Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160748/19/Fra/Sp

Linz, 16.05.2006

 

 

 

VwSen-160748/19/Fra/Sp Linz, am 16. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn GB vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. CF gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 18. Juli 2005, VerkR96-4268-2004, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Mai 2006 in Verbindung mit einem Lokalaugenschein, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Spruchpunkt 2. (§ 4 Abs.1 lit.a StVO 1960) behoben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird; der Berufungswerber hat zu diesem Verfahren keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw)

  1. wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und
  2. wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 220 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt,

am 19.11.2004 um 11.45 Uhr den Lkw, Kennzeichen samt Anhänger mit dem Kennzeichen auf der B3 Donau Straße bei Strkm. 213,000, Fahrtrichtung Mauthausen gelenkt hat, wobei er

  1. ein Kfz überholte, wodurch andere Straßenbenützer gefährdet wurden, indem der entgegenkommende Pkw auf das Straßenbankett ausweichen musste und
  2. er dabei mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist und sein Kfz nicht sofort angehalten hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Perg - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Unter dem Aspekt der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens verweist der Bw auf seine bisherigen Eingaben (Einspruch vom 22.12.2004, Rechtfertigung vom 27.12.2004, Ergänzung vom 14.2.2005 und Stellungnahme vom 3.6.2005) und darauf, dass er insbesondere in den längeren Eingaben (Rechtfertigung vom 27.12.2004, Ergänzung vom 14.2.2005 sowie Stellungnahme vom 3.6.205) entsprechende Beweisanträge gestellt und ein entsprechendes Vorbringen erstattet habe. Dies beginne mit der Stellungnahme vom 3.6.2005, wobei hier ergänzende Einvernahme der Zeugen H, M und W beantragt wurden. Dies deshalb, weil in dieser Stellungnahme zahlreiche Widersprüche bzw. ergänzungsbedürftige Umstände hinsichtlich der Zeugenaussagen dieser drei Personen angeführt wurden und die erstinstanzliche Behörde auf diese Beweisanträge in keiner Weise eingeht bzw. sich mit dem von ihm aufgezeigten Widersprüchen bzw. technischen Unmöglichkeiten der Zeugenaussage in keiner Weise auseinandersetzt. In seiner Stellungnahme vom 3.6.2005 habe er überdies die Abhaltung eines Ortsaugenscheines samt Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens beantragt, und zwar insbesondere deshalb, weil sich bei Zugrundelegung der Aussagen der Zeugen H, M sowie W ergäben hätte, dass dies mit den Örtlichkeiten bzw. physikalischen Grundsätzen (Zeit-Weg-Diagramm) in keiner Weise in Einklang gebracht werden kann. All diesen Beweisanträgen ist nicht stattgegeben worden. Es wurde nicht einmal begründet, warum diesen Beweisanträgen nicht stattgegeben wurde. Die erstinstanzliche Behörde übersehe die offenkundigen Widersprüche einerseits in den Aussagen H, M bzw. W als auch die Widersprüche, welche zwischen den einzelnen Aussagen gegeben sind. Er habe ausführlich in seiner Stellungnahme vom 3.6.2005 diese Widersprüche herausgearbeitet und in diesem Sinne Beweisanträge gestellt. Seiner Ansicht nach ist es auch unabdingbar, einen Ortsaugenschein abzuhalten, um abzuklären, ob das von ihm eingeleitete Überholmanöver gesetzlich zulässig gewesen ist. Dies hängt einerseits von der gefahrenen Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges, von der gefahrenen Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges und sohin von der Geschwindigkeitsdifferenz dieser beiden Fahrzeuge ab, andererseits aber auch davon, wie weit der Gegenverkehr eingesehen werden kann. All diese Feststellungen hat die erstinstanzliche Behörde nicht getroffen. Nur bei Feststellung dieser Umstände kann beurteilt werden, ob ein Überholmanöver zulässig gewesen wäre oder nicht. Ins Gewicht fällt auch, dass der Geschwindigkeit des beim Überholmanöver entgegenkommenden Fahrzeuges eine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch darüber hat die erstinstanzliche Behörde keine Feststellungen getroffen.

 

Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt der Bw vor, dass, was den ersten Tatvorwurf anlangt (unzulässiges Überholmanöver), die erstinstanzliche Behörde die für die rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen in keiner Weise getroffen hat. Es wurde unterlassen, festzuhalten, welche Geschwindigkeit das überholte Fahrzeug eingehalten hat, welche Geschwindigkeit er eingehalten habe, aus welchem Nachfahrabstand das Überholmanöver eingeleitet wurde, wie weit dort die Sichtstrecke ist bzw. wo sich das entgegenkommende Fahrzeug des Herrn W befunden hat, als er das Überholmanöver eingeleitet bzw. fortgesetzt habe. Es wurde auch nicht festgestellt, welche Geschwindigkeit Herr W in Annäherung seines herannahenden Lkw´s eingehalten hat. Diese Feststellungen sind jedoch unabdingbar Voraussetzung dafür, eine Bestrafung nach § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 vorzunehmen. Der Lenker eines Fahrzeuges darf grundsätzlich nur dann überholen, wenn er in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit eines gefahrlosen Überholens zu überzeugen. Er hat den Versuch eines Überholmanövers abzubrechen und sich wieder hinter das vor ihm fahrende Fahrzeug einzuordnen, sobald er auf der Überholstrecke ein Hindernis oder sonstige Möglichkeit einer Gefährdung erkennt. Auch in diesem Sinne hat die erstinstanzliche Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, wie weit das Überholmanöver von ihm bereits durchgeführt war, wo sich zu dem damaligen Zeitpunkt das Fahrzeug des Herrn W befunden hat und ob er nicht eben hier das Überholmanöver in der Form rechtzeitig abgebrochen habe, als er sich hinter dem vor ihm fahrenden Fahrzeug wieder eingeordnet habe und eben eine "überschießende" Reaktion des Herrn W vorgelegen hat. Dies alles ist nicht festgestellt worden, sodass keine tragfähigen Feststellungen vorhanden sind, um eine Verurteilung hinsichtlich der zitierten Bestimmung vorzunehmen.

 

Auch hinsichtlich des zweiten angelasteten Deliktes (Nichtanhaltens eines Fahrzeuges, obwohl er mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe) hat die erstinstanzliche Behörde nicht die entsprechenden Feststellungen getroffen. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 ist, dass man überhaupt einen Unfall bemerkt hat bzw. bemerken musste. Er habe weder einen Unfall (Kollision des Fahrzeuges W mit einer Schneestange bzw. Straßenleitpflock etc.) gesehen, noch hätte er diese Berührung etc. bemerken müssen. Hier fehlt jede Feststellung der erstinstanzlichen Behörde darüber, wo sich der Unfall in Bezug auf ihn ereignet hat, sohin vor ihm, neben ihm oder hinter ihm. Er habe immer behauptet, dass er das ihm entgegenkommende Fahrzeug des Herrn W gesehen, daher sein Überholmanöver abgebrochen habe, sich hinter dem vor ihm fahrenden Fahrzeug wieder eingeordne, dann im linken Außenspiegel das Fahrzeug des Herrn W verfolgt und keine wie immer geartete Berührung mit Straßenleiteinrichtungen etc. bemerkt habe. Die in § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 festgesetzte Verpflichtung, nach einem Verkehrsunfall sofort anzuhalten, setzt jedoch das Wissen um diesen voraus. Voraussetzungen für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a leg.cit. ist nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Es ist dem gesamten erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren nicht zu entnehmen, dass er Kenntnis von einem Sachschaden am Pkw des Herrn W habe und auch ist nicht davon die Rede, dass er von einem derartigen Sachschaden am Pkw W Kenntnis haben musste. Es sei daher rechtlich unzulässig, eine Verurteilung seinerseits hinsichtlich der beiden ihm angelasteten Delikte vorzunehmen.

 

Der Bw stellt daher den Antrag, seiner Berufung stattzugeben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Aufgrund der vom Bw gestellten Anträge hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Beweis aufgenommen durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Mai 2006. Weiters wurde ein Lokalaugenschein durchgeführt. Bei der Berufungsverhandlung wurden die Zeugen Gerhard H und Siegfried W einvernommen. Weiters wurde der Bw

zum Sachverhalt befragt. Unter Zugrundelegung des bei der Berufungsverhandlung festgestellten Sachverhaltes hat der Amtsachverständige für Verkehrstechnik, Ing. Robert Hagen in Bezug auf das Faktum 2. (§ 4 Abs.1 lit.a StVO 1960) ausgeführt, dass, bevor der vom Bw gelenkte Lkw-Zug mit dem Einschervorgang begann oder kurz nachdem er bereits den Einschervorgang eingeleitet hat, sich der Gegenverkehr auf größenordnungsmäßig 150 bis 200 Meter angenähert hat. Aus der Sicht des Gegenverkehrs war der überholende Lkw-Lastzug gut erkennbar und aus technischer Sicht bestand die Möglichkeit, dass der Gegenverkehr seine Geschwindigkeit in einer entsprechenden Weise durch eine zumutbare Betriebsbremsung reduziert hätte. Der Abstand zwischen dem Lkw und dem Gegenverkehr ist aufgrund der gemachten Zeugenaussagen abzuleiten. Nicht festgestellt werden kann, ob zu diesem Zeitpunkt das Einschermanöver des Lkw´s erst begonnen wurde oder ob der Einschervorgang des Lkw-Zuges bereits im Gange war. Berücksichtigt man weiters, dass die Kollision des rechten Außenspiegels des Gegenverkehrs mit der Schneestange nicht wahrnehmbar war, und zwar weder als Anstoßgeräusch noch durch direkte Blickbetrachtung (weil sich dieser Stoß im Zehntelsekundenbereich abgespielt hat und es auf eine zufällige Blickzuwendung führen würde), gibt es aus technischer Sicht eigentlich keinen objektivierbaren Grund, der zwingend den Lkw-Lenker darauf aufmerksam machen hätte müssen, dass durch das gegenständliche Überholmanöver bzw. durch den Abbruch des Überholmanövers beim Gegenverkehr ein Sachschaden in Form einer Beschädigung des rechten Außenspiegels herbeigeführt wurde.

 

Es konnte nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob dem Bw objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er auf die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung schließen musste. Dies wäre jedoch Voraussetzung, um den Bw fahrlässiges Verhalten unterstellen zu können.

 

Der Oö. Verwaltungssenat kommt sohin unter Zugrundelegung der Ergebnisse des von ihm durchgeführten Ermittlungsverfahrens zum Schluss, dass der inkriminierte Tatbestand subjektiv tatseitig nicht mit der erforderlichen Sicherheit beweisbar ist, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Hinsichtlich des Faktums 1. (§ 16 Abs.1 lit.a StVO 1960) hat der Bw seine Berufung zurückgezogen. Dieser Schuldspruch ist sohin in Rechtskraft erwachsen, weshalb diesbezüglich eine Berufungsentscheidung entfällt.

 

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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