Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-160237/5/Br/Wü

Linz, 08.02.2005

 

 

 VwSen-160237/5/Br/Wü Linz, am 8. Februar 2005

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn S M J,
R L, vertreten durch M. M S, S-M, T, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 4. November 2004, Zl.:
S-36.230/04-1, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 8. Feburar 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird im Punkt 1.) im Schuldspruch keine, im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 581 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf eine Woche ermäßigt wird; im Punkt 2.) wird unter Anwendung des § 21 von der Verhängung einer Strafe abgesehen.
  2.  

     

    Rechtsgrundlage:

    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG;

     

     

  3. Im Punkt 1.) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 58,10 Euro; im übrigen entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem im Rahmen einer Verhandlung durch ein Organ der Behörde erster Instanz ein Straferkenntnis erlassen und damit über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 5 Abs.1 StVO und § 52a Z2 StVO 1960 zwei Geldstrafen 1.) 1.2 00 Euro und 2) 25 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe zu 1.) 16 Tage und zu 2.) 12 Stunden verhängt, weil dieser am 30.09.2004, 03.10 Uhr, in Linz, Bürgerstraße 2-10, stadtauswärts, als Lenker eines Fahrrades

  1. dieses in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt habe, da bei der Messung dessen Atemluft mittels Atemluftalkoholmessgerätes ein Atemluftalkoholgehalt von 1,11 mg/l festgestellt worden sei;

2. er dabei das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" missachtet habe.

 

 

2. Die Behörde erster Instanz stützte im mündlich verkündeten Straferkenntnis den Schuldspruch auf die Anzeige und das Geständnis des Berufungswerbers. Als strafmildernd wurde die Einsichtigkeit (das Geständnis) die Unbescholtenheit und ebenfalls wurde bei der Strafzumessung die "schlechte finanzielle Situation" des Berufungswerbers gewertet.

Weitere Erwägungen, etwa über den Tatunwert der vom Berufungswerber in den frühen Morgenstunden und darüber hinaus bloß als Radfahrer gesetzten Tathandlung, stellte die Behörde erster Instanz offenbar nicht an.

 

 

2.1. In der dagegen fristgerecht durch einen ausgewiesenen Vertreter erhobenen Berufung wird folgendes ausgeführt:

"Gegen oben bezeichneten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, mit dem gern. §§ 5 Abs.1 und 52 lit.a Z.2 StVO iVm § 99 Abs.1 lit.a , Abs.3 lit.a StVO und § 64 VStG eine Strafe in der Höhe von € 1.347,50 verhängt wird erhebe ich binnen offener Frist

 

Berufung

 

an die Berufungsbehörde und stelle den

 

Antrag,

 

die Berufungsbehörde möge

 

I. den hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheid zur Gänze beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.2 iVm § 5 Abs.2 VStG einstellen, in eventu

II. von der Verhängung der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG absehen, in eventu

III. auf neuer Strafbemessung gemäß § 19 Abs.2 VStG

 

Meine Berufung begründe ich wie folgt:

 

 

1. Gem. § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

 

Ein solcher Grund ist die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift und zwar gern. § 5 Abs.2 VStG dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

 

 

Ich kam aus Moldawien als Flüchtling nach Österreich, bin weder der deutschen Sprache mächtig, noch ist mir die österreichische Rechtslage im Detail bekannt. Mir war die Rechtsvorschrift StVO nicht bekannt und ich hatte auch keine Möglichkeit diese einzusehen.

 

 

Mir konnte es aufgrund meiner Erfahrungen in meinem Herkunftsland nicht bewusst sein, dass es in Österreich verboten ist, betrunken mit dem Fahrrad zu fahren.

 

 

Aus diesem Grund trifft mich an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden.

 

 

Die Behörde hätte von daher das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 VStG einstellen müssen.

 

 

2. Sollte die Behörde dieser Argumentation nicht folgen, möge sie zumindest gem. § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung der Strafe abzusehen. Absehen kann die Behörde dann, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

 

 

Das Verschulden des Beschuldigten ist dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 10.12.2001, 2001/10/0049).

 

 

Das ist bei vorsätzlichem Verhalten dann gegeben, wenn besondere Umstände bei Begehung der Tat diesen Schluss rechtfertigen (idS VwGH 29.5.1998, 98/02/0050,0132).

 

 

Diese Umstände sind im vorliegenden Fall gegeben, da aus den schon oben genannten Gründen mein Verschulden gering ist.

 

Überdies sind die Folgen der Übertretung sind geringfügig, da niemand durch mein Fehlverhalten zu Schaden gekommen ist.

 

 

3. Sollte die Behörde die Behörde dieser Argumentation nicht folgen, so hat sie gemäß § 19 Abs.2 VStG bei der Bemessung von Geldstrafen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. In Anbetracht der Einkommenslage als Asylwerber € 140 mtl.)- und meiner Vermögenslosigkeit möge sie die Geldstrafe neu bemessen und auf das Mindestmass herabsetzen.

 

 

4. Wie schon in der Niederschrift vom 4.11.04 ersichtlich, war ich bisher unbescholten und sehe auch die Unrechtmäßigkeit meines Verhaltens ein und werde in Zukunft ein solches Verhalten nicht mehr setzen."

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt nach Übermittlung der Berufung durch den Oö. Verwaltungssenat den Verfahrensakt zur Berufungsvorentscheidung vorgelegt. Für das Fernbleiben zur Berufungsverhandlung entschuldigte sich die Behörde erster Instanz aus dienstlichen Gründen durch das Schreiben vom 24. Jänner 2005.

 

 

3.1. Da jeweils keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier in Wahrung der sich aus Art. 6 der EMRK ergebenden Rechte auf ein faires Verfahren geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher auch der Berufungswerber persönlich, jedoch ein Vertreter der Behörde erster Instanz entschuldigt nicht teilnahm, wurde der Berufungswerber als Beschuldigter gehört.

 

 

5. Unstrittig ist seine Lenkereigenschaft an der angeführten Örtlichkeit und in einem erheblich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Dies legte der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung, zu welcher von seiner Vertretung eine Dolmetscherin gestellt wurde, dar. Diese Fahrt wurde aber um drei Uhr morgens begangen, wobei von geringstmöglichen Verkehrsaufkommen ausgegangen werden kann. Mit diesem Fehlverhalten konnte sich der Berufungswerber allenfalls nur selbst gefährdet haben. Offenbar wurde er bereits vor dieser zur Anzeige führenden Amtshandlung beanstandet. Dabei dürfte ihm die Weiterfahrt untersagt worden sein, was möglicherweise von ihm wegen seiner sehr eingeschränkten Sprachkenntnisse nicht verstanden wurde.

Der Berufungswerber konsumierte vor dieser Fahrt Wein und Bier in entsprechender Menge, wobei er sich angesichts seines Herkunftslandes (Moldawien) über den Verbotsumfang auch des Lenkens eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nicht bewusst gewesen sein dürfte. Dies legte er im Rahmen der Berufungsverhandlung durchaus glaubhaft dar.

Der Berufungswerber hält sich als Asylwerber seit einem Jahr in Österreich auf. Er verfügt über ein Taggeld im Umfang von 140 Euro pro Monat. Seine Deutschkenntnisse sind sehr eingeschränkt.

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

6.1. Der § 5 Abs.1 StVO 1960 lautet:

"Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug (somit auch ein Fahrrad) weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."

Nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.162 Euro bis 5.813 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

 

 

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

7.1. Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach
§ 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Im gegenständlichen Fall können ausschließlich mildernde Umstände erblickt werden, wobei zusätzlich auch noch von einem beim Berufungswerber nicht gegebenen Unrechtsbewusstein auszugehen ist, was subjektiv tatseitig die Tatschuld mildert.

Dem Lenken eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ist in aller Regel ein beträchtlich hinter dem im Lenken eines Kraftfahrzeuges zurückbleibender Tatunwert zuzuordnen. Dies trifft angesichts der frühen Morgenstunden insbesondere in diesem Fall ganz besonders zu.

Diese rechtlichen Erwägungen brachte der Oö. Verwaltungssenat schon in einem ebenfalls eine Berufung gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, im h. Erk. v.9.2.1998, VwSen-105157/5/BR, zum Ausdruck.

Die Bestimmung des § 20 VStG findet nach Aufhebung der mit der 19. StVO Novelle erfolgten Änderung des § 100 Abs.5 StVO 1960 (VfGH 9. Oktober 1997, G 216/96, kundgemacht mit BGBl.Nr. 129/1997 am 20. November 1997) wieder Anwendung.

Warum hier die Behörde erster Instanz trotz der auch von ihr festgestellten (ausschließlich und qualifiziert vorliegenden) strafmildernden Umstände die Anwendung des § 20 VStG nicht schon ihrerseits aufgriff, sondern im Gegensatz dazu bei der sich hier gestaltenden wirtschaftlichen Situation des auch noch finanziell sehr ungünstig Betroffenen, nicht einmal die an sich schon hohe Mindeststrafe zu verhängen geneigt zeigte, muss hier nicht nur als unerfindlich, sondern angesichts der zu vermutenden Kenntnis der h. Rechtsprechung als bemerkenswert festgestellt werden.

Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände schien die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes zwingend geboten, wobei auf dessen Anwendung ein Rechtsanspruch besteht (vgl. etwa VwGH vom 31. Jänner 1990, 89/03/0027, vom 21.5.1992, 92/09/0015 und vom 2.9.1992, 92/02/0150).

Nicht gefolgt vermag jedoch dem Berufungswerber mit seinem Hinweis auf einen vermeintlichen entschuldbaren Rechtsirrtum werden. Es muss grundsätzlich von jedem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er sich gegebenenfalls über die für ihn wesentlichen ausländischen Rechtsvorschriften ausreichend Kenntnis verschafft oder eben im Zweifel auf die Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fahrzeuglenker verzichtet. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme am Straßenverkehr mit Blick auf die den Alkohol betreffenden Vorschriften.

Unbedeutende Tatfolgen können einer Alkofahrt selbst dann nicht zugedacht werden, wenn diese "nur" mit einem Fahrrad begangen wurde.

Was den Punkt 2. anlangt - das Fahren gegen die Einbahn um 3.00 Uhr früh - sieht die Berufungsbehörde unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe ab. Dies einerseits weil diese Tat bereits in der immer noch mit
581 Euro geahndeten Alkostrafe zumindest in der Ursache der Begehung als mitumfasst qualifizierbar ist, andererseits bei zusammenfassender und lebensnaher Betrachtung das Verschulden in diesem Punkt jedenfalls als geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend qualifiziert werden können.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 
 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum