Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300573/2/Gf/Da

Linz, 19.05.2004

 

 

 VwSen-300573/2/Gf/Da Linz, am 19. Mai 2004
 

DVR.0690392
 

 
 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des P B, L, L, vertreten durch die RAe Dr. W M u.a., H, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. April 2004, Zl. III/S-33951/03-2SE, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbetrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 
Rechtsgrundlage:
§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.
 
 
 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. April 2004, Zl. III/S-33951/03-2SE, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er am 21. September 2003 in einem näher bezeichneten Lokal in Linz den öffentlichen Anstand verletzt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 90/2001 (im Folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er gemäß § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der dem Rechtsmittelwerber angelastete Sachverhalt auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmungen des einschreitenden Sicherheitsorganes als erwiesen anzusehen sei. Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen; mangels entsprechender Mitwirkung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 16. April 2004 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 30. April 2004 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer von Anfang an damit verantwortet habe, die inkriminierten Äußerungen nicht getätigt zu haben, ihm jedoch schlechthin nicht geglaubt worden sei. Selbst wenn er aber derartige Bemerkungen gemacht hätte, seien diese nicht öffentlich gewesen, weil sie - wie auch die belangte Behörde zugestehe - von keiner dritten Person wahrgenommen worden seien; außerdem sei der Vorraum zum Dienstzimmer nicht allgemein zugänglich gewesen.

 

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu ein Absehen von oder eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BPD Linz zu Zl. III/S-33951/03-2; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Nach § 1 Abs. 2 OöPolStG ist als Anstandsverletzung jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ist in erster Linie strittig, ob die anstößigen Äußerungen in der Öffentlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 OöPolStG erfolgten.

 

3.2.1. In diesem Zusammenhang gehen beide Verfahrensparteien zunächst übereinstimmend davon aus, dass die Beschimpfung des Beschwerdeführers wegen der Lautstärke der vorherrschenden Musik nur vom einschreitenden Sicherheitsorgan als Adressat derselben wahrgenommen werden konnte. Eine Qualifikation dieser Tat als gerichtlich strafbare Beleidigung i.S.d. § 115 Abs. 1 StGB, die nach § 117 Abs. 2 StGB überdies nur mit Ermächtigung der vorgesetzten Dienststelle des Sicherheitsorganes hätte verfolgt werden dürfen, scheidet daher von vornherein aus.

 

3.2.2. Die belangte Behörde bringt jedoch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses vor, dass - im Gegensatz zu § 115 Abs. 1 StGB - "Öffentlichkeit" i.S.d. § 1 OÖPolStG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann vorliege, wenn die Tat zwar "nur von einer Person unmittelbar wahrnehmbar war, jedoch die Möglichkeit bestand, dass das verpönte Verhalten von anderen Personen wahrgenommen wird."

 

Im Ergebnis scheint diesbezüglich jedoch ein Fehlverständnis der vom VwGH im Anschluß an die Judikatur des OGH entwickelten Rechtsfigur der sog. Sukzessivöffentlichkeit vorzuliegen.

 

In dem von der belangten Behörde - offenbar - bezogenen Erkenntnis VwSlg 11472 A/1984 (das - nur - leitsatzmäßig in W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, 1417, zitiert ist) hat nämlich der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf VwSlg 9684 A/1978 zunächst klargestellt, dass der öffentliche Anstand grundsätzlich nur dann verletzt werden kann, wenn die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist. In besonderen Fällen ist die Öffentlichkeit einer Anstandsverletzung jedoch auch dann zu bejahen, wenn auf Grund deren Eigenart, nämlich des mit der Tat verbundenen Belästigungseffekts, die Möglichkeit bestand, dass diese Handlung auch einer weiteren (unbeteiligten) Person bekannt werden kann.

 

Daraus folgt aber insgesamt, dass in jenen Fällen, in denen die Anstandsverletzung in einer verbalen Beschimpfung besteht, diese grundsätzlich nur dann als öffentlich angesehen werden kann, wenn sie auch von einer vom Beleidiger und vom Beleidigten verschiedenen dritten Person unmittelbar wahrgenommen werden konnte; anderes gilt hingegen ausnahmsweise nur dann, wenn die Beschimpfung auf Grund ihrer Eigenart (der verwendeten Worte und / oder der Begleitumstände) objektiv dazu geeignet ist, dass sie (erst) in der Folge einem weiteren Personenkreis bekannt wird.

 

Diese insgesamt einschränkende Sichtweise ist schon deshalb geboten, um damit auch der rechtspolitischen Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2000 (vgl. § 1 Z. 4 des Oö. Rechtsbereinigungsgesetzes 1999, LGBl.Nr. 17/2000), wonach seither eine bloße Ehrenkränkung nicht mehr strafbar sein soll, effektiv zum Durchbruch zu verhelfen.

 

3.2.3. Davon ausgehend ist der Oö. Verwaltungssenat der Auffassung, dass die Verwendung der im Spruch angelasteten Wortfolgen ("Scheiß Kieberer" und "Schleich dich, du Drecksau") - selbst wenn man den Einwand des Beschwerdeführers, sich nicht in dieser Form geäußert zu haben, gänzlich unberücksichtigt ließe - objektiv besehen nicht jenen Grad an Außergewöhnlichkeit erreichen, bei dem man davon ausgehen kann, dass diese in der Folge auch einem größeren Kreis Unbeteiligter bekannt werden. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Art der Veranstaltung, in deren Rahmen das Sicherheitsorgan eingeschritten ist ("10 Years Danube Rave" im Linzer Posthof), und die Zusammensetzung des Publikums sowie darauf, dass der Verfassungsgerichtshof - wenngleich im Zusammenhang mit einer Ordnungsstrafe - ausgesprochen hat, dass das sensible Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) durch übertriebene Empfindlichkeit der Behörden nicht über Gebühr eingeschränkt werden darf (vgl. z.B. VfSlg 13035/1992).

 

3.2.4. Im Ergebnis lag daher im gegenständlichen Fall keine öffentliche Anstandsverletzung - auch nicht in Form der Sukzessivöffentlichkeit - und somit kein tatbestandsmäßiges Verhalten i.S.d. § 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG vor.

 

3.3. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 
 

Dr. G r o f
 
 
 

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