Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160206/8/Sch/Pe

Linz, 14.07.2005

 

 

 VwSen-160206/8/Sch/Pe Linz, am 14. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn A H vom 21. Dezember 2005, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. November 2004, VekrR96-56-2003-U, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 20. Juni 2005 zu Recht erkannt:

 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 36 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. November 2005, VerkR96-56-2003-U, wurde über Herrn A H, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs.1 und § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 180 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil er am 23. Oktober 2002 um 15.40 Uhr im Gemeindegebiet von St. Florian, Bezirk Linz-Land, auf der A 1 Westautobahn bei Strkm. 161,050 in Richtung Salzburg, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen, beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 125 km/h einen Sicherheitsabstand von nur 0,41 Sekunden eingehalten habe.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 18 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) "Schrecksekunde" (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei durch persönliche Umstände eine Verkürzung, etwa durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,41 Sekunden eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 125 km/h einen Abstand von ca. 14 m darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht mehr fahrlässig unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

4. Wenn der Berufungswerber darauf verweist, dass der geringe Sicherheitsabstand in einem Fahrstreifenwechsel des vor ihm fahrenden Fahrzeuglenkers begründet gewesen sei, so ist ihm entgegenzuhalten, dass hievon auf der Videoaufzeichnung nichts zu erkennen ist. Vielmehr ist dort eindeutig ersichtlich, dass der Berufungswerber hinter dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nachfährt, ohne dass dieser Fahrzeuglenker während der Aufzeichnung, auch nicht zu Beginn, irgendein Manöver durchführen würde. Er verringert sohin weder seine Fahrgeschwindigkeit noch führt er einen Fahrstreifenwechsel durch. Ob und inwieweit ein solcher vor Beginn der Aufzeichnung stattgefunden hat, muss dahingestellt bleiben. Auch wenn die diesbezüglichen Angaben des Berufungswerbers den Tatsachen entsprechen sollten, so würde dies keinen Rechtfertigungsgrund mehr darstellen, zumal dieser Fahrstreifenwechsel eben schon beendet war und zudem die Aufnahme dokumentiert, dass es in der Dispositionsmöglichkeit des Berufungswerbers gelegen gewesen wäre, den Sicherheitsabstand zum Vordermann, auch ohne zu bremsen, also nur durch Gaswegnehmen, zu vergrößern. Nach fachlicher Aussage des bei der Verhandlung anwesenden verkehrstechnischen Amtssachverständigen wäre ein solches Verhalten des Berufungswerbers auf der Aufzeichnung auch sichtbar gewesen.

 

Zur Strafbemessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Zur Gefährlichkeit von Delikten wie dem gegenständlichen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 180 Euro kann sohin keinesfalls als überhöht angesehen werden. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde hinreichend berücksichtigt. Seine persönlichen Verhältnisse lassen erwarten, dass er zur Bezahlung der Verwaltungsstrafe ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sein wird.

 

Abschließend ist zu den vom Berufungswerber gestellten Beweisanträge noch zu bemerken, dass diese mangels Entscheidungsrelevanz abzuweisen waren. Das von der Berufungsbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die Einsichtnahme in die Videoaufzeichnung unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen, hat eine hinreichende Grundlage zur Entscheidung dargestellt.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 
 

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