Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160727/9/Bi/Ps

Linz, 03.04.2006

 

 

 

VwSen-160727/9/Bi/Ps Linz, am 3. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn G P, R, D, vertreten durch RA Ing. Mag. K H, S, L, vom 17. Juni 2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 30. Juni 2005, VerkR96-5127-2004, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 30. März 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren im Zweifel eingestellt, wobei Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 300 Euro (120 Stunden EFS) verhängt, weil er am 29. Mai 2004 um 16.55 Uhr den Pkw, Kz. W-, auf der A25 Welser Autobahn bei km 9.500 im Gemeindegebiet von Marchtrenk in Fahrtrichtung Linz gelenkt habe, wobei er die durch Vorschriftszeichen kundgemachte "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" von 100 km/h überschritten habe (gefahrene Geschwindigkeit: 153 km/h).

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 30 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 30. März 2006 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Mag. J H, des Meldungslegers RI N B (Ml) und des technischen AmtsSV Ing. R H durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Tatvorwurf sei hinsichtlich der Fahrtrichtung Linz verjährt. Die Messtoleranz von 10 % sei zu gering bemessen, dazu wird die Einholung eines kfztechnischen SV-Gutachtens beantragt, wobei der SV anhand der technischen Fahrzeugdaten unter Bekanntgabe der verwendeten Reifendimension zur Tatzeit den Tachometer des Fahrzeuges einer technischen Überprüfung unterziehen solle. Die Verordnung sei nicht gehörig kundgemacht worden, dazu wird die Beischaffung des Aktenvermerks über Datum und Uhrzeit der Aufstellung der Geschwindigkeitsbeschränkung beantragt - ebenso die Verwendungsbestimmungen für das Geschwindigkeitsmessgerät Mini Speed 2000, weil die Erstinstanz diesem Antrag nicht nachgekommen sei.

Unabhängig davon sei die Geldstrafe weit zu hoch bemessen, wobei sein Einkommen mit 1.500 Euro und der Hausbesitz berücksichtigt und eine Vormerkung vom 25.4.2002 als erschwerend gewertet worden sei. Nicht gewertet worden sei, dass die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen und er sich auch seither wohlverhalten habe, was seine positive Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten im Sinne eines Milderungsgrundes nach § 34 Z18 StGB zeige, weshalb allenfalls eine Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens angemessen gewesen wäre.

Beantragt wird eine mündliche Berufungsverhandlung auch zur Zeugeneinvernahme der Meldungsleger, Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu Strafherabsetzung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsfreund gehört, die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die im Akt befindliche Verordnung samt gutachterlichen Ausführungen dazu sowie die Mitteilung des Autobahnmeisters A L über die Aktivierung der in Rede stehenden Verordnung am 2.12.2003, 17.30 Uhr, und Deaktivierung am 2.11.2004, 15.00 Uhr, erörtert und der Meldungsleger unter Hinweis auf § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurde. Auf die Erstattung eines Gutachtens wurde verzichtet.

Fest steht, dass der Bw den Pkw W- am 29. Mai 2004 gegen 16.55 Uhr auf der Überholspur der Welser Autobahn in Richtung Linz lenkte, weil der Verkehr in dieser Fahrtrichtung wegen der A1-Baustelle zwischen Sattledt und Haid über die A25 umgeleitet wurde. Dem Bw, der in der Verhandlung bestätigte, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h zwar gesehen, jedoch als zur Nachtzeit aus Lärmschutzgründen geltend qualifiziert zu haben - er konnte nicht mehr sagen, ob von 5 - 22 Uhr oder umgekehrt - fiel ein Fahrzeug auf der Überholspur hinter ihm auf, das sich an seines annäherte und dann auf den rechten Fahrstreifen wechselte. Erst da fiel dem Bw Blaulicht hinter ihm auf, er wechselte ebenfalls auf den rechten Fahrstreifen und wurde von einer Zivilstreife überholt, wobei der Beamte ihm mit einer Kelle Zeichen gab. Sowohl der Bw als auch der hinter ihm fahrende italienische Pkw wurden bei einer Betriebsumkehr etwa bei km 3.5 der A25 vom Ml angehalten, wobei der Ml die Amtshandlung mit dem Bw führte und der zweite Beamte die mit dem Italiener.

Der Ml sagte aus, sie seien mit einem Zivilstreifenfahrzeug, einem Renault Espace, auf der A25 fahrend von zwei schnelleren Pkw überholt worden und diesen nachgefahren, wobei der Tacho des Zivilstreifenfahrzeuges eine Geschwindigkeit von 170 km/h angezeigt habe. Der Ml bestätigte, die Nachfahrt sei hinter dem italienischen Pkw erfolgt, wobei er aber aufgrund der inzwischen vergangenen Zeit weder zu den Örtlichkeiten hinsichtlich Überholen, Beschleunigungsstrecke, Einholen, Aufschließen und Nachfahrtstrecke mit annähernd gleichbleibendem Abstand noch Aussagen machen noch den als Tatort angeführten km 9.500 innerhalb dieser Nachfahrt irgendwie zuordnen konnte. Er schloss zwar dezidiert aus, dass das erste überholende Fahrzeug im Verlauf der Nachfahrt auf den rechten Fahrstreifen gewechselt hätte, weil das von seiner erhöhten Sitzposition aus aufgefallen wäre, bestätigte jedoch gleichzeitig, dass er sich bei der Nachfahrt (logischerweise) auf den italienischen Pkw konzentriert habe und nicht sagen könne, in welchem Abstand der Pkw davor zum italienischen Pkw unterwegs war. In der Verhandlung kam zum Ausdruck, dass beide Pkw zusammen angehalten wurden, weil die Zivilstreife - wo auch immer - von zwei Pkw überholt worden war und die Beamten mangels gegenteiliger Wahrnehmungen davon ausgingen, dass der Pkw, der vor dem italienischen Fahrzeug fuhr und erst nach dem Fahrstreifenwechsel des Italieners konkret sichtbar wurde, auch das erste überholende Fahrzeug war. Sichtkontakt auf das vom Bw gelenkte Fahrzeug hat während der Nachfahrt nach den Ausführungen des Ml nicht bestanden, sodass zum - für gutachterliche Berechnungen allerdings wesentlichen - Abstandsverhalten zwischen den beiden vor der Zivilstreife befindlichen Pkw keinerlei Aussage getroffen werden konnte.

In rechtlicher Hinsicht war daher unter Bedachtnahme auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG davon auszugehen, dass die Angaben des Ml in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichten, um die Nachfahrt und damit die Umstände der Feststellung einer überhöhten Geschwindigkeit des Bw objektiv nachzuvollziehen. Auch wenn nach übereinstimmenden Angaben beider der Bw bei der Anhaltung durch den Ml die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit nicht bestritten - er sei der Meinung gewesen, die 100 km/h-Beschränkung gelte zur Nachtzeit, ansonsten seien 130 km/h erlaubt, die er eingehalten habe - und die Bezahlung an Ort und Stelle - vom italienischen Lenker wurde eine Sicherheitsleistung eingehoben - verlangt hat, was der Ml aber mit dem Hinweis auf eine Anzeigeerstattung bei derart überhöhter Geschwindigkeit - die laut Bw bei der Anhaltung nicht konkret genannt wurde - abgelehnt hat, so ist die Tatanlastung von 153 km/h auf der Grundlage des Beweisverfahrens letztendlich nicht objektivierbar, zumal der Vorfall inzwischen zwei Jahre zurückliegt und keinerlei Aufzeichnung erfolgte oder technisch nachvollziehbare Angaben vorliegen.

Von einer Einvernahme des weiteren bei der Nachfahrt anwesenden Beamten GI H wurde abgesehen, da dieser nicht mehr in Oberösterreich beschäftigt ist und auch die Anzeige nicht von ihm stammt, sodass nach zwei Jahren detailliertere Angaben als vom Ml erfahrungsgemäß nicht zu erwarten sind.

Auf die Frage der abzuziehenden Messtoleranz - ob der Tachometer des Zivilstreifenfahrzeuges eine Tachoabweichung aufwies und deren eventuelle Größenordnung, war dem Ml nicht bekannt; 10 % Abzug gilt bei geeichten Tachometern (zB laut Zulassung Zl. 41 715/97 bei Tachometern der Bauart ProofSpeed), daher sind bei ungeeichten Tachometern Tachoableseabzüge sowie weitere Abzüge im Hinblick auf Nachfahrabstandsunsicherheiten bei direkter Nachfahrt vorzunehmen - war daher nicht mehr einzugehen und erübrigte sich die Einholung eines kfztechnischen SV-Gutachtens mangels einwandfreier Feststellung objektivierbarer Berechnungsgrundlagen. Im Zweifel war daher zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrenskostenbeiträge naturgemäß nicht anfallen.

Am Rande zu bemerken ist, dass der UVS zwar die Verjährungseinwendungen des Bw nicht teilt und auch keine Zweifel an der richtigen Kundmachung der Verordnung bestehen, die Geschwindigkeitsbeschränkung nach den Ausführungen des SV im Administrativverfahren zur Erlassung der "Umleitungsverordnung" allerdings lediglich zum "Ausfüllen" einer völlig ungehindert befahrbaren Strecke zwischen zwei immerhin 8 km auseinander liegenden Beschränkungsbereichen dient, wobei der vom Ml nicht zuordenbare "Tatort" bei km 9.500 etwa 1 km nach Beginn der 100 km/h-Beschränkung liegt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Genaue Umstände der Nachfahrt nicht objektivierbar à Einstellung

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