Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160381/2/Br/Wü

Linz, 09.03.2005

VwSen-160381/2/Br/Wü Linz, am 9. März 2005

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A K, M, F, vertreten durch RAe D. W R und
Mag. M R, H, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Februar 2005, Zl. VerkR96-2678-2004-Gg, nach der am 9. März 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben dass die Geldstrafe auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 110 Stunden ermäßigt wird; Im Schuldspruch wird das Straferkenntnis bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I
Nr. 117/2002 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf
25 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 qualifizierten Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von 500 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 233 Stunden verhängt, weil er 30.07.2004 um 13:31 Uhr auf der A7 Mühlkreisautobahn in Fahrtrichtung Nord, auf Höhe Strkm 15,7, den PKW, mit dem Kennzeichen gelenkt und dabei zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 121 km/h keinen solchen Abstand eingehalten habe, der ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten ermöglicht hätte auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre; weil bei dieser Fahrgeschwindigkeit zum Vorderfahrzeug nur einen gemessenen Abstand von 9 m, was einem Sekundenabstand von 0,28 Sekunden entspricht, eingehalten hat, habe er sich besonders rücksichtslos im Straßenverkehr verhalten.

1.1. Die Behörde erster Instanz traf in der Begründung folgende Erwägungen:

"Gemäß § 99 Abs.2 lit. c StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2180 Euro, im Falle Ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von
24 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert.

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

In Ihrer Rechtfertigung vom 31.01.2005 stellen Sie außer Streit, dass Sie das genannte Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt an der angegebenen Tatörtlichkeit gelenkt haben. Unstrittig ist auch die Richtigkeit der durchgeführten Messung geblieben.

Als strittig wird sowohl die Tatzeit als auch der Tatort (genaue Straßenkilometer) dargestellt. Weiters bestreiten Sie, dass der PKW, Kennz., der in der Fotobeilage ausgewiesenen Abstandsmessung unterzogen wurde. Auch stellen Sie die Beurteilung der Behörde, dass besonders gefährliche Verhältnisse durch die Unterschreitung des Nachfahrabstandes entstanden seien in Frage

Zu der von Ihnen als unrichtig dargestellten Tatzeit und Tatörtlichkeit:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung erkennt, muss die Tat so vorgeworfen werden, dass sie für den Täter unverwechselbar ist. Dies ist nach Ansicht der Behörde auch im Gegenständlichen der Fall, da die Behörde - wie die Anzeige ausweist - den Tatzeitpunkt mit 13:31 Uhr in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.10.2004 (Tatvorwurf) angeführt hat. In keiner Weise verlangt weder das Konkretisierungsgebot des VStG noch der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung, dass die Tatzeit auf Sekunden oder Zehntelsekunden beim Tatvorwurf genau ausgewiesen werden muss. Die Verwaltungsübertretung muss nur unverwechselbar vorgeworfen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass es dem Beschuldigten nicht möglich ist, innerhalb von einer Minute die Messstrecke (Tatort) zweimal zu durchfahren. Bedenkt man hiezu dass es sich beim Tatort um eine Autobahn handelt und er mehrere Kilometer bis zur nächsten Abfahrt Treffling und wieder auf der Gegenrichtung zurück bis zur Abfahrt Dornach um dort wieder in die richtige Fahrtrichtung, nämlich in Fahrtrichtung Nord aufzufahren um die Messstrecke neuerlich befahren zu können, ergibt sich, dass dies nicht einmal innerhalb eines Zeitraumes von etwa 10 Minuten möglich ist. Ferner sind nach Wissen der Behörde die am Fahrbahnrand in der Fotobeilage als viereckige Kästchen ausgewiesene Messpunkte bzw. Messstrecke genau eingemessen. Der Polizeibeamte kann daher sehr wohl genau feststellen, bei welchem Straßenkilometer die Verwaltungsübertretung begangen wurde.

Ihrem Antrag auf einen Lokalaugenschein wird nicht stattgegeben, da die Behörde nicht zu erkennen vermag, was damit zu gewinnen gewesen wäre. Für die Behörde ist einzig und allein das aufgenommene Video und in diesem Zusammenhang die aus diesem Video angefertigte Fotobeilage als Beweismittel ausschlaggebend und ausreichend um die Verwaltungsübertretung entsprechend auch nachvollziehen zu können.

Wenn Sie vermeinen, dass aus der Fotobeilage nicht ersichtlich wäre, dass das von Ihnen gelenkte Kraftfahrzeug einer Abstandsmessung unterzogen worden sei, so ist hiebei festzuhalten, dass das vor Ihnen fahrende Fahrzeug als gemessenes Fahrzeug ausscheidet, da dieses als erstes Fahrzeug einer Reihe von Fahrzeugen fährt. Somit ist nur mehr zu beurteilten, ob der Abstand zwischen den ersten beiden fahrenden Fahrzeugen oder der Abstand zwischen zweiten und dritten Fahrzeug einer Messung unterzogen wurde. Dies würde allerdings bedeuten, dass am dritten Lichtbild der Fotobeilage dann nicht das Fahrzeug mit dem Kennzeichen zu sehen wäre sondern ein anderes Fahrzeug.

Ihrem Antrag auf Einholung eines kraftfahrtechnischen Gutachtens um Ihre Reaktionszeit festzustellen, wird keine Folge gegeben. Nach derzeitigem Wissenstand der Behörde und einschlägig lautender Literatur ist es unmöglich, bei einem Sicherheitsabstand von
0,28 Sekunden derart schnell zu reagieren, dass es zu keinem Auffahrunfall kommt.

Wiederholt erkennt der Verwaltungsgerichtshof, dass der nötige Abstand, solange nicht besondere Umstände hinzutreten, etwa die Länge des Reaktionsweges (Sekundenweges), das ist die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke, wobei als Reaktionszeit die Zeit vom Erkennen der Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung gilt, entsprechen muss. Das sind in Meter 3/10 der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit. Dies wird auch in den Fahrschulen bei der Lenkerausbildung so gelehrt.

Die besonders gefährlichen Verhältnisse ergeben sich nach Ansicht der Behörde schon alleine dadurch, dass - und hier schließt sich die Behörde den Ausführungen des Amtsachverständigen, R H, vollinhaltlich an, die Kollisionsgeschwindigkeit mit
80 km/h erfolgt wäre. Dass das gestoßene Fahrzeug unweigerlich auf die rechts des von Ihnen befahrenen Fahrstreifens geschleudert worden wäre, kann die Behörde ebenfalls sehr klar und deutlich nachvollziehen.

Betrachtet man nämlich die ersten zwei Bilder, so zeigt sich eindeutig, dass Sie etwas versetzt nach links in Fahrtrichtung gesehen hinter dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeug nachgefahren sind. Somit hätte die Anstoßstelle bei dein vor Ihnen fahrenden Fahrzeug auf der linken Seite des Heckes gelegen. Dadurch wäre beim gestoßenen Fahrzeug unweigerlich eine Drehbewegung nach rechts ausgelöst worden und so wären eindeutig die auf dem rechts von Ihnen gelegenen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen worden. Somit ist jedenfalls von gefährlichen Verhältnissen auszugehen. Dass diese Verwaltungsübertretung nur unter besonderer Rücksichtslosigkeit begangen werden kann, steht für die Behörde ebenfalls eindeutig fest. Nimmt doch ein Lenker der den gebotenen Sicherheitsabstand derart eklatant wie im gegenständlichen Fall - unterschreitet, das von seinem Verhalten ausgehende übergroße Unfalls- und das damit zusammenhängende Verletzungs- und Tötungsrisiko für sich und andere Lenker bedenkenlos in Kauf.

Somit steht für die Behörde eindeutig fest, dass Sie diese Verwaltungsübertretung unter besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützer, vor allein gegenüber dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeuglenker begangen haben und bei dieser Verwaltungsübertretung besonders gefährliche Verhältnisse entstanden sind. Betrachtet man die Unfallstatistik 2001 war jeder zweite Verkehrsunfall auf Autobahnen auf die Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zurückzuführen. Auffahrunfälle hatten 13.055 Verletzte und 48 Getötete zur Folge.

§ 5 Abs. 1 VStG bestimmt, dass wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die Behörde erkennt, dass Sie die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen haben.

Die Tat schädigt in erheblichem Maß das Interesse der Verkehrssicherheit und anderer Verkehrsteilnehmer. Gerade das Nichteinhalten des entsprechenden Sicherheitsabstandes ist oftmals Ursache schwerer Verkehrsunfälle (sh. Verkehrsunfallstatistik 2001).

Da Sie trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22.0.2004 und der niederschriftlichen Aufforderung vom 20.01.2005 Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekannt gegeben haben, und damit ausdrücklich die von der Behörde vorgenommene Schätzung akzeptieren, wird bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass Sie ein monatliches Einkommen von 730 Euro beziehen, kein für das gegenständliche Verfahren relevantes Vermögen besitzen und keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben.

Erschwerungs- und Milderungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie unter Berücksichtung der aus dem Akt ersichtlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sowie unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafrahmen den Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere des Verschuldens erscheint der festgesetzte Strafbetrag angemessen und ausreichend, eine entsprechend Präventionswirkung spürbar zu machen.

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden."

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner nachstehend wiedergegebenen fristgerecht durch seine ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

"Gegen das Straferkenntnis der BH Freistadt vom 17. Februar 2005, GZ: VerkR96-2678-2004-Gg, den Vertreter des Beschuldigten zugestellt am 18. Februar 2005, wird rechtzeitig

BERUFUNG

an den Unabhängigen Verwaltungssenat von Oberösterreich erhoben. Das Straferkenntnis wird zu Gänze angefochten und werden als Berufungsgründe die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

1. Verstoß gegen die Begründungspflicht:

Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 58 Abs.2 AVG sind Bescheide von der Behörde zu begründen. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Im angefochtenen Bescheid trifft die Behörde überhaupt keine Sachverhaltsfeststellungen, es wird lediglich mit einem Satz bemerkt, die Verwaltungsübertretung ergab sich "widerspruchsfrei" aus der Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 2.8.2004. Schon die Textierung bestätigt das Vorliegen einer bloßen Scheinbegründung.

Weiters ist noch zu erwähnen, dass die Behörde in Ihrer Begründung auf Seite 4 zwar § 99 Abs.2 lit. c StVO anführt, jedoch dann weiters anführt, dass eine Verwaltungsübertretung begehe, "wer als Lenker eines Fahrzeuges Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert". Die Behörde zitiert hier § 99 Abs.2 c StVO, welche mit dem gegenständlichen Verfahren überhaupt nichts zu tun hat und ebenfalls darauf hindeutet, dass die Behörde bei der Begründung von Bescheiden nur mit Textbausteinen arbeitet und diese in die Begründung hineinkopiert, ohne jedoch auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid individuell einzugehen.

2. Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Die Behörde subsumiert unter § 99 Abs.2 lit. c StVO das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes. Unter den in § 99 Abs.2 lit. c StVO erwähnten besonders gefährlichen Verhältnissen versteht der VwGH Verhaltensweisen wie gravierende Geschwindigkeitsüberschreitungen (GZ 2002/11/0135), das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen (GZ 2001/11/0010), das Überfahren einer Eisenbahnkreuzung, die sowohl durch eine Lichtzeichenanlage als auch durch eine Schrankenanlage gesichert ist, bei aufleuchtendem Rotlicht (GZ 2001/11/0149), das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen
(GZ 99/11/0221).

Unter besonderer Rücksichtslosigkeit versteht der Verwaltungsgerichtshof nicht einmal einen Verstoß gegen ein Überholverbot, da nur er in GZ 2002/11/0216 die Meinung vertritt, zu diesem Verstoß ein besonderes Übermaß an mangelnder Rücksichtslosigkeit hinzutreten müsse.

Aufgrund der dargelegten Rechtssprechung des VwGH kann das bloße Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes auf Autobahnen, ohne das ein weiteres Vergehen oder ein erschwerender Sachverhalt hinzutritt, keinesfalls unter § 99 Abs.2 lit. c StVO subsumiert werden. Die oben erwähnte ständige Rechtssprechung des VwGH enthält nur bei weitem schwerwiegendere Vergehen, als das Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes, sodass eine Subsumtion unter dieser Bestimmung nicht vorzunehmen ist.

Weiters hat die Behörde in Ihrer Definition des sogenannten Reaktionsweges, der wie sie richtigerweise anführt, die während der Reaktionszeit zurücklegte Strecke darstellt, nicht berücksichtigt, dass die Reaktionszeit eine subjektive Größe darstellt und eine "Reaktionssekunde" im Gesetz nicht enthalten ist.

Mittels der Videomessung der Bundespolizeidirektion Linz wurde ein zeitlicher Abstand zwischen meinem Fahrzeug und dem vor mir fahrenden Fahrzeug von, zum geringsten Zeitpunkt, 0,28 Sekunden festgestellt. Dieser Vorwurf stellt nur eine Momentaufnahme (bei km 15,7) dar, wobei festzuhalten ist, dass der Sachverhalt als solcher nach wie vor bestritten wird. Wie bereits in unserer Rechtfertigung vom 31.01.2005 festgehalten, bin ich der Ansicht, dass aus den im Akt befindlichen Lichtbildern keinesfalls geklärt werden kann, ob bzw. welches Fahrzeug am gegenständlichen Fall von der Messung betroffen war. Der Vorwurf ist aus den aktenkundigen Beweismitteln nicht nachvollziehbar und nicht nachgewiesen.

Ich habe vor bzw. auch nach dieser Momentaufnahme (auf Höhe Streckenkilometer 15,7) einen größeren Sicherheitsabstand eingehalten.

Unter Zugrundelegung der Rechtssprechung des VwGH (GZ 97/03/0090) kann die Reaktionszeit bei sehr geübten Fahrern bis zu 0,3 Sekunden betragen. Mangels bewiesener längerer Reaktionszeit ist in meinem Fall von einer Reaktionszeit von max. 0,3 Sekunden auszugehen, wobei auch noch zu berücksichtigen ist, dass die äußeren Faktoren für die Verkürzung der Reaktionszeit, nämlich eine einfache, übersichtliche, vorausberechenbare Verkehrssituation gegeben war und auch meine persönlichen Umstände, nämlich mein jugendliches Alter, meine psychische und physische Gesundheit und auch mein bremsbereites Fahren gegeben sind. Es lag auch die Geschwindigkeit deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Demgemäss ist ein wie der Behörde in ihren Wertungskriterien festgestelltes, eklatantes Unterschreiten des allgemein geltenden und wissenschaftlich belegten Sicherheitsabstandes keinesfalls gegeben, da, falls überhaupt ein Unterschreiten des notwendigen Sicherheitsabstandes vorliegt, wenn man eine maximale Reaktionszeit von 0,3 Sekunden annimmt, diese von mir nur um 0,02 Sekunden unterschritten wurde und dies für eine Begründung von besonders gefährlichen Verhältnissen keinesfalls ausreicht.

3. Beweisantrag:

Zum Beweis für seine Rechtfertigung beantragt der Beschuldigte die Durchführung eines Lokalaugenscheines an Ort und Stelle der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung, um darzulegen, dass die für die Verkürzung der Reaktionszeit maßgebenden äußeren Faktoren, nämlich eine einfache, übersichtliche und vorausberechenbare Verkehrssituation vorgelegen ist.

Weiters beantragt der Beschuldigte die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, zum Beweis dafür, dass auch die persönlichen Umstände, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit geführt haben, vorliegen.

Es wird daher der

A n t r a g,

gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu eine Bestrafung nicht wegen besonders gefährlicher Verhältnisse vorzunehmen.

F, am 02.03.2005 A K"

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da jeweils keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier in Wahrung der gem. Art. 6 EMRK intendierten Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Ergänzend wurde im Wege der Behörde erster Instanz der Verfahrensstand im Verwaltungsstrafverfahren erhoben. Angesichts der vollumfänglichen Bestreitung des zur Last gelegten Verhaltens wurde die im Wege der Verkehrstechnik beigeschaffte Videoaufzeichnung und im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung umfassend zur Erörterung gestellt (§ 51e Abs.1 VStG).

Zwecks Überprüfung der Zuordnung der am Bild ersichtlichen Fahrzeuge wurde eine Zulassungsanfrage zur Feststellung der Fahrzeugmarke und Farbe betreffend den Pkw mit dem Kennzeichen veranlasst.

Unmittelbar vor der zum Entzugsverfahren der Lenkberechtigung bereits anberaumten gewesenen Termin für die Berufungsverhandlung (VwSen-520869) langte die Berufungsvorlage betreffend dieses Verwaltungsstrafverfahrens ein. Dieses Berufungsverfahren wurde mit Einverständnis des Berufungswerbers aus verwaltungsökonomischen Gründen mitverhandelt.

4.1. Folgender Sachverhalt gilt als erwiesen:


Gemäß dem im Rahmen eines eichrechtlich anerkannt zu Stande gekommenen Messergebnisses - zusätzlich in Videodokumentation festgehalten - steht fest, dass sich das auch durch die rote Farbe, in den identifizierbare Fahrzeug des Berufungswerbers in Fahrtrichtung Norden, am 30.7.2004 um 13:31:06:21 Uhr , an der Position des ersten Fotos in sichtbar knappen Abstand zum Vorderfahrzeug befindet und sich der Messposition bei Strkm 15,7 mit einer verkehrsfehlerberichtigen Fahrgeschwin-digkeit von 121 km/h der Messanlage näherte. Das zweite
und das ebenfalls der Berechnung zu Grunde liegende Foto wurde um 13:31:09:17 Uhr, also knappe drei Sekunden später aufgenommen. Schon auf Grund dieser beiden Fotos in Verbindung mit der auf der Fahrbahn angebrachten Markierungen ergibt sich zwingend, dass diese Wegstrecke mit einer Fahrgeschwindigkeit von 121 km/h durchfahren wurde, weil dies in der oben angeführten Zeitspanne geschah. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die in "Hundertstel-Sekunden" genaue Zeitmessung zwischen den beiden Fotosequenzen hier unrichtig erfolgt wäre. Da selbst bei bloß
augenscheinlicher Betrachtung der beiden im Akt erliegenden Messfotos ein Abstand zum Vorderfahrzeug nur etwas mehr als eine Fahrzeuglänge evident ist, erweist sich der unter Berücksichtigung einer Messtoleranz von immerhin zwei Metern der angelastete Abstand von neun Meter bei einer Durchfahrtszeit von weniger 0,28 Sekunden schon durch diese Plausibilitätsbetrachtung als offenkundig. Zu Gunsten des Betroffenen wurde hier bereits in den Verwendungsbestimmungen gründende, sogenannte Messtoleranz berücksichtigt.

Die gesichtete Videodokumentation belegt ferner, dass im sichtbaren Bereich sich der Tiefenabstand, in der Zeit von 13:30:56:22 bis 13:31:10:08 Uhr nicht verändert.

Die Behörde erster Instanz qualifizierte dieses Fahrverhalten als besonders rücksichtslos und qualifizierte es als eine Übertretung nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, welches mit 500 Euro geahndet wurde.

Mit den im Rahmen des Berufungsverfahrens vom Berufungswerber im Ergebnis unter Hinweis auf sein Berufungsvorbringen erhobenen Bedenken gegen diese Art von Messungen, vermochte er jedoch eine inhaltliche Unrichtigkeit dieser Beweisführung nicht darzutun. Insbesondere ist für ihn mit dem Hinweis auf individuell verschiedenen Reaktionszeiten nichts zu gewinnen, weil selbst mit der theoretisch geringst denkbaren Reaktionszeit einem plötzlichen Bremsmanöver des Forderfahrzeuges auch nicht wirkungsvoll begegnet werden hätte können. Diesbezüglich bedürfte es nicht einmal eines auf dem höchsten stand der Technik basierenden Messverfahrens. Vielmehr genügt um diese Feststellung treffen zu können die Betrachtung der Videosequenz unter Heranziehung des bloßen Hausverstandes in Verbindung mit einer simplen Berechnung.

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass bei einer Fahrgeschwindigkeit von mehr als 120 km/h ein Abstand von etwa einer Fahrzeuglänge nur einer Wegzeit im Bereich von 0,2 bis 0,3 Sekunden entspricht. Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Situation wohl zwingend zu einem Auffahrunfall, weil - wie schon dargelegt - selbst bei der geringsten Reaktionszeit auf ein solches Manöver nicht mehr rechtzeitig und wirkungsvoll reagiert werden könnte (unter vielen VwGH 30.9.1999, 98/02/0443).

Die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens von einem Amtsachverständigen vorgenommene Beurteilung der Folgen eines allfälligen Unfalls belegen die potentiell fatalen Auswirkungen eines solchen Fahrverhaltens, weil dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit - im Falle eines Unfallereignisses - andere Verkehrsteilnehmer unschuldig in dieses Ereignis verwickeln würde.

Selbst für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer bzw. Laien ist nur unschwer begreiflich, dass es im Falle eines Auffahrunfalls höchstwahrscheinlich zu einem folgeschweren Serienunfall mit wohl schwersten Schäden für Personen und Sachen gekommen wäre.

Die Qualifizierung eines solchen Verhaltens als besonders rücksichtslos stützt sich vor allem auf die Logik, dass eine unfallvermeidende Abwehrhandlung der Disposition dessen entzogen ist, der eine derartige Gefahrenquelle im Straßenverkehr herbeiführt der er sich entweder nicht bewusst ist oder diese billigend in der Hoffnung in Kauf nimmt, "es wird schon gut gehen." Auch die einem solch knappen Auffahren inhärente Aggressionsneigung auf den Lenker des Vorderfahrzeug dadurch Druck auszuüben, ihn gleichsam von seiner Fahrspur verdrängen zu wollen indiziert eine rücksichtslose - anderen Verkehrsteilnehmern nicht partnerschaftlich begegnen zu wollen - Verhaltensneigung im Straßenverkehr. Die empirischen Fakten belegen letztlich, dass diese Verhaltensmuster im Straßenverkehr zu den häufigsten Unfallursachen mit den empirisch bekannten schwerwiegenden Folgen zählen. Auf den Punkt gebracht ist daher die Geisteshaltung die hinter einer derart gefahrenerhöhenden Verhaltensweise steckt, durchaus als besonders rücksichtslos gegenüber der Allgemeinheit - hier den anderen Verkehrsteilnehmern - zu qualifizieren (vgl. ZVR 1992/41 mwN).

5.1.1. Wie aus dem beiliegenden im Zuge der Abstandsmessung angefertigten Fotos ersichtlich ist, herrschte damals durchaus reges Verkehrsaufkommen.

Der Beweisantrag auf individuelle Feststellung der konkreten Reaktionszeit des Berufungswerbers und die Durchführung eines Ortsaugenscheins war daher als irrelevant abzuweisen (siehe dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 339, E 6a zu § 46 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH).

Bei 121 km/h werden in einer Sekunde 33,61 m zurückgelegt. Sohin ergibt sich rein rechnerisch und ohne Berücksichtigung von Messtoleranzen die Durchfahrzeit der Wegstrecke von neun Metern mit nur 0,2677° Sekunden.

Mit Blick auf die Qualifikation des Verhaltens an sich erweist sich auch der gänzlich unbelegt bleibende Hinweis auf den vermeintlich nicht genau genug umschriebenen Tatort bei Strkm 15,7, mangels jeglicher sachlichen Relevanz über die Qualität dieses Verhaltens als irrelevant. Auch diesbezüglich kann der Berufungswerber auf die Judikatur zu § 44a VStG zu verweisen werden, worin dieser - wie der Vertreter der Behörde erster Instanz in seiner Schlusserklärung zutreffend aufzeigte - weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch im Falle eines geringfügigen Abweichens des Messortes vom "errechneten Tatort" noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 3.9.2003, 2001/03/0150 mit Hinweis auf VwGH 26.1.2000, 98/03/0089). Dieser Einwand ist hier überdies sachlich unbegründet.

Offenkundig handelt es sich bei der Örtlichkeit "Strkm 15,7" um die Positionierung der Messeinrichtung, wobei das zur Last gelegte Verhalten abermals logisch besehen auch (noch) wenige Meter später, beim Unterfahren dieser Anlage, keine relevante Veränderung erfahren kann.

Schließlich geht auch der Hinweis der nur punktuellen Feststellung dieses als gefährlich qualifizierten Verhaltens ins Leere. Immerhin zeigt die Videoaufzeichnung vierzehn Sekunden diesen Nachfahrabstand. Demnach war der Berufungswerber zumindest 470 m in dieser den Vordermann bedrängenden Weise unterwegs.

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Betreffend die auf den Tatvorwurf nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit. c StVO 1960 getätigte Strafzumessung ist grundsätzlich festzustellen, dass insbesondere angesichts des hohen abstrakten Gefährdungspotenzials eines in diesem Umfang knappen Sicherheitsabstandes durchaus die Festsetzung einer empfindlichen Geldstrafe geboten erscheinen lässt. Auch kann in diesem Zusammenhang auf ein jüngst von einem Gericht in Deutschland erlassenes Urteil wegen unfallskausalen Drängens iVm anderen gefährlichen Verhaltensmustern im Straßenverkehr illustrativ hingewiesen werden. Dort wurde eine Freiheitsstrafe von 11/2 Jahren ausgesprochen. Mit Blick darauf wäre die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Strafzumessung grundsätzlich innerhalb des gesetzlichen Ermessensspielraumes gelegen.

Dennoch konnte hier die Geldstrafe wesentlich reduziert werden. Der persönlich an der Berufungsverhandlung teilnehmende Berufungswerber zeigte sich problemeinsichtig. Der bereits in der Zeitdauer von drei Monaten abgelaufene und rechtskräftige Entzug der Lenkberechtigung (h. Verfahren VwSen-520869) wirkte hier zweifellos auf den Berufungswerber bereits erzieherisch und präventiv. Der in seinem Fahrverhalten bislang noch nicht negativ in Erscheinung getretene Berufungswerber machte auf die Berufungsbehörde einen soliden und gegenüber der Problemlage aufgeschlossenen Eindruck. Angesichts des bescheidenen Einkommens des Berufungswerbers trifft ihn wohl auch die Geldstrafe mit 250 Euro immer noch hart und bringt das Unwerthafte seines Fehlverhaltens dennoch deutlich genug zum Ausdruck, sodass bei objektiver Beurteilung erwartet werden kann, der Berufungswerber werde sich künftighin in nunmehr ausführlicher Auseinandersetzung mit der Problemlage rechtskonform im Straßenverkehr zu verhalten.

Daher kann auch mit dieser Geldstrafe dem Strafzweck, insbesondere dem Gedanken der Generalprävention, noch ausreichend Rechnung getragen werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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