Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160093/8/Sch/Pe

Linz, 01.03.2005

 

 

 VwSen-160093/8/Sch/Pe Linz, am 1. März 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn F H vom 29. Oktober 2004, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K R und Dr. A R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Oktober 2004, VerkR96-2697-2004/Her, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung und Verkündung am 28. Februar 2005 zu Recht erkannt:

 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 36 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Oktober 2004, VerkR96-2697-2004/Her, wurde über Herrn F H, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 180 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen verhängt, weil er am 17. März 2004 um 14.51 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen auf der A 1 Westautobahn in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt habe, wobei er auf Höhe von km 190,160 im Gemeindegebiet von Sipbachzell das Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h gelenkt habe und dabei zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug einen Abstand von 10 m = 0,44 Sekunden eingehalten habe. Somit habe er keinen solchen Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 18 Euro Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Eingangs wird, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen.

 

Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung wurde in die relevante Videoaufzeichnung Einsicht genommen. Diese zeigt einwandfrei, dass mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers von Beginn der Aufzeichnung an bis zu deren Ende keinerlei Fahrstreifenwechsel durchgeführt wurden. Vielmehr ist ersichtlich, dass dieses ebenso wie die anderen auf dem linken Fahrstreifen im ankommenden Verkehr gelenkten Fahrzeuge in der Kolonne eine nahezu gleiche Fahrgeschwindigkeit eingehalten haben. Auch andere Fahrzeuglenker, insbesondere der vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers, haben keinerlei Fahrstreifenwechsel durchgeführt. Daraus ergibt sich, dass der geringe Sicherheitsabstand, der vom Berufungswerber eingehalten worden ist, nicht dadurch begründet sein konnte, dass ein anderer Fahrzeuglenker einen kurzfristigen Fahrstreifenwechsel vor seinem Fahrzeug durchgeführt hätte oder von diesem die Fahrgeschwindigkeit verringert worden wäre. Diese sehr häufig in ähnlichen Verfahren aufgestellte Behauptung hat sich also auch im gegenständlichen Verfahren als unzutreffend erwiesen. Abgesehen davon wäre es sehr bemerkenswert, wenn sich ein Fahrzeuglenker an das Fahrmanöver eines anderen so punkt- und sekundengenau erinnern könnte, dass er es sie zeitlich und örtlich genau mit der erfolgten Geschwindigkeits- und Abstandsmessung in Verbindung bringen kann. Wesentlich lebensnäher muss davon ausgegangen werden, dass, sofern der Betreffende überhaupt von den Messvorgängen Notiz genommen hat, erst später ein derartiger Brems- oder Fahrstreifenwechselvorgang eines anderen Fahrzeuglenkers "konstruiert" wird.

Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) "Schrecksekunde" (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei aufgrund persönlicher Umstände eine mögliche Verkürzung durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,44 Sekunden eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 82 km/h einen Abstand von ca. 10 m darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht nur fahrlässig unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 180 Euro kann angesichts dessen von vornherein nicht als überhöht angesehen werden. Derartig gravierende und der Verkehrssicherheit abträgliche Delikte dürfen nicht mit unbedeutenden "Bagatellstrafen" abgetan werden.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde hinreichend berücksichtigt.

 

Der Berufungswerber ist nach eigenen Angaben Pensionist und treffen ihn Sorgepflichten für zwei Kinder. Ausgehend von einem geschätzten monatlichen Mindesteinkommen von ca. 1.000 Euro wird ihm die Bezahlung der Verwaltungsstrafe ohne Gefährdung seiner Sorgepflichten bzw. Einschränkung seiner Lebensführung möglich sein.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

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