Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160016/Br/Da

Linz, 28.10.2004

VwSen-160016/Br/Da Linz, am 28. Oktober 2004

DVR. 0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H J, E G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 31. August 2004, Zl.: VerkR96-2327-2004, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 28. Oktober 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, 51e Abs.1 Z1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 40 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 24 Stunden verhängt. Es wurde ihm folgendes Tatverhalten zur Last gelegt: "Sie haben am 07.05.2004 um 13.46 Uhr in Gallneukirchen, auf der B 125 bei Strkm 13,271 von Gallneukirchen kommend in Richtung Unterweitersdorf gelenkt und dabei als Lenker dieses Fahrzeuges dieses nicht so weit rechts gelenkt, wie Ihnen dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war, da Sie ohne zwingenden Grund bei Strkm 13,271 die Mittellinie überfuhren und mit mindestens der Fahrzeughälfte den linken Fahrstreifen benutzten."

1.1. Die Behörde erster Instanz folgte in ihrer Entscheidung im Ergebnis der rechtlichen Einschätzung des Tatbildes durch die Gendarmeriebeamtin I. K Die Gendarmeriebeamten hätten die "Übertretung im Verlaufe der dort durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mittels Lasermessgerät eindeutig wahrgenommen". Der Berufungswerber habe die Mittellinie "ohne ersichtlichen Grund" überfahren. Dies wertete die Behörde erster Instanz als Übertretungshandlung nach § 7 Abs.1 StVO.

2. Gegen das o.a. Straferkenntnis richtet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhoben Berufung worin er Folgendes ausführt:

"Sehr geehrter Herr O,

Sehr geehrte Frau B,

wie bereits bei meiner persönlichen Vorsprache in Ihrem Büro mündlich, möchte ich hiermit

schriftlich nochmals folgende Aussage festhalten:

Am 07.05.2004 um 13.46 Uhr befanden sich unmittelbar neben den beiden Beamten einige Kinder und Frauen, davon war ein (1) Kind mit einem Fahrrad dabei.

Die Aussage in Ihrem Schreiben (Seite 2; Absatz 4., ab Zeile 9), "Auch befand sich zum Zeitpunkt der Übertretung keine Personengruppe am rechten Fahrbahnrand." entspricht schlicht nicht der Tatsache.

Wie auch bei meiner Vorsprache in Ihrem Büro, halte ich den Umstand fest, dass Anfang September Lasermessungen an fast der gleichen Stelle (10 m mehr Richtung Unterweitersdorf) durchgeführt wurden (3 Exekutivorgane, davon eine Frau, die die Lasermessungen durchführte). Unmittelbar neben den Beamten haben sich auch in diesem Fall wieder mindestens 4 weitere Personen befunden (ca. 18.15 Uhr Do. bzw. Sa.).

Wir verweisen wiederum auf unsere Stellungnahme vom Mo., 07. Juni und 22. Juli 2004 und unterstreichen nochmals, dass unsere Angaben den Tatsachen entsprechen und nicht ohne zwingenden Grund der linke Fahrstreifen befahren wurde.

Mit freundlichen Grüßen H J" (mit eigenhändiger Unterschrift)

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied zur Entscheidung berufen. Da der Tatvorwurf zur Gänze bestritten wird, war in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt. Als Zeugin wurde die Meldungslegerin Insp. P K im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung einvernommen. Aus beruflichen Gründen konnte der Berufungswerber diesen Termin nicht wahrnehmen. Er gab seine Verantwortung unter Verzicht auf die Teilnahme an der Berufungsverhandlung bereits am 18.10.2004 vor der Berufungsbehörde zu Protokoll. Ebenfalls übermittelte er dazu Lichtbilder von der Vorfallsörtlichkeit. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm ohne Angaben von Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.

5. Unstrittig ist, dass der Berufungswerber die fragliche Stelle mit etwa 50 km/h befahren hat, wobei er im Messbereich seine Fahrlinie über die Straßenmitte hinaus verlegte.

Der Berufungswerber rechtfertigte dieses Fahrverhalten im Zuge des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens wegen der dort befindlichen Personen.

Es kann somit dahingestellt sein, ob sich außer den beiden Gendarmeriebeamten auch noch weitere Personen in diesem Bereich aufhielten.

Wie aus den beigeschafften Bildern und den Angaben aller Beteiligten hervorgeht, befanden sich jedenfalls die Gendarmeriebeamten unmittelbar am Fahrbahnrand vor einem dort liegenden Hausvorplatz (Bucht). Wie der Berufungswerber zutreffend ausführte ist die Straße dort ca. 6 m breit, mit zwei durch Leitlinien gekennzeichneten Fahrstreifen versehen und verläuft in einer übersichtlichen Linkskurve.

Wenn demnach in diesem Bereich die Fahrlinie über die Fahrbahnmitte hinaus verlegt wurde, kann diesem Fahrverhalten bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h (verordnete erlaubte Höchstgeschwindigkeit) keinesfalls der Charakter oder die Absicht eines "Kurvenschneidens" zugesonnen werden. Vielmehr kann dem Berufungswerber in seiner Darstellung nur gefolgt werden, dass die Verlegung der Fahrlinie nach links im Schutz der dort befindlichen Personen, insbesondere der dort am Fahrbahnrand stehenden Gendarmeriebeamten motiviert war. Vor allem lässt sich aus dem beigeschafften Fotomaterial die Darstellung des Berufungswerbers klar nachvollziehen. Dies ist letztlich alleine auch deshalb plausibel, weil einem Fahrzeuglenker wohl kaum die Begehung einer Verwaltungsübertretung vor den Augen der Exekutive zugesonnen werden könnte. Die Verantwortung des Berufungswerbers war von Anfang an in diese Richtung gehend. Sein Bemühen dies auch der Behörde erster Instanz zu erklären fruchtete jedoch nicht.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung bestätige die Zeugin Insp. K sehr wohl die Tatsache mit dem die Messungen durchführenden Gendarmeriebeamten unmittelbar am Straßenrand gestanden zu sein. Selbst wenn die Zeugin keine sonstigen Personen im Bereich der Messung wahrgenommen hat, schloss dies im Gegensatz zur Begründung im Straferkenntnis der Gendarmeriebeamte Groll nicht dezidiert aus, indem er in seiner Niederschrift vor der Behörde erster Instanz am 6.8.2004 vermeinte, "vor uns standen jedenfalls keine Leute." Die Zeugin stellte aber andererseits auch klar, dass weder ein Gegenverkehr herrschte noch durch dieses kurzzeitige Überfahren der Mittellinie andere Verkehrsteilnehmer nachteilig berührt wurden.

Entscheidend ist hier daher, dass der Berufungswerber mit seinem Fahrverhalten durchaus lebensnahe reagierte indem er zu den Gendarmeriebeamten den "Sicherheitsabstand" vergrößerte. Bei lebensnaher Betrachtung sollte ein solches Verhalten eher Zustimmung finden als es unter Strafe zu stellen. Es dient doch mehr der Verkehrssicherheit im Zweifel den Abstand zu Personen am Straßenrand zu vergrößern, als bei einer Fahrbahnbreite von etwa drei Metern nur ca. 1,5 m an diesen Personen vorbeizufahren. Es liegt in diesem Zusammenhang auch aus empirisch logischer Betrachtung durchaus nahe, dass ein Fahrzeuglenker zu Organen der Straßenaufsicht am Fahrbahnrand eher einen größeren Sicherheitsabstand einzuhalten geneigt ist um nicht das Gefühl der Störung deren Tätigkeit auszulösen und allenfalls sich dadurch einen Vorwurf auszusetzen. Diese Absicht des Berufungswerbers deutete die Zeugin Insp. K offenkundig fehl.

Warum dem Berufungswerber in seinem umfassenden und mit großer Nachhaltigkeit auch gegenüber der Behörde erster Instanz betriebenen Darstellungen letztlich kein Gehör geschenkt wurde ist daher sachlich nur schwer nachvollziehbar.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Nach § 7 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. .......

Bei der Auslegung des Rechtsfahrgebotes ist die Fahrgeschwindigkeit und das herrschende Verkehrsumfeld an sich in Beziehung zu setzen, wobei unter der gesetzlich normierten Bedachtnahme auf die "Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs" etwa auch die Fahrgeschwindigkeit und die sonstige momentane Verkehrssituation mit einzubeziehen ist. Von jedem Fahrzeuglenker muss ein flexibles Einschätzen und ein entsprechendes Reagieren auf die verschiedensten Situationen erwartet werden. Mit Blick darauf kann es nicht als Regelverstoß erachtet werden, wenn bei keinen wie immer gearteten sonstigen nachteiligen Berührungen anderer Verkehrsteilnehmer der Sicherheitsabstand zu Personen (hier zumindest zwei verkehrsüberwachende Gendarmeriebeamte) am Straßenrand ein Abstand von etwa 2,5 m anstatt "nur" 1,5 m eingehalten wird.

In diesem Kontext sei auf den Aufsatz von Terlitza, über Richtiges Fahrverhalten im Straßenverkehr, ZVR 1981, 227, der weittragende Ansätze von Verkehrsproblemen anspricht, deren Lösung er im Ergebnis vielfach in der Vernunft jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers erblickt, verwiesen werden.

Mit der hier zur Bestrafung führenden Auslegung des § 7 Abs.1 StVO wäre gemäß der sich aus dem seit 1.1.1812 gültigen § 6 ABGB ergebenden Auslegungsregel - gleichsam am Buchstaben des Gesetzes klebend - der Sinn dieser Rechtsvorschrift verkannt worden. Zur Illustration lautet der § 6 ABGB (idF des JGS Nr. 946/1811) wie folgt: "Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beygelegt werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet" (vgl. KOZIOL-WELSER, Grundriss des bürgerlichen Rechts, Bd.1, 10. Aufl. S 20 lit.b).

Auf den mit diesem Verfahren betriebenen Verwaltungsaufwand muss in diesem Zusammenhang ebenfalls noch kritisch hingewiesen werden.

Der Schuld- und Strafausspruch waren daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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