Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-160402/2/Ki/Da

Linz, 16.03.2005

 

 

 VwSen-160402/2/Ki/Da Linz, am 16. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des E S, W, B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K M, A, W, vom 28.2.2005 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2.2.2005, VerkR96-8287-2004-Fs, wegen Übertretungen der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe bezüglich Faktum 1 auf 140 Euro und bezüglich Faktum 2 auf 70 Euro bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe bezüglich Faktum 1 auf zwei Tage und bezüglich Faktum 2 auf einen Tag herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wird auf insgesamt 21 Euro (das sind jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) herabgesetzt. Für das Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG

zu II: §§ 64 und 65 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 2.2.2005, VerkR96-8287-2004-Fs, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 30.9.2004, gegen 16.55 Uhr, den Lkw, Kennzeichen , im Gemeindegebiet Kirchdorf an der Krems, auf der Sengsschmiedstraße, vom Lagerhaus Kirchdorf kommend in Richtung Schlierbach gelenkt, wo es mit der Lenkerin des Kombis, Kennzeichen zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden kam und er habe es als Person, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall im ursächlichen Zusammenhang stand, unterlassen

  1. iSd. § 4 Abs.1 lit.a StVO sofort anzuhalten,
  2. ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen hat.

Er habe dadurch

  1. § 4 Abs.1 lit.a StVO,
  2. § 4 Abs.5 1. Satz StVO verletzt.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 wurde bezüglich Faktum 1 eine Geldstrafe in Höhe von 220 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) und bezüglich Faktum 2 gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 190 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 41 Euro (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 28.2.2005 Berufung.

 

Als Begründung wird ausgeführt, dass sich der Unfall im Kreuzungsbereich Sengsschmiedstraße B138 ereignet habe. Bei dieser Kreuzung handle es sich um eine stark frequentierte Kreuzung, die auch über einen Linksabbiegestreifen verfüge, den der Beschuldigte benutzt habe. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls habe an dieser Kreuzung eine hohe Verkehrsdichte geherrscht. Dies sei nicht zuletzt auch aus der Unfallszeit, nämlich 16:55 Uhr, nachzuvollziehen, zumal es sich dabei um eine Stoßzeit im Berufsverkehr gehandelt habe. Es liege demnach auf der Hand, dass bei einem unmittelbaren Anhalten im Kreuzungsbereich, wie dies vom § 4 Abs.1 lit.a. StVO gefordert werde, die Gefahr von Unfällen für den Einschreiter selbst bzw. für andere Verkehrsteilnehmer enorm gestiegen wäre und damit eine evidente Gefahr von Sachschaden und hoher Personenschaden bestanden hätte. Zur Vermeidung weiterer Personen- oder Sachschäden sei es im Lichte der Gesamtumstände angemessen gewesen, erst in einiger Entfernung zum Unfallsort anzuhalten. Dem Beschuldigten komme der Schuldausschließungsgrund des § 6 VStG zu Gute, da er einen unmittelbar drohenden Nachteil von sich und anderen durch die Entscheidung, den Lkw aus dem Kreuzungsbereich zu bringen, abgewendet habe.

 

Weiters wird argumentiert, dass das umfassende Tatsachengeständnis des Beschuldigten bei der Strafbemessung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, hilfsweise werde sohin der Antrag auf Herabsetzung der Geldstrafe gestellt.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

 

Laut Anzeige des Gendarmeriepostens Kirchdorf vom 1.10.2004 lenkte der Berufungswerber am 30.9.2004, gegen 16.55 Uhr den im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten Lkw auf der Sengsschmiedstraße vom Lagerhaus 4560 Kirchdorf/Krems kommend Richtung B138 auf den Linksabbiegestreifen in Richtung Schlierbach ein. Dabei streifte er mit der rechten Seite seines Lkw den linken Außenspiegel eines Pkw, welcher auf dem rechten Fahrstreifen verkehrsbedingt angehalten wurde und es wurde der Spiegel erheblich beschädigt.

 

Der Beschuldigte rechtfertigte sich dahingehend, dass er zwar im Kreuzungsbereich einen ungewöhnlichen Laut wahrgenommen habe, jedoch keine Beschädigung erkennen konnte. Da er die Kreuzung freimachen wollte, sei er schließlich weitergefahren und bei der nächsten Ausfahrt mit seinem Lkw zugefahren.

 

Der Verkehrsunfall habe sich im Kreuzungsbereich Sengsschmiedstraße - B138 ereignet. Es handle sich dabei um eine stark frequentierte Kreuzung, die über einen eigenen Linksabbiegestreifen verfüge, der vom Beschuldigten auch benutzt worden sei. Ein unmittelbares Anhalten am Unfallort nach Kenntnisnahme sei vom Beschuldigten im gegenständlichen Fall nicht zu verlangen, da infolge der Tatortumstände zu erwarten gewesen sei, dass bei unmittelbarem Anhalten im Kreuzungsbereich die evidente Gefahr von Sachschaden und/oder Personenschaden bestanden hätte. Ein unmittelbares Anhalten am Unfallort sei dem Beschuldigten nicht zumutbar und erscheine es im Rahmen der anzustellenden Einzelfallprüfung gerechtfertigt, dass zur Vermeidung weiterer Personen- oder Sachschäden das Anhalten erst in einiger Entfernung erfolgt sei.

 

I.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.

 

Gemäß § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Vom Berufungswerber werden weder der verfahrensgegenständliche Verkehrsunfall mit Sachschaden noch der Umstand, dass er nicht sofort angehalten hat bzw. er nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt hat, obwohl ein Nachweis von Name und Anschrift an die Unfallgegnerin nicht erfolgte, bestritten bzw. werden diese Sachverhalte ausdrücklich eingestanden.

 

Der Beschuldigte vermeint jedoch, in Anbetracht der von ihm geschilderten Situation sei ihm ein sofortiges Anhalten nicht zumutbar gewesen und er beruft sich damit auf eine Notstandssituation.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass die vom Beschuldigten geschilderte Situation diesen nicht daran gehindert hätte, der Verpflichtung des § 4 Abs.5 StVO 1960, nämlich der Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle, ohne unnötigen Aufschub nachzukommen. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. vertritt zudem die Auffassung, dass auch der Verstoß gegen die Anhaltepflicht im vorliegenden konkreten Falle nicht durch eine Notstandssituation gerechtfertigt war.

 

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

Wie in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zu Recht ausgeführt wurde, kann im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Notstand iSd § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht, es muss sich dabei um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln.

 

Unbestritten waren an der gegenständlichen Unfallstelle zwei Fahrstreifen vorhanden und es kann daher keine Rede davon sein, dass es sich um eine besonders enge Straßenstelle gehandelt hätte. Wie in der Begründung des Straferkenntnisses zu Recht ausgeführt wurde, wäre demnach bezogen auf die Breite der Unfallstelle durch die sofortige Anhaltung des Lkw keine unmittelbar drohende Gefahr für Leben, Freiheit oder Vermögen für den Beschuldigten selbst oder für andere Straßenbenützer eingetreten. Pflichtgemäß hätte der Beschuldigte gehandelt, wenn er einerseits seinen Lkw sofort angehalten und er in weiterer Folge zwecks Vermeidung einer Gefährdung anderer die Unfallstelle zunächst entsprechend abgesichert hätte. Übereinstimmend mit der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gelangt daher der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. zum Ergebnis, dass eine Notstandssituation iSd § 6 VStG nicht vorliegt.

 

Weitere subjektive Umstände (§ 5 VStG) welche den Beschuldigten entlasten würden, sind nicht hervorgekommen, der Beschuldigte hat die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen daher zu vertreten.

 

Die Schuldsprüche sind daher zu Recht ergangen.

 

Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so stellen die im § 4 normierten Delikte besonders krasse Verstöße dar. Dementsprechend hat der Gesetzgeber entsprechend strenge Strafrahmen vorgesehen.

 

Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und es ist überdies auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen.

 

Strafmildernd wurde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, straferschwerende Umstände werden keine festgestellt. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden für die Strafbemessung geschätzt, diesbezüglich wurden keine Einwendungen erhoben.

 

Zu berücksichtigen sind bei der Strafbemessung auch general- und spezialpräventive Überlegungen, generalpräventive Überlegungen dahingehend, der Allgemeinheit das Unrechtmäßige von Verwaltungsübertretungen vor Augen zu führen, und spezialpräventive Überlegungen, um den Beschuldigten darüber hinaus vor der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. vertritt die Auffassung, dass in Anbetracht der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit bzw., dass der Beschuldigte letztlich ein Tatsachengeständnis abgelegt hat, eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafen auf das nunmehr festgelegte Ausmaß vertretbar ist. Unter Berücksichtigung der erwähnten general- bzw. spezialpräventiven Überlegungen kann jedoch eine weitere Herabsetzung nicht in Erwägung gezogen werden.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. K i s c h

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum