und besonders - Berufskraftfahrer (vgl. das angesprochene diesbezügliche Vorbringen des Bw, dass er den ganzen Tag unterwegs sei und er, wenn andere Familienmitglieder ein- und ausgegangen seien, auch spät am Abend nichts mehr sehen hätte können), denen die tägliche persönliche Postdurchsicht - ja unter Umständen nicht einmal der tägliche Informationsfluss mit anderen Personen, die die Post durchsehen - möglich ist.

 

Zu diesem Fragenbereich argumentiert der Bw lediglich dahingehend, dass seine Sorgfalt durch die Behebung eines anderen behördlichen Schriftstücks in Verbindung mit der fehlenden Motivation, Schriftstücke der gegenständlichen Art zu ignorieren, erwiesen sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Argumentation des Bw leidet schon daran, dass er lediglich Möglichkeiten in den Raum stellt, anstatt die Verlässlichkeit einer konkreten Person, die die gegenständlich in Betracht kommende Postdurchsicht vornimmt, zu behaupten und zu begründen. Vielmehr deutet schon die vom Bw selbst dargestellte Möglichkeit, dass behördliche Verständigungen gemeinsam mit Postwurfsendungen durch ihn selbst oder etwa seine Gattin unbeabsichtigt weggeworfen worden sein könnten, auf einen niedrigen Sorgfaltsstandard (der natürlich durch ein geglücktes Auffinden in einem anderen Fall nicht ausgeschlossen wird). Dies fällt um so mehr ins Gewicht, als bei "doppelter Absicherung" des Verständigungssystems (mittels zweier Urkunden, hier: der Ankündigung des zweiten Zustellversuchs und der Verständigung von der Hinterlegung - aus auf der Hand liegenden Gründen sind für die Frage der Sorgfalt beide Schriftstücke von Interesse) die Postdurchsicht zwei Mal auf eine Art und Weise erfolgt sein muss, bei der die behördlichen Verständigungen (die gegenständlich nicht unauffällig bzw. verwechslungsfähig mit Werbeprospekten u.dgl. sind) nicht bemerkt wurden. Selbst wenn man annähme, dass die Post von zwei Tagen auf einmal durchgesehen wurde, bliebe die Tatsache, dass nicht nur ein, sondern zwei Schriftstücke der in Rede stehenden Art übersehen wurden.

 

Unter diesen Umständen kann nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Langeder

 

 

 

 

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