Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160765/15/Sch/Hu

Linz, 09.05.2006

 

 

 

VwSen-160765/15/Sch/Hu Linz, am 9. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn Dr. J G vom 3.8.2005, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 4.7.2005, Zl. S 3434/ST/04, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 5.5.2006 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 4.7.2005, Zl. S 3434/ST/04, wurden über Herrn Dr. J G, S, S, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 15 Abs.3 StVO 1960, 2) und 3) je § 9 Abs.1 StVO 1960, 4) § 20 Abs.2 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 40 Euro, 2) und 3) je 60 Euro, 4) 80 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 16 Stunden, 2) und 3) je 20 Stunden und 4) 24 Stunden verhängt, weil er am 9.5.2004 um 12.50 Uhr als Lenker des Kfz mit dem polizeilichen Kennzeichen ..., in Bad Hall auf der Voralpenbundesstraße B122

  1. unmittelbar nach Passieren der Ortstafel "Bad Hall", Strkm 48.627 überholt und den bevorstehenden Überholvorgang nicht so rechtzeitig angezeigt habe, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten und
  2. in der Folge die dort deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie und
  3. die deutlich sichtbar angebrachte Sperrfläche überfahren habe,
  4. ab der Ortstafel "Bad Hall, Strkm 48.627 bis ca. Strkm 50,4 (BP Tankstelle) die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten habe, weil die Fahrgeschwindigkeit ca. 80 - 90 km/h betrug.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 24 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Die dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden im Gemeindegebiet von Bad Hall begangen, sohin im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land.

 

Der Meldungsleger hat seine Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vorgelegt. Diese hat dann das Verwaltungsstrafverfahren abgeführt und mit dem angefochtenen Straferkenntnis abgeschlossen.

 

Damit ist die Erstbehörde allerdings unzuständigerweise tätig geworden. Die zwingende Zuständigkeitsbestimmung des § 27 Abs.1 VStG, die die örtliche Zuständigkeit jener Behörde normiert, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, hätte geboten, die Anzeige an die eingangs erwähnte Bezirksverwaltungsbehörde weiter zu leiten. Ob dann, aufgrund des Wohnsitzes des Berufungswerbers im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeidirektion Steyr, eine Abtretung des Verfahrens im Sinne des § 29a VStG an letztere Behörde durchgeführt würde, wäre von der Tatortbehörde zu entscheiden und zu verfügen gewesen. Erst dann wäre diese zuständig geworden.

 

Nach der Regelung des § 32 Abs.2 VStG sind von dieser Unzuständigkeit allerdings die gegenüber dem Berufungswerber gesetzten Verfolgungshandlungen nicht betroffen, sodass - nach Weiterleitung im Sinne des § 27 VStG und allfälliger Abtretung nach § 29a VStG - das Verwaltungsstrafverfahren von der dann zuständigen Verwaltungsstrafbehörde durch Erlassung eines neuerlichen Straferkenntnisses abgeschlossen werden könnte.

 

In Anbetracht der gegebenen Sanierungsmöglichkeit dieses Formalfehlers hat die Berufungsbehörde unbeschadet dessen eine mit einem Lokalaugenschein verbundene Verhandlung abgeführt, zu der im Übrigen der Berufungswerber, trotz über sein Ersuchen erfolgter Verschiebung der Verhandlung, nicht erschienen ist.

 

4. Nach Ansicht der Berufungsbehörde können nach der Beweislage die Tatvorwürfe im Sinne der Punkte 1), 2) und 4) des angefochtenen Straferkenntnisses nicht gestützt werden.

 

Wenngleich der Meldungsleger bei der Verhandlung einen absolut glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat und auch seine Schilderungen schlüssig nachvollzogen werden können, ändert dies nichts daran, dass die Beweislage für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung nicht ausreicht.

 

Im Einzelnen ist zu bemerken:

 

Der Meldungsleger konnte aus der Erinnerung nicht mehr angeben, ob der Berufungswerber vor Beginn des Überholmanövers den Vorgang durch Betätigen des Blinkers angezeigt hat oder nicht. Der Tatvorwurf in diesem Punkt lautet aber auf Nichtanzeige des bevorstehenden Überholvorganges und nicht darauf, dass das Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen nicht angezeigt worden wäre. Diesbezüglich hatte der Meldungsleger zwar ein genaues Erinnerungsvermögen, dass eben keine solche Anzeige erfolgte, der Tatvorwurf umfasst aber dieses Wiedereinordnen nicht.

 

Auch wurde beim Lokalaugenschein festgestellt, dass von einer gesonderten Sperrlinie im Tatortbereich nicht die Rede sein kann (Faktum 2). Es handelt sich vielmehr um eine Sperrfläche, die, in Fahrtrichtung des Berufungswerbers und des Zeugen betrachtet, einen spitzen Beginn aufweist. Diese Tatsache kann nicht als separate Sperrlinie gewertet werden, vielmehr bildet diese Linie bereits einen Teil der Sperrfläche. Das Überfahren dieses Teils kann daher kein eigenes Delikt darstellen.

 

Zu Punkt 4) des Straferkenntnisses ist zu bemerken, dass die vom Zeugen geschilderte Feststellung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Berufungswerber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet ist, verlässlich einen entsprechenden Beweis zu erbringen. Die Berufungsbehörde verkennt nicht, dass der Schluss des Zeugen, dass der Berufungswerber als Lenker des vor ihm fahrenden Fahrzeuges wegen des sich ständig zu ihm vergrößernden Abstandes eine um einiges höhere Geschwindigkeit als er selbst eingehalten haben musste, ein konkretes Ausmaß der Geschwindigkeit kann dadurch aber nicht für eine Bestrafung abgeleitet werden.

 

Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses vertritt die Berufungsbehörde die Ansicht, dass hier sowohl nach der Beweis- als auch nach der Rechtslage sämtliche Voraussetzungen für eine Bestrafung vorliegen. Zur Sachverhaltsebene ist auf die Aussage des Meldungslegers zu verweisen, der glaubwürdig und ohne weiteres nachvollziehbar angegeben hat, dass der Berufungswerber im Zuge des Überholvorganges bzw. des Wiedereinordnens über die Sperrfläche gefahren ist. Zur rechtlichen Seite ist zu bemerken, dass die Bodenmarkierung von der zuständigen Verkehrsbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, mit Verordnung vom 18.7.2000, VerkR10-25-4-1999, angeordnet wurde. Der entsprechende Bodenmarkierungsplan mit detaillierter Kilometrierung liegt der Verordnung, die im Rahmen des Berufungsverfahrens ausgehoben wurde, bei und wurde zum integrierten Bestandteil der Verordnung erklärt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hält auch die von der Erstbehörde diesbezüglich verhängte Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro prima facie für nicht überhöht. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass der Berufungswerber bereits wegen mehrerer Übertretungen der StVO 1960 bestraft werden musste und daher der spezialpräventive Aspekt der Strafe zu berücksichtigen ist.

 

Zumal die Unzuständigkeit einer Strafbehörde keinen Einstellungstatbestand im Sinne des § 45 VStG darstellt, bleibt es der Erstbehörde überlassen, die weiteren Veranlassungen - aus verwaltungsökonomischen Gründen wird angeregt, die obigen Ausführungen zu berücksichtigen - zu treffen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

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