Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160638/19/Zo/Da

Linz, 25.10.2005

 

 

 

VwSen-160638/19/Zo/Da Linz, am 25. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn R D, N, vom 16.6.2005 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 31.5.2005, Zl. VerkR96-103-2005, wegen drei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 13.10.2005 zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich Punkt 1 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

Hinsichtlich Punkt 2 wird der Berufung stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Hinsichtlich Punkt 3 wird die Berufung im Schuldspruch abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt. Die verhängten Strafen werden jedoch wie folgt herabgesetzt: Geldstrafe 70 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 21 Stunden.

 

Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 19 Euro, für das Berufungsverfahren hat der Berufungswerber einen Kostenbeitrag in Höhe von 24 Euro (20 % der zu Punkt 1 verhängten Geldstrafe) zu bezahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und III.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG.

zu II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu IV.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Berufungswerber vorgeworfen, dass er am 14.12.2004 um 16.35 Uhr als Lenker des PKW auf der B127 bei Str.km 19,200 in Fahrtrichtung Linz ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden.

 

Weiters habe er am 14.12.2004 um 16.40 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen auf der B127 bei Str.km 14,700 in Fahrtrichtung Linz vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein mehrspuriges Fahrzeug überholt. Bei diesem Überholvorgang sei auch nicht einwandfrei erkennbar gewesen, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Der Berufungswerber habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach §§ 16 Abs.1 lit.a, 16 Abs.2 lit.b und 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 begangen, weshalb über ihn Geldstrafen von jeweils 120 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 36 Stunden) gemäß § 99 Abs.3 lit.a. StVO 1960 verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 36 Euro verpflichtet.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber zu Punkt 1 vorbringt, dass die Angaben des Zeugen B nicht stimmen können. Die vom Zeugen beschriebene Linkskurve befinde sich bei Str.km 19,0 und dieser habe ihn daher nach dem Kurvenausgang also bei ca. km 19,050 bereits sehen können. Ihm wird vorgeworfen, dass er bei km 19,200 überholt habe, wobei er zu diesem Zeitpunkt - also bei km 19,200 - den Gegenverkehr bereits wahrnehmen konnte und den Überholvorgang wieder abgebrochen hatte. Von jener Stelle, wo ihn der Gegenverkehr habe wahrnehmen können, bis zu jener Stelle, an welcher er seinen Überholvorgang abgebrochen hatte, liegen daher 150 m, sodass es zu keinerlei Behinderung oder Gefährdung des Gegenverkehrs habe kommen können.

 

Hinsichtlich Punkt 2 des Straferkenntnisses führte der Berufungswerber aus, dass es sich beim gegenständlichen Straßenstück um eine langgezogene leichte Linkskurve handle, die gut einzusehen sei. Zum Zeitpunkt des Überholvorganges sei es schon sehr dämmrig gewesen, sodass man bereits mit Licht fahren musste und der Gegenverkehr weithin sichtbar gewesen sei. Der Gendarmeriebeamte habe ebenfalls unmittelbar hinter ihm überholt, obwohl eine unmittelbare Anhaltung gar nicht notwendig gewesen wäre, weil ohnedies das Kennzeichen für die Anzeigeerstattung genügt hätte. Die gegenständliche Straßenstelle müsse daher für einen Überholvorgang geeignet gewesen sein, weil ja sonst auch das Gendarmeriefahrzeug nicht hätte überholen können. Die Angaben des Gendarmeriebeamten, er habe sich knapp vor dem Gegenverkehr wieder auf seinen Fahrstreifen eingeordnet seien viel zu ungenau und in diesem Punkt sei interessant, dass der Zeuge B beim ersten Überholvorgang einen exakten Abstand von 50 m angegeben habe. Es habe daher keinerlei Gefährdung oder Nötigung des Gegenverkehrs gegeben, zum Begegnungsverkehr sei es ohnedies erst gekommen, als er bereits auf der Bushaltestelle angehalten worden sei.

 

Hinsichtlich Punkt 3 führte der Berufungswerber aus, dass es auf der gegenständlichen Fahrtstrecke (vom Saurüssel bis zur Abzweigung nach Semleithen) ohne weiteres möglich ist, den Straßenabschnitt vor den zu überholenden Fahrzeugen zu überblicken weil sich dort einige Kurven befinden. In diesen Kurven könne er eben den Bereich vor dem zu überholenden Fahrzeug einsehen und feststellen, ob dort Platz zum Wiedereinordnen ist. Im gegenständlichen Fall konnte er also sehen, dass sich vor dem zu überholenden LKW keine anderen Fahrzeuge befinden und er sich daher gefahrlos vor diesem auf der rechten Fahrbahnseite einordnen konnte.

 

3. Die Bezirkshauptfrau von Rohrbach hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle, bei welcher der Berufungswerber gehört sowie die Zeugen B, J A und G A unter Erinnerung an die Wahrheitspflicht zum Sachverhalt einvernommen wurden.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

 

Die örtlichen Verhältnisse im Bereich von Str.km 19,200 in Fahrtrichtung Linz stellen sich wie folgt dar:

Die Fahrbahnbreite beträgt ca. 8,5 m, die Fahrbahn verläuft in Fahrtrichtung des Berufungswerbers vorerst gerade und bildet dann eine leichte Linkskurve, wobei sich am linken Fahrbahnrand eine bewachsene Böschung befindet. In weiterer Folge geht die Fahrbahn der B127 in eine Rechtskurve über. Von Str.km 19,2 beträgt die Sichtweite in Fahrtrichtung des Berufungswerbers 243 m.

 

Diesen Überholvorgang schilderte der Berufungswerber wie folgt:

Er fuhr bereits einige Zeit hinter einem Audi sowie einem VW-Bus nach, welcher lediglich eine Geschwindigkeit von ca. 60 - 65 km/h eingehalten hat. Unmittelbar vor seinem Überholmanöver habe der vor ihm fahrende Audi den VW-Bus überholt. Nachdem dieser den Überholvorgang abgeschlossen hatte, wollte auch er den VW-Bus überholen, lenkte dazu sein Fahrzeug auf den linken Fahrstreifen und beschleunigte dieses. Als er sich in etwa auf halber Höhe mit dem zu überholenden Fahrzeug befand, nahm er im Gegenverkehr die Lichter eines PKW wahr. Er hat dann das Überholmanöver sofort abgebrochen, sein Fahrzeug entsprechend abgebremst und sich wieder hinter dem VW-Bus eingereiht. Während des Überholvorganges hat er sein Fahrzeug auf max. 100 km/h beschleunigt und konnte dieses noch problemlos abbremsen und sich wieder hinter dem VW-Bus einreihen. Er habe sich zum Zeitpunkt des Wiedereinreihens ungefähr bei km 19,150 befunden. Das entgegenkommende Fahrzeug sei gerade aus der Kurve gekommen und die Entfernung zu diesem dürfte noch annähernd 150 m betragen haben. Am entgegenkommenden Fahrzeug sei ihm nichts besonderes aufgefallen, er habe auch nicht gesehen, dass dieses an den Fahrbahnrand gelenkt bzw. abgebremst worden wäre.

 

Der Zeuge B schilderte den Vorfall wie folgt:

Er habe sich in etwa bei km 18,900 befunden, als ihm aufgefallen sei, dass im Gegenverkehr zwei Scheinwerferpaare nebeneinander gefahren sind, wobei er vorerst geglaubt habe, dass die Fahrzeuge ohnedies hintereinander gefahren seien und er sich lediglich wegen des Kurvenverlaufes diesbezüglich getäuscht habe. Dann sei ihm aber gleich aufgefallen, dass die Fahrzeuge tatsächlich nebeneinander gefahren sind und offenbar ein Fahrzeug ein anderes überholen wollte. Er habe seinen PKW sofort stark abgebremst und nach rechts auf das Bankett verlenkt. Das Bremsmanöver sei so stark gewesen, dass das ABS angesprochen habe, wobei die Fahrbahn trocken gewesen sei. Er sei dann zwischen zwei Leitpflöcken im Bereich von km 18,970 bis 19,030 zum Stillstand gekommen. Das entgegenkommende überholende Fahrzeug habe sich wieder hinter dem auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug eingeordnet. Die Entfernung zum entgegenkommenden überholenden Fahrzeug zu jenem Zeitpunkt, als er die Notbremsung einleitete, schätzte der Zeuge auf sicher weniger als zwei Leitpflöcke, also ungefähr auf 50 m. Zu jenem Zeitpunkt, als er bereits auf dem rechten Bankett war, hatte er den Eindruck, dass die drei Fahrzeuge praktisch nebeneinander gefahren sind, wobei das Fahrzeug des überholenden bereits wieder hinter dem VW-Bus aber zumindest noch teilweise auf seinem Fahrstreifen gewesen sei. Er habe das ganze Fahrmanöver reflexartig und sehr schnell durchgeführt. Das Kennzeichen habe sich seine Freundin gemerkt.

 

Die Zeugin A gab zum Sachverhalt an, dass sie damals Beifahrerin in dem von ihrem Freund gelenkten PKW gewesen sei. Plötzlich habe ihr Freund das Fahrzeug stark abgebremst und nach rechts auf das Bankett verlenkt. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr aufgefallen, dass im Gegenverkehr zwei Fahrzeuge nebeneinander gefahren sind. Sie habe sich dann auf das Kennzeichen des entgegenkommenden überholenden Fahrzeuges konzentriert und konnte dieses bei der Vorbeifahrt ablesen. Daraufhin habe sie sich umgedreht und nochmals kontrolliert, ob das Kennzeichen stimmt. Das entgegenkommende Fahrzeug habe den Überholvorgang abgebrochen und sich wieder hinter dem anderen Fahrzeug eingereiht. Sie habe sich dann umgedreht, und das Kennzeichen des wegfahrenden Fahrzeuges nochmals kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug wieder auf dem rechten Fahrstreifen gewesen.

 

Zu diesen unterschiedlichen Angaben ist im Rahmen der Beweiswürdigung Folgendes festzuhalten:

Die beiden Zeugen A und B machten einen glaubwürdigen Eindruck und bemühten sich offenkundig, den Sachverhalt aus ihrer Erinnerung richtig wieder zu geben. In ihren Angaben befinden sich keine wesentlichen Widersprüche. Der Berufungswerber selbst versuchte hingegen, den Vorgang zu verharmlosen. Auffällig war in diesem Zusammenhang seine Bemerkung, dass er im Gegenverkehr nicht beurteilen könne, ob das entgegenkommende Fahrzeug stehen bleibt bzw. auf das Bankett abgelenkt wird. Erst nachdem ihm die offenkundige Unwahrscheinlichkeit dieser Behauptung bewusst geworden war (immerhin verfügt er nach seinen eigenen Angaben über eine extrem hohe Erfahrung als Kraftfahrer) schwächte er diese Aussage dahingehend ab, dass er darauf eben nicht geachtet habe. Es darf auch nicht übersehen werden, dass sich die Zeugen spontan zur Anzeige entschlossen haben. Das ist nur damit erklärbar, dass sie sich tatsächlich gefährdet gefühlt haben, was aber unmöglich wäre, wenn die Angaben des Berufungswerbers stimmen würden. Der Umstand, dass die Zeugin A die Freundin des Zeugen B ist, sowie ihr Vater jener Gendarmeriebeamte ist, welcher zum damaligen Zeitpunkt auf der B127 Dienst versehen hat und in weiterer Folge die Amtshandlung bezüglich des zweiten angezeigten Überholmanövers durchgeführt hat, hat auf die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen keinen Einfluss.

Es war daher insgesamt den Angaben der Zeugen mehr Glauben zu schenken und es ist als erwiesen anzusehen, dass der Berufungswerber im Bereich von km 19,200 ein Überholmanöver begann, welches er - als er sich bereits auf Höhe mit dem überholenden Fahrzeug befand - wegen eines entgegenkommenden Fahrzeuges abbrechen musste, wobei der Abstand zu diesem entgegenkommenden Fahrzeug so gering war, dass dieses bis zum Stillstand abgebremst und auf das Bankett verlenkt werden musste, um einen Verkehrsunfall zu verhindern.

 

4.3. Hinsichtlich des zweiten angezeigten Überholvorganges (Punkt 2 und 3 des Straferkenntnisses) ergab der Lokalaugenschein, dass die B127 in diesem Bereich annähernd gerade verläuft und bei km 14,500 eine langgezogene Linkskurve beschreibt. Die Fahrbahnbreite beträgt hier ebenfalls ca. 8 - 8,5 m. Vom rechten Fahrstreifen aus beträgt die Sichtweite auf den ankommenden Verkehr mind. 400 m. Die Sicht ist durch die links an die B127 befindlichen Bäume teilweise eingeschränkt. Je weiter man sich vom rechten Fahrbahnrand in Richtung Fahrbahnmitte bewegt, desto kürzer wird die Sichtweite. Wenn man berücksichtigt, dass vor dem Berufungswerber ein LKW mit einem Tieflader gefahren ist, so musste der Berufungswerber, um an diesem links vorbeisehen zu können, sein Fahrzeug nach links versetzen. In etwa von der Fahrbahnmitte aus reicht die Sichtweite in etwa bis zu km 14,400, also ungefähr bis zur Zufahrt zum Roten Kreuz.

 

Der Berufungswerber führte zu diesem Überholmanöver aus, dass er im Bereich von km 14,6 das Überholmanöver begonnen habe, wobei er den Audi sowie einen vor diesem fahrenden LKW mit einem Tieflader überholt habe. Diese Fahrzeuge seien mit einer geschätzten Geschwindigkeit von ca. 70 km/h gefahren und er habe das Überholmanöver im Bereich der Zufahrt zum Roten Kreuz abgeschlossen. Diese befindet sich im Bereich von km 14,400. Er sei dann bei der nächsten Ampel in einer Bushaltestelle angehalten worden, das nachfahrende Gendarmeriefahrzeug habe das Blaulicht eingeschaltet, als er sich während seines Überholvorganges in etwa auf Höhe mit dem Audi befunden habe. Er habe sich wegen des Blaulichtes entschlossen, auch den LKW-Zug in einem zu überholen um eben dem Einsatzfahrzeug rasch Platz zu machen. Zu diesem Zeitpunkt habe er das Blaulicht nicht auf sich selbst bezogen. Der Berufungswerber räumte allerdings auch ein, dass er sich zwar zwischen dem Audi und dem LKW-Zug hätte einordnen können, dabei aber den Audi behindert hätte.

 

Der Gendarmeriebeamte A führte als Zeuge aus, dass der Berufungswerber den Überholvorgang in etwa bei km 14,700 begonnen habe und diesen im Bereich der Zufahrt zum Roten Kreuz abgeschlossen hatte. Es sei dann auch ein Gegenverkehr aufgetaucht, ob dieser behindert wurde, könne er aber nicht mehr sagen. Er habe unter Verwendung von Blaulicht den Audi sowie den LKW-Zug ebenfalls überholt um eben den Fahrzeuglenker direkt zu beanstanden. Weder der Berufungswerber noch er selbst haben bei diesem Überholvorgang jemanden gefährdet. Der Berufungswerber habe den PKW und den LKW-Zug in einem Zug überholt und diesen Überholvorgang im Bereich von km 14,400, also der Zufahrt zum Roten Kreuz, abgeschlossen. Genau bis dorthin habe am Beginn des Überholvorganges die Überholsicht gereicht.

 

Anzuführen ist, dass es letztlich für die rechtliche Beurteilung egal ist, ob das Überholmanöver bei km 14,6 oder bei km 14,7 begonnen wurde. Von beiden Straßenstellen aus reichte die Sichtweite jedenfalls ziemlich genau bis zur Einfahrt zum Roten Kreuz und in diesem Bereich konnte der Berufungswerber seinen Überholvorgang abschließen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

 

5.2. Hinsichtlich des ersten Überholvorganges (Punkt 1 des Straferkenntnisses) hat das Beweisverfahren ergeben, dass das entgegenkommende Fahrzeug der Zeugen tatsächlich wegen des Überholmanövers des Berufungswerbers auf das Bankett verlenkt und stark abgebremst werden musste, um einen Verkehrsunfall zu verhindern. Bezüglich der Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 4.2. verwiesen. Der Berufungswerber hat also durch diesen Überholvorgang die Insassen des entgegenkommenden Fahrzeuges tatsächlich behindert und gefährdet. Er hat damit die ihm in Punkt 1 vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass das Überholmanöver mit großer Wahrscheinlichkeit nicht genau bei km 19,200 begonnen wurde und erst etwas später abgebrochen wurde. Dies ändert aber nichts daran, dass der Tatvorwurf "bei Str.km 19,200" hinsichtlich der Örtlichkeit ausreichend genau ist, weil Überholmanöver ihrer Natur nach nur im fließenden Verkehr durchgeführt werden können und daher eine metergenaue Angabe des genauen Tatortes nicht möglich ist. Der Berufungswerber hat sein Überholmanöver zwar wieder abgebrochen, er hat dennoch ein rechtswidriges Überholen zu verantworten, weil dieser Tatbestand bereits dann erfüllt ist, wenn der Fahrzeuglenker mit dem anderen Fahrzeug auf gleiche Höhe gekommen ist (siehe VwGH vom 27.1.1966, 674/65).

 

5.3. Hinsichtlich des zweiten Überholvorganges ist erwiesen, dass der Berufungswerber sein Überholmanöver in jenem Bereich abschließen konnte, soweit die Sichtweite am Beginn des Überholmanövers reichte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe z.B. VwGH vom 18.6.1997, Zl. 97/03/0029) kommt es für die Beurteilung, ob eine Straßenstelle als unübersichtlich iSd § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 anzusehen ist, nicht auf einen möglichen Gegenverkehr an. Wenn der Fahrzeuglenker am Beginn seines Überholvorganges jene Straßenstelle, die er bis zum Abschluss des Überholvorganges benötigt, zur Gänze überblicken kann, so liegt keine unübersichtliche Straßenstelle iSd § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 vor. Im gegenständlichen Fall konnte der Berufungswerber sein Überholmanöver eben im Bereich der Zufahrt zum Roten Kreuz abschließen und er konnte die Straße auch am Beginn seines Überholvorganges bis zu jener Zufahrt einsehen. Er hat daher die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 nicht zu verantworten.

 

§ 16 Abs.1 lit.b StVO 1960 verlangt hingegen, dass der Überholende bereits am Beginn des Überholvorganges eine so große Strecke einsehen kann, dass er sich nach dem Überholvorgang vor dem überholten Fahrzeug wieder auf dem rechten Fahrstreifen einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Zu diesen "anderen Straßenbenützern" gehört auch ein möglicher Gegenverkehr, welcher sich mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nähert. Bei der Beurteilung am Beginn des Überholvorganges muss der Fahrzeuglenker daher jene Wegstrecke miteinberechnen, die ein möglicher Gegenverkehr in jener Zeitspanne zurücklegt, in welcher sich er selbst während des Überholvorganges auf dem Fahrstreifen für den Gegenverkehr befindet. Nur wenn er seine eigene Überholstrecke und zusätzlich die Wegstrecke dieses möglichen Gegenverkehrs überblicken kann, hat der Überholende sich davon überzeugt, dass er den Überholvorgang ohne Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer durchführen kann. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob es am Ende des Überholvorganges tatsächlich zu einer Behinderung eines anderen Fahrzeuglenkers gekommen ist.

 

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Berufungswerber für seinen Überholvorgang mindestens 200 m benötigt hat und diesen ziemlich genau an jener Stelle abschließen konnte, die er am Beginn des Überholvorganges gerade noch einsehen konnte, nämlich im Bereich der Zufahrt zum Roten Kreuz. Der Berufungswerber musste aber damit rechnen, dass ein allfälliger Gegenverkehr während seines Überholmanövers erlaubter Weise ebenfalls eine Strecke von ca. 200 m zurückgelegt hätte. Er hätte daher für einen gefahrlosen Überholvorgang eine Sichtweite nicht nur bis zur Zufahrt zum Roten Kreuz sondern darüber hinaus um weitere 200 m benötigt. Diese Sichtweite war aber nicht vorhanden. Der Berufungswerber konnte daher am Beginn seines Überholmanövers nicht einwandfrei erkennen, ob er sich nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Er hat damit die Verwaltungsübertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Anzuführen ist noch, dass der Berufungswerber sich nicht zwischen dem überholten PKW und dem LKW-Zug hätte wieder einordnen können, ohne den überholten PKW zu behindern. Dies ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Der Umstand, dass auch der Gendarmeriebeamte sich entschlossen hat, in jenem Bereich - allerdings unter Verwendung von Blaulicht - zu überholen, ändert nichts an dieser Beurteilung. Die Lenker von Einsatzfahrzeugen sind bei Verwendung von Blaulicht gemäß § 26 Abs.2 StVO an Verkehrsverbote nicht gebunden, er darf dabei jedoch weder Personen gefährden noch Sachen beschädigen. Eine tatsächliche Gefährdung anderer Straßenbenützer wird aber einerseits dem Berufungswerber selbst nicht vorgeworfen und das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Gendarmeriebeamte eine solche durch sein Überholmanöver herbeigeführt hätte.

 

5.4. Hinsichtlich des Verschuldens ist darauf hinzuweisen, dass es sich in beiden Fällen um sogenannte Ungehorsamsdelikte iSd § 5 VStG handelt. Das Verfahren hat keine Hinweise darauf ergeben, dass dem Berufungswerber kein Verschulden treffen würde, weshalb ihm zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist.

 

5.5. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Erstinstanz hat zutreffend bei der Strafbemessung berücksichtigt, dass der Berufungswerber wegen anderer verkehrsrechtlicher Vormerkungen nicht unbescholten ist. Auch general- und spezialpräventive Überlegungen wurden zu Recht berücksichtigt. Hinsichtlich Punkt 1 ist es zu einer tatsächlichen Behinderung und auch Gefährdung des entgegenkommenden Fahrzeuges gekommen, weshalb die von der Erstinstanz verhängte Geldstrafe von 120 Euro jedenfalls angemessen ist. Hinsichtlich Punkt 3 ergab sich jedoch keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, weshalb in diesem Punkt die Geldstrafe (und damit auch die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe) entsprechend herabzusetzen waren. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von jeweils 726 Euro erscheinen die nunmehr festgesetzten Strafen keineswegs überhöht. Sie entsprechen auch den vom Berufungswerber bekannt gegebenen persönlichen Verhältnissen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

 

 

 

 

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