Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-160164/13/Zo/Pe

Linz, 19.10.2005

 

 

 

VwSen-160164/13/Zo/Pe Linz, am 19. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau C F vom 1.12.2004 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 18.11.2004, Zl. S-23.845/04, wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) und des Führerscheingesetzes (FSG), zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Die Verpflichtung zum Ersatz der Barauslagen in Höhe von 112,20 Euro wird aufgehoben.
  4.  

  5. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: § 5a Abs.2 StVO 1960

zu III.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin vorgeworfen, dass sie am 25.6.2004 um 20.15 Uhr in Linz, Schmidtorstraße, stadtauswärts, den Pkw mit dem Kennzeichen

  1. in einem durch Suchtgift beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt habe;
  2. das Kraftfahrzeug gelenkt habe, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse zu sein, weil ihr die Lenkberechtigung entzogen worden war;
  3. in der Schmidtorstraße die Fußgängerzone vorschriftswidrig befahren habe;
  4. als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges die Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes von, nach, am 22.4.2004 der Behörde, die den Zulassungsschein ausgestellt hat, nicht binnen einer Woche angezeigt habe, und
  5. das Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet habe, ohne dass an diesem eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei (Lochung 11/03).

 

Die Berufungswerberin habe daher Verwaltungsübertretungen sowohl nach der StVO 1960, dem KFG 1967 als auch dem FSG begangen, weshalb über sie entsprechende Geldstrafen in der Höhe von insgesamt 1.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe insgesamt 19 Tage) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages von 150 Euro verpflichtet und es wurden ihr die Kosten für die amtsärztliche Untersuchung in Höhe von 112,20 Euro als Barauslagen vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher die Berufungswerberin vorbringt, dass sie sich zur Tatzeit in einer manischen Phase ihrer Krankheit befunden habe und anschließend in das LNKH Sigmund Freud in Graz eingeliefert worden sei. Ein psychiatrisches Gutachten sowie eine Aufenthaltsbestätigung könnten nachgeholt werden. Sie sei daher zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig gewesen. Sie habe damals ihre Taten nicht kontrollieren können, diese würden ihr jetzt Leid tun. Hinsichtlich der Strafbemessung machte die Berufungswerberin geltend, dass sie derzeit vollkommen einkommens- und vermögenslos sei.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in ein psychiatrisches Gutachten vom 23.8.2005, welches vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark ebenfalls wegen Verkehrsübertretungen am 13.7. und 2.8.2004 eingeholt worden war.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin lenkte am 25.6.2004 um ca. 20.15 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Linz auf der Schmidtorstraße in Höhe Haus stadtauswärts fahrend. Dabei handelt es sich um eine Fußgängerzone, weshalb sie von Polizeibeamten kontrolliert wurde. Bei dieser Kontrolle wurden Symptome von Suchtmittelkonsum festgestellt, weshalb die Berufungswerberin zur Überprüfung ihrer Fahrtüchtigkeit einer Ärztin für Allgemeinmedizin vorgeführt wurde. Diese Untersuchung ergab zusammengefasst, dass die Berufungswerberin zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges durch Drogen und/oder Übermüdung beeinträchtigt und nicht fahrfähig gewesen sei. Eine Blutabnahme erfolgte im Zuge der Amtshandlung nicht mehr.

 

Die Berufungswerberin wurde weiters angezeigt, weil die Begutachtungsplakette an ihrem Fahrzeug bereits abgelaufen war (Lochung 11/03) und sie ihren Wohnsitzwechsel der Zulassungsbehörde nicht gemeldet hatte. Außerdem verfügte sie zur Tatzeit nicht über eine Lenkberechtigung, weil ihr diese entzogen worden war.

 

Wegen zwei anderer verkehrsrechtlicher Vorfälle vom 13.7. bzw. 2.8.2004 wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark ein psychiatrisches Gutachten betreffend die Zurechnungsfähigkeit der Berufungswerberin eingeholt. Dieses ergab zusammengefasst, dass die Berufungswerberin an einer bipolaren Affektstörung leidet. Derartige Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Patienten in eine gehobene Stimmungslage geraten, die zwischen sorgloser Heiterkeit und unkontrollierbarer Erregung schwanken kann. Gleichzeitig kommt es zu einer erheblichen Antriebssteigerung mit Überaktivität, Rededrang und vermindertem Schlafbedürfnis. Übliche soziale Hemmungen gehen verloren. Es kommt zu starker Ablenkbarkeit, zu einem Verlust der Kritikfähigkeit mit Selbstüberschätzung sowie zu Größenideen und maßlosem Optimismus. Auch Wahrnehmungsstörungen treten häufig auf. Derartige Episoden dauern in der Regel mehrere Wochen und zeigen eine Tendenz zu langfristiger kontinuierlicher Symptomzunahme bis hin zu psychotischen Wahrnehmungsveränderungen und Denkstörungen. Im Hinblick darauf, dass die Berufungswerberin ab Mitte August 2004 wegen derartiger Symptome in stationärer Behandlung im LNKH Graz war, kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits am 13.7.2004, allenfalls auch bereits zu vorangehenden Zeitpunkten wegen der langsam zunehmenden Psychopathologie in ihrer Diskretions- und Dispositionsfähigkeit deutlich eingeschränkt war. Die Berufungswerberin war daher krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage, das Unrecht der von ihr gesetzten Handlungen zu begreifen und sich demgemäß zu verhalten. Zumindest seit Anfang Juli 2004 hat keine ausreichende Schuldfähigkeit bestanden.

 

Dieses Gutachten wurde der Erstinstanz mit dem Hinweis zur Kenntnis gebracht, dass aus verfahrensökonomischen Gründen im Hinblick auf den engen zeitlichen Zusammenhang zu den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen beabsichtigt ist, das Gutachten auch dieser Entscheidung zugrunde zu legen. Dagegen wurden keine Einwände erhoben.

 

5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

 

§ 5a Abs.2 StVO 1960 lautet:

Ist bei einer Untersuchung nach § 5 Abs.2, 4a, 5, 6 oder 8 Z2 eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden, so sind die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen. Das selbe gilt im Falle der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung. Die Kosten der Untersuchung sind nach den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes vorzuschreiben.

 

5.2. Das o.a. Gutachten führt schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Berufungswerberin zur Tatzeit an einer bipolaren Affektstörung gelitten hat und daher das Unrecht ihrer Handlungen nicht einsehen konnte bzw. sich nicht dieser Einsicht gemäß verhalten konnte. Dazu ist noch anzuführen, dass sich das Gutachten - entsprechend der Fragestellung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Steiermark - zwar auf einen Zeitraum bezieht, welcher einige Wochen nach der gegenständlichen Tatzeit liegt, andererseits darf aber nicht übersehen werden, dass im Gutachten ausführlich beschrieben wird, dass sich dieses Krankheitsbild kontinuierlich aufbaut und die Symptome immer stärker zunehmen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Berufungswerberin auch am 25.6.2004 bereits unter dem Einfluss der gegenständlichen, ihr Verschulden ausschließenden Krankheit gestanden ist. Aus diesem Grund war ihrer Berufung stattzugeben und das Straferkenntnis aufzuheben.

 

Zu II.:

Hinsichtlich der Kosten für die amtsärztliche Untersuchung ist noch anzuführen, dass diese nur im Fall der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung vorgeschrieben werden können. Die ärztliche Untersuchung dient jedoch gemäß § 5 Abs.10 StVO 1960 lediglich dazu, eine Beeinträchtigung festzustellen, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt. Erst durch die dann anschließende Blutuntersuchung kann tatsächlich festgestellt werden, ob eine Suchtgiftbeeinträchtigung vorliegt. Dies ist im gegenständlichen Fall aus Gründen, welche nicht die Berufungswerberin zu vertreten hat, unterblieben, weshalb sie auch die Kosten der ärztlichen Untersuchung nicht zu tragen hat.

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum