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des Landes Oberösterreich
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VwSen-150361/2/Lg/Hue

Linz, 01.06.2006

 

 

 

VwSen-150361/2/Lg/Hue Linz, am 1. Juni 2006

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung der H L GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte E & P, M, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 28. September 2005, Zl. BauR96-36-2005, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird zurückgewiesen (§ 63 Abs. 5 AVG i.V.m. § 66 Abs. 4 und § 24 VStG)

 

 

Entscheidungsgründe:

 

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über M F, M, S, vertreten durch Rechtsanwälte E & P, M, S, eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 16. November 2004 um 1.49 Uhr als Lenker eines Kfz mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen und dem behördlichen Kennzeichen die mautpflichtige A8 "Innkreisautobahn" bei ABKm 17.680, Mautabschnitt Pichl/Bad Schallerbach - Knoten Wels (Krenglbach), benützt habe, ohne dass die für die Benützung der Autobahn vorgeschriebene fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Die Achsenzahl des Kraftfahrzeuges (4) sei höher gewesen als die eingestellte Kategorie/Achsenzahl am Fahrzeuggerät (3).
  2.  

  3. In der Berufung wird Folgendes vorgebracht:

 

"Das Straferkenntnis wird zur Gänze angefochten.

 

- Zur Zulässigkeit der Berufung:

 

Wir verkennen nicht, dass nach § 23 Abs. 2 BStMG der Zulassungsbesitzer im Strafverfahren gegen den Lenker keine Parteistellung hat und ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid für ihn keine bindende Wirkung hat.

 

Wir vertreten die Rechtsansicht, dass der Ausschluss der Parteistellung des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lkw-Lenker unsachlich und somit gleichheitswidrig ist, weil der Zulassungsbesitzer nach § 23 Abs. 1 leg.cit für die über den Lenker dessen Fahrzeuges wegen Übertretung des
§ 20 Abs. 2 verhängten Geldstrafe und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand haftet, wenn er - wie gegenständlich - dem Lenker das Fahrzeug selbst (oder über Dritte - hier nicht der Fall) überlassen hat.

 

Der letzte Halbsatz des Abs. 2 steht in Widerspruch zu Abs. 1 leg.cit, zumal letztgenannte Bestimmung eine Haftung des Zulassungsbesitzers für die über den Lenker verhängten Geldstrafen samt Verfahrenskosten (zur ungeteilten Hand) normiert, was nichts anderes bedeutet, als dass der gegen den Lenker ergangene Strafbescheid sehr wohl bindende Wirkung für den Zulassungsbesitzer hat, diese beiden Bestimmungen stehen zueinander in Widerspruch.

 

Personen, auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien (§ 8 AVG).

 

Diese Bestimmung ist im Sinne des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbar.

 

Dass der Zulassungsbesitzer ein rechtliches Interesse am Ausgang des gegen den Lenker seines Fahrzeugs geführten Verwaltungsstrafverfahrens hat, liegt in Anbetracht der Haftungsbestimmung des § 23 Abs. 1 BStMG auf der Hand; die Bestimmung des § 23 Abs. 2 leg.cit steht somit auch mit § 8 AVG in Widerspruch.

 

Die Regelung des § 23 Abs. 2 lässt sich auch mit der Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG nicht begründen, weil nach dem letzten Halbsatz dieser Verfassungsbestimmung abweichende Regelungen für das Verwaltungsstrafrecht bzw. das Verwaltungsstrafverfahren in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetzen nur dann getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

 

Diese Erforderlichkeit ist gegenständlich keineswegs erkennbar, es ist vielmehr so, dass überhaupt kein sachlicher Grund gegeben ist, den Zulassungsbesitzer, der für die über die Lenker verhängten Geldstrafen samt Verfahrenskosten haftet, die ParteisteIlung, welche ihm nach § 8 A VG (in Verbindung mit § 24 VStG) zukäme, zu nehmen, die verfassungsgerichtliche Judikatur hat klargestellt, dass diese "Erforderlichkeit" im Sinne einer Unerlässlichkeit zu verstehen ist (vgl. VfSlg. 11.564, 14.153 und 15.351).

 

Die Bestimmung des § 23 Abs. 2 BStMG ist somit gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig und widerspricht dem fair trial nach Art. 6 EMRK, zumal sich der Zulassungsbesitzer gegen eine solche Bestrafung, für deren Bezahlung er haftet, nicht zur Wehr setzen kann.

 

- Zur Rechtswidrigkeit der Berufung:

 

Die Erstbehörde hat uns das Straferkenntnis vom 28.09.2005 nicht zugestellt, dieses wurde von uns am 20.10.2005 im Zuge der Besprechung einer ARD-Reportage im Original von RA Dr. P ausgehändigt, welchen wir wegen unserer Haftung mit der Einbringung einer Berufung dagegen beauftragt haben, die zweiwöchige Berufungsfrist ist somit gewahrt.

 

- Berufungsbegründung:

 

Da wir als Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden Lkw für die über unseren Lenker durch die Erstbehörde verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten mit diesem zur ungeteilten Hand haften, haben wir ein rechtliches Interesse daran, dass dieses Verfahren eingestellt wird und erachten wir uns durch diese Bestrafung in den nachstehend angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt, ebenso wegen Anwendung einer gleichheits- und somit verfassungswidrigen Bestimmung, nämlich des Passus "von 400,-- €" in § 20 Abs. 2 BStMG verletzt und begründen dies wie folgt:

 

Verstoß gegen Art. 1 des 4. ZP zur EMRK und Art. 2 Abs. 2 PersFrG:

 

Nach der Judikatur des OGH (2 Ob 33/01v vom 22.02.2001) ist die Autobahnmaut keine Abgabe, sondern ein privatrechtliches Entgelt, da es sich bei der Maut im Sinne des Gesetzes um einen Vertrag handelt, welcher konkludent zwischen dem Straßenbenützer- und dem -erhalter abgeschlossen wird.

Insoweit erachten wir es für verfassungsrechtlich höchst bedenklich, die Nichteinhaltung eines privatrechtlichen Vertrages, welcher mit der Benützung einer mautpflichtigen Strecke zustandekommt, strafrechtlich zu sanktionieren. Dies widerspricht der Verfassungsbestimmung des Art. 1 des 4. ZP zur EMRK, zumindest was die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Stunden betrifft.

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung und auch nach Art. 2 Abs. 2 PersFrG darf niemandem die Freiheit alleine deshalb entzogen werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen (Verbot der sogenannten exekutiven Schuldhaft; Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht9, Rz. 1396).

 

Diese Verfassungsbestimmungen (Verbot der Freiheitsentziehung wegen Schulden) sind im gegenständlichen Fall deshalb verletzt worden, weil die Erstbehörde eine Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Stunden im Nichteinbringlichkeitsfalle verhängt hat.

 

Die Strafbestimmung des § 20 enthält keine Ersatzfreiheitsstrafe, weswegen die Erstbehörde offenkundig auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 VStG die Ersatzfreiheitsstrafe verhängt hat.

 

Ist der Bestrafte bzw. Haftpflichtige nicht in der Lage, die verhängte Geldstrafe zu leisten, muß er die Ersatzfreiheitsstrafe antreten und wird ihm dadurch die Freiheit entzogen, was nur bei Verwaltungsstrafdelikten zulässig ist, welche ihre Grundlage in öffentlichrechtlichen Normen haben, nicht aber - wie gegenständlich - in einer konkludenten privatrechtlichen Vereinbarung über die Benützung eines mautpflichtigen Verkehrsweges.

 

Der OGH hat im zitierten Urteil auch auf den kompetenzrechtlichen Hinweis auf die Regelung zivilrechtlicher Bestimmungen im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG in den Gesetzesmaterialien Bezug genommen. Danach hat der Mautstraßenerhalter auf der Grundlage eines mit dem Straßenbenützer entgeltlich geschlossenen Vertrages der Erfüllung seiner vertraglich übernommenen Schutz- und Sorgfaltspflichten für jedes Verschulden einzustehen. Die Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit nach § 1319a ABGB ist demnach im Fall der Vignettenmaut nicht anwendbar. Auch aus umsatzsteuerrechtlicher Behandlung der Maut ergäbe sich nichts anderes und ent- spricht es auch der verwaltungsgerichtlichen Judikatur, dass die "Autobahnmaut" keine Abgabe, sondern ein privatrechtliches Entgelt ist (VwGH 98/06/0002 und ZVR 1999, Sonderheft 5a, 17).

 

Es liegt somit ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht nach Art. 1 des 4. ZP zur EMRK und Art. 2 Abs. 2 PersFrG vor.

 

Verstoß gegen Art. 83 Abs. 2 B-VG:

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

 

Der Verfassungsgerichtshof interpretiert dieses Recht extensiv und versteht unter dem "gesetzlichen Richter" jede staatliche Behörde (VfSlg. 1443 und 2048) woraus ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründenden Behördenzuständigkeit schlecht hin besteht (VfSlg. 2536 und 12.11).

 

Diese Verfassungsbestimmung bindet auch den Gesetzgeber (VfSlg. 6675) welcher die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien (VfSlg. 3156 und 8349), exakt (VfSlg. 9937 und 10.311) klar und eindeutig (VfSlg. 11.288) Frist legen muß (VfSlg. 10.311 und 12.788).

 

In seiner Judikatur leitet der Verfassungsgerichtshof aus der in Art. 91 B-VG vorgesehenen Aufteilung der Gerichtskompetenzen auf verschiedene Gerichtstypen nach der Schwere der Delikte ab, dass schwere Strafen nur von den Gerichten, nicht aber von Verwaltungsbehörden verhängt werden dürfen, diesbezüglich ist es unzulässig, Verwaltungsstrafen vorzusehen, die bereits das Ausmaß der von Gerichten zu verhängen- den Strafen übersteigen (VfSlg. 12.151, 12.389 und 12.471 sowie 12.546).

 

Verfassungsgerichtliche Judikatur betreffend die verfassungsrechtlichen Grenzen des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens im Bezug auf die Abgrenzung zu den Zivilgerichten ist dem Beschwerdeführer nicht geläufig.

 

Im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes ist der Bundesgesetzgeber nach Art. 11 Abs. 2 B-VG bei einem Bedarf nach Erlassung einheitlicher Vorschriften ermächtigt, nicht nur das Verwaltungsstrafverfahren, sondern auch die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, also auch das materielle Recht, zu regeln.

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist eine Bedarfsgesetzgebung als abweichende Regelung in einem Materiengesetz nur dann zulässig, wenn dies "unerläßlich" ist (VfSlg. 11.564, 14.153 und 15.351).

 

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bezieht sich auf das Ver- hältnis zwischen Justiz und Verwaltung und wird dieses verletzt, wenn eine gerichtliche Zuständigkeit durch Verwaltungsbehörden wahrgenommen (Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht9, Rz. 1405).

 

Nun sieht § 20 Abs. 2 leg.cit. vor, dass Kfz-Lenker, die Mautstrecken benützen, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung begehen und mit Geldstrafe von 400 € bis zu 4.000 € zu bestrafen sind.

 

Nun hat der Oberste Gerichtshof im bereits zitierten Beschluß vom 22.02.2001, 2 Ob 33/01 v, ausgesprochen, dass die "Autobahnmaut" keine öffentliche Abgabe sondern ein festes Entgelt ist, welches für die Benützung bestimmter Straßen zu leisten ist.

Die seit 01.01.1997 zu entrichtende zeitabhängige Maut (Vignettenmaut) gemäß § 7 leg.cit. ist keine Abgabe sondern ein privatrechtliches Entgelt (vgl. auch VwGH 98/06/0002 und ZVR 1999, Sonderheft 5a, 17).

 

Der OGH hat auf den kompetenzrechtlichen Hinweis auf die Regelung zivilrechtlicher Bestimmungen im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 Z.9 B-VG in den Gesetzesmaterialen Bezug genommen.

Benützt ein Kfz-Lenker vignettenpflichtige Straßen, kommt konkludent ein Vertrag zwischen Straßenerhalter- und -benützer zustande.

 

Bei dieser Maut (Vignettenpflicht) handelt es sich somit um eine Angelegenheit des Zivilrechtswesens im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z.6 B-VG.

 

Nach der Verfassungsbestimmung des Art. 6 Abs. 1 EMRK sind in Zivil- und Strafsache die auf Gesetz beruhenden Gerichte zur Entscheidung berufen (Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht9, Rz.1403).

 

Welche Behörde, Gericht- oder Verwaltungsbehörde der Gesetzgeber für zuständig erklärt, wird durch Art. 83 Abs. 2 B- VG nicht festgelegt. Eine diesbezügliche Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus anderen Verfassungsbestimmungen - etwa aus Art. 6 EMRK - ergeben (Adamovic - Funk - Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Band 3, Rz.42.111). Dieses Grundrecht bindet auch den Gesetzgeber (Rz. 42.108).

 

Die Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter leiten wir auch aus einem Verstoß gegen Art. 10 B-VG ab.

 

Es liegt gegenständlich nicht eine Materie des Kraftfahrwesen (Z.9) vor, sondern eine solche des Zivilrechtswesen (Z.6).

 

Wenn im Sinne der zitierten Judikatur das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B- VG auch den Gesetzgeber bindet, muß daraus abgeleitet werden, dass der einfache Gesetzgeber bei der Festlegung, ob ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zur Vollziehung des Gesetzes berufen ist, an die verfassungsgesetzlich normierten Kompetenzbestimmungen gebunden ist. Auf der Grundlage des zitierten OGH-Judikates ist die Maut keine "Abgabe", sondern ein "privatrechtliches Entgelt". Durch die Benützung eines mautpflichtigen Verkehrsweges kommt iSd § 863 ABGB konkludent ein Vertrag zwischen dem Straßenbenützer und dem Straßenerhalter dahingehend zustande, dass Ersterer stillschweigend (konkludent) durch das Benützen dieses Verkehrsweges erklärt, mit der Benützung der Straße gegen Entgelt einverstanden zu sein, weswegen eine Materie des Zivilrechtswesens iSd Art. 10 Abs. 1 Z. 6 B-VG und nicht eine solche des Verkehrswesens (Z. 9) gegeben ist.

 

Unter "Zivilrechtswesen" werden jene Materien verstanden, die nach der Systematik der Rechtsordnung, wie sie zur Zeit des Wirksamkeitsbeginnes der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung bestanden hat, als Angelegenheit des Zivilrechtes, des Prozeßrechtes und des Exekutionsrechtes anzusehen waren (Versteinerungstheorie). Es können auch neue Regelungen unter diesen Kompetenztatbestand fallen, sofern sie nach ihrem Gehalt systematisch diesen Rechtsbereichen angehören (VfSlg. 2658, 3121,4615,5521,5666 und 12.470).

 

Unter den Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" fallen Angelegenheiten, die Kraftfahrzeuge und deren Lenker betreffen (VfSlg. 2977,4243,4381 und 11.493).

Unter den Kompetenztatbestand der "Straßenpolizei" nach Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG fallen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs (VfSlg. 5619, 11.493 und 12.187 sowie Maßnahmen unter dem Gesichts- punkt der Verkehrsregelung und Verkehrssicherheit (VfSlg. 4605 und 11.493).

 

Das B-VG knüpft die Kompetenzaufteilung an die verschiedenen Staatsfunktionen (Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit) und teilt die Kompetenzen zur Gesetzgebung und zur Verwaltung, die Gerichtsbarkeit hat hingegen ausschließlich vom Bund auszugehen (Art. 82 Abs. 1 B-VG). Daneben regelt das B-VG auch die Verteilung der Kompetenzen zwischen den verschiedenen Staatsfunktionen, einerseits zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 18 B- VG) und andererseits - innerhalb der Vollziehung - zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit (Art. 91 Abs. 2 und 3 B-VG; Art. 6 EMRK).

 

Aus den zitierten verfassungsgesetzlichen Bestimmungen ist abzuleiten, dass die Einbringlichmachung des vom Vertragspartner nicht entrichteten Entgeltes in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Zivilgerichte, fällt.

 

Nach § 1 JN wir die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch die in dieser Bestimmung genannten Gerichte (ordentliche Gerichte) ausgeübt.

Dies bedeutet, dass der Straßenerhalter seine Ansprüche auf das Benützungsentgelt (Vignettenmaut) vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen muß, welches diesem aufgrund des konkludent zustandegekommenen Benützungsvertrages zusteht.

 

Für diesen Rechtsstandpunkt spricht auch die Möglichkeit der Bezahlung der "Ersatzmaut" iSd § 19 Abs. 1 BStMG von € 110,--, welche als erhöhtes Entgelt für die Straßenbenützung anzusehen ist und mit welcher auch jener Aufwand abgedeckt wird, welcher mit der Überwachung der Entrichtung des Entgeltes im Zusammenhang steht.

 

Die (auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002) ergangene Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs, Version 6, gültig seit 17.08.2004, enthält in Teil B Punkt 12 "Gerichtsstand und anwendbares Recht" folgendes:

 

"Für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dieser Mautordnung bzw. der Benutzung des mautpflichtigen Straßennetzes ist - subsidär zu den Verwaltungsbehörden - das sachlich zuständige Gericht in Wien ausschließlich zuständig. Es gilt ausschließlich österreichisches Recht unter Ausschluß der Kollisionsnormen des internationalen Privatrechtes."

 

§ 20 BStMG verstößt somit gegen die zitierten bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen verstoßen, ebenso gegen Art. 82, 83, 90 und 94 B-VG.

 

Nach Art. 87a Abs. 1 B-VG kann durch Bundesgesetz die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnenden Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nicht richterlichen Bundesangestellten übertragen werden.

 

Diese Verfassungsbestimmung zeigt meiner Rechtsansicht nach, dass die Besorgung einzelner Geschäfte der Gerichtsbarkeit erster Instanz in Zivilrechtssachen nur an Rechtspfleger übertragen werden darf, womit es ausgeschlossen ist, eine zivilrechtliche Materie den Verwaltungsbehörden zu übertragen.

 

Selbst wenn man die Rechtsansicht vertreten sollte, dass es sich bei der Autobahnmaut um eine Abgabe iSd § 2 Abs. 1 lit.a FinStrG handelt, wären zum Vollzug bzw. der Durchführung des Strafverfahrens nach den §§ 33 und 58 leg.cit. die Finanzstrafbehörden zuständig (vgl. VfSlg. 16.564).

 

Diese Verfassungswidrigkeit bewirkt, dass wegen Nichteinhaltung einer privatrechtlichen Vereinbarung ein Verwaltungsstrafverfahren abgeführt und eine Verwaltungsstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wird.

Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist im zivilgerichtlichen Verfahren nicht möglich, sondern sind aufgrund eines zivilrechtlichen Titels lediglich Exekutionsmaßnahmen zulässig, weswegen durch § 20 leg.cit. mit einem unzulässigen Druckmittel, nämlich mit der Ersatzfreiheitsstrafe, die Bezahlung eines Ersatzes für die nicht entrichtete Maut erzwungen wird.

 

Es ist somit die gesamt Bestimmung des § 20 leg.cit. verfassungswidrig, welche die mangelnde Entrichtung der Maut zur Verwaltungsübertretung erklärt, weswegen angeregt wird, der UVS möge einen diesbezüglichen Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH stellen.

 

Gesetzliche Mindeststrafe von € 400.--:

 

§ 20 Abs. 2 BStMG sieht für das in Rede stehende Delikt Geldstrafen "von 400 € bis 4.000 €" vor.

Meiner Rechtsansicht nach ist diese Mindestgeldstrafe exzessiv und somit gleichheitswidrig.

 

Abgesehen von Organstrafverfügungen ist mindestens eine Geldstrafe von € 7,-- zu verhängen (§ 13 VStG).

 

Das StGB sieht in § 19 Abs. 1eine Mindestgeldstrafe von zwei Tagessätzen vor.

 

Abweichend von § 13 VStG sieht der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 eine Mindestgeldstrafe von € 400,-- vor, wofür es keine tatsächliche Notwendigkeit gibt.

 

Im Erkenntnis vom 16.03.2000, G 312/1997 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "von 50.000" im § 39 Abs. 1lit.a AWG als gleichheitswidrig aufgehoben.

Begründend wird darin ausgeführt, dass selbst dann, wenn aus Gründen der General- und Spezialprävention vom Gesetzgeber strenge Strafen intendiert sind, auch in diesen Fällen die Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen muß (vgl. VfSlg. 9901 und 11.785).

 

§ 13 Abs. 1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 idF BGBI I Nr. 107/1999 sah Geldstrafen für das selbe Delikt von € 220,-- bis € 2.200,-- vor ( bis 31.12.2002). Die Anhebung dieser Sätze von heute auf morgen (ab 01.01.2003) um sage und schreibe mehr als 82 % ist durch nichts gerechtfertigt. ~ 12 Abs. 1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 sah in seiner Stammfassung überhaupt keine Mindestgeldstrafe vor.

Ein aus präventiven Erwägungen für erforderlich befundenes Strafausmaß kann aber auch ohne die angefochtene Mindestgeldstrafe erreicht werden.

 

Auch in einem Fall wie den vorliegenden ist es nicht notwendig, den präventiven Erwägungen mit einer derart hohen Mindestgeldstrafe zum Durchbruch zu verhelfen, auch ein Strafrahmen von bis zu € 4.000,-- (ohne Mindestgeldstrafe) ist geeignet, eine entsprechende abschreckende Wirkung zu erzeugen, wie dies auch bei den meisten Verwaltungsstraftatbeständen der Fall ist, welche ohne Mindestgeldstrafe auskommen.

 

Im Erkenntnis G 121/02 vom 03.03.2003 hat der Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung einer Mindestgeldstrafe von ATS 20.000,00 für Lenker von LKW wegen Beförderungen ohne erforderliche Bewilligungen (Kontingenterlaubnis) nach dem Güterbeförderungsgesetz gesehen und diese als verfassungswidrig aufgehoben, dies mit Verweis auf das Erkenntnis vom 14.12.2001, G 181/01 u.a.

 

Daran ändert auch nichts, dass von der außerordentlichen Strafmilderung des § 20 VStG Anwendung genommen werden könnte und allenfalls auch § 21 VStG für ein Absehen von der Bestrafung bzw. die Erteilung einer Ermahnung zur Verfügung steht, weil kein sachlicher Grund erkennbar ist, dass es nicht Fälle geben kann, in welchen eine Geldstrafe bis zu € 200,-- zu verhängen ist.

 

Die Normierung einer gesetzlichen Mindeststrafe führt zum Ergebnis, dass die behördliche Strafbemessung, welche auf der Grundlage des § 19 VStG vorzunehmen ist, ver- bietet, Geldstrafen zwischen jetzt € 7,-- (§ 13 VStG) und
€ 200,-- zu verhängen, was keinen sachlichen Grund haben kann. Gerade in Anbetracht der Preise der Wochen-, Zweimonats- und Jahresvignette erscheint dieser Rahmen für die Bemessung einer Geldstrafe praktisch bedeutsam, der Verwaltungsstrafbehörde ist es aber wegen der im Gesetz enthaltenen Mindestgeldstrafe von € 400,-- verwehrt, Strafen zwischen € 7,-- und € 200,-- zu verhängen, was einerseits mit dem Sachlichkeitsgebot (Gleichheitssatz) nicht in Einklang zu bringen ist, andererseits aber auch der Strafzumessungsvorschrift des § 19 VStG widerspricht, nach welcher Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, in- wieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach Abs. 2 leg.cit. ist im ordentlichen Verfahren auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen und unter sinngemäßer Anwendung der §§ 32 bis 35 StGB die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe abzuwägen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Auf letztere wurde im UVS-Erkenntnis nicht Bedacht genommen.

 

Im Finanzstrafverfahren ist nach § 16 FinStrG eine Geldstrafe von mindestens € 7,25 zu verhängen, was den Gesetzgeber allenfalls dazu animiert hat, das in Rede stehende Verhalten des Straßenbenützers zur Verwaltungsübertretung zu erklären, um die Normierung einer hohen Mindestgeldstrafe zu ermöglichen.

 

Die Unausgewogenheit zwischen der verhängten Strafe und dem Unrechtsgehalt des bestraften Verhaltens, dem Grad des Verschuldens und der Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens (G 312/97 vom 16.03.2000) zeigt der gegenständliche Fall mit aller Deutlichkeit. Der Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges hat nicht etwa die fahrleistungsabhängige Maut nicht entrichtet, sondern wurde durch die behauptete Fehleinsteilung der Go-Box eine "Mautverkürzung" bewirkt, welche laut Teil B Punkt 4 (Mauttarife) der Mautordnung 0,091 Euro, also rund 9c pro Kilometer (Differenz der Tarife zwischen 3 und 4 Achsen) ausmacht.

Umgelegt auf die mit diesem Lkw bei dieser Fahrt aktenkundig zurückgelegte Strecke auf der A 8 zwischen Pichl bei Wels und Ried im Innkreis zwischen 07.31 Uhr und 08.06 Uhr von 45 km errechnet sich eine "Ersparnis" von erstaunlichen
€ 4,00,, die verhängte Geldstrafe beträgt somit das 100-fache der "Mautverkürzung", was für sich schon zeigt, dass es nicht den geringsten Sinn hat, das hier verfolgte Delikt zu begehen; zwischen dem Grad des Verschuldens, der Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens und der Strafhöhe besteht somit ein derart krasses Missverhältnis, dass eine Sachlichkeit der im Gesetz vorgesehenen Mindestgeldstrafe nicht mehr erkannt werden kann.

 

Aus den genannten Gründen ist unserer Rechtsansicht nach der Passus ,,400 € bis zu 4.000 €" betreffend gesetzlich vorgesehene Mindest- und Höchststrafe unsachlich und somit gleichheitswidrig, weswegen ich mich wegen Anwendung einer gleichheitswidrigen Bestimmung im Sinne des Art. 144 Abs. 1 B-VG in meinen Rechten verletzt erachte.

 

Verletzung im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZP zur EMRK:

 

Primäre Strafzumessungsgründe sind nach § 19 Abs. 1 VStG das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren ist nach Abs. 2 leg.cit auch das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Das zuletzt genannte Strafzumessungskriterium der persönlichen Verhältnisse kommt in der Praxis - um es offen auszusprechen - so gut wie nicht zum Zug.

 

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafprozeß kennt das VStG das Tagessatzsystem nicht.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngsten Judikatur etwa zur Bestimmung des § 100 Abs. 5 StVO betreffend die Anwendbarkeit der §§ 20 und 21 VStG dem Vergleich zwischen Verwaltungsstrafrecht und gerichtlichem Strafrecht maßgebliche Bedeutung zugemessen, zumal das Verwaltungsstrafrecht im Vergleich in unsachlicher Weise strengere Maßstäbe anlegt wie das gerichtliche Strafrecht.

 

Das Tagessatzsystem des § 19 StGB ist eine tragende Säule einer gerechten Strafrechtspflege. Dieses leistet Gewähr, dass Geldstrafen jeden Rechtsbrecher mit annähernd derselben Härte treffen.

Die in der Geldstrafe alter Prägung gelegene "Opferungleichheit" wird durch das im skandinavischen Rechtskreis seit langem bestehende System der Tagessätze vermindert. Danach wird im Urteil als erster Schritt eine tatschuldangemessene bestimmte Anzahl von Tagessätzen ausgesprochen. Im selben Urteil wird dann als zweiter Schritt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz

bemessen.

Geldstrafen sollen nicht konfiskatorisch wirken (vgl Foregger Fabrizy, StGB 7, S. 94

ff).

 

Meines Erachtens ist das Tagessatzsystem für eine gerechte Strafrechtspflege unverzichtbar und in einem modernen Rechtsstaat unabdingbar.

 

Die Judikatur hat klargestellt, dass nicht nur das Kriminalstrafrecht eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt sondern auch das österreichische Verwaltungsstrafrecht (vgl. etwa Fall E B, P bei M, gegen Österreich, EGMR vom 20.12.2001, Beschwerde-Nr. 32381/96), eine Differenzierung zwischen diesen bei den Strafrechtssystemen ist daher meines Erachtens auch in diesem Punkt nicht sachgerecht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der zitierten Judikatur mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 41 bis 44 StGB den Ausschluß der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG im Verwaltungsstrafverfahren als unsachlich und gleichheitswidrig festgestellt, die Entscheidungsgründe in diesen Erkenntnissen gelten auch für den Vergleich der Strafzumessungsvorschrift des § 19 StGB und § 19 VStG, weswegen ich eine Strafbemessung ohne Heranziehung des Tagessatzsystems als unsachlich und somit gleichheitswidrig erachte und somit auch mein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt sehe.

 

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK:

 

§ 103 Abs. 2 KFG enthält die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers und der von diesem allenfalls benannten Auskunftsperson zur wahrheitsgemäßen Beantwortung eines behördlichen Lenkerauskunftsersuchens.

 

Im Erkenntnis vom 03.03.1984, VfSlg. 9950 hat der Verfassungsgerichtshof den zweiten Halbsatz im zweiten Satz des § 103 Abs. 2 KFG BGBI. 267/1967 idF

BGBI. 615/1977 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten (kundgemacht in BGBI. 237/1984 am 13.06.1984).

Das Verfassungsgericht ging von der in den Erkenntnissen VfSlg. 5235 und 5295 zum Ausdruck gebrachten Auffassung über das Anklageprinzip (Art. 90 Abs. 2 B-VG) in seiner materiellen Bedeutung aus, das insoweit Kraft Größenschlusses auch für das Verwaltungsstrafverfahren maßgeblich ist. Eine Gesetzesbestimmung ist mit diesem Grundsatz dann nicht im Einklang, wenn sie den (vom Verwaltungsstrafverfahren oder in einem Stadion vor Einleitung eines Strafverfahrens im weitesten Sinn) Beschuldigten unter Strafsanktion zwingt, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen. Gerade dies trifft infolge der im letzten Halbsatz des § 103 Abs. 2 KFG enthaltenen Anordnung im Hinblick auf die Strafbestimmung des § 134 KFG zu.

 

Im Erkenntnis VfSlg. 10.394 vom 08.03.1985 hat der Verfassungsgerichtshof den zweiten Satz des § 103 Abs. 2 KFG, damals in der Fassung BGBI. 237/1984, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 28.02.1996 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten (kundgemacht am 23.05.1985, BGBI. 198/1985).

Der Verfassungsgerichtshof blieb bei der schon im zitierten Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung, dass die praktische Funktion der Lenkerauskunft im Regelfall darin liegt, den einer Verwaltungsübertretung Verdächtigen festzustellen. Dieser Umstand bedürfe keiner weiteren Verifizierung, weil er gerichtsbekannt ist und alle 21 Anlaßfälle diesem Regelfall entsprechen. Dem Zulassungsbesitzer kommt im Rahmen seiner Auskunftspflicht kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entsprechendes Entschlagungsrecht zu. Die Lage des im Verwaltungsstrafverfahren zeugenschaftlich darüber vernommenen Zulassungsbesitzers, wem er das Lenken zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat, unterscheidet sich von der jenes Zulassungsbesitzers, der nach Maßgabe des § 103 Abs. 2 KFG schriftlich oder telefonisch zur selben Angabe aufgefordert wird, ihm tatsächlich nur durch die Art und Weise der Befragung, inhaltlich jedoch nicht. Der Zulassungsbesitzer ist jeweils unter Verwaltungsstrafsanktion (§ 49 Abs. 5 AVG bzw. § 134 KFG) zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der an ihn gerichteten Frage verhalten. Diese unterschiedliche Regelung ist sachlich nicht begründ- bar. Es liegt somit eine infolge Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrige Regelung vor, welches es dem Gesetzgeber verwehrt, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu treffen.

 

Im Erkenntnis vom 29.09.1988, VfSlg. 11.829, hat der Verfassungsgerichtshof den ersten bis dritten Satz des § 103 Abs. 2 KFG sowie die Wendung "Abs. 2" in § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG idF der 10. Novelle BGBI. 106/1986 (Verfassungsbestimmung) nicht

als verfassungswidrig aufgehoben.

Das Verfassungsgericht führt aus, dass im Hinblick auf die einschlägige Vorjudikatur die in Prüfung stehenden Gesetzesstellen - isoliert betrachtet - mit den seiner materiellen Bedeutung auch für das Verwaltungsstrafverfahren geltenden Anklageprinzips des Art. 90 Abs. 2 B- VG ebenfalls nicht im Einklang stehen.

Unter dieser Prämissen hängt das Schicksal der in Prüfung stehenden Vorschriften davon ab, welche Bedeutung dem als Verfassungsbestimmung erlassenen letzten Satz des § 103 Abs. 2 KFG idF der 10. Novelle BGBI. 106/1986, zukommt. Einer Verfassungsbestimmung ist im Zweifel kein Inhalt beizumessen, der sie in Widerspruch Zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechtes (Art. 44 Abs. 3 B- VG) stellen würde. Auch bloß partiell wirkende Maßnahmen können, gehäuft vorgenommen, im Effekt zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen (V 29/88 u.a. vom 23.06.1988). Der VfGH sieht sich aber im vorliegenden Fall angesichts der eng be- grenzten Ermächtigung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG und angesichts der Tatsache, dass die Erlassung dieser Verfassungsbestimmung noch keineswegs zu einer (gesetzwidrigen) Häufung von die leitenden Grundsätze des Bundesverfassungsrechtes berührenden Maßnahmen führt, nicht veranlaßt, dem durch die Entstehungsgeschichte und die Bedachtnahme auf die Notwendigkeit einer systematischen und theleologischen Interpretation dieser Bestimmung naheliegenden Inhalt dieser Bestimmung im Hinblick auf das Erfordernis einer baugesetzkonformen Auslegung von Verfassungsnormen in Zweifel zu ziehen.

Daraus folgt (Z. 4 des Erkenntnisses), dass die in Prüfung stehende Regelung durch die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG idF der 10. Novelle verfassungsrechtlich gedeckt ist, weshalb sie weder Art. 90 Abs. 2 B- VG, noch Art. 6 EMRK - den der VfGH (bloß) in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion anzuwenden hat - verletzt; sie ist daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

 

Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes spricht im Zusammenhang mit Art. 18

B- VG vom Rechtsstaatsprinzip, aus dem insbesondere auch das Erfordernis eines Rechtschutzsystems abzuleiten ist (vgl. VfSlg. 11.196 und 13.003).

 

Auch aus diesem Blickwinkel vertreten wir die Rechtsansicht, dass die in Rede stehende Verfassungsbestimmung in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechtes steht (vor allem Rechtsstaatsprinzip).

Im Falle einer Gesamtänderung ist die Durchführung einer Volksabstimmung obligatorisch. Ob ein solcher Fall vorliegt, hat unter der nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 B-VG der Nationalrat zu bestimmen; eine Gesamtänderung liegt vor, wenn eine Änderung der verfassungsrechtlichen Grundordnung erfolgt (vgl. VfSlg. 2455). Vgl. dazu auch das Intabulationsverbot im Grundgesetz der BRD.

Unbestritten ist, dass das verfassungsrechtliche Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung nicht nur für das gerichtliche Strafverfahren, sondern auch für das Verwaltungsstrafverfahren gilt (materielles Anklageprinzip; VfSlg. 9950, 10.394, 11.829, 11.923, 12.454 und 14.988 sowie VfGH vom 26.06.2000, B 460/00).

 

Die in Rede stehende, in § 103 Abs. 2 KFG enthaltene Verfassungsbestimmung wider- spricht somit dem Rechtsstaatsprinzip aber auch dem Anklageprinzip nach Art. 90 Abs. 2 B-VG und steht damit in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechtes (Art. 44 Abs. 3 B-VG).

 

Die Judikatur des EGMR hat klargestellt, dass das Verwaltungsstrafverfahren eine Anklage iSd Art. 6 EMRK zum Gegenstand hat und daher diese Verfassungsbestimmung auf diese Verfahrens art Anwendung findet (vgl. u.a. E B gegen Österreich, EGMR vom 20.12.2001, Beschwerde-Nr. 32.381/96).

Der Verfassungsgerichtshof ist dieser Rechtsprechung gefolgt und leitet aus Art. 90 Abs. 2 B- VG ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes, subjektives Recht ab, welches darin besteht, dass niemand unter Strafsanktion verhalten werden darf, sich im Straf- verfahren oder in einem Stadium vor Einleitung eines solchen selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen (verfassungsrechtliches Verbot eines Zwanges zur Selbstbezichtigung, welches nicht nur für das gerichtliche Strafverfahren, sondern auch für das Verwaltungsstrafverfahren gilt (materielles Anklageprinzip), (VfSlg. 9950, 11.829, 11.923,12.454, 14.988 und VfGH vom 26.06.2000, B 460/00).

 

Verfassungswidrig sind demnach gesetzliche Auskunftspflichten, wenn sie dazu dienen, einer Behörde Informationen über ein strafbares Verhalten des Auskunftspflichtigen zu verschaffen (vgl. VfSlg. 10.394 und 14.987).

Nach Ansicht des VfGH sind auch Regelungen mit Art. 90 Abs. 2 B-VG nicht vereinbar, die eine Behörde ermächtigen, solche Unterlagen zu beschlagnahmen, die jemand seinem Parteienvertreter im Vertrauen auf dessen Verschwiegenheitspflicht übergeben hat (VfSlg. 10.291).

 

Im Erkenntnis vom 16.10.1997, VfSlg. 14.987, stellt der Verfassungsgerichtshof klar, dass in ständiger Judikatur aus dem in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankerten Anklageprinzip (in seiner materiellen Bedeutung) das sowohl an die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet wird, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Strafverfahrens durch Androhung (oder Anwendung) rechtliche Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

 

Dass der österreichische Vorbehalt zu Art. 6 EMRK ungültig ist, ist nicht mehr strittig (EGMR vom 20.12.2001 im bereits zweifach zitierten Fall E B gegen Österreich, EGMR vom 03.10.2000 im Fall E gegen Österreich und VfGH vom 13.12.2001, B 227/99).

 

Auf die Zulässigkeitsentscheidungen des EGMR vom 18.03.2004 in den Fällen L und S gegen Österreich, Beschwerdenummern 61.920/00 und 63.207/00 erlaube ich mir hinzuweisen.

 

Dadurch, dass uns die Erstbehörde im Schreiben vom 25.01.2005 unter Strafandrohung verpflichtet hat, als Lkw-Zulassungsbesitzer den Lenker bzw. die auskunftspflichtige Person bekanntzugeben, ist das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein fair trial verletzt, weil mit dieser verpflichtend abzugebenden Auskunft im Ergebnis unsere Haftung als Zulassungsbesitzerin für die zu verhängende Geldstrafe samt Verfahrenskosten aufgrund des § 23 BStMG festgeschrieben wird, wir haben uns somit aufgrund der verpflichtend abzugebenden Lenkerauskunft selbst belastet.

 

Es widerspricht einem fairen Strafverfahren, wenn der Zulassungsbesitzer verpflichtet wird, den Lenker seines Fahrzeuges bekanntzugeben, über welchen dann eine Bestrafung wegen des Grunddeliktes verhängt wird, für welche (sogar samt Verfahrenskosten) wiederum der Zulassungsbesitzer haftet.

Es liegt somit gegenständlich ein klassischer Fall des Verstoßes gegen das Selbstbezichtigungsverbot und somit gegen Art. 6 EMRK vor.

 

Im Erkenntnis vom 08.04.2004 im Fall W gegen Österreich hat der EGMR in Erinnerung gerufen, dass das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, voraussetzt, dass die Behörde beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, nicht auf Beweise zurückgreift, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden.

Eine Verletzung des fair trials hat der EGMR in diesem Fall aber nicht gesehen, weil sich der Beschwerdeführer deshalb nicht selbst belastet hat, weil er nicht etwa die von der Behörde abverlangte Lenkerauskunft verweigert, sondern eine dritte Person als Lenker bezeichnet hat, dessen Adresse er aber lückenhaft bekanntgegeben hat; vgl. dazu auch den völlig gleich gelagerten Fall G R gegen Österreich, Urteil des EGMR vom 24.03.2005.

Völlig anders liegt der gegenständliche Fall, in welchem wir unter Strafandrohung von der Erstbehörde verpflichtet wurden, den Lenker unseres Fahrzeuges bekanntzugeben, was dazu führt, dass wir für die über diesen verhängte Geldstrafe (samt Verfahrenskosten) mit dem Lenker zur ungeteilten Hand haften, wir haben uns somit selbst belastet, wozu uns die Behörde verpflichtet hat.

 

Wäre es uns freigestanden, den Lenker zu benennen, so hätten wir dies unterlassen und würden somit nicht für die verhängte Geldstrafe nach dem BStMG zur ungeteilten Hand haften.

 

Im Gegensatz zu den zitierten Fällen W und R gegen Österreich hat der EGMR im Urteil vom 04.10.2005 im Fall W S gegen das vereinigte Königreich, Beschwerde-Nr. 6563/03, eine Verletzung des Art. 6 EMRK im wesentlichen mit der Begründung festgestellt, dass über den Beschwerdeführer vom Magistrate´s Court Bestrafung wegen Verweigerung der Teilnahme an der für 26.06.1998 anberaumten Befragung (Voruntersuchung in einem finanzstrafrechtlichen Verfahren) verhängt hätte werden dürfen und der Beschwerdeführer damit in seinem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, verletzt worden ist.

 

Auf den gegenständlichen Fall abgestellt bedeutet diese brandaktuelle Rechtsprechung des EGMR, dass niemand zu einer Auskunft gezwungen werden darf, welche (hier: zwangsläufig) zu einer Bestrafung wegen des Grunddelikts (hier: Übertretung des BStMG) führt, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Strafe gegen die Auskunftsperson selbst oder - wie im gegenständlichen Fall - gegen den Lenker jenes Lkw verhängt wird, dessen Zulassungsbesitzer die auskunftspflichtige Person ist, welche in der Folge für die über den Lenker verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten mit diesem zur ungeteilten Hand zur Gänze haftet.

Mit der von uns verpflichtend gewesenen Lenkerauskunft haben wir uns somit selbst belastet und dies - wie im behördlichen Schreiben vom 25.01.2005 ausgeführt - unter Strafandrohung verpflichtend machen müssen.

 

Wegen einer Verwaltungsübertretung darf eine Strafe nur aufgrund eines nach diesem Bundesgesetz durchgeführten Verfahrens verhängt werden (§ 23 VStG), die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden (§ 25 Abs. 2 VStG), wobei im Verwaltungsstrafverfahrens die Grundsätze der Amtswegigkeit, der Offizialmaxime sowie der Forschung der materiellen Ware gelten, die Verwaltungsstrafbehörde trifft die Beweispflicht an der zur Last gelegten Übertretung und darf nicht - im vorliegenden Fall - durch Ausübung von Druck und Zwang Beweismittel beschaffen, mit welchen sich der Normadressat (und der für die zu verhängende Strafe haftpflichtige) selbst belastet, was dem Gleichheitsrecht und dem Anklageprinzip widerspricht (VfSlg. 9950, 10.394 und 10.505).

 

Etwa im Erkenntnis vom 24.03.1993, 92/03/0229, führt der Verwaltungsgerichtshof auf, dass die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Ware nur dann unzulässig ist, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspreche (84/10/0191 und 0192 vom 08.10.1984).

 

Die Verfassungsbestimmung des Art. 6 EMRK verbietet, Beweise gegen sich selbst liefern zu müssen, dass Gesetz - hier sogar eine Verfassungsbestimmung - ordnet somit das Verbot an, dass die Behörde beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, auf Beweise zurückgreift, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden (vgl. auch EGMR vom 25.02.1993 im Fall F gegen Frankreich und vom 17.12.1996 im Fall Saunders gegen das vereinigte Königreich und vom 03.05.2001 im Fall J.B. gegen die Schweiz, ÖJZ 2002, 518).

 

Lediglich der Vollständigkeit halber erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass uns an der dem Lenker zur Last gelegten Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft (§ 5 VStG), weil wir dem Bestraften das in Rede stehende Fahrzeug den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zur Verwendung übergeben haben und war es uns unmöglich, die in Rede stehende Übertretung des Lenkers zu vermeiden, weil wir bei Antritt der Fahrt nicht anwesend waren und hatten wir alle Verpflichtungen als Zulassungsbesitzerin iSd § 103 Abs. 1 KFG erfüllt, darüber hinausgehende Pflichten trafen uns nicht. Die Go-Box war seit der Installation in dieses Fahrzeug auf vier eingestellt, was von uns laufend überprüft wird, ein Umstellen hätte in praxi und auch wegen dem eklatanten Missverhältnis zwischen "Mautersparnis" und der zu gewärtigenden Geldstrafe, für welche wir haften, keinen Sinn. Die Bestrafung basiert somit unseres Erachtens auf einem Fehler im Erfassungssystem der A.

 

Unsere Haftung für die verhängte Geldstrafe kommt somit einer Erfolgshaftung gleich, welche dem österreichischen Strafrecht fremd ist, ein Abgehen vom Schuldprinzip iSd § 5 VStG bzw. § 4 StGB ist unsachlich uns somit verfassungswidrig.

 

  • Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG:

 

In der Mautordnung ist für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von € 300,00 einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (§ 19 Abs. 1 BStMG - Ersatzmaut).

 

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 zu keiner Betretung, so hat die A nach Abs. 2 leg.cit den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatische Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht und die Geltendmachung der Haftung gemäß § 23 weder unmöglich noch wesentlich erschwert sein wird.

 

Aus diesen Bestimmungen resultiert ein Rechtsanspruch auf Vorschreibung der Ersatzmaut, was gegenständlich nicht der Fall war, was uns im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil es nicht im Belieben der A liegen kann, diese zwingenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden und uns somit die Rechtswohltat dieses Strafaufhebungsgrundes genießen zu lassen (vgl. dazu UVS im Land Niederösterreich vom 05.10.2005, Senat-PL-04-0132).

Danach besteht ein Rechtsanspruch auf gesetzmäßige Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut und kommt eine verwaltungsstrafrechtliche Ahndung der Mautprellerei ohne vorhergehende gesetzmäßige Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut nicht in Betracht (fehlen einer Voraussetzung der Strafbarkeit).

 

Auch Rechtsdokmatisch ist dieses Erkenntnis des UVS konsequent, weil dann, wenn das Gesetz einen Strafaufhebungsgrund vorsieht, die gesetzliche Bestimmung auch anzuwenden ist, also dem Normadressaten jene Möglichkeiten eröffnet werden müssen, um den Strafaufhebungsgrund wirksam werden zu lassen und den Normadressaten somit straffrei zu stellen bzw. ihn darauf hinwirken lassen. Anders wäre es der Behörde bzw. der A möglich, einfach die Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut - wie im gegenständlichen Verfahren - zu unterlassen, womit der Strafaufhebungsgrund nicht zum Tragen käme, was nicht sachgerecht sein kann, weil damit der Normadressat der Willkür ausgesetzt wäre und dies für die A noch dazu den äußerst positiven Effekt hätte, dass nicht nur die erhöhte Ersatzmaut lukriert wird sondern ein bedeutend höherer Betrag in Form zumindest gesetzlicher Mindeststrafe von €400,00, was keineswegs im Sinne des Gesetzgebers sein kann.

Als Parallele kann mit den diversionellen Bestimmungen der §§ 90a ff StPO argumentiert werden. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Diversion vor, ist nach diesen Bestimmungen vorzugehen, ansonsten eine Bestrafung mit der Nichtigkeit des § 281 Abs. 1 Z.10a StPO behaftet wäre.

 

Im Erkenntnis B 552/94 und B 848/94 vom 16.10.1997 sieht der VfGH eine Verletzung im Eigentumsrecht durch Verhängung von Finanzstrafen aufgrund verfassungswidriger Außerachtlassung des Vorliegens eines Strafaufhebungsgrundes infolge Selbstanzeige und stellt fest, dass eine verfassungskonforme Gesetzesauslegung infolge des Anklageprinzips der Bundesverfassung geboten ist.

 

Wir stellen somit höflich den

 

A N T R A G ,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge unserer Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28.09.2005 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen."

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A(Ö vom 13. Jänner 2005 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Die Achsenzahl des Kraftfahrzeuges (4) sei höher gewesen als die eingestellte Kategorie/Achsenzahl am Fahrzeuggerät (3). Der Zulassungsbesitzer sei gem. § 19 Abs. 4 BStMG am
18. November 2004 zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden, dieser Aufforderung sei jedoch nicht entsprochen worden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land führte daraufhin mit Schreiben vom
25. Jänner 2005 eine Lenkererhebung beim Zulassungsbesitzer (Bw) durch, der den Bestraften als Lenker bekannt gab.

 

Nach Strafverfügung vom 17. Februar 2005 beantragte der Beschuldigte, die Beweisfotos zum Beweis dafür beizuschaffen, dass die Achsenzahl richtig eingestellt gewesen sei. Durch eine falsch eingestellte Achsenzahl würde sich kein wirtschaftlicher Vorteil ergeben. Einer ORF-Meldung vom 22. Juni 2004 sei zu entnehmen, dass es bis Mai (2004) zu 50.000 Problemfällen im Zusammenhang mit der LKW-Maut gekommen sei. Der Tatvorwurf sei auf eine fehlerhafte Erfassung durch das Mautsystem zurückzuführen und die verhängte Mindeststrafe exzessiv sei. Die weitere Rechtfertigung entspricht im Wesentlichen Teilen der später eingebrachten Berufung durch den Zulassungsbesitzer.

Angeschlossen ist eine Kopie des erwähnten ORF-Artikels.

 

In einer ergänzenden Stellungnahme der A vom 22. April 2005 wurde auf die Mitwirkungspflicht des Lenkers hingewiesen, die jedenfalls auch die Überprüfung der richtig eingestellten Achsenzahl bei der GO-Box umfasse. Anhand der Abbuchungen könne festgestellt werden, dass das Mautportal einwandfrei funktioniert habe. Als Beilage sind zwei Beweisfotos und eine Einzelleistungsinformation angeschlossen.

 

Dazu wurde seitens des Bestraften im Wesentlichen vorgebracht, dass zu prüfen sei, wie es zur Anzeige und der Behauptung in der Form kommen konnte, dass die Achsenzahl mit drei eingestellt gewesen sei. Beim Einbau der GO-Box sei die Achsenzahl auf die Kategorie 4 eingestellt worden, weil der gegenständliche (dreiachsige) LKW samt Anhänger zum Tiertransport verwendet werde, weswegen es keinen Grund gebe, die Achsenzahl zu reduzieren. Der Arbeitgeber des Bestraften habe unter Androhung von dienstrechtlichen Sanktionen alle Lenker verpflichtet, keine derartigen Übertretungen zu begehen, zumal der Zulassungsbesitzer i.S.d. § 23 BStMG mit dem Lenker zur ungeteilten Hand für die Strafe und sogar für die Verfahrenskosten hafte. Die weitere Stellungnahme entspricht Teilen der später durch den Zulassungsbesitzer eingebrachten Berufung.

 

Der Akt schließt mit dem Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung des Zulassungsbesitzers.

 

Am 7. Februar 2006 legte der Bw eine Kopie eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2005, VfGH G72/05, betreffend der Zurückweisung eines Antrages um Aufhebung des § 23 Abs. 2 BStMG hinsichtlich der Regelung des Ausschlusses der Parteistellung des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lenker vor. Weiters wurden dem erkennenden Verwaltungssenat Kopien von Beschlüssen des VfGH vom 13. Oktober 2005 und vom 29. November 2005 vorgelegt. Gleichzeitig brachte der Bw vor, dass eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren vorliege, weil der Zulassungsbesitzer nach § 103 Abs. 2 KFG verpflichtet worden sei, den Lenker seines LKWs bekannt zu geben, was automatisch dazu führe, dass er für die über den Lenker verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten haftet, was einer Selbstbezichtigung gleichkommt. Dies sei im Sinne der neueren Judikatur des EGMR unzulässig.

Es wurde zusätzlich seitens des Bw ein Verhandlungsverzicht abgegeben.

 

Mit Schreiben vom 18. Mai 2006 ergänze der Bw neuerlich seine Berufung folgendermaßen:

 

"Im vom UVS Salzburg in der Gegenschrift im Verfahren vor dem VwGH 2005/06/0387 zitierten gleich gelagerten Fall hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29.11.2005, B 814/05, die Behandlung der Beschwerde der Fa. N T GmbH gegen den Bescheid des UVS Salzburg vom 07.06.2005,UVS-5/12.015/2-2005, im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass § 23 Abs. 22. Satz BStMG 2002 sicher stellt, dass der Zulassungsbesitzer im Haftungsverfahren all jene Einwendungen gegen die Bestrafung vorbringen kann, die dem Lenker offen gestanden wäre.

Dazu erlaube ich mir auszuführen, dass ein derartiges Haftungsverfahren gesetzlich

nicht normiert ist und ohne Verweisungen im BStMG auch nicht davon ausgegangen

werden kann, dass diesbezüglich etwa Bestimmungen der BAO hier analog anzuwenden wären. Im VStG gibt es solche Normen nicht, auch nicht im AVG. Das Gesetz legt nicht einmal fest, auf welche Art und Weise die Haftung des Zulassungsbesitzers für über den Lenker verhängte Geldstrafen samt Verfahrenskosten zu aktivieren bzw. auszusprechen ist und ob dies allenfalls in Bescheidform zu erfolgen hat und wie sich das Rechtsmittelverfahren gestaltet.

Dazu kommt, dass selbst ein Rechtsmittel gegen einen "Haftungsbescheid" die Rechtswirkungen einer rechtskräftig gegen den Lenker verhängten Bestrafung samt ausgesprochener Verpflichtung zur Tragung von Verfahrenskosten nicht zu beseitigen vermag, zumal der über den Lkw-Lenker verhängte Strafbescheid formell und materiell rechtskräftig und somit unanfechtbar, unwiderruflich und vollstreckbar ist.

Ein Rechtsmittel des Lkw-Zulassungsbesitzers gegen einen Haftungsbescheid vermag die Bestimmung des § 23 Abs. 1 BStMG und somit seine Haftung nicht außer Kraft zu setzen, die letztgenannte Bestimmung steht mit Abs. 2 leg.cit somit in einem unauflöslichen Widerspruch. Eine Gesetzesauslegung dahingehend, dass der zweite Halbsatz des § 23 BStMG den Abs. 1 aufhebt und somit die Haftung des Zulassungsbesitzers zum Wegfall bringt, verbietet sich aufgrund der Rechtskraftwirkungen der Bestrafung gegen den Lenker.

Im zitierten Ablehnungsbeschluss ist der Verfassungsgerichtshof leider nicht darauf eingegangen, dass § 23 Abs. 2 BStMG auch mit § 8 A VG in Widerspruch steht und die davon abweichende Regelung durch die Bedarfskompetenz nach Art. 11 Abs. 2 B-VG nicht gedeckt ist, weil nach dieser Verfassungsbestimmung abweichende Regelungen für das Verwaltungsstrafverfahren nur dann getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind, worunter die Judikatur Unterlässlichkeit versteht (VfSlg. 11.564, 14.153 und 15.351).

Von einer Unerlässlichkeit des Ausschlusses der Parteistellung des Zulassungsbesitzers des Lkw im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lenker kann keineswegs gesprochen werden, haftet doch dieser für die über den Lenker verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten.

Im zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.11.2000, 99/09/0002, geht der Verwaltungsgerichtshof mit eingehender Begründung mit Blick auf Art. 6 EMRK auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Einräumung der Parteisteilung ein, die volle Einbindung des Haftpflichtigen nach § 9 Abs. 7 VStG als Partei in jenes Verfahren, in welchem die Grundlage und der Umfang der Haftung ermittelt und festgesetzt wird, ist unumgänglich.

Etwa im jüngsten Erkenntnis vom 28.02.2006, 2001/03/0048, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung aufrecht erhalten.

Zu verweisen ist weiters auf das Judikat des EGMR vom 24.02.2005 im Fall J und C M,, Beschwerdenummer 62.539/00 betreffend die Einbringung von Rechtsmittel gegen die Versagung der Beschäftigungsbewilligung durch den antragsteilenden Arbeitgeber und die zu beschäftigende Person.

Im Gegensatz zum dortigen Fall ist hier unstrittig, dass Art. 6 EMRK anzuwenden ist.

Nach gesicherter Judikatur ist das österreichische Verwaltungsstrafverfahren ein Verfahren betreffend eine strafrechtliche Anklage (vgl. dazu etwa EGMR vom 20.12.2001 im Fall E B gegen Österreich und vom 23.10.1995 im Fall G gegen Österreich).

Im vorliegenden Fall stellt sich aber auch ein weiteres verfassungsrechtliches Problem im Hinblick auf Art. 6 und 8 EMRK (faires Verfahren, Unschuldsvermutung sowie Achtung des Privat- und Familienlebens), weil die Erstbehörde an uns als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Lkw ein Lenkerauskunftsersuchen nach § 103 Abs. 2 KFG gerichtet hat, welches wir dahingehend beantwortet haben, dass damals M F unseren Lkw gelenkt hat.

Damit haben wir uns selbst belastet, zumal diese Lenkerauskunft zur Bestrafung des Lkw-Lenkers geführt hat und wir im Sinne des § 23 Abs. 1 BStMG für die über diesen

verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten haften.

Dadurch ist die Verwaltungsstrafbehörde unter Druck und Zwang gegen unseren Willen zu einem Beweismittel gelangt, nämlich zur Lenkereigenschaft des Herrn F, welcher somit wegen "Mautprellerei" nach § 20 Abs. 2 bestraft werden konnte, was einen Verstoß gegen das Anklageprinzip nach Art. 90 Abs. 2 B-VG darstellt (VfSlg. 9950, 10.394 und 10.505), zumal wir für diese Geldstrafe (samt Verfahrenskosten für beide Instanzen) haften.

In VfSlg. 14.987 stellt der Verfassungsgerichtshof klar, dass in ständiger Rechtsprechung aus dem in Art. 90 Abs. 2 B- VG verankerten Anklageprinzip in seiner materiellen Bedeutung das sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet wird, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens durch Androhung oder Anwendung rechtlicher Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

Mit der 10. Novelle zum KFG (BGBI.Nr. 106/1986) hat der österreichische Gesetzgeber den letzten Satz des § 103 Abs. 2 KFG im Verfassungsrang erhoben, wonach Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurücktreten.

Im Erkenntnis VfSlg. 11.829 hat der Verfassungsgerichtshof diese nun im Verfassungsrang stehende Bestimmung wiederum geprüft und nicht als verfassungswidrig erkannt, Art. 6 EMRK sei "bloß in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion" anzuwenden.

Dazu ist auszuführen, dass der nunmehr im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs. 2 KFG deshalb einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstellt, weil es diese dem Verfassungsgerichtshof unmöglich macht, diese Verfassungsbestimmung auf ihre Konventionsgemäßheit hin (im wesentlichen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 und Art. 8 Abs. 1 EMRK) zu prüfen, was einer Verfassungssuspendierung gleich kommt, welche unzulässig ist, weil die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als wesentlicher Bestandteil des rechtsstaatlichen Baugesetzes zu qualifizieren ist (G 12/00 vom 11.10.2001). Zu Art. 8 EMRK vgl. etwa das Urteil des EGMR im Fall B gegen Deutschland vom 28.04.2005, Beschwerde-Nr. 41.604/98).

Für die Anwendung des Art. 6 EMRK bloß in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion bleibt schon deshalb kein Raum, weil Österreich als Konventionsstaat im Sinne des Art. 1 EMRK und Art. 9 Abs. 1 B- VG verpflichtet ist, die Konventionsrechte uneingeschränkt zu wahren. Art. 15 EMRK kommt hier nicht zum Tragen.

Mit der Schaffung der Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2

KFG verstößt die Republik Österreich gegen Art. 17 EMRK, weil damit die Konventionsrechte zum Teil abgeschafft, zumindest aber beschränkt werden, was nach dieser Bestimmung unzulässig ist.

Eine Verletzung in unserem verfassungsgesetzlichen gewährleisteten Recht auf eine

wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK liegt deshalb vor, weil es uns nicht möglich ist, in einem innerstaatlichen Verfahren diese Konventionsverletzungen feststellen zu lassen.

Verletzung des Art. 14 EMRK:

Nach dieser Konventionsbestimmung (Verbot der Benachteiligung) ist der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten.

Einen Verstoß gegen diese Konventionsbestimmung leite ich daraus ab, dass die gesetzlichen Bestimmungen im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren zwar die Zeugen iSd Art. 6 EMRK davor schützen sich selbst belasten zu müssen, nicht aber den Beschuldigten; diese Differenzierung ist unsachlich und somit diskriminierend. Die Aussage darf von einem Zeugen nach § 49 Abs. 1 Z. 1 A VG (diese Bestimmung

ist iSd § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) über Fragen verweigert werden, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten und anderen im Gesetz genannten nahen Familienangehörigen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zu ziehen oder zur Schaden gereichen würde.

Nach § 38 VStG sind die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in auf-

und absteigender Linie sowie die dort genannten anderen Familienangehörigen von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses auch dann befreit, wenn die in § 49 Abs. 1 Z. 1 A VG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Dies bedeutet, dass die in § 38 VStG genannten Personen die Zeugenaussage in einem Verwaltungsstrafverfahren gegen einen Beschuldigten selbst dann verweigern können, wenn sich diese nicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen oder ihnen die Aussage zur Schaden gereichen oder einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil mit sich bringen würde.

Genau mit diesen Argumenten hat der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen

aus dem Jahr 1984 und 1985, VfSlg. 9950, 10.394 und 10.505 die damals auf einfachgesetzlicher Stufe gestandene Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG insoweit aufgehoben, als dieser den Zulassungsbesitzer zur Abgabe der Lenkerauskunft auch

dann verpflichtet hat, wenn er sich damit selbst oder einen nahen Familienangehörigen belasten müsste.

Die im zweiten Satz des (damaligen) § 103 Abs. 2 KFG unter Strafsanktion des § 134 enthaltene Regelung der Auskunftspflicht bewirkt gegebenen falls materiell auch einen Zwang zur Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung; weiters kommt dem Zulassungsbesitzer kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entsprechendes Entschlagungsrecht zugute, was unsachlich uns somit gleichheitswidrig ist.

Darin liegt auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 1 des 12. ZP zur EMRK.

Neben der Verletzung des Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 EMRK liegt auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs. 2 B- VG sowie gegen die Verfassungsbestimmungen der Art. 1, 13, 14 und 17 EMRK vor.

Dazu erlauben wir uns auf die Ausführungen in der Berufung sowie der heutigen Ergänzung zu verweisen; ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung liegt deshalb vor, weil der "gesetzliche Nachweis" unserer Schuld und somit unserer Haftung für die über den Lenker verhängte Geldstrafe nicht geführt wurde, sondern wir mit Druck

und Zwang (unter Strafandrohung) verpflichtet wurden, die erstbehördliche Lenkeranfrage zu beantworten, ansonsten über uns eine Geldstrafe bis zu € 2.180,--

(§ 134 Abs. 1 KFG) verhängt worden wäre.

Mit der Erteilung der Lenkerauskunft war automatisch die Haftung unseres Geschäftsführers für die über den Lenker zu verhängende und hier auch verhängte Geldstrafe festgeschrieben.

Die Rechtsmittelanträge bleiben aufrecht."

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 23 Abs. 1 BStMG haften Zulassungsbesitzer für die über die Lenker ihres Fahrzeuges wegen einer Übertretung des § 20 Abs. 2 verhängten Geldstrafen und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand, wenn sie dem Lenker das Fahrzeug selbst oder über Dritte überlassen haben.

Zulassungsbesitzer haben im Strafverfahren gegen den Lenker keine Parteistellung; ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid hat für sie keine bindende Wirkung. (Abs. 2)

 

4.2. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über Herrn M F, wh. in M, wegen einer Übertretung des BStMG die gegenständliche Strafe verhängt.

 

Gegen diesen Bescheid wendet sich die gegenständliche Berufung. Berufungswerber (Bw) ist jedoch nicht der bestrafte Lenker sondern der Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen .

 

Im Hinblick auf § 23 BStMG ist die Berufung des Zulassungsbesitzes als unzulässig zurückzuweisen.

 

4.3. Wie aus dem Akt ersichtlich ist, wurde das angefochtene Straferkenntnis am
30. September 2005 vom Vertreter des Bestraften übernommen und die Berufung durch den selben Vertreter des Zulassungsbesitzers (Bw) trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung erst am 24. Oktober 2005 zur Post gegeben. Da daher die gemäß § 63 Abs. 5 AVG i.V.m. § 24 VStG mit zwei Wochen bemessene Berufungsfrist - unabhängig von der Zulässigkeit der gegenständlichen Berufung - nicht eingehalten wurde, ist die Berufung zusätzlich als verspätet zurückzuweisen.

 

Insofern der Bw gegen die gesetzlichen Regelungen des § 23 BStMG bzw. des
§ 103 Abs. 2 KFG - vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht geteilte -verfassungsrechtliche Bedenken hegt, ist er auf den von der Rechtsordnung für die Geltendmachung solcher Bedenken vorgesehenen Rechtsweg zu verweisen. Dies gilt ebenfalls für die vorgebrachten und vom erkennenden Verwaltungssenat nicht geteilten verfassungsrechtlichen Bedenken in der Berufungsergänzung vom 18. Mai 2006.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Langeder

 

 

 

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