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des Landes Oberösterreich
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VwSen-160138/10/Br/Sta

Linz, 30.12.2004

 

 

VwSen-160138/10/Br/Sta Linz, am 30. Dezember 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau N K, B, O, vertreten durch I. M. J P H, Rechtsanwalt, S, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 4. November 2004, VerkR96-5189-2003-OJ/Ar, nach der am 30. Dezember 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird im Schuldspruch keine, im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden ermäßigt wird.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24, 51 und 51e Abs.1 Z1 VStG.

 

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf
7 Euro, für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei ihr folgendes Tatverhalten zur Last gelegt wurde:

"Sie haben am 16.10.2003 um 18.30Uhr den PKW, Mazda 323F, Kennzeichen in Ottensheim von der Tankstellenzufahrt Eder bei Strkm 11,250 zur
B 127 gelenkt und dabei als Wartepflichtige durch Einfahren auf die B 127 die auf der B 127 in Richtung Linz fahrende vorrangberechtigte Lenkerin des Kombis, VW Golf, Kennzeichen, zum unvermittelten Bremsen des Fahrzeuges genötigt."

Dadurch habe sie die Rechtsvorschrift nach § 99 Abs. 3 lit.a iVm. § 19 Abs.7 iVm.
§ 19 Abs. 6 StVO 1960 verletzt.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Laut Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostenkommandos Ottensheim vom 30.10.2003 lenkten Sie am 16.10.2003 gegen 18.30 Uhr den PKW, Mazda 323F, Kennzeichen, von der Tankstelle Eder in 4100 Ottensheim, Linzerstraße 60, auf die Rohrbacher Bundesstraße B127 und wollten diese in gerader Richtung überqueren. Dabei übersahen Sie nach eigenen Angaben die von links kommende vorrangberechtigte Lenkerin des PKW, VW Golf, Kennzeichen Dadurch kam es zu einem starken Zusammenstoß. Bei diesem Verkehrsunfall wurden Sie verletzt. Im Zuge der Unfallserhebungen gab der Zeuge, Herr H O, an, dass er seinen PKW auf der B127 in Richtung Rohrbach gelenkt und dabei den Zusammenstoß gesehen hat. Er führte weiters aus, dass Sie von der Tankstelle kommend auf die B 127 eingefahren sind und dabei der vorrangberechtigten Lenkerin des VW Golf den Vorrang genommen haben. Bei Ihrer Einvernahme durch die Exekutive gaben Sie am 17.10.2003 niederschriftlich an, dass Sie der vorrangberechtigten Lenkerin des PKW's den Vorrang genommen haben. Seitens Ihrer Unfallsgegnerin war keine Gerichtszuständigkeit gegeben und wurde daher das Verfahren gemäß § 90 StPO zurückgelegt.

 

Rechtsfreundlich vertreten bestreiten Sie die Ihnen angelastete Übertretung und führen aus, dass Sie keinesfalls die auf der B127 in Richtung Linz fahrende C A zu einem unvermittelten Bremsen genötigt, geschweige denn deren Vorrang verletzt hätten. Den Unfall selbst bestreiten Sie jedoch nicht. Sie führen aber aus, dass Frau A eine für die Straßen und Sichtverhältnisse überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten und darüber hinaus überhaupt nicht auf Ihr Queren der Fahrbahn reagiert hätte. Frau C A führte als Zeugin aus, dass Sie zum Unfallszeitpunkt mit einer den Straßenverhältnissen angepassten Geschwindigkeit unterwegs war. Zu dieser Zeit herrschte auch Kolonnenverkehr. Weiters gab sie an, dass Sie plötzlich vor Ihr aus dem Tankstellenareal herausgefahren sind. Sie habe sofort reagiert und abgebremst. Trotzdem war eine Kollision unvermeidbar. Die Unfallszeugen P E und H O wurden zeugenschaftlich einvernommen. Diese gaben übereinstimmend an, dass Sie unmittelbar vor einem von Richtung Rohrbach kommenden Fahrzeug auf die B 127 eingefahren sind. In Ihrer Stellungnahme vom 13.09.2004 führen Sie aus, dass die beiden Zeugenaussagen Ihr bisheriges Vorbringen bestätigen würden, dass nämlich die durch Alkohol beeinträchtigte Unfallgegnerin ohne jegliche Reaktion in Ihr Fahrzeug krachte. Bereits aus der Anstoßstelle ergebe sich, dass im Sinne Ihrer bisherigen Ausführungen ein Gaswegnehmen der Unfallsgegnerin ausgereicht hätte, um den Unfall zu verhindern. Wie Sie bei den vorliegenden Zeugenaussagen zu dieser Feststellung kommen, ist nicht nachvollziehbar.

 

Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) darf gemäß § 19 Abs. 7 StVO 1960 durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Gemäß Abs. 6 der genannten Bestimmung haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die unter anderem von Tankstellen kommen. Übertretungen dieser Bestimmung sind gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 mit Geldstrafen bis 726,-- Euro zu ahnden.

 

Aufgrund der Unfallserhebungen sowie Ihrer Erstangaben und der vorliegenden Zeugenaussagen der beiden Unfallszeugen musste die ha. Behörde bei freier Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangen, dass Sie die im Spruch angeführte Übertretung tatsächlich begangen haben. Im Sinne eines ökonomischen Verfahrens konnte daher von der von Ihnen beantragten Einholung eines kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigengutachtens Abstand genommen werden. Da diese Übertretung unter Strafsanktion gestellt ist, war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 unter Berücksichtigung Ihrer aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens mussten der Strafbemessung zugrunde gelegt werden. Mildernde Umstände traten im Verfahren nicht zutage. Erschwerend war die Verursachung des Verkehrsunfalles mit Personen- und Sachschaden zu werten. Da Vorrangverletzungen geeignet sind, die Sicherheit im Straßenverkehr enorm zu gefährden, konnte im Interesse der Sicherheit im Straßenverkehr bei dem vorgegebenen Strafrahmen keine geringere Strafe verhängt werden. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben worin sie Nachfolgendes ausführt:

"I.

In umseits näher bezeichneter Verwaltungsstrafsache habe ich nunmehr Herrn M. J H, RA, S Linz, mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt. Dieser beruft sich auf die ihm erteilte Vollmacht. 

II.
 

Mit dem mir am 19.11.04 zugestellten Straferkenntnis der BH Urfahr-Umgebung vom 4.11.04, AZ: VerkR96-5189-2003, wurde mir zur Last gelegt, am 16.10.03 um 18:30 Uhr den PKW, Mazda 323F, Kennzeichen in Ottensheim von der Tankstellenzufahrt Eder bei Strkm 11,250 zur B 127 gelenkt und dabei als Wartepflichtige durch Einfahren auf die B127 die auf der B127 in Richtung Linz fahrende vorrangberechtigte Lenkerin des Kombis, VW Golf, Kennzeichen zum unvermittelten Bremsen des Fahrzeuges genötigt und dadurch § 99 Abs. 3 lit a i. V. m. § 19 Abs. 7 iVm. § 19 Abs.6 StVO 1960 verletzt zu haben. Aufgrund der mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretung wurde ich zu einer Geldstrafe von 150,00 Euro im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von
48 Stunden, sowie zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von
15,00 Euro insgesamt daher zur Zahlung von 165,00 Euro verurteilt.
 
 

III.
 

Gegen vorig genannten Bescheid der BH Urfahr-Umgebung erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist

 

Berufung
 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat und fechte den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften vollinhaltlich an.

IV.
 

Die BH Urfahr-Umgebung stützt das gefällte Straferkenntnis auf die Einvernahme von Frau C E A vom 16.3.04, auf die Einvernahme von Herrn P E vom 28.6.04, auf die Einvernahme von Herrn O H vom 28.6.04 sowie auf die Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostenkommandos Ottensheim vom 30.10.03.
 

In meiner Stellungnahme vom 20.2.04 habe ich die Abhaltung eines Ortsaugenscheines sowie die Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass durch ein bloßes Gaswegnehmen oder eine geringfügige Verringerung der Geschwindigkeit durch die Unfallgegnerin ein kollisionsfreies Passieren der B 127 möglich und somit keine Vorrangverletzung vorgelegen wäre.
 

Zu diesem Beweisantrag habe ich vorgebracht, dass gegenständlicher Verkehrsunfall nur dadurch verursacht wurde, dass Frau A eine für die Straßen- und Sichtverhältnisse sowohl absolut, als auch relativ überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten und darüber hinaus nicht auf mein Queren der Fahrbahn reagiert hat. Für mich hat sich zuerst die Annäherung des Fahrzeuges der Unfallgegnerin so dargestellt, dass ich noch problemlos vor deren PKW, ohne dass ich diese zum unvermittelten Bremsen oder Verlenken ihres PKW's genötigt hätte, die B 127 überqueren hätte können. Nachdem es jedoch bei einer geradlinigen Annäherung praktisch nicht erkennbar ist, ob jemand eine überhöhte Geschwindigkeit einhält, konnte auch ich diesen Umstand nicht feststellen. Jedenfalls aber wäre es bei einer sorgfaltsgemäßen und den Vorschriften entsprechenden Fahrweise der Unfallgegnerin problemlos möglich gewesen, dass diese durch ein bloßes Gaswegnehmen die Unfallstelle kollisionsfrei hinter meinem PKW passiert hätte, sodass von einer Vorrangverletzung nicht die Rede sein kann.
 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auch des Obersten Gerichtshofes liegt nämlich dann keine Vorrangverletzung vor, wenn durch eine bloß geringfügige Geschwindigkeitsverminderung eine Kollision verhindert werden kann bzw. nur eine solche geringe Geschwindigkeitsverringerung notwendig ist.
 

Wie sich später herausstellte, dürfte die Unfallgegnerin, die zum Unfallszeitpunkt eine Alkoholisierung von mehr als 1,2 Promille aufgewiesen hat und somit stark alkoholisiert war, überhaupt nicht reagiert haben und infolge der starken Alkoholisierung reaktionslos mit überhöhter Geschwindigkeit auf mein Fahrzeug zugefahren sein.
 

Diesen meinen beiden konkret gestellten, durch umfassendes Tatsachenvorbringen untermauerten Beweisanträgen ist die BH Urfahr-Umgebung nicht nachgekommen und hat dieses Versäumnis mit der "Ökonomie des Verfahrens" begründet. Infolge Nichtaufnahme der von mir angebotenen Beweismittel ist das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben und hat die BH Urfahr-Umgebung den Grundsatz der Offizialmaxime verletzt, nachdem die Behörde den Sachverhalt vom Amtswegen festzustellen sowie auf nicht "offenbar unerhebliche" Beweisanträge des Beschuldigten einzugehen hat. Bei Aufnahme der angebotenen Beweismittel hätte die Behörde das gegen mich geführte Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
 

Die Aufnahme der angebotenen Beweismittel war auch insbesondere dadurch indiziert, dass laut der Verkehrsunfallsanzeige des Gendarmeriekommandos Ottensheim auf der Fahrbahn keine Bremsspuren der Unfallgegnerin ersichtlich waren und auch sich die beiden Zeugen Herr P E und Herr H O nicht an ein Bremsen der Unfallgegnerin erinnern konnten.
 
Beweis: *meine Verantwortung
*Ortsaugenschein
*Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens
*Einvernahme von Herrn P E, Herrn H O und Fr.
E A als Zeugen.
V.

Unabhängig davon, ob ich die mir angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe - was ausdrücklich bestritten wird - oder nicht, ist die über mich verhängte Strafe bei weitem zu hoch bemessen.
 

Gem. § 19 VStG ist Grundlage für die Strafbemessung das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, in wie weit die Tat nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die Erschwerungs- und Meldungsgründe sind gegeneinander abzuwägen, auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen und sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
 

Die von der BH Urfahr-Umgebung vorgenommene Strafbemessung beschränkt sich auf eine Leerformel, welche die nach § 19 VStG iVm. § 32 StGB vorzunehmende Würdigung nicht ersetzen kann.
 

Zu Unrecht geht die BH Urfahr-Umgebung auch davon aus, dass keine Milderungsgründe vorliegen und die Verursachung des Verkehrsunfalles mit Personen- und Sachschaden erschwerend zu werten ist. Da ausschließlich ich bei gegenständlichem Verkehrsunfall verletzt wurde, kann die BH Urfahr-Umgebung meine eigene Verletzung nicht zu Recht als Erschwerungsgrund heranziehen.
 

Mildernd wäre zu berücksichtigen gewesen, dass ich bislang unbescholten bin und ich mir seit dem Verkehrsunfall vom 16.10.03 keinerlei Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu Schulden kommen lassen habe. Auch dieser Umstand zeigt meine positive Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten und bildet analog § 19 Abs.2 VStG iVm. § 34 Z18 StGB einen besonderen Milderungsgrund.
 

Abschließend sind nach § 19 Abs.2 VStG noch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse eines Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen heranzuziehen.
 

Da ich lediglich über ein Einkommen von ca. netto Euro 500,00 monatlich verfüge und Verbindlichkeiten für einen Autokauf habe, keine Erschwerungsgründe sowie mehrere Milderungsgründe vorliegen, wäre die Verhängung einer Geldstrafe nur im untersten Bereich des Strafrahmens zulässig. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Unfallgegnerin ein erhebliches Mitverschulden am Verkehrsunfall trifft, da sie in alkoholisiertem Zustand ohne jede Reaktion in mein Fahrzeug krachte.
 
Beweis: *meine Verantwortung
 
Aus obig angeführten Gründen stelle ich daher die
 

Anträge,
 
 
der Unabhängige Verwaltungssenat möge der Berufung Folge geben und
 
a.) das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben;
in eventu
b.) die verhängte Geldstrafe auf max. 70,00 Euro herabsetzen; sowie
c.) jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung an Ort und Stelle zur Aufnahme der beantragten Beweismittel durchführen
 
Linz am Mittwoch, 1. Dezember 2004 K N

AZ<KFPPNI VWSTOI> Berufung/JH/KK"

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Da mit der Berufung jedoch Tatsachenfragen bestritten wurden, wurde in Wahrung der nach Art. 6 EMRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführt.

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde; ferner durch Vernehmung der Berufungswerberin als Beschuldigte und der Zeugen P E, H O und C A im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurde ein Luftbild aus dem System Doris; die Weg-Zeit-Berechnungen erfolgten mit dem Unfallrekonstruktionsprogramm "Analyzer Pro 4,0". Diese Bildmaterialien mit den darauf ersichtlichen verfahrensrelevanten Distanzen wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung zur Erörterung gestellt.

Die Behörde erster Instanz entsandte ohne Angabe von Gründen zur Berufungsverhandlung keinen Vertreter.

 

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht vom folgenden Sachverhalt aus:

 

      1. Zur Örtlichkeit:

Die B 127 ist im Bereich der Tankstellenausfahrt mindestens 10 m breit. Die trichterförmige Tankstellenausfahrt ist rechtsseitig mit einer etwa 11 m langen Haltelinie versehen. Unmittelbar vor und hinter dem Kreuzungsbereich weist die
B 127 für jede Fahrtrichtung jeweils zwei Fahrstreifen mit entsprechenden Bodenmarkierungen auf. Diese sind für das gegenständliche Verfahren jedoch unbedeutend.

 

4.1.2. Zum Unfallverlauf:

Die Berufungswerberin hielt ihr Fahrzeug an der Haltelinie um die B 127 zu überqueren. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in Richtung Westen starkes Verkehrsaufkommen. Als die Berufungswerberin ihr Fahrzeug in Bewegung setzte, übersah sie offenbar den bereits etwa nur mehr 25 m links von ihr mit etwa 60 km/h sich annähernden Pkw von Frau A. Dieser stieß etwa in Fahrbahnmitte gegen die linke Hinterseite ihres Fahrzeuges. Ob überhaupt und wenn ja, wie stark eine von A angeblich noch versuchte Bremsung wirksam geworden ist, kann hier auf sich bewenden. Geht man davon realistischerweise aus, dass die bevorrangte Fahrzeuglenkerin mit 60 km/h unterwegs war, hätte sie unter Zugrundelegung einer als praxisnah anzunehmenden Reaktionszeit von einer Sekunde und optimalsten Bremsverzögerungswerten von 8 m/sek2 von der Gefahrenerkennung bis zum Stillstand ihres Fahrzeuges 35,68 m zurückgelegt. Dies bei einer Gesamtzeit des Anhalteweges von 3,18 Sekunden. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde an mehreren Fahrzeugen der Überquerungs- bzw. Einbiegevorgang auf die gegenüberliegende Seite der B 127 authentisch mit einem Zeitrahmen von 3,5 bis
4 Sekunden festgestellt. Die Distanz vom bezeichneten Bereich (Fahnenmast/Preistafel) bis zur Halteposition der Berufungswerberin wurde durch Abschreiten mit etwa 25 m festgestellt. Demnach war der Unfall einerseits zumindest durch ein Bremsmanöver nicht vermeidbar, was die Vorrangverletzung implizit beweist. Sowohl unter der Annahme der Zeitdauer für das Überqueren als auch die Einschätzung der Entfernung des Fahrzeuges auf der B 127 mit 25 m lässt einerseits die Wahrnehmungen der Zeugen als durchaus plausibel und die Unvermeidbarkeit der Kollision als unzweifelhaft erscheinen. Ein spezifisches Gutachten erscheint somit jedenfalls als entbehrlich.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, gaben, wie auch schon im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens die einvernommenen Zeugen E und O, im Ergebnis übereinstimmend an, dass sie die Annäherung von A zum Zeitpunkt des Überquerens der B 127 durch die Berufungswerberin bereits auf so kurze Distanz einschätzten, dass die Kollision letztlich unvermeidbar war. Der Zeuge E vermeinte etwa das Fahrzeug von A im Bereich zwischen der Preistafel der Tankstelle und der am linken Eck der Ausfahrt angebrachten Fahnenstange wahrgenommen zu haben als die Berufungswerberin die Haltelinie erreicht hatte. Er habe zu der im Fahrzeug mitfahrenden Person noch sinngemäß gesagt, "da wird es jetzt krachen". Auch der Zeuge O, welcher sich ebenfalls im stadtauswärts führenden Stau etwa
50 m (der Zeuge E etwa 30 m) von der Kreuzung entfernt befand, schilderte den Vorgang etwa gleich. Die Fahrgeschwindigkeit von A wurde vom Zeugen E auf 60 km/h eingeschätzt, welche auch die zeugenschaftlich einvernommene A in dieser Größenordnung darstellte.

Wenn die Berufungswerberin in ihrer Stellungnahme selbst von einer erhöhten Geschwindigkeit der Unfallgegnerin spricht unterstreicht sie damit nur den Umstand ihrer Vorrangverletzung. Alleine schon auf Grund der Tatsache, dass es zu einem seitlichen Aufprall am Fahrzeug der Berufungswerberin und dies noch auf dem rechten Fahrstreifen gekommen ist, wäre eher eine noch kürzere Zeitspanne und damit eine noch größere Nähe von A für den unmittelbar am Straßenrand beginnenden Vorgang des Einbiegens anzunehmen.

Die Unabwendbarkeit der Kollision lässt sich schließlich auch mit den Angaben des Zeugen H. O vom 28.6.2004 ableiten, welcher die Entfernung des bevorrangten Fahrzeuges zum Anfahrzeitpunkt der Berufungswerberin vom späteren Kollisionspunkt vorerst mit nur 10 m angab, wobei er sich bei der Berufungsverhandlung nicht mehr auf eine Entfernungsangabe festlegte. Im als wahrscheinlich anzunehmenden Fall hätte es bei einem Bremsbeginn zu diesem Zeitpunkt (25 m Gefahrenerkennung) zur Unfallvermeidung einer unerreichbaren Verzögerung von 16 m/sek2 bedurft. Unter dieser Annahme wäre von einer Aufprallgeschwindigkeit von etwa 35 km/h auszugehen (Berechnungen mit Analyzer Pro 32). Dies könnte angesichts des Schadensbildes und der Tatsache der Airbagauslösung am Fahrzeug von A durchaus realistisch sein. Besonders anschaulich unterstrich dies der Zeuge P. E, der den Anfahrvorgang der Berufungswerberin beobachtet und sich noch sagte "jetzt krachts". Dessen Schilderung könnte allenfalls den Schluss auf einen Wahrnehmungsmangel oder eine Verdeckung des von links kommenden Verkehrs etwa durch den Fensterrahmen seitens der Berufungswerberin zulassen, wenn sie nämlich laut Darstellung dieses Zeugen, zuerst kurz angefahren ist, dann noch gebremst und letztlich doch noch Gas gegeben haben soll.

Die Vorrangverletzung ist hier evident und stellt sich als geradezu klassisch dar. Mit dem Hinweis, dass die Unfallgegnerin alkoholisiert war vermag die Berufungswerberin jedenfalls nicht ihre offenkundige Fehlleistung, die hier als krasse Vorrangverletzung zu Tage trat, in Abrede stellen.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Eine Vorrangverletzung liegt dann vor, wenn ein "wartepflichtiges Fahrzeug" durch "Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen" die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) zum unvermittelten Abbremsen oder Auslenken ihrer Fahrzeuge nötigt (§ 19 Abs.7 StVO 1960). Fahrzeuge im fließenden Verkehr haben den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen (§ 19 Abs.6 StVO 1960). Umso mehr trifft dies zu, wenn durch einen solchen Vorgang ursächlich eine Kollision die Folge ist.

Der Vorrang erstreckt sich auf den gesamten Kreuzungsbereich, dessen Umfang sich nach den Abgrenzungen der Überschneidungen der Straßen bestimmt (OGH 20.10.1981, ZVR 1982/234).

Der Inhalt der Wartepflicht zerfällt in eine zeitliche Komponente, die besagt, wann der Wartepflichtige weiterfahren darf, und in eine örtliche Komponente, die besagt, bis zu welcher Stelle der Wartepflichtige vorfahren darf, um den Zeitpunkt des endgültigen Weiterfahrens abzuwarten. Hiefür müssen die örtlichen Verhältnisse, insbesondere die Sichtverhältnisse in Betracht gezogen werden (OGH 7.4.1976, 8 Ob 36/76). Eine Vorrangverletzung liegt etwa auch dann vor, wenn zwar eine nachträgliche Berechnung allenfalls ergäbe, dass die Fahrzeuge nicht zusammengestoßen wären, falls jedes Fahrzeug mit der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit weitergefahren wäre, der Vorrangberechtigte aber unter dem Eindruck der augenblicklichen Verkehrssituation Maßnahmen zur Verhinderung eines Zusammenstoßes trifft, die vom Standpunkt eines sorgfältigen Lenkers aus geboten erscheinen (OGH 7.9.1978, 8 Ob 138/78). Der Lenker eines benachrangten Fahrzeuges hat sich Gewissheit zu verschaffen, dass er kein anderes (bevorrangtes) Fahrzeug in seiner Bewegung behindert (vgl. Dietrich-Stolzlechner, StVO 1960 1960, Anm. 74 zu § 19 StVO 1960). Eine Zuwiderhandlung gegen den Schutzzweck der Bestimmung des § 19 Abs.6 u. 7 StVO 1960 liegt hier ganz offenkundig nicht vor.

 

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Es ist hier zweifellos nicht zu übersehen, dass die Berufungswerberin durch eine Fehlleistung einen Verkehrsunfall verschuldet hat. Diese Fehlleistung war durch die schwere Beschädigung ihres Fahrzeuges und ihrer eigenen Verletzungsfolgen insbesondere für die Berufungswerberin mit schwerwiegenden finanziellen Auswirkungen verbunden. Auch ist zu bedenken, dass allenfalls durch eine kurzzeitige Verdeckung das gegnerische Fahrzeug von der Berufungswerberin übersehen worden sein könnte und mit Blick darauf ihre Fehlleistung erklärbar sein könnte. Jedenfalls bedarf es hier weder aus general- noch aus spezialpräventiven Überlegungen einer nachhaltigen Bestrafung. Als strafmildernd ist ferner - entgegen der Annahme der belangten Behörde - die bisher gänzliche Unbescholtenheit der Berufungswerberin zu werten gewesen, sodass bei einem Einkommen von monatlich 1.000 Euro auch in der nunmehrigen Strafe eine tatschuldangemessene Bestrafung erblickt werden kann.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

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