Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160476/5/Br/Sta

Linz, 09.05.2005

VwSen-160476/5/Br/Sta Linz, am 9. Mai 2005

DVR. 0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K, O, S, vertreten durch RA D. J P, S, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 14. März 2005, Zl. VerkR96-7794-2004, nach der am 4. Mai 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und in Aufhebung des verkündeten Beschlusses einer Antragstellung nach Art. 129a Abs.3 iVm Art. 89 Abs.2 und Art. 140 Abs.1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, zu Recht:

I. Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge, im Strafausspruch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden ermäßigt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1,
§ 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich auf 10 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von
45 Stunden verhängt, weil er es als "Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen, trotz schriftlicher Aufforderung, der Bezirkshauptmannschaft Ried am Inn (gemeint wohl Ried im Innkreis), vom 3.8.2004, Zahl VerkR96-6882-2004, welche am 11.8.2004 zugestellt worden ist, nicht binnen zwei Wochen, ab Zustellung der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 12.7.2004, um 10.55 Uhr, im Gemeindegebiet Peterskirchen, auf der A 8, bei Strkm. 50.220, in Fahrtrichtung Suben gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann.".

1.1. In der Begründung verweist die Behörde erster Instanz im Wesentlichen auf die einschlägige Rechtslage.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung wird folgendes ausgeführt:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14.03.2005, Zl. VerkR96-7794-2004-Fs erhebe ich nachstehende

B E R U F U N G

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Die gegenständlich über mich verhängte Strafe verletzt mich in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG, auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK, ebenso im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZP zur EMRK, auf ein Rechtsmittel im Strafverfahren nach Art. 2 der 7. ZP zur EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ebenso durch Anwendung der baugesetz- und verfassungswidrigen Bestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG idF der 10. Novelle BGBl. Nr. 106/1986 (Verfassungsbestimmung) sowie wegen Verletzung des ordre public und Verstoßes gegen das Anklage- und Rechtsstaatsprinzip.

Mein Verteidiger hat in mehreren Parallelverfahren die Argumente gegen die Verfassungsgemäßheit der Verpflichtung zur Erteilung der Lenkerauskunft sehr genau ausgearbeitet, diese sind dem UVS (vgl. etwa Verfahren VwSen-160124/8/Sch/Pe) bekannt und darf auf den Inhalt dieser Schriftsätze ebenso verwiesen werden sowie darauf, dass der Verfassungsgerichtshof jüngst zu den Geschäftszahlen B 1563/04 und B 1616/04 das Verfahren aufgrund von Bescheidbeschwerden meines Rechtsvertreters gegen Erkenntnisse des UVS in Tirol Im Fall A L und UVS Salzburg eingeleitet hat, letzteres betrifft den Fall G H, Erkenntnis des UVS Salzburg vom 15.11.2004, UVS-7/12.352/2-2004.

Da das Rechtsmittel begründet werden muss, wird wie folgt ausgeführt:

Die in Rede stehende Bestimmung zwingt den Betroffenen unter Strafsanktion, ein Geständnis betreffend sein strafbares Verhalten abzulegen, was dem Anklageprinzip widerspricht (VfSlg. 9950 und 10.394).

Im Erkenntnis VfSlg. 11.829 hat der Verfassungsgerichtshof Art. 6 EMRK bloß in seiner innerstaatlichen Maßstabsfunktion angewendet, auf die Frage des Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip geht der VfGH in diesem Erkenntnis aber nicht konkret ein (vgl. dazu aber VfSlg. 15.215/1998 sowie VfGH vom 11.10.2001, G 12/00 u.a.). Danach muss der Rechtsstaat auch ein Rechtsschutzstaat sein, das heißt die Einhaltung von Verfassung und Gesetz durch entsprechende Einrichtungen sichern (VfSlg. 11.196, 13.223, 13.699 und 13.834 sowie 13.003).

Unbestritten ist, dass das verfassungsrechtliche Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung nicht nur für das gerichtliche Strafverfahren, sondern auch für das Verwaltungsstrafverfahren gilt (materielles Anklageprinzip, VfSlg. 9950, 10.394, 11.829, 11.923, 12.454 und 14.988 sowie VfGH vom 26.06.2000, B 460/00).

Die in Rede stehende Bestimmung widerspricht dem Rechtsstaatsprinzip aber auch dem Anklageprinzip nach Art .90 Abs. 2 B-VG und steht damit im Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechtes (Art. 44 Abs. 3 B-VG).

Die Judikatur des EGMR hat klargestellt, dass das Verwaltungsstrafverfahren eine Anklage iSd Art. 6 EMRK zum Gegenstand hat und daher diese Verfassungsbestimmung auf diese Verfahrensart Anwendung findet (vgl. dazu etwa EGMR vom 20.12.2001 im Fall E B gegen Österreich, Beschwerde-Nr. 32.381/96).

In VfSlg. 14.987 stellt der Verfassungsgerichtshof klar, dass das Anklageprinzip in seiner materiellen Bedeutung sowohl den Gesetzgeber als auch die Vollziehung bindet und den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines Strafverfahrens davor schützt, durch Androhung oder Anwendung rechtlicher Sanktionen dazu verhalten zu werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

Nach § 33 Abs. 2 VStG kann der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden, eine Mutwillensstrafe darf gegen ihn nicht verhängt werden (Abs.3).

Verwaltungsübertretungen sind mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen (§ 25 Abs. 1 VStG).

Die Behörde hat sowohl bei der Einleitung als auch Durchführung des Strafverfahrens von Amts wegen vorzugehen (Offizialmaxime - Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens).

Der Anklagegrundsatz ist etwa in der StPO lückenlos verwirklicht, verweigert der Beschuldigte die Aussage, so darf er jedenfalls niemals zu dieser gezwungen werden

(§§ 203 und 245 Abs. 2 StPO), sagt der Beschuldigte wahrheitswidrig aus, so kann er dafür strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, dies selbst dann nicht, wenn er die belastenden Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen als unrichtig bezeichnet; § 202 verbietet jede Anwendung von Versprechungen, Vorspiegelungen, Drohungen und Zwangsmittel zu dem Zweck, den Beschuldigten zu einem Geständnis oder anderen bestimmten Angabe zu bewegen. Es gibt keinen Wahrheits- und Aussagezwang (EvBl. 1966/438), die Verweigerung von Angaben ist das Recht des Beschuldigten, sie unterliegt der richterlichen Beweiswürdigung nach § 258 Abs. 2 StPO (SSt 56/82).

Zu den Rechten des Angeklagten gehört das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen (nemo tenetur), welches im deutschen Recht in § 136 Abs. 1 dStPO positiviert ist und in der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes wurzelt. Der nemo-tenetur-Grundsatz ist in Art. 6 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, wird vom EGMR aber zum Kernbereich eines fairen Verfahrens gerechnet, wobei dieser stets auf den engen Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK hinweist.

Entsprechendes ergibt sich aus den Urteilen des EGMR vom 25.02.1993 im Fall Funke gegen Frankreich und vom 17.12.1996 im Fall S gegen England (ÖJZ - MRK 1993/33 und 1998, 32 ff). Weiters ist auf die Sondervoten im Urteil des EGMR vom 08.04.2004 im Fall Weh gegen Österreich zu verweisen. Dieser Fall ist mit der gegenständlich aber deshalb nicht vergleichbar, weil im Fall Weh keine Verweigerung der Lenkerauskunft vorliegt, sondern lediglich die Adresse des bekanntgegebenen Lenkers nicht vollständig angegeben wurde, ebenso im Fall G R gegen Österreich (Urteil des EGMR vom 24.03.2005 mit 5 : 2 Stimmen; idente Begründung).

Die Fälle L und S sind beim EGMR noch anhängig, im Beschluss vom 18.03.2004 hat der EGMR diese Beschwerden für zulässig erklärt, diese sind mit dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren völlig gleichgelagert.

Hätte ich die mir von der Bezirkshauptmannschaft Hallein abverlangte Auskunft erteilt, hätte ich mich bzw. selbst belasten müssen, was Art. 6 EMRK widerspricht.

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art. 2 des 7. ZP zur EMRK auf ein Rechtsmittel in Strafsachen an ein Tribunal:

Nach dieser Verfassungsbestimmung hat der von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung Verurteilte das Recht, das Urteil von einem übergeordneten Gericht, also von einem Tribunal, nachprüfen zu lassen. Vgl. auch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Da der österreichische Verfassungsgerichtshof iSd Art. 144 B-VG auf der Grundlage von Bescheidbeschwerden von Betroffenen (Beschuldigten, Verurteilten) lediglich die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und der Anwendung rechtswidriger genereller Normen prüft und auch die Kognitionsbefugnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes im Tatsachenbereich eingeschränkt ist, sind die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes nach der Straßburger Judikatur keine Tribunal iSd Art. 6 EMRK (vgl. EGMR vom 23.10.1995, A-328-C im Fall G gegen Österreich sowie EGMR vom 20.12.2001 im Fall E B gegen Österreich, Beschwerdenummer 32.381/96).

Darin stellt der EGMR auch klar, dass das österreichische Verwaltungsstrafverfahren strafrechtliche Anklagen iSd Art. 6 EMRK betrifft und diese Bestimmung somit Anwendung findet.

Dies bedeutet, dass im gegenständlichen Verfahren nur in einer Instanz, nämlich im Berufungsverfahren ein Tribunal entscheidet, was iSd Art. 2 des 7. ZP zur EMRK nicht ausreichend ist.

Auch nach der Lehre (W-M, Bundesverfassungsrecht9, Rn 1003/2) müssen in Strafverfahren zwei gerichtliche Instanzen mit voller Kognition bestehen.

Dass der österreichische Verwaltungsgerichtshof kein Tribunal ist, ergibt sich nicht nur aus der zitierten EGMR-Judikatur, sondern auch aus dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2001, 99/12/0198.

Gegenständlich wurde eine Geldstrafen von € 150,-- verhängt, dabei handelt es sich nicht um strafbare Handlungen geringfügiger Art iSd Abs. 2 der zitierten Bestimmung des 7. ZP (vgl. dazu EuGRZ 1976, 221, EGMR im Fall Öztürk gegen die BRD in einem Verfahren betreffend ein Bußgeldverfahren wegen einer Übertretung der StVO; EGMR vom 19.05.1994, A-329-B, im Fall P gegen Österreich betreffend Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und EGMR vom 19.05.1994, A-328-A im Fall S gegen Österrreich wegen einer Verwaltungsübertretung betreffend das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes).

Die Republik Österreich hat zu Art. 2 Abs. 1 des 7. ZP zur EMRK (BGBl. Nr. 628/1988) die Erklärung abgegeben, dass als übergeordnete Gerichte im Sinne dieser Bestimmung auch der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtshof anzusehen sind.

Auf der Grundlage dieser Erklärung hat der Verfassungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 08.03.2002, B 1755/00 und vom 19.06.2002, B 1514/01, ausgesprochen, dass schon deshalb kein Verstoß gegen diese Bestimmung gegeben sein kann.

Dieser Vorbehalt ist meiner Rechtsansicht nach einerseits deshalb ungültig, weil (auch) die EGMR-Judikatur klargestellt hat, dass diese beiden Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes keine Tribunale sind, andererseits ist dieser Vorbehalt aber schon deshalb nicht wirksam, weil er der Verfassungsbestimmung des Art. 57 (früher: Art. 64) EMRK widerspricht, da er keine kurze Inhaltsangabe der betreffenden Bestimmungen enthält (vgl. EGMR vom 03.10.2000 im Fall Eisenstecken gegen Österreich sowie VfGH vom 10.06.2002, B 488/99, sowie vom 13.12.2001, B 227/99).

Dass die Erklärung (der Vorbehalt) Österreichs zu dieser Bestimmung den Inhaltserfordernissen nicht entspricht, macht auch der Vergleich mit dem Vorbehalten D, F, I, S und der S deutlich, welche in BGBl. Nr. 628/1988 abgedruckt sind.

So hat etwa D zu dieser Bestimmung erklärt, dass sie der Anwendung von Bestimmungen des Justizverwaltungsgesetzes in den konkret angeführten Fällen nicht entgegensteht.

Frankreich hat erklärt, dass iSd Art. 2 Abs. 1 die Überprüfung durch ein übergeordnetes Gericht sich auf eine Kontrolle der Anwendung des Gesetzes beschränken kann, wie etwa im Rahmen eines Kassationsverfahrens.

Da der österreichische Vorbehalt den in der EGMR-Judikatur herausgebildeten Kriterien und der Verfassungsbestimmung des Art. 57 (Abs. 2) EMRK nicht entspricht, ist dieser ungültig.

Das gegenständliche Verfahren verletzt mich somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf die Möglichkeit der Erhebung eines Rechtsmittels in Strafsachen an ein übergeordnetes Gericht (Tribunal).

Dazu kommt das Problem, dass im gegenständlichen Verfahren der Verwaltungsgerichtshof die (allenfalls zu erhebende Sukzessiv)Beschwerde nach § 33a VwGG ablehnen, also nicht behandeln könnte, weil keine € 726,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (vgl. dazu Thienel in ZVR 1993, 257 ff).

In diesem Aufsatz wird auch auf Art. 2 des 7. ZP zur EMRK eingegangen.

In der Zulässigkeitsentscheidung vom 02.09.2004 im Fall W Z gegen Österreich, Beschwerdenummer 76.718/01, führt der EGMR diesbezüglich aus (Seite 9, Punkt 4., mittlerweile wurde in diesem Fall (VwSen-102796, Erkenntnis vom 13.03.2001 und - im ersten Rechtsgang - vom 09.05.1995) zwischen der österreichischen Prozessvertretung und meinem Verteidiger ein friendly settlement geschlossen, welches dem Urteil des EGMR vom 24.02.2005 zugrunde gelegt wurde), dass die Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes vom Beschwerdeführer verspätet behauptet wurde, weswegen auf die Frage des Vorliegens dieser Rechtsverletzung nicht einzugehen ist.

Um im Sinne des Art. 35 EGMR den innerstaatlichen Rechtszug auszuschöpfen, wird diese Rechtsverletzung in dieser Berufung releviert.

Verletzung des Art. 5 StGG und des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK:

Primäre Strafzumessungsgründe sind nach § 19 Abs. 1 VStG das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren ist nach Abs. 2 leg.cit auch das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Das zuletzt genannte Strafzumessungskriterium der persönlichen Verhältnisse kommt in der Praxis - um es offen auszusprechen - so gut wie nicht zum Zug.

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafprozeß kennt das VStG das Tagessatzsystem nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngsten Judikatur etwa zur Bestimmung des § 100 Abs. 5 StVO betreffend die Anwendbarkeit der §§ 20 und 21 VStG dem Vergleich zwischen Verwaltungsstrafrecht und gerichtlichem Strafrecht maßgebliche Bedeutung zugemessen, zumal das Verwaltungsstrafrecht im Vergleich in unsachlicher Weise strengere Maßstäbe anlegt wie das gerichtliche Strafrecht.

Das Tagessatzsystem des § 19 StGB ist eine tragende Säule einer gerechten Strafrechtspflege. Dieses leistet Gewähr, dass Geldstrafen jeden Rechtsbrecher mit annähernd der selben Härte treffen.

Die in der Geldstrafe alter Prägung gelegene "Opferungleichheit" wird durch das im skandinavischen Rechtskreis seit langem bestehende System der Tagessätze vermindert. Danach wird im Urteil als erster Schritt eine tatschuldangemessene bestimmte Anzahl von Tagessätzen ausgesprochen. Im selben Urteil wird dann als zweiter Schritt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz bemessen.

Geldstrafen sollen nicht konfiskatorisch wirken (vgl Foregger Fabrizy, StGB 7, S. 94 ff).

Meines Erachtens ist das Tagessatzsystem für eine gerechte Strafrechtspflege unverzichtbar und in einem modernen Rechtstaat unabdingbar.

Ein Blick in die BRD zeigt, dass es selbstverständlich ist, dass nicht nur im Kriminalstrafrecht, sondern auch im Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten das Tagessatzsystem gilt, das Bußgeldverfahren ist mit dem österreichischen Verwaltungsstrafverfahren vergleichbar.

Einen Spitzenverdiener trifft eine derartige Geldstrafe so gut wie nicht, diese "Opferungleichheit" ist ungerecht und eines modernen Rechtsstaates unwürdig.

Die Judikatur hat klargestellt, dass nicht nur das Kriminalstrafrecht eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt sondern auch das österreichische Verwaltungsstrafrecht, eine Differenzierung zwischen diesen beiden Strafrechtssystemen ist daher meines Erachtens auch in diesem Punkt nicht sachgerecht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der zitierten Judikatur mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 41 bis 44 StGB den Ausschluß der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG im Verwaltungsstrafverfahren als unsachlich und gleichheitswidrig festgestellt, die Entscheidungsgründe in diesen Erkenntnissen gelten auch für den Vergleich der Strafzumessungsvorschrift des § 19 StGB und § 19 VStG, weswegen ich eine Strafbemessung ohne Heranziehung des Tagessatzsystems als unsachlich und somit gleichheitswidrig erachte.

Der angefochtene Strafbescheid greift in mein Eigentumsrecht ein, zumal ich verpflichtet werde, eine empfindliche Geldstrafe in der Höhe von € 150,-- zu bezahlen. Diese Geldstrafe beruht auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage.

Mit der über mich verhängten Geldstrafe sanktioniert die Bezirkshauptmannschaft in Wahrheit das Grunddelikt; die Praxis zeigt in unbestreitbarer Weise, dass wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung stets solche Strafen verhängt werden, welche wegen jenes Deliktes verhängt werden, welches dem Lenkerauskunftsersuchens zugrunde liegt.

Zu dieser Vorgangsweise hat der UVS Salzburg in einer an Deutlichkeit nichts vermissen lassenden Weise ausgeführt, dass eine solche Praxis als grundsätzlich unzulässig zu betrachten und somit die Verweigerung der Lenkerauskunft für sich betrachtet zu beurteilen ist (Erkenntnis vom 24.01.2005, UVS-7/12681/5-2005).

In Anbetracht dieser Umstände ist die über mich verhängte Geldstrafe überzogen.

Ich stelle somit den

A N T RA G ,

der Unabhängige Verwaltungssenat möge der gegenständlichen Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14.03.2005 aufheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

M, am 1.4.2005 O K"

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der am 4.5.2005 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm sowohl der Berufungswerber in Vertretung seines Rechtsfreundes sowie ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil.

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

4.1. Unstrittig ist neben der Verweigerung der Auskunftserteilung, zwischenzeitig die Lenkeigenschaft an der anfragebezogenen Örtlichkeit durch den Berufungswerber.

Im Rahmen seiner Befragung stellte der Berufungswerber die subjektive Tatseite, d.h. die Motive für seine Verweigerung gegenüber dem erkennenden und antragstellenden Verwaltungssenat in sehr anschaulicher und menschlich gut nachvollziehbarer Weise dar. Er brachte seine Angst zum Ausdruck, im Falle der wahrheitsgemäßen Erteilung der Lenkerauskunft, welche zur Bekanntgabe seiner Lenkereigenschaft führen hätte müssen, sich nicht nur eine Bestrafung, sondern allenfalls auch einem Verfahren des Entzuges seiner Lenkberechtigung auszusetzen. Diese die Auskunftsverweigerung betreffende Fahrt sei rein zufällig in Begleitung seines Rechtsbeistandes erfolgt.

Sein Hinweis auf sein Recht zu schweigen und nicht an einer Selbstbeschuldigung oder Selbstanklage mitwirken zu müssen und sich dadurch selbst in sehr bedeutenden Interessen, wie etwa nicht bestraft und keinem Entzugsverfahren hinsichtlich der Lenkberechtigung ausgesetzt zu werden, überzeugt demnach und trägt offenkundig das Verweigerungs- und damit das Tatmotiv.

Seiner in Anregung auf Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof mit Blick auf eine dort bereits zu dieser Frage anhängigen Bescheidbeschwerde vom 12.4.2005 (B 422/05) hat sich der unabhängige Verwaltungssenat vorerst veranlasst gesehen den im Spruch genannten Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Da jedoch am gleichen Tag beim Oö. Verwaltungssenat der vom Verfassungsgerichtshof gefasste Beschluss vom 11.3.2005, B 210/05-3 einlangte, womit das Höchstgericht eine im Ergebnis inhaltsgleiche Beschwerde des Rechtsvertreters des Berufungswerbers abwies, wäre einem im Ergebnis inhaltsgleichen Antrag wohl kein Erfolg beschieden.

Obwohl der Verfassungsgerichtshof der Ablehnung der Beschwerde das Urteil des EGMR v. 8.4.2004, Weh gg. Österreich, Zl 38544/97 zu Grunde legte, ist wohl der h. Berufungsfall, wie unten darzulegen sein wird, zweifelsfrei anders gelagert.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Zweck dieser Regelung in der jederzeitigen Feststellungsmöglichkeit eines Kfz-Lenkers (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Darauf gestützt muss der Schuldspruch bestätigt, der Strafausspruch jedoch dem Verschulden und den Einkommensverhältnissen angepasst werden.

5.2. Der unabhängige Verwaltungssenat übersieht ebenfalls nicht, dass dieses Staatsziel zwischenzeitig allenfalls verstärkt in unlösbarem Spannungsverhältnis zu ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten Werten steht. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass dieses der europäischen Rechtskultur weitgehend fremde Rechtsinstitut mit Blick auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ableitenden Harmonisierungsbedarf zwischenzeitig zu einer anderen rechtlichen bzw. rechtspolitischen Wertigkeit geführt haben mag.

Diesbezüglich erweist sich das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft wahrlich als Fremdkörper, indem darauf gestützte Bestrafungen etwa in Deutschland nicht vollstreckt werden.

Wenn der EGMR im o.a. Urteil (Weh gg. Österreich) nur deshalb (noch) keine Konventionsverletzung in der Fallgestaltung der Auskunftspflicht feststellte, weil darin keine "ausreichend konkrete Verbindung zwischen dem Auskunftsbegehren und einer damit zu erwartenden Bestrafung des Verweigerers bestand", wäre dies im gegenständlichen Fall offenkundig nicht zutreffend gewesen.

In diesem Verfahren wäre die Befürchtung des Berufungswerbers wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit bestätigt worden, wobei eine Bestrafung wegen einer Übertretung der StVO wohl unausweichlich gefolgt wäre. Subjektiv mag auch die Befürchtung eines Entzuges der Lenkberechtigung vorgelegen haben. Das der hier mit dieser Strafe ausgeübte Zwang zur Selbstbeschuldigung geradezu als das "geringere Übel" in Kauf genommen wurde liegt demnach auf der Hand.

So hat der Verfassungsgerichtshof schon im Zuge der Aufhebung einer früheren Fassung dieser Rechtsvorschrift, die unter Wahrheitspflicht gegebene Antwort des Zulassungsbesitzers, er habe das Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt nicht einem Dritten zum Lenken überlassen, den dahinter stehenden materiellen Zwang zu einer Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung, die unter Hinweis auf die im Verfahren zu G7/80 näher dargelegten Gründe als verfassungsrechtlich verpönt erachtet (VfSlg. 10394).

In der nachfolgend geänderten Fassung dieser Rechtsvorschrift wollte der Verfassungsgesetzgeber mit der Ermächtigung zur Einholung bestimmter Auskünfte in § 103 Abs.2 KFG idF der 10. KFG-Novelle (versehen mit einer Verfassungsbestimmung), die Realisierung eines bestimmten rechtspolitischen Anliegens ermöglichen, von dem er - ob zu Recht oder zu Unrecht, was der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen hatte - annahm diesem nur durch die sogenannte Lenkerauskunft entsprechen zu können. Der Verfassungsgesetzgeber durchbrach mit dieser Ermächtigung den aus dem Anklageprinzip des Art.90 Abs.2 B-VG - auch für Verwaltungsstrafverfahren - erfließenden Grundsatzes, dass niemand unter Strafsanktion gezwungen werden dürfe, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen (Hinweis auf VfSlg. 9950/1984, 10394/1985). Er nahm damit die Durchbrechung von an sich verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien in Kauf. Auf eine Verpflichtung zur Selbstbeschuldigung liefen nämlich die damals in Prüfung gezogenen Bestimmungen ebenso hinaus wie die bereits durch VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 aufgehobenen Vorgängerbestimmungen des § 103 Abs.2 KFG idF BGBl. 106/1986; dass die damals in Prüfung stehende gesetzliche Regelung mit diesen in Zielrichtung und allen wesentlichen Bestimmungen übereinstimmten, wurde seinerzeit von allen Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens anerkannt.

Der Verfassungsgerichtshof blieb zuletzt bei seinem in der bisherigen Judikatur (VfGH 23.06.88, V29/88 ua.) eingenommenen Standpunkt, dass - angesichts der Verpflichtung zur baugesetzkonformen Interpretation (Hinweis auf VfGH 01.07.87, G78/87) - einer Verfassungsbestimmung im Zweifel kein Inhalt beizumessen ist, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art. 44 Abs.3 B-VG) stellen würde.

Ein solcher möglicher Widerspruch wäre in Eingriffen erblickbar - so der Verfassungsgerichtshof - die Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie etwa eine Einschränkung dessen Gesetzesprüfungskompetenz oder nicht nur zu einer Durchbrechung der Grundrechtsordnung führten, wenn schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen würden (Hinweis auf VfGH 23.06.88, V29/88 ua.).

Wenn - wie offenbar jüngst durch den VfGH in B 210/05-3 unverändert beurteilt - diese Bestimmung abermals keinen Anlass für ein Gesetzesprüfungsverfahren bildete, gilt weiterhin das schon vor zwanzig Jahren mit der Verfassungsbestimmung definierte rechtspolitische Ziel dieses Rechtsinstituts. Die Lenkerauskunft ist demnach am Maßstab der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu beurteilen. Neue Sachargumente gegen diese ursprüngliche Betrachtung greifen offenbar nicht.

Diese könnten etwa im Ergebnis der Auswertung der jüngst eingerichteten "Section Control Strecke" erblickt werden, dem zur Folge 60 % der Verwaltungsübertretungen durch nicht mit Lenkererhebung zu "überführende" (ausländische) Fahrzeuglenker begangen werden. Dies führt in der Vollzugspraxis zur Ungleichbehandlung der inländischen Kraftfahrer durch die exklusive Anwendung des "§ 103 Abs.2 KFG". Keinesfalls trifft es ferner zu, dass es unbedingt der Lenkererhebung bedarf um den vom Gesetzgeber in dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Bestimmung intendierten Zweck zu erreichen.

Dem den Schuldspruch bestätigenden Verwaltungssenat ist bewusst, dass letztere Überlegungen ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten zu bleiben hätten. So könnte aber auch mit der verpflichtenden Führung eines Fahrtenbuches - wie dies etwa in Deutschland angeordnet werden kann - eine nachfolgende Lenkereigenschaft eines vom Zulassungsbesitzer verschiedenen Lenkers sachgerecht möglich sein. Dies würde zu keiner selektiven Selbstbeschuldigung führen, einen Lenker aber dennoch über entsprechende Aufzeichnungen in Erfahrung bringen lassen. Durchaus legitim muss die Frage gestellt werden, ob sich unter Bedachtnahme auf die Einzigartigkeit dieses Rechtsinstitutes in Europa die verfassungsrechtliche Durchbrechung des Selbstbeschuldigungsverbotes mit dem Hinweis auf das Staatsziel auch heute noch rechtfertigen lässt. Nur am Rande sei an dieser Stelle, auf die aus tatsachenkognitiven Vollzugspraxis geschöpfte Erfahrung verwiesen werden, wonach "mit bloßen Anzeigen nach dem Kennzeichen" exorbitante und einer ökonomischen Betrachtung entzogene Verfahrensaufwände, verbunden sein können, wobei der Vollzug vielfach scheitert.

Bereits im Rahmen der zur Gesetzeswerdung des BGBl 1982/289 ergangenen Stellungnahmen, hat etwa der ÖAMTC im Rahmen des Begutachtungsverfahrens dem damaligen B (heute B) unter Hinweis auf die in der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Schweiz bestehenden Regelungen vorgeschlagen, zwar eine Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Erteilung der Lenkerauskunft einzuführen, wobei aber dem Zulassungsbesitzer in Übereinstimmung mit den vom VfGH anerkannten verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechten ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt werden sollte, falls der Zulassungsbesitzer durch seine Auskunft sich oder seine nahen Angehörigen belasten müsste. Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass die Mehrheit der Kfz-Lenker von diesem Zeugnisverweigerungsrecht wahrheitswidrig Gebrauch machen würden.

Daneben - so der damalige Vorschlag - sollte durch verstärktes - nötigenfalls zwangsweise durchgeführtes - Anhalten von Fahrzeuglenkern, die eine strafbare Handlung begangen haben, vorgegangen werden und sogenannte "Kennzeichenanzeigen" sollten möglichst reduziert werden. Diese Maßnahme hätte einen nicht zu unterschätzenden pädagogischen Wert, der weitaus größer wäre als die Ahndung von Verwaltungsübertretungen einige Monate nach Begehung der Tat mittels Strafverfügung (Anonymverfügung) oder Straferkenntnis auf Grund sogenannter "Kennzeichenanzeigen" (s. M, Die Lenkerauskunft und das "fair trial", in ZVR 1985, 290, mit Hinweis auf ZVR 1984/183 und ZVR 1985/137);

Diese damals schon im Sinne eines vermeidbaren Grundrechtseingriffes liegen nun zwanzig Jahre zurück, wobei zwischenzeitig Überwachungs- und Täterermittlungsmethoden verfügbar sind, welche auf ein Zurückgreifen auf ein System, welches dem Bürger und Strafandrohung bis 2.180 Euro zur Selbstbeschuldigung verpflichtet, in einem geänderten Sachlichkeitszusammenhang stehen.

Daher teilt der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich das Berufungsvorbringen dahingehend, wonach die hier fragliche Bestimmung nicht nur mit dem Grundsatz "nemo tenetur" iSd Art. 90 Abs. 2 B-VG u.a. sich nicht selbst belasten zu müssen und damit ein nicht nur Konfliktspotential zum Erfordernis des "fair trial" iSd Art. 6 EMRK, sondern auch mit Blick auf das Rechtsstaatlichkeitsprinzip bildet. Obwohl diese als Verfassungsbestimmung gestaltete Vorschrift in den Verfassungsrang erhoben wurde, widerspricht diese allenfalls noch höheren durch die Bundesverfassung geschützten Interessen und Schutzzielen, welche es, neben dem Rechtsstaatsprinzip und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte auch am Gleichbehandlungsprinzip zu messen gilt (s. auch Lienbacher, ZfV 1986, 536).

Somit wird jedenfalls nicht verkannt, dass mit dieser Bestrafung ein der Menschenrechtskonvention zuleitender Standard verletzt sein könnte. Dies aufzugreifen wird - unter Hinweis auf den o.a. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes letztlich jedoch den europäischen Instanzen anverwahrt zu bleiben haben, ob - anders als im Fall Weh - der Berufungswerber hier durch die klar zur Vermeidung seiner Selbstanschuldigung führende Auskunftsverweigerung bzw. der hier diesbezüglich zu bestätigenden Bestrafung - in einem von der EMRK geschützten Recht verletzt wurde.

Das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers ist durchaus von inhaltlicher Substanz, deren Berücksichtigung jedoch an der realen Rechtslage scheitern muss.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass der von der Erstbehörde verhängten Strafe in der Höhe von 150 Euro grundsätzlich nicht mit Erfolg entgegen getreten werden könnte.

Immerhin reicht der Strafrahmen bis 2.180 Euro. Der objektive Unwertgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe muss wegen des dieser Rechtsvorschrift inhärenten öffentlichen Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit und der sich daraus ableitenden Pflicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, in einer solcherart herbeigeführten Vereitelung der Strafverfolgung nicht bloß als geringfügig abgetan werden.

Dennoch sind die vom Berufungswerber vorgetragenen subjektiven Interessen an der Auskunftsverweigerung auf der Schuldebene dennoch zu berücksichtigen gewesen. Wie oben ausführlich dargetan wird ein Betroffener mit der Mitwirkungspflicht zur eigenen Strafverfolgung in einen unlösbaren Interessenskonflikt gebracht, wobei die mit Blick auf das ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte Schutzgut des Art. 90 B-VG sehr wohl beachtlich ist.

Die nunmehr mit 100 Euro festgesetzte Geldstrafe ist angesichts einer straferschwerend zu wertenden einschlägigen Vormerkung des Berufungswerbers als tatschuldangemessen zu qualifizieren.

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von
180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 VwGH vom 27.01.2006, Zl.: 2005/02/0153-4

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