Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-340013/8/Gf/Km

Linz, 28.05.1998

VwSen-340013/8/Gf/Km Linz, am 28. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Dr. H H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 27. März 1998, Zl. Agrar96-36-1997, wegen Übertretung des Oö. Fischereigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 27. März 1998, Zl. Agrar96-36-1997, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) verhängt, weil er es verabsäumt habe, den Bewirtschafter eines betroffenen Fischwassers von der Trockenlegung eines Kanales zu verständigen.

1.2. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 1. April 1998 durch Hinterlegung zugestellt. Mit diesem Tag - einem Mittwoch - begann die zweiwöchige Berufungsfrist des § 63 Abs.5 AVG zu laufen und endete daher gemäß § 32 Abs.2 AVG mit Ablauf des 15. April 1998.

1.3. Nach dem auf dem im Akt erliegenden Kuvert befindlichen Poststempel scheint die vorliegende Berufung jedoch erst am 16. April 1998 zur Post gegeben worden zu sein.

2.1. In seiner zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung ergangenen Stellungnahme vom 18. Mai 1998 bringt der Rechtsmittelwerber vor, daß die Berufung von einem seiner Angestellten noch am 15. April 1998 zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr in den Postkasten geworfen worden und daher als rechtzeitig anzusehen sei.

2.2. Seitens des Postamtes L - Bahnhof wurde dazu grundsätzlich - und übereinstimmend mit dem Vorbringen des Berufungswerbers - festgestellt, daß es in dessen Rayon überwiegend sog. "normale" Briefkästen, die zwischen zwei- und viermal täglich geleert werden, gibt, wobei vom Abholer der Zeitpunkt der nächsten Entleerung jeweils manuell am Briefkasten eingestellt wird.

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat hiezu Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Gmunden zu Zl. Agrar96-36-1997, im Wege zweier Lokalaugenscheine am 26. Mai 1996 sowie durch Einvernahme des Leiters der Abteilung Briefumleitung im Postamt L, Herrn G, und des die Briefaufgabe besorgt habenden Angestellten des Rechtsmittelwerbers, Herrn H H; daraus ergibt sich insoweit folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Vor dem Haupteingang des Postamtes L befindet sich ein Briefkasten, auf dem der Vermerk "Briefkastenleerung tägl. ab 10.00 alle 2 Stunden" angebracht ist. Wenn dieser Briefkasten gegen 22.00 Uhr entleert wird, stellt der Abholer manuell die Zahl "24" - gemeint: 24.00 Uhr - als Zeitpunkt der nächsten Entleerung ein. Zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr in diesen Briefkasten eingeworfene Briefe erhalten den Poststempel des nächsten Tages. Gleiches gilt für Postsendungen, die in einen der beiden sich im Inneren des Postamtes befindenden, mit "Briefe" gekennzeichneten Schlitze - denen kein Vermerk über Entleerungszeiten beigegeben ist - eingeworfen werden.

Daran, ob die Berufung entweder in den Briefkasten oder in einen der beiden Briefschlitze eingeworfen wurde, konnte sich der Angestellte des Rechtmittelwerbers nicht mehr erinnern; er hat aber dezidiert - und von der belangten Behörde unwidersprochen - angegeben, daß er die gegenständliche Berufung jedenfalls noch am 15. April 1998 zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr eingeworfen hat.

3.1. Über die Frage der Rechtzeitigkeit hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 24 VStG i.V.m. § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen - wie jene für Berufungen nach § 63 Abs. 5 AVG - mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat, wobei nach § 33 Abs. 3 AVG die Tage des Postenlaufes in diese (prozeßrechtliche) Frist nicht eingerechnet werden.

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist insoweit zwischen dem Rechtsmittelwerber und der belangten Behörde, die anläßlich der Berufungsvorlage die Frage einer allfälligen Verspätung releviert hat, allein strittig, ob die Zweiwochenfrist des § 63 Abs. 5 AVG auch dann gewahrt ist, wenn die Berufung wohl vor dem Ende des letzten Tages der Berufungsfrist - nämlich zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr -, aber erst nach der letzten seitens der Postbehörde noch für diesen Tag intendierten Entleerung (22.00 Uhr) in den Briefkasten eingeworfen wurde.

3.1.2.1. Beginnend mit dem Erkenntnis VwSlg 6068 A/1963 und in der Folge in ständiger Rechtsprechung (vgl. beispielsweise VwGH v. 7.5.1982, 81/04/0136,0149 und jüngst v. 16.1.1996, 94/20/0224 sowie die weiteren Nachweise bei R. Walter - R. Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Wien 1998, 460) vertritt der Verwaltungsgerichtshof hiezu grundsätzlich die Auffassung, daß für den - in die Frist nicht einzurechnenden - Beginn des Postenlaufes nur maßgeblich ist, wann das Schriftstück seitens der Post in Behandlung genommen, nämlich: wann der Briefkasten tatsächlich ausgehoben wird. Es muß daher das Schriftstück zumindest vor der letzten am Briefkasten vermerkten Aushebezeit in den Briefkasten eingeworfen werden, um als noch an diesem Tag und damit fristgerecht aufgegeben zu gelten.

3.1.2.2. Soweit ersichtlich, lag jedoch keiner dieser Entscheidungen eine solche Konstellation wie im gegenständlichen Fall zugrunde, wo seitens der Postbehörde als jeweils letzte Aushebezeit des Tages 22.00 Uhr intendiert ist - erkennbar daran, daß nach dieser Entleerung eingeworfene Briefe faktisch bereits den Poststempel des nächsten Tages erhalten -, sich jedoch jemandem, der zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr Briefe in diesen Kasten einwirft, der Vermerk "Briefkastenentleerung tägl. ab 10.00 alle 2 Stunden" in Verbindung mit der Zahl "24" darbietet.

3.1.2.3. Objektiv besehen und unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauches kann darunter nämlich nur verstanden werden, daß dieser Briefkasten täglich um 10.00 Uhr, um 12.00 Uhr, u.s.w., um 22.00 Uhr und um 24.00 Uhr entleert wird, wobei die Zeitangabe "24.00 Uhr" - im Gegensatz zu "00.00" Uhr - bedeutet, daß jener logisch identische Nullpunkt ("Mitternacht" i.S.d. Art. 3 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen, BGBl.Nr. 254/1983), der sowohl das Ende des vergangenen als auch den Anfang des beginnenden Tages bezeichnet, noch dem bereits abgelaufenen - und eben nicht schon dem nächsten - Tag zuzurechnen ist (vgl. etwa die Zeitangaben im Österreichischen Amtskalender 1996/97, herausgegeben von A. Lütze - G. Rex, Wien 1996, wo für Mitternacht die Bezeichnung "-.-", für das Ende des Tages hingegen "24 Uhr" [siehe z.B. jeweils S 1024] und demgegenüber für den Beginn des Tages "0 Uhr" [siehe z.B. S 1036] verwendet wird).

Jene unter dem Erscheinungsbild "24" i.V.m. dem Vermerk "Briefkastenleerung tägl. ab 10.00 alle 2 Stunden" vorgenommene Entleerung ist daher objektiv besehen - wenngleich von der Postbehörde nicht intendiert - jeweils noch dem abgelaufenen Tag zuzurechnen, sodaß sich gegenständlich die am 15. April 1998 zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr in diesen Briefkasten oder in einen der beiden sich im Inneren des Postamtes befindenden Schlitze eingeworfene Berufung als rechtzeitig erweist, obwohl sie den Poststempel "16.4.98" trägt, weil sie nicht nur tatsächlich, sondern auch im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am letzten Tag der Berufungsfrist noch vor der letzten für diesen Tag am Briefkasten vermerkten Aushebezeit eingeworfen wurde.

3.2. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die vorliegende Berufung sohin zulässig.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 49 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Z. 19 und § 30 Abs. 1 des Oö. Fischereigesetzes, LGBl.Nr. 60/1983, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 63/1997 (im folgenden: OöFischG), begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen, der es als Verfügungsberechtigter unterläßt, die Bewirtschafter der betroffenen Fischwässer von solchen Maßnahmen an Wasserkraft- und Stauanlagen, die eine Änderung der Wasserführung von Fischwässern bewirken können, nachweislich wenigstens zwei Wochen vorher, bei Gefahr in Verzug ohne unnötigen Aufschub, zu verständigen.

Schon insoweit normiert die zitierte Vorschrift zwei unterschiedliche Delikte, nämlich die generelle Strafbarkeit der unterlassenen Verständigungspflicht und jene davon zu differenzierende bei Gefahr in Verzug. Dies ist im Hinblick darauf, daß sich der Rechtsmittelwerber schon in seiner Stellungnahme vom 7. Jänner 1998 damit verantwortet hat, daß ein "Notfall" vorgelegen sei und somit von vornherein unterschiedliche Anforderungen insbesondere an die Nachweislichkeit der Verständigung zu stellen gewesen wären, von wesentlicher Bedeutung.

Aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist nun aber nicht erkennbar, ob eine Bestrafung wegen des Grunddeliktes oder wegen des Spezialtabestandes erfolgte, weil dieser - in bloßer Anlehnung an den Gesetzestext - nur feststellt, daß der Bewirtschafter (welcher ?) nicht verständigt wurde.

4.2. Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hat, muß die Tat im Spruch des Straferkenntnisses aber so eindeutig umschrieben sein, daß kein Zweifel daran besteht, wofür der Täter bestraft wurde (vgl. z.B. VwSlg 11894 A/1985 - verst. Sen.); im übrigen ist dem Konkretisierungsgebot dieser Norm nur dann entsprochen, wenn alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale sachverhaltsbezogen individualisiert wurden, sodaß insbesondere die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes nicht hinreicht (vgl. z.B. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., Wien 1996, 970).

Diesem Anspruch vermag der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses jedoch aus den bereits zuvor angeführten Gründen nicht gerecht zu werden.

Eine Spruchkorrektur durch den Oö. Verwaltungssenat kam schon im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung nicht in Betracht.

4.3. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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