Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390027/2/Gf/Km

Linz, 01.10.1996

VwSen-390027/2/Gf/Km Linz, am 1. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Dipl.-Ing. W K vertreten durch RA Dr. D L gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 28. Juni 1996, Zl. 101590-JD/96, wegen Übertretung des Fernmeldegesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 28. Juni 1996, Zl. 101590-JD/96, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt, weil er es als zur Vertretung einer AG berufenes Organ zu verantworten habe, daß diese von Oktober 1995 bis April 1996 über ihr Kabel-TV-Netz entgegen § 24a Abs. 2 der Rundfunkverordnung, BGBl.Nr. 333/1965, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 507/1993 (im folgenden: RFV), nicht bloß Standbilder, sondern Filme zur Aussendung gebracht und so eine Fernmeldeanlage mißbräuchlich verwendet habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 43 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Z. 1 des Fernmeldegesetzes, BGBl.Nr. 908/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 201/1996 (im folgenden:

FMG), und i.V.m. § 24a RFV begangen, weshalb er nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 4. Juli 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 15. Juli 1996 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß auch vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben und es damit zweifelsfrei als erwiesen anzusehen sei, daß dessen AG jedenfalls in der Zeit von Oktober 1995 bis zum 18. April 1996 über ihr Kabel-TV-Netz Filme von einstündiger Dauer über lokale Ereignisse ausgesendet habe. Da der Verfassungsgerichtshof die entsprechende Verbotsbestimmung des § 24a RFV erst mit Wirkung vom 1. August 1996 als verfassungswidrig aufgehoben habe, sei sie sohin für den Tatzeitraum noch anwendbar und damit für den Rechtsmittelwerber auch verbindlich gewesen.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers von Amts wegen zu schätzen sowie dessen bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu werten gewesen, während die vorsätzliche Begehungsweise sowie das Verharren im rechtswidrigen Verhalten als straferschwerend zu beurteilen gewesen sei.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß es sich bei der probeweisen Einspeisung lokaler Informationsbeiträge nicht um "Rundfunk" i.S.d. rundfunkrechtlichen Bestimmungen gehandelt habe, weil diesen eine dem staatlichen Rundfunk vergleichbare Reichweite und Breitenwirkung von vornherein gefehlt habe. Im übrigen habe er schon deshalb nicht schuldhaft gehandelt, weil die Verfassungswidrigkeit der Verbotsbestimmung des § 24a RFV bereits durch den Verfassungsgerichtshof festgestellt worden sei. Nicht zuletzt deshalb erweise sich jedenfalls die verhängte Strafe als zu hoch.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Berufung beantragt wird.

Soweit diese inhaltlich über die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hinausgeht, wird darin im wesentlichen ausgeführt, daß "Rundfunk" im gegenständlichen Fall schon deshalb vorgelegen sei, weil die Programmdarbietung an die Allgemeinheit, d.h. an einen nicht von vornherein individuell bestimmbaren oder abgegrenzten Personenkreis gerichtet war.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg zu Zlen. 101590-JD/96 und 348266-JD/95; da bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt zu klären war, dieser zwischen den Verfahrensparteien auch nicht strittig ist und von diesen auch kein entsprechender Antrag gestellt wurde, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1.1. Gemäß § 43 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Z. 1 FMG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen, der Fernmeldeanlagen in der Weise mißbräuchlich verwendet, daß die dadurch bewirkte Nachrichtenübermittlung gegen die Gesetze verstößt.

Nach der zufolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1995, G 1256-1264/95, als verfassungswidrig festgestellten, infolge gleichzeitiger Fristsetzung für das Außerkrafttreten aber bis zum Ablauf des 31.

Juli 1996 - gemäß Art. I Abs. 1 Z. 7 des Bundesgesetzes BGBl.Nr. 267/1972 als Bundesgesetz - in Geltung gestandenen Bestimmung des § 24a RFV durften Inhaber von Bewilligungen zum Betrieb von Gemeinschaftsantennenanlagen auch Kabeltext verbreiten; unter Kabeltext waren jedoch lediglich Darbietungen zur Information der Bevölkerung im lokalen und regionalen Raum mittels schriftlicher und grafischer Zeichen und Symbole sowie mittels Standbilder zu verstehen; die Einspeisung von bewegten Bildern (Filmen) in das Kabel-TV-Netz widersprach sohin offenkundig dem Gebot des § 24a RFV.

4.1.2. Nach Art. 140 Abs. 7 B-VG sind dann, wenn der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben hat, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden; hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis - wie im gegenständlichen Fall - eine Frist für das Außerkrafttreten bestimmt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden.

Schon auf Verfassungsebene ist demnach festgelegt, daß im Falle einer Aufhebung einer gesetzlichen Bestimmung unter Fristsetzung diese - wenngleich bereits explizit als verfassungswidrig festgestellt - bis zum Ablauf jener Frist weiterhin anzuwenden ist.

4.1.3. Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht günstiger wäre.

Da das Straferkenntnis der belangten Behörde vorliegendenfalls jedoch noch vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten des § 24a RFV erlassen wurde und sich somit die Rechtslage zwischen Tatzeitraum und Bescheidfällung nicht geändert hat, war somit auch eine Heranziehung des Günstigkeitsprinzips des § 1 Abs. 2 VStG gehindert.

Letztlich scheint sich somit insgesamt zu ergeben, daß in allen jenen Fällen, wo eine gesetzliche Bestimmung zwar bereits als verfassungswidrig festgestellt, für deren Außerkrafttreten jedoch vom Verfassungsgerichtshof gleichzeitig eine Frist gesetzt und zudem das Straferkenntnis noch vor Ablauf dieser Frist erlassen wurde, ein Zuwiderhandelnder weiterhin legalerweise aufgrund dieser rechtswidrigen Norm bestraft werden kann.

4.1.4. Nach Art. 7 Abs. 1 MRK kann jedoch u.a. niemand wegen einer Handlung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem Recht nicht strafbar war.

Diese - in Österreich ebenfalls im Verfassungsrang stehende - Bestimmung legt nach der Rechtsprechung der Europäischen Instanzen allgemein den Grundsatz der Gesetzesgebundenheit (Legalitätsprinzip) des Strafrechts (nulla poena sine lege) fest (vgl. Frowein - Peukert, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, RN 1 und 2 zu Art. 7).

Wenn danach gefordert ist, daß jede Strafbarkeit zuvor einen gesetzlich festgelegten Straftatbestand bedingt, so geht damit unausgesprochen, aber gleichwohl denknotwendig einher, daß es sich hiebei um ein - sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht - rechtmäßiges Gesetz handeln muß.

War in Sonderkonstellationen gelegentlich noch problematisch, ob bei aufrechter formeller Verbindlichkeit, aber (bloß behaupteter, jedoch nicht erwiesener) faktischer Nichtanwendung eines Gesetzes dieses als Grundlage für eine Strafbarkeit noch hinreicht (vgl. die Entscheidung der EKMR E 7721/76, DR 11, 209 [211]), so kann es demgegenüber aber keinem Zweifel unterliegen, daß eine Bestrafung nicht auf ein bereits als verfassungswidrig erklärtes, wenngleich weiterhin befristet verbindliches Gesetz gestützt werden kann (vgl. E 1169/61, Yb 6, 520 [588 f]).

Um einen Widerspruch zwischen beiden auf Verfassungsstufe stehenden Normen zu vermeiden, gebietet somit die zudem auch völkerrechtlich verbindliche Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 MRK eine teleologische Reduktion der bloß innerstaatlichen Norm des Art. 140 Abs. 7 B-VG dahin, daß letztere Anordnung, wonach das als verfassungswidrig festgestellte Gesetz auf alle bis zum Ablauf der Frist verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden ist, nur für Vorschriften sonstigen Inhalts, nicht jedoch für Straftatbestände gilt.

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall sohin im Ergebnis, daß die Fristsetzung des Verfassungsgerichtshofes im Zuge der Aufhebung des § 24a RFV zwar wohl die Wirkung hatte, daß bis zum Ablauf des 31. Juli 1996 ein entsprechendes Verbot der Einspeisung von Filmen in Gemeinschaftsantennenanlagen bestand, dieses jedoch nicht auch gleichzeitig gemäß § 43 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Z. 1 FMG und i.V.m. § 24a RFV verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert war.

4.2. Mangels Existenz eines entsprechenden Straftatbestandes und somit infolge Fehlens eines als strafwürdig zu qualifizierenden Verhaltens des Beschwerdeführers war daher der vorliegenden Berufung schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf das sonstige Vorbringen der Verfahrensparteien bedurfte.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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