Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160055/5/Br/Wü

Linz, 29.11.2004

VwSen-160055/5/Br/Wü Linz, am 29. November 2004

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M A G T, O, M, vertreten durch die Rechtsanwälte G, K, B, S, H, N. M, diese vertreten durch Mag. H W, Rechtsanwalt, G, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 3. September 2004, Zl. VerkR96-1159-2004, nach der am 29. November 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird dem Berufungswerber für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von
16 Euro
(20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen wegen der Übertretungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 80 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 33 Stunden verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) des Sattelzugfahrzeuges der Marke Scania mit dem behördlichen Kennzeichen und mit dem Sattelanhänger der Marke Schmitz mit dem behördlichen Kennzeichen trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27.2.2004, Zahl: VerkR96-1159-2004, persönlich zugestellt am 2.3.2004, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses oa. Kraftfahrzeug am 25.11.2003 um 08.59 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen könne, zumal sein bevollmächtigter Rechtsvertreter Rechtsanwalt U G mit Schreiben vom 15.3.2004 mitgeteilt habe, dass er zwar Zulassungsbesitzer des oa. Sattelkraftfahrzeuges sei, jedoch noch geprüft werden müsse wer der Lenker war; kurzfristig würde der Lenker bekannt gegeben werden. Diese Lenkerbekanntgabe jedoch bis zur Erlassung der Strafverfügung der Behörde erster Instanz vom 24.3.2004 nicht erfolgte.

    1. In der Begründung des Straferkenntnisses hat die Behörde erster Instanz erwogen:

"Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat über Sie mit Strafverfügung vom 24.3.2004 wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.2 KFG 1967 eine Geldstrafe von
80,-- Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden verhängt. Dagegen hat Ihr bevollmächtigter Rechtsvertreter Rechtsanwalt U G mit Schreiben vom 13.4.2004 fristgerecht Einspruch erhoben, wobei Sie wiederum keinen Lenker zur Tatzeit bekannt gaben.

Auf Grund Ihrer Nichtauskunftserteilung, wer die im Spruch angeführten Fahrzeuge mit den behördlichen Kennzeichen und zur Tatzeit am 25.11.2003 um 08.59 Uhr gelenkt hat, muss festgehalten werden, dass der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 die Absicht des Gesetzgebers zugrunde liegt, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Fahrzeuges jederzeit ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen von der Behörde festgestellt werden kann (VwGH-Entscheidung vom 23.03.1972, Zl. 1615/1971). Weiters darf festgehalten werden, dass die Auskunftspflicht durch die bloße Nichterteilung der Auskunft, wie im gegenständlichen Fall, verletzt wird (VwGH-Entscheidung vom 14.9.1965, ZI.382/65).

Da Sie die unbestrittenermaßen fruchtlos die gesetzliche Frist von zwei Wochen nach persönlicher Zustellung am 2.3.2004 der schriftlichen Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 verstreichen ließen, haben Sie den objektive Tatbestand erfüllt. Daran würde auch nichts ändern, wenn die verlangte Auskunft nach Ablauf dieser Frist erteilt worden wäre (VwGH-Entscheidung vom 14.12.1988, Zl.88/02/0156).

Aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes und der geltenden Rechtslage steht für die hs. Behörde zweifelsfrei fest, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung gesetzt und zu verantworten haben und es war daher spruchgemäß zu erkennen, zumal gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet bzw. zuletzt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen. Kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann. Diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung, binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Wer diesen Bestimmungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe bis zu 2.180,-- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Der Unrechtsgehalt der von Ihnen gesetzten Verwaltungsübertretung kann nicht als gering eingestuft werden, zumal die Verweigerung der Auskunft oder auch deren unrichtige Erteilung geordnete und zielführende Amtshandlungen unmöglich machen. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers schädigt in erheblichem Maß das Interesse an einer raschen Ermittlung des Lenkers. Sorgfaltsverletzungen in diesem Bereich müssen daher grundsätzlich aus general- sowie spezialpräventiven Überlegungen mit merkbaren Maßnahmen geahndet werden. Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Straferkenntnissesrahmens (bis zu 2.180,-- Euro) liegt die verhängte Strafe im untersten Strafrahmensbereich, ist aber zweifellos als angemessen zu betrachten. Sie stellt auch das Maß dessen dar, um Sie in Zukunft von ähnlichen oder gleichartigen Übertretungen abzuhalten.

Bei der Strafbemessung wurde auf das Ausmaß des Verschuldens und die mit der Tat verbundene Schädigung bzw. Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafandrohung dient und dem Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, Bedacht genommen. Weiters wurde bei der Strafbemessung, wie im hs. Schreiben vom 12.7.2004 angeführt, ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200,-- Euro, sowie der Umstand, dass Sie über kein Vermögen verfügen und keine Sorgepflichten haben, berücksichtigt.

Als mildernd wurde gewertet, dass Sie bisher ha. verwaltungsstrafbehördlich nicht negativ in

Erscheinung getreten sind.

Wie bereits angeführt, ist für die gegenständliche Verwaltungsübertretung ein Strafrahmen bis zu 2.180,-- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen vorgesehen. Dies wurde bei der Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe berücksichtigt.

Zur Schätzung Ihrer Familienverhältnisse in Bezug auf Vermögen und Sorgepflichten darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass Sie bei der Einschätzung dieser Verhältnisse es sich Ihrer unterlassenen Mitwirkungspflicht zuzuschreiben haben, sollte die hs. Behörde bei dieser Einschätzung zu Ihrem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne Ihrer Mitwirkung dem hs. Amt nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VWGH vom 14.1.1981, ZI.: 3033/80).

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.".

  1. In der dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung wird dem Schuldspruch mit nachfolgenden Ausführungen entgegen getreten:

"Namens und im Auftrag von Herrn M T legen wir hiermit gegen das Straferkenntnis vom 03.09.2004, Az.: VerkR96-1159-2004, der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Vorfall vom 25.11.2003, bzw. 02.03.2004 das Rechtsmittel der

BERUFUNG

ein.

Die Berufung richtet sich gegen das oben genannte Straferkenntnis vom 03.09.2004.

Namens und im Auftrag des Beschuldigten wird b e a n t r a g t,

das angegriffene o.g. Straferkenntnis aufzuheben und den Beschuldigten freizusprechen.

Hilfsweise wird die Einstellung des Verfahrens beantragt.

Darüber hinaus wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

BEGRÜNDUNG.

Der vorgehaltene Sachverhalt wird bestritten, insbesondere wird bestritten, dass ein Überholverstoß vorgelegen hatte.

Weiter wird bestritten, dass ein Halter generell zur Erteilung einer Lenkerauskunft aufgefordert werden kann, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Dieses Recht, welches ihm hier in Deutschland zusteht, muss auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten Berücksichtigung finden, auch wenn das nationale Prozessrecht dies nicht vorsehen würde.

Der Beschuldigte macht hier von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebrauch.

Der Berufung ist daher statt zugeben.

H S Rechtsanwalt" (unter Beifügung der Unterschriftsparaphe).

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der am 29.11.2004 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm der Berufungswerber trotz persönlicher Ladung, die ihm jedoch an der noch in der aus dem Verfahrensakt hervorgehenden Adresse nicht zugestellt werden konnte, nicht teil. Sein Rechtsvertreter entschuldigte sein Nichterscheinen mit seiner beruflichen Unabkömmlichkeit.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Unbestritten war das vom Berufungswerber gehaltene Sattelkraftfahrzeug am 25.11.2003 um 08.59 Uhr auf der A8, in Fahrtrichtung Knoten Wels bei Autobahnkilometer 33,500 unterwegs. Dort soll dessen Lenker entgegen dem auf diesem Streckenabschnitt geltenden Überholverbot für Lastkraftfahrzeuge über 7,5 t überholt haben.

Das angeblich ein gefahrloses Anhalten nicht möglich war, wurde - aus h. Sicht insbesondere bei nicht in Österreich zugelassenen Fahrzeugen einen hohen Verfahrensaufwand nach sich ziehende - eine Anzeige nach dem Kennzeichen erstattet.

Dies führte in der Folge zur hier verfahrensgegenständlichen "Aufforderung gemäß
§ 103 Abs.2 KFG 1967". Die erste dem Berufungswerber an dessen Adresse am 15.1.2004 zugestellte Aufforderung hatte ein offenkundig auf einen Schreibfehler in der Anzeige beruhendes falsches Datum (2002 anstatt 2003) zum Gegenstand
(AS 5). Aber schon darin war ein Hinweis auf die Strafbarkeit einer allfälligen Auskunftsverweigerung aufgenommen. Schließlich wurde am 27. Februar 2004 abermals ein Auskunftsbegehren mit einer datumsmäßig richtigen Bezugnahme auf den Anfragegegenstand und einem abermaligen Hinweis auf die Strafbarkeit einer Nichtbefolgung gestellt. Auch dieses wurde vom Berufungswerber am 2. März 2004 offenbar persönlich übernommen.

Eine Auskunft über die lenkende Person wurde vom Berufungswerber auch daraufhin nicht erteilt.

4.2. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers in durchaus nachvollziehbarer Weise seine rechtlichen Bedenken gegen ein derartiges Auskunftsverlangen zum Ausdruck. Dies insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass mit einem solchen Auskunftsbegehren einem Betroffenen zumindest indirekt die Pflicht zu einer Selbstbeschuldigung oder in vergleichbarer Weise damit die Auslieferung in ein Strafverfahren einer anderen Person einhergeht. Jedenfalls kann ein derart Betroffener in einen Gewissenskonflikt gebracht werden, welcher ihn subjektiv zu einem Schweigen verpflichten vermag, die ihn letztlich - so wie hier zutreffend - wiederum zu einer Bestrafung führt.

Dieser Wertekonflikt wird von der im Verfassungsrang stehenden Rechtsvorschrift des § 103 Abs.2 KFG 1967 dahingehend gelöst, dass eben die Interessen des Staates an der möglichst einfachen Ausforschung eines Fahrzeuglenkers höher bewertet werden, als dies bei den sich § 90 Abs.2 B-VG, dem "nemo tenetur-Grundsatz" ableitenden Schutzinteressen eines Individuums als Normadressat der Fall ist. Daher kann letztlich der durchaus plausibel und rechtlich keinesfalls inhaltsleer anmutenden Verantwortung des Berufungswerbers dennoch nicht gefolgt werden.

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass den Organen der Straßenaufsicht wohl zuzumuten gewesen wäre durch eine Anhaltung den Lenker unmittelbar zu identifizieren. Als nicht stichhaltig erweist sich der Hinweis einer nicht möglichen gefahrlosen Anhaltung. Zumal ein Sattelkraftfahrzeug wohl kaum auf der Autobahn angehalten werden wird, hätte eine Anhaltung in Verbindung mit einer nach Tunlichkeit finalisierenden Amtshandlung auf einem nur wenige Kilometer entfernt gelegenen Parkplatz erfolgen können.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gemäß Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Ebenfalls nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers noch keine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. eine "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren erfolgt und ebensfalls damit auch ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft zu machende (gemachte) Person (noch) nicht unmittelbar präjudiziert wird, scheinen keine Gegensätze zu den Grundsätzen der EMRK gegeben.

In diesem Sinne ist sinngemäß auch die jüngste Entscheidung des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 - WEH gegen Österreich begründet worden. Darnach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbunden Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden.

Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - VfGH v. 29.09.1988, Zl. G72/88 zumindest nicht aus innerstaatlicher - Sicht erblickt.

Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.

In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989,
Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995,
Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156).

5.1.2. Wenngleich dem Berufungswerber in seinem Vorbringen durchaus gefolgt werden kann, wonach der deutschen Rechtslage eine solche Pflicht nicht nur fremd, sondern diese darüber hinaus dort mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu stehen scheint, gewinnt er damit angesichts der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage nichts. Wegen des Hinweises der Strafbarkeit bereits im Auskunftsbegehren vermag er sich trotz des Hinweis auf § 52 und § 55 dStPO - wonach ein Zeugenentschlagungsrecht auch bei bloßen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten besteht, falls mit einer solchen Zeugenaussage die Gefahr wegen eines solchen Deliktes belangt zu werden einherginge - nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum oder ein mangelndes Verschulden mit Erfolg berufen.

Auch dem sinngemäß erhobenen Einwand auf die Einschränkung des staatlichen Gebotsbereiches (Territorialitätsprinzip) muss ein Erfolg versagt bleiben (VwGH 26.5.1999, 99/03/0074).

Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung seines Sattelzugfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich. Aus dieser Verwendung leiten sich jedenfalls Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage durch die mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers vermutlich begangene Verletzung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates was wiederum einem ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Ebenfalls kann sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe bereits in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers ebenfalls nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

Wenn schließlich der Berufungswerber einwenden wollte, dass der Tatort nicht im (österreichischen) Inland gelegen sei und von ihm nicht verlangt werden könne die Bestimmungen des § 103 Abs. 2 KFG 1967 oder "sonstige Pflichten eines österreichischen Zulassungsbesitzers zu kennen", weil es im deutschen Recht keine vergleichbare Bestimmung gebe, ist ihm zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof - wie oben bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt - mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, als Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 den Sitz der anfragenden Behörde erkannt hat. Aus diesem Grund gelangt das hier einschlägige nationale Recht zur Anwendung, sodass die Berufung auf die deutsche Rechtslage oder der Hinweis auf europäische Rechtsnormen jedenfalls ins Leere geht (vgl. VwGH 26.2.2000, 99/03/0294 mit Hinweis auf VwGH 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0074).

Ferner ist vom Berufungswerber insbesondere als offenbar im internationalem Verkehr tätigen Transportunternehmer zu erwarten sich über die Rechtsvorschriften des österreichischen Straßenverkehrs entsprechend Kenntnis zu verschaffen (vgl. dazu die VwGH-Erkenntnisse vom 14. Dezember 1990, Zl. 90/18/0184 und vom
10. Juli 1998, Zl. 98/02/0079).

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 80 Euro als ungewöhnlich niedrig bemessen bewertet werden muss. Selbst wenn hier angesichts des Vertrauens auf die in Deutschland herrschende Rechtslage bloß von einem geringem Verschulden auszugehen sein mag, kann der hier verhängten Geldstrafe nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Immerhin reicht der Strafrahmen bis 2.180 Euro. Selbst das hier nicht zur Verfolgung gelangende Grunddelikt wäre - trotz eines nur bis 728 Euro reichenden Strafrahmens - durchaus höher zu bestrafen gewesen. Der Unwertgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe kann wegen des öffentlichen Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit und der sich daraus ableitenden Pflicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, in einer solcherart herbeigeführten Vereitelung der Strafverfolgung nicht bloß als geringfügig abgetan werden. Daher kann hier trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit in Verbindung mit den nunmehr bekannt gewordenen Sorgepflichten des Berufungswerbers für zwei Kinder, eine Überschreitung des Ermessensspielraumes in der Strafzumessung seitens der Behörde erster Instanz trotzdem nicht erblickt werden.

 

 

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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