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des Landes Oberösterreich
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VwSen-160361/6/Br/Wü

Linz, 06.04.2005

VwSen-160361/6/Br/Wü Linz, am 6. April 2005

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G T, S M, vertreten durch RA Dr. N N, R, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 4. Februar 2005, Zl. VerkR96-7021-1-2004/Her, nach der am 6. April 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

  1. Der Berufung wird ad 1.) Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Zu 2.) wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt .

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24 § 45 Abs.1 Z1 § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

  1. Zu Punkt 1.) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Im Punkt 2.) werden zuzüglich der erstinstanzlichen als Kosten des Berufungsverfahrens 17,40 Euro auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 und § 64 Abs.1 u.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat über den Berufungswerber mit dem o.a. Straferkenntnis wegen Übertretungen nach § 18 Abs.1 und § 52a Z10a StVO 1960, jeweils iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, eine Geldstrafe von 1.) 180 Euro und 2.) 87 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit drei und zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, wobei ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 15.5.2004 um 09.43 Uhr das Kraftfahrzeug (D) auf der A 25 Welser Autobahn in Fahrtrichtung Linz gelenkt wobei er auf Höhe von km 7,0 im Gemeindegebiet von Weißkirchen an der Traun

1. das Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h gelenkt habe und dabei zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug einen Abstand von 15 Metern = 0,42 Sekunden und somit keinen solchen Abstand zu dem vor Ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre,

2. und habe weiters dadurch als Lenker eines Fahrzeuges entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchst-geschwindigkeit 100 km/h") die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 29 km/h überschritten.

1.1. Die Behörde erster Instanz traf folgende Erwägungen:

"Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Gemäß § 52 lit.a Zif 10 a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Beide Verwaltungsübertretung wurden mittels geeichtem Verkehrsmesssystem VKS 3.0 festgestellt, die Anzeige in Zusammenhang mit der erfolgten zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers ist schlüssig und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zum vermeintlich nicht rechtmäßigen Antwortformular, dass dem Zulassungsbesitzer zwecks Bekanntgabe des verantwortlichen Fahrzeuglenkers von der Behörde zur Verfügung gestellt wurde, wird festgehalten, dass einerseits der genaue und vollständige Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967 im Anschreiben abgedruckt war (also auch die Möglichkeit eine Auskunftsperson namhaft zu machen!), andererseits es keine Formvorschriften für die Beantwortung dieser Lenkererhebung gibt der Zulassungsbesitzer nirgends angehalten wird, das anhängende Formular zu verwenden, und ebenso sich ein ausdrücklicher - in gleich großer Schrift gedruckter - Zusatz: (Für weitere Angaben bitte ein Beiblatt benützen!) auf dem Antwortschreiben befindet.

Des weiteren ist im gesamten Verfahren kein anderer Name eines verantwortlichen Fahrzeuglenkers aufgetreten, weshalb die Behörde keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln, dass es sich bei der vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachten Person um den Lenker handelt.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss, unter Berücksichtigung aller gegebenen Umstände, wie etwa Straßen- und Sichtverhältnisse ein rechtzeitiges Anhalten auch bei überraschenden Bremsmanövern des davor Fahrenden möglich sein. Wiederholt erkannte er, dass der nötige Abstand, solange nicht besondere Umstände hinzutreten, etwa der Länge des Reaktionsweges (Sekundenweges, die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke, wobei als Reaktionsweg die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung gilt) entsprechen muss, das sind in Metern 3/10 der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit und entspricht in etwa einer Sekunde.

Der Reaktionsweg spielt deshalb eine so bedeutende Rolle, weil auf dieser Strecke keine Geschwindigkeit abgebaut wird. Zwar ist die sogenannte Schrecksekunde in vieler Munde, welche Strecken aber in dieser Zeit ungebremst zurück gelegt werden, wissen nur sehr Wenige. Deshalb empfiehlt das Kuratorium für Verkehrssicherheit und auch die Fahrschulen einen Mindestabstand von 2 Sekunden, da bei längeren monotonen Fahrten sich der Reaktionsweg bis zu 2,5 Sekunden verlängern kann.

Dies bedeutet konkret dass der empfohlene erforderliche Reaktionsweg , bei einer Geschwindigkeit von 129 km/h bei 77,4 Meter liegt und der gesetzlich erforderliche (um sich nicht strafbar zu machen) sich mit 38,7 Meter ergibt. Sie haben jedoch nur ca. 15 Meter eingehalten. Wenn man weiters erwägt, dass der einzuhaltende Mindestsicherheitsabstand der Reaktionszeit von einer Sekunde (bei optimalen Bedingungen) gleichzuhalten ist, ergibt sich, dass ein Sicherheitsabstand von nur 0,42 Sekunden den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht.

Die vom Verkehrskontrollsystem der Marke VKS 3.0 errechnete Sekundenanzahl ergibt sich aus der Messung der Geschwindigkeit des Vorfahrenden, Ihrer Fahrtgeschwindigkeit und des Abstandes der Fahrzeuge über eine bestimmte Wegstrecke. Die Geschwindigkeit wird immer zu Gunsten des Beschuldigten abgerundet und der Abstand immer aufgerundet, da der Messpunkt der Radaufstandspunkt der ersten Achse ist und dadurch der gemessene Abstand nicht der tatsächliche Abstand (Heck des Vorfahrenden zur Front des Nachfahrenden) ist, das heißt konkret, dass Sie daher maximal 0,42 Sekunden eingehalten haben.

Die dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind auf den beiden Lichtbildern eindeutig klar zu erkennen, ebenso ist die Videoaufzeichnung der Verwaltungsübertretung beim Landesgendarmeriekommando für Oberosterreich archiviert besteht ist dieses Beweismittel somit für ein etwaiges Berufungsverfahren weiterhin evident.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren (§ 40 bis 46) sind gemäß § 19 Abs.2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Laut ständiger Rechtssprechung des VwGH ist es nicht rechtswidrig, wenn die Behörde ein nicht unerhebliches Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, annimmt, soll die verhängte Strafe doch einen spürbaren Nachteil darstellen, um den Beschuldigten in Hinkunft zur Aufbringung jener Sorgfalt zu ermahnen, die im Straßenverkehr erforderlich ist.

Zum Verkehrsübertretung selbst ist anzumerken, dass ein zu geringer Sicherheitsabstand neben einer zu hohen Geschwindigkeit eine der Hauptursachen von Verkehrsunfällen darstellt. Gerade auf Autobahnen, wo sich die Fahrzeuge naturgemäß mit hohen Geschwindigkeiten bewegen (zur Tatzeit am Tatort galt die durch das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 100km/h" kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit, ist die Kombination mit zu geringem Sicherheitsabstand eine der Gefahrenquellen schlechthin und begründet sich laut Statistik jeder 2. Verkehrsunfall auf Autobahnen auf zu geringen Abstand. Auch aus diesem Grunde auf die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes entsprechendes Augenmerk zu legen.

Bei der Strafbemessung im Sinne des § 19 VStG wurde mangels konkreter Angaben des Beschuldigten die Schätzung der Behörde hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zugrundegelegt. Strafmildernd war die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit im hsg. Verwaltungsbezirk zu werten, straferschwerend war kein Umstand zu werten.

Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schuld- und unrechtsangemessen.

Die Höhe der Geldstrafe scheint ausreichend, um den Beschuldigten in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle."

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird ausgeführt:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsfreund gegen das da. Straferkenntnis VerkR96-7021-1-2004 vom 04.02.2005 an den Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich das Rechtsmittel der

BERUFUNG

und führe diese aus wie folgt:

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfange und Inhalte nach wegen Rechtswidrigkeit/ Mangelhaftigkeit bekämpft und im einzelnen ausgeführt wie folgt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird mir angelastet wie folgt:

"Sie haben am 15.5.2004 um 09.43 Uhr das Kraftfahrzeug (D) auf der A 25 Welser Autobahn in Fahrtrichtung Linz gelenkt wobei Sie auf Höhe von km 7,0 im Gemeindegebiet von Weißkirchen an der Traun

1. das Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 129 km/ h gelenkt haben, und dabei zu dem vor Ihnen fahrenden einen Abstand von 15 Metern = 0,42 Sekunden einhielten, und haben somit keinen solchen Abstand zu dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeug eingehalten, dass Ihnen jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird,

2. und haben dadurch weiters als Lenker eines Fahrzeuges entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h" die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 29 km/h überschritten.

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:

1. § 18 Abs.1 StVO iVm. § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960

2. § 52 lit. a Zif. 10 a StVO 1960 und § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960"

Es wurde deshalb über mich eine Gesamtgeldstrafe von € 293,70 (inkl. Verfahrenskosten) verhängt.

Das Verfahren blieb deshalb mangelhaft, da den von mir bzw. meinem ausgewiesenen Rechtsfreund gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen wurde und wird daher nochmals ausgeführt wie folgt:

Vorweg wird darauf verwiesen, dass der ausgewiesene inländische Rechtsfreund den Einschreiter nach durchgeführter Akteneinsicht mit Schreiben vom 15.12.2004 über den Behördenvorwurf samt Akteninhalt in Kenntnis setzte. Offensichtlich aufgrund der Auslandskomponente und der Feiertage ist binnen gesetzter Frist keine Reaktion beim Rechtsfreund zugegangen. Es wird daher vorerst ausgeführt wie folgt:

Aus anwaltlicher Vorsicht wird ausdrücklich bestritten, dass der Einschreiter zum angelasteten Zeitpunkt am angelasteten Ort Lenker des genannten Fahrzeuges war.

Wie dem Akteninhalt zu entnehmen ist laut Halterauskunft des Bundeskraftfahramtes Flensburg die Fa. M AG Fahrzeughalter des PKW's mit dem behördlichen Kennzeichen (D). Die an die Fahrzeughalterin abgefertigte Lenkererhebung vom 02.08.2004 hat ein nicht der Rechtslage entsprechendes Antwortformular beinhaltet. Konkret hat das Antwortformular lediglich die Möglichkeit eingeräumt selbst Fahrzeuglenker zu sein bzw. die konkreten Daten des Fahrzeuglenkers anzugeben. Im Widerspruch zur Rechtslage enthielt das Antwortformular nicht die Möglichkeit eine "Auskunftsperson' namhaft zu machen. Es wird sohin in diesem Zusammenhang ausdrücklich bestritten, dass die Namhaftmachung des Einschreiters auch gleichzeitig dessen Lenkereigenschaft beinhaltete, was unter einem ausdrücklich bestritten wird.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird ausgeführt wie folgt:

Konkret werden die Abstände zwischen den Radaufstandspunkten der Vorderachse zwischen hintereinander fahrenden Fahrzeugen gemessen. Dies stellt auch bereits die größte Fehlerquelle des gesamten Systems dar. Es wird nämlich eine Bezugslinie vom ausarbeitenden Beamten auf seinem Videobildschirm angeklickt'; dabei kann es eben vorkommen, dass kein exaktes Anklicken bei den Radaufstandspunkten der jeweiligen Vorderachsen der hintereinander fahrenden Fahrzeuge möglich ist; beispielsweise weil keine ausreichende perspektivische Aufnahme gegeben ist, sodass z.B. eine zu starke Frontaufnahme gegeben ist.

Das reine Anklicken von "Schatten" der Fahrzeuge ist ebenfalls als problematisch anzusehen. Weiters ist darauf zu verweisen, dass aufgrund der Pixels die Bezugslinie automatisch aus
2 Pixels besteht; perspektivisch gesehen im Hintergrund die zweite Bezugslinie aber natürlich eine größere Breite (in natura) als die vordere Bezugslinie aufweist.

Rahmenbedingungen

Eine gültige Abstandsmessung liegt unter nachfolgenden Bedingungen vor:

Eine Abstands- und Geschwindigkeitsmessung ist ungültig unter nachfolgenden Bedingungen:

Wesentliche Essentialia des gesamten Messsystemes sind die auf den Autobahnen

aufgebrachten PASSPUNKTE / MESSPUNKTE:

Vor Inbetriebnahme müssen nachfolgende Maßnahmen veranlasst werden:

Über all diese Punkte liegen keinerlei Beweisergebnisse vor, weshalb das Verfahren

noch nicht spruchreif war und die angefochtene Entscheidung sohin rechtswidrig ist.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe ist die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen. Im konkreten Fall liegen nachfolgende Milderungsgründe vor:

Abschließend werden gestellt nachfolgende

ANTRÄGE:

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis der BH Wels-Land VerkR96-7021-1-2004 vom 04.02.2005 ersatzlos beheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen; dies nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung; Abführung der bisher unerledigt gebliebenen Beweisanträge; in eventu Aussprache einer Ermahnung im Sinne des § 21 VSTG;

in eventu Herabsetzung der Geldstrafe auf ein gesetzeskonformes mildes Maß im Sinne des
§ 20 VSTG.

Gmunden, am 21.02.2005 G T"

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der Inhalte der erstbehördlichen Verfahrensakte im Rahmen der Berufungsverhandlung. Trotz der persönlichen Ladung erschien der Berufungswerber mit dem Hinweis auf die weite Anreise nicht. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde die Videosequenz beigeschafft. Ebenfalls wurde vom Amtssachverständigen Ing. H ein Kurzgutachten über den Messvorgang erstattet. Die Videosequenz wurde im Zuge der Berufungsverhandlung eingesehen. Auch die Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung nicht teil.

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Der Berufungswerber, welcher im Zuge der sogenannten Lenkererhebung vom Fahrzeughalter, der Firma M AG in Hamburg, als vermutlicher Lenker benannt wurde, machte im Zuge des gegen ihn geführten Verfahrens keine wie immer geartete Angaben die Zweifel an seiner Lenkereigenschaft aufkommen lassen könnten. Dies offenkundig auch nicht gegenüber seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter.

Die Sichtung des Videos ergab jedoch, dass die Nachfahrt hier nur in einer Zeitdauer von drei Sekunden dokumentiert ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden und damit muss dem Berufungswerber in seinem Vorbringen im Zweifel gefolgt werden, dass sich das Vorderfahrzeug durch Umspuren unmittelbar vor der hier sichtbaren Phase vor dem Berufungswerber positionierte. Der Überholvorgang des auf der Aufzeichnung sichtbare Reisebus könnte dies bedingt haben. Diesbezüglich kam dem Vorbringen des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung sachliche Berechtigung zu.

Im Falle eines nicht auszuschließenden knappen Umspurens des Vorderfahrzeuges hätte der Berufungswerber noch keine ihm zumutbare wirksame Abwehrreaktion durchführen können.

Hinsichtlich der festgestellten Fahrgeschwindigkeit ist die rechnerische Ermittlung schlüssig und auf Grund des verfügbaren Datenmaterials eindeutig nachvollziehbar. Diesbezüglich kann auch auf das Sachverständigengutachten vom 22.3.2005 verwiesen werden. Diesem trat der Berufungswerber weder mit seinen umfassend theoretischen Betrachtungen zu diversen Messverfahren schon sachlich nicht entgegen. Im Rahmen der Einsichtnahme in das Beweismaterial in der Berufungsverhandlung wurde der rechnerisch nachvollziehbar dargestellten Geschwindigkeitsfeststellung nichts mehr entgegen gehalten.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Zur angelasteten Übertretung des § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 ist festzustellen, dass hier von einem Schuldbeweis nicht ausgegangen werden kann.

Selbst die tägliche Verkehrspraxis zeigt, dass es immer wieder zu knappen Fahrstreifenwechsel bzw. hineinzwängen in sogenannte Verkehrslücken kommt, was zwangsläufig zu kurzzeitigen Abstandsverkürzungen des hinten gereihten Fahrzeuges führt. Da auf dieses nicht mit einer starken Bremsung, sondern nur durch Weggehen vom Gaspedal und allenfalls einer leichten Bremsung korrigiert wird, ist praxisgerecht. Wenn nach nur drei Sekunden ein Mindestabstand von einer Sekunde noch nicht hergestellt ist, vermag dies noch nicht als schuldhaft vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 18 Abs.1 StVO gesehen werden.

Der Verfassungsgerichtshof geht etwa im Bereich der sogenannten Ungehorsamsdelikte schon davon aus, dass § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde das Verschulden nachzuweisen. Dies ist jedoch mit der hier vorliegenden Videoaufzeichnung nicht gewährleistet.

An die Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG ist in Wahrung eines fairen Verfahrens an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (dazu insb. S, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372). Daher bedarf es auch für die Ahndung einer Verwaltungsübertretung zu einer Bestrafung eines unzweifelhaften Schuldbeweises. Aus § 45 Abs.1 Z1 VStG folgt demnach, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Hinsichtlich des Punktes 2.) ist auf die damals auf dem genannten Autobahnabschnitt kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h hinzuweisen.

Zur "vorsorglich bestrittenen" Lenkereigenschaft ist ungeachtet des Verfahrensgrundsatzes der amtswegigen Führung des Tatbeweises (§ 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG, § 25 Abs.1 VStG), die Partei nicht von ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung am Verfahren zur Gänze befreit. Sie hat vielmehr zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in zumutbarer Weise beizutragen. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo - so wie hier - ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden könnte. Dies wäre hier angesichts der Benennung des Berufungswerbers als Lenker- wenn auch nicht im -Rahmen einer formrichtigen Mitteilung- durch den Fahrzeughalter von zusätzlicher Bedeutung gewesen. Trotzdem machte der Berufungswerber keinerlei Angaben die seine gänzlich pauschal und "nur vorsorglich" bestreitende Lenkereigenschaft fraglich erscheinen lassen hätte können.

Der Beschuldigte kann daher seine Verantwortung nicht bloß darauf beschränken, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. So löst etwa auch das bloß globale Bestreiten des Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen mehr durchführt (unter vielen VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137). Der Berufungswerber hätte spätestens im Rahmen der hier für ihn anberaumten Berufungsverhandlung seine Darstellung durch persönlichen Vortrag glaubhaft machen müssen.

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Die mit nur 87 Euro festgesetzte Geldstrafe liegt innerhalb des sachlichen Ermessenbereiches der Behörde und war daher zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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