Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160776/7/Ki/Jo

Linz, 18.10.2005

 

 

 

VwSen-160776/7/Ki/Jo Linz, am 18. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des J S, L, K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, S, vom 09.08.2005 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 21.07.2005, VerkR96-8407-2004-Fs, betreffend Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 13.10.2005 zu Recht erkannt:

 

 

  1. 1. Bezüglich Faktum 1 wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

     

    2. Bezüglich der Fakten 2 und 3 wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, dass die verhängten Geldstrafen auf jeweils 150 Euro bzw. die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 2 Tage herabgesetzt werden. Im Übrigen wird in diesen Punkten die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

     

     

  2. 1. Bezüglich Faktum 1 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

2. Bezüglich der Fakten 2 und 3 wird der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn auf jeweils 15 Euro herabgesetzt. Für das Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist in diesen Punkten kein Kostenbeitrag zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II: §§ 64, 65 und 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat unter VerkR96-8407-2004-Fs vom 21.07.2005 gegen den Berufungswerber nachstehendes Straferkenntnis erlassen:

 

"Sie lenkten am 3.10.2004, um 15.00 Uhr, im Gemeindegebiet von Perwang, in Rödhausen, auf der Rödhauser Gemeindestraße, ca. 200 m nördlich der Ortschaft Rödhausen, die Zugmaschine, Kennzeichen BR- und haben

  1. als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise überholt, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war, zumal Sie mit einem 2,63 m breiten Gefährt auf der 3,60 Meter breiten Rödhauser Gemeindestraße eine Kutsche mit zwei Pferden überholten und diese in weiterer Folge scheuten und es zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden kam.

     

    Nach dem Verkehrsunfall mit Personenschaden, an dem Ihr Verhalten am Unfallsort im ursächlichem Zusammenhang stand, haben Sie es unterlassen,

  2. sofort anzuhalten,

  3. sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

  1. § 16 Abs. 1 lit. a StVO

  2. § 4 Abs. 1 lit. a StVO

  3. § 4 Abs. 2 StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt.

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. 72 Euro 36 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

2. 220 Euro 5 Tagen § 99 Abs. 2 lit. a StVO

3. 220 Euro 5 Tagen § 99 Abs. 2 lit.a StVO

 

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

  1. 7,20 Euro

  2. 22,00 Euro

  3. 22,00 Euro

 

als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

563,20 Euro."

 

I.2. Dagegen hat Herr S mit Schriftsatz vom 09.08.2005 Berufung erhoben mit dem Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren in allen Punkten einstellen.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem beantragten Ortsaugenschein am 13.10.2005. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters teil, eine Vertretung der belangten Behörde ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Verkehrsunfall-anzeige des vormaligen Gendarmeriepostens Palting vom 22.10.2004 zu Grunde. Danach lenkte der Berufungswerber eine nach dem Kennzeichen benannte Zugmaschine von der ein mit Mais-Silage vollbeladener Dosieranhänger gezogen wurde, auf der Rödhauser Gemeindestraße aus Richtung Rödhausen, Gemeinde Perwang a.G. in Richtung Elexlochen. Dabei überholte er mit dem 2,63 m breiten Gefährt, auf der 3,60 m breiten Rödhauser Gemeindestraße ein Pferdegespann (2 Pferde plus eine mit 5 Personen besetzte Kutsche) welches ebenfalls Richtung Elexlochen unterwegs war und von einer geprüften Kutschenfahrerin gelenkt wurde.

 

Im Zuge des Überholvorganges wich der Berufungswerber nach links auf das angrenzende abgeerntete Feld aus, dabei scheuten plötzlich die Pferde und sprangen mit der Kutsche nach rechts in ein Feld mit losem Erdreich, wo die Kutsche zum Stehen kam.

 

Während des geschilderten Vorganges (Flucht der Pferde) wurde eine Insassin der Kutsche links von dieser geworfen und es fiel diese auf die Asphaltfahrbahn. Dabei erlitt sie an der rechten Schulter eine Schlüsselbeinprellung.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Gendarmerieposten Palting am 09.10.2004 führte der Berufungswerber aus, dass er seinen Traktor mit dem Erntewagenanhänger jeweils vom Feld in Macking nach Stockham, Gemeinde Palting und zurück gelenkt habe. Als er um ca. 14.30 Uhr wiederum mit dem Traktor aus Richtung Macking in Richtung Stockham unterwegs gewesen sei, habe er kurz nach der Ortschaft Rödhausen ein vor ihm in Richtung Neckreith fahrendes Kutschengespann (2 Pferde und Kutsche) getroffen.

 

Er habe volle Ladung gehabt und dürfte mit dem 4. oder 5. Gang unterwegs gewesen sein, dies dürfte einer Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h entsprochen haben.

 

Da sich neben der gegenständlichen Straße ein abgeerntetes Feld befunden habe, habe er beschlossen, das Gespann zu überholen. Mit der Lenkerin der Kutsche habe er keinen visuellen Kontakt gehabt. Auch habe er nicht gehupt um die Pferde nicht unnötig zu beunruhigen.

 

Er habe dann wie erwähnt überholt. Sein seitlicher Abstand zur Kutsche dürfte ca. 50 cm betragen haben. Die rechten Räder des Traktors und des Anhängers seien noch auf dem Asphalt gelaufen.

 

Wenn ihm vorgehalten werde, er hätte während des Überholvorganges auf Höhe der Pferde plötzlich mehr Gas gegeben, so gebe er an, dass dies nicht ganz richtig sei, weil er erst nach dem Überholvorgang wieder beschleunigt habe.

 

Er habe nach dem Überholvorgang wieder in den rechten und dann in den linken Rückspiegel geschaut und habe dabei das Pferdegespann überhaupt nicht mehr gesehen. Dazu müsse er sagen, dass es sich bei dem gegenständlichen Erntewagen um einen überdimensionalen Anhänger handle, der die Breite des Traktors haben dürfte. Einige Meter später habe er sich bereits im Wald befunden und das Fuhrwerk auch aus diesem Grund nicht mehr sehen können. Er habe nicht wahrgenommen, dass im Zuge des Überholvorganges eine Person vom Pferdegespann gefallen wäre.

 

In der Berufung wendet der Rechtsmittelwerber ein, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.a StVO nicht vorliegen würde, zumal die Verwendung eines Feldes abseits der Fahrbahn für ein Überholmanöver zulässig wäre. Da außer der Pferdekutsche und dem von ihm gelenkten Traktor keine weiteren Fahrzeuge unterwegs gewesen wären, habe auch kein Grund bestanden, dass eingeleitete Überholmanöver abzubrechen, die Überholsicht sei ausreichend gewesen. Für den Fall, dass dieses Überholmanöver mit dem Scheuen der Pferde etwas zu tun habe, dürfte der Grund darin liegen, dass den Pferden der am Traktor angehängte vollbeladene sehr große Erntewagen bedrohlich vorgekommen sei, realistischerweise, als dieser wieder unmittelbar vor Beendigung des Überholmanövers in eine Fahrlinie gekommen sei, welche vor den Pferden lag, was diesen die Sicht nach vorne genommen habe.

 

Betreffend der zur Last gelegten Übertretungen nach § 4 StVO 1960 wird in der Berufung ausgeführt, dass es in diesem Falle des Vorliegens eines Verschuldens dahingehend bedürfe, dass er bei nötiger Aufmerksamkeit den Unfall hätte merken müssen, dies sei seines Achtens zu verneinen, nämlich deshalb, weil der damals am Traktor angehängte Erntewagen breiter sei als die Zugmaschine und noch dazu voll beladen gewesen sei.

 

Bemängelt wird in den Punkten 2 und 3 auch die Höhe der verhängten Geldstrafen, diese seien in Anbetracht der aktenkundigen völligen Unbescholtenheit zu streng und es sei dieser Umstand zu Unrecht nicht als strafmildernd gewertet worden. Außerdem seien bei der Strafbemessung die konkreten Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt geblieben.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte Herr S den Vorfall, der in der Niederschrift vom 09.10.2004 dargestellte Überholvorgang wird nicht bestritten. Weiters verblieb der Berufungswerber bei seiner Rechtfertigung, er habe von dem Verkehrsunfall nichts bemerkt und es habe ihn auch niemand auf diesen Verkehrsunfall aufmerksam gemacht. Er habe während des Überholvorganges die Kutsche bemerkt und es sei ihm nichts Besonderes aufgefallen, er habe nach dem Einordnen wiederum in den Rückspiegel geschaut und ebenfalls nichts feststellen können. Er sei dann in der Folge in ein Waldstück gelangt und weiters nach rechts abgebogen. Als er ca. eine Viertelstunde später an der selben Stelle bei der Rückfahrt vorbeigefahren sei, sei die Kutsche nicht mehr dort gewesen. Er sei zu einem späteren Zeitpunkt vom Zulassungsbesitzer der Zugmaschine von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt worden.

 

Beim durchgeführten Augenschein wurde die damals verwendete Zugmaschine samt Anhänger vom Berufungswerber vorgeführt, der oben geschilderte Sachverhalt konnte im Rahmen des Augenscheines verifiziert werden. Danach weist im Bereich des vorgeworfenen Tatortes die Rödhauser Gemeindestraße eine Breite von ca. 3,60 m auf, auf beiden Seiten der Fahrbahn befanden sich abgeerntete Felder bzw. Wiesen. Beim damals verwendeten Anhänger handelt es sich um einen Dosierwagen (Tandem-Anhänger) mit einem Gesamtgewicht von 18.000 kg, einer Länge von 8,5 m und einer Breite von 2,64 m. Die Höhe des Anhängers dürfte ca. 3,5 m betragen. Der Berufungswerber erklärte, dass der Anhänger zum Vorfallszeitpunkt voll mit Mais beladen war. Festgestellt wird auch, dass der Anhänger rundherum geschlossen war.

 

Im Rahmen des Augenscheines wurde dann die Situation zum Vorfallszeitpunkt dahingehend nachgestellt, dass das Privatfahrzeug des Rechtsvertreters auf der Fahrbahn auf Höhe des Ortes, wo die Kutsche offensichtlich zum Stillstand gekommen ist, abgestellt wurde und der Berufungswerber mit dem Fahrzeuggespann (Zugmaschine + Anhänger) den Überholvorgang so durchführte, wie er sich von ihm behaupteter Maßen damals abgespielt hat. Dabei konnte festgestellt werden, dass der Überholvorgang in der beschriebenen Weise durchaus nachvollzogen werden kann.

 

In der Folge wurde das Fahrzeuggespann auf der Fahrbahn der Rödhauser Gemeindestraße etwa an der Stelle abgestellt, wo der Überholvorgang abgeschlossen war und es konnte sich der Verhandlungsleiter vom Fahrersitz der Zugmaschine aus überzeugen, dass trotz der Dimension des Anhängewagens durch Blick in den rechten Außenspiegel eindeutig Sicht auf die Stelle, wo die Kutsche zum Stillstand gekommen ist, gegeben war. Daraus lässt sich weiters ableiten, dass auch in weiterer Folge noch vor dem Erreichen des Waldstückes eine entsprechende Sicht auf die Kutsche gegeben gewesen wäre.

 

Nach Abschluss des Beweisverfahrens wird daher festgestellt, dass der Berufungswerber den Überholvorgang in der oben beschriebenen Weise durchgeführt hat und in der Folge jedenfalls im Verlauf der weiteren Strecke auf der Rödhauser Gemeindestraße jederzeit durch Kontrollblick in den rechten Außenspiegel der Zugmaschine eine Sicht auf die zum Stillstand gekommene Kutsche gewesen wäre. Ob der Beschuldigte den Unfall tatsächlich wahrgenommen hat, kann nicht erwiesen werden, ebenso geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich davon aus, dass sich die Lenkerin der Kutsche bzw. allenfalls die Fahrgäste nicht entsprechend bemerkbar gemacht hatten.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

I.6.1. Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht Überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn stützt den Tatvorwurf dem Spruch gemäß auf die zweite Alternative des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 und führt dazu aus, dass die Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer durch einen Überholvorgang insofern begrifflich immer im Zusammenhang mit der räumlichen Komponente steht, als dann, wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist, nicht überholt werden darf.

 

Im gegenständlichen Falle handelt es sich bei der Fahrbahn im Bereich des Tatortes um eine ca. 3,6 m breite Gemeindestraße, auf welcher naturgemäß das Überholen von mehrspurigen Fahrzeugen durch andere mehrspurige Fahrzeuge ohne Überschreiten der Fahrbahngrenze letztlich nicht möglich sein wird. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt aber die Auffassung, dass in einer Situation wie der gegenständlichen, in welcher die Möglichkeit des Überholens durch Verlassen der Fahrbahn, wie zum Beispiel in ein angrenzendes befahrbares Feld, nicht unbedingt eine Gefährdung anderer Straßenbenützer eintritt. In Zusammenschau der aktuellen Gegebenheiten waren an dem zu beurteilenden Vorgang letztlich zwei Fahrzeuge beteiligt, nämlich die Pferdekutsche und das vom Berufungswerber gelenkte Fahrzeuggespann. Andere Fahrzeuge waren nicht involviert. Es mag zwar zutreffen, dass der Berufungswerber durch sein Verhalten etwa privatrechtliche Belange dadurch, dass er ein fremdes Grundstück benutzt hat, ignoriert haben könnte, dieser Umstand ist jedoch im öffentlichen Recht nicht zu berücksichtigen. Letztlich hat der durchgeführte Augenschein ergeben, dass ein Überholen durch das Ausweichen von der Fahrbahn auf das angrenzende Feld dem Grunde nach problemlos möglich war und daher von einem nicht gefahrlosen Überholen nicht gesprochen werden kann. Dass wegen des Überholens tatsächlich die Pferde beunruhigt wurden und es daher zu einem Verkehrsunfall gekommen ist, ist insoferne nicht zu berücksichtigen, als letztlich ein derartiges Verhalten der Pferde auch bei einem "regulären Überholmanöver" nicht ausgeschlossen werden kann. Dass Herr S allenfalls durch sonstige Handlungen, wie etwa übermäßiges Beschleunigen der Fahrzeugkombination, die Pferde verunsichert haben könnte, mag zutreffen, dieser Umstand ist aber ebenfalls nicht unter § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 zu subsumieren.

 

Nicht ausgeschlossen werden kann auch, dass er etwa den Überholvorgang insoferne unkorrekt ausgeführt hat, als er einen möglicherweise zu geringen Seitenabstand gewählt hat. Dieser Umstand bzw. etwa anderweitige Verstöße im Zusammenhang mit dem Überholen dürfen aber im gegenständlichen Berufungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden, zumal Sache des Berufungsverfahrens ausschließlich der von der Erstbehörde vorgenommene Tatvorwurf ist. Diese Verwaltungsübertretung kann dem Beschuldigten jedoch nicht vorgeworfen werden.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte, die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem der von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn erhobene Tatvorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann, war daher diesbezüglich der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Verletzung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 einzustellen.

 

I.6.2. Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die im Abs.1 genannten Personen unverzüglich die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

 

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

Im vorliegenden Falle bleibt unbestritten, dass der Berufungswerber an dem Verkehrsunfall, bei welchem eine Person verletzt wurde ursächlich beteiligt war, er aber trotzdem nicht angehalten hat und von ihm auch nicht sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt wurde.

 

Voraussetzung für die in § 4 StVO 1960 normierten Verpflichtungen ist als objektives Tatbestandsmerkmal ein plötzliches mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat und darüber hinaus in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Unfalles, wobei jedoch der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sach- bzw. Personenbeschädigung zu erkennen vermochte.

 

Im vorliegenden Falle wird dem Berufungswerber Glauben geschenkt, dass er den Unfall nicht bemerkt hat bzw. dass er auch auf den Verkehrsunfall nicht aufmerksam gemacht wurde. Es ist jedoch zu prüfen, in wie weit er dahingehend fahrlässig gehandelt hat, als ihm unter den konkreten Umständen und bei gehöriger Aufmerksamkeit die Möglichkeit eines derartigen Verkehrsunfalls zu Bewusstsein hätte kommen müssen.

 

Dazu stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fest, dass trotz des überdimensionierten Anhängers es dem Berufungswerber durch Blick in den rechten Außenspiegel der Zugmaschine jederzeit möglich gewesen wäre, den Ort des Unfallgeschehens einzusehen. Grundsätzlich kann zwar davon ausgegangen werden, dass nicht nach jedem Überholmanöver eine gesteigerte Aufmerksamkeit auch nach ordnungsgemäßem Abschluss des Überholmanövers geboten sein wird, im vorliegenden konkreten Falle kommen jedoch Umstände dazu, welche jedenfalls eine erhöhte Aufmerksamkeit beim Berufungswerber gefordert hätten. Wenn auch der Überholvorgang im vorliegenden Falle keine Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darstellt, so hat es sich doch um keine Routinesituation gehandelt. Letztlich hat der Berufungswerber den Überholvorgang auf untypische Weise vorgenommen, sodass er doch damit rechnen musste, dass allenfalls Komplikationen auftreten könnten und er wäre sohin verpflichtet gewesen, sich jedenfalls zunächst durch Blick in den rechten Außenspiegel auch nach Abschluss des Überholvorganges zu überzeugen, ob alles in Ordnung ist. Hätte er diese Sorgfalt angewendet, so hätte ihm auch auffallen müssen, dass die Kutsche offenbar zum Stillstand gekommen ist und er wäre dann weiters verpflichtet gewesen, jedenfalls anzuhalten und sich allenfalls durch Befragung der beteiligten Personen zu versichern, dass nichts passiert ist. Dies hat er jedoch unterlassen und es stellt dieses Unterlassen eine Sorgfaltswidrigkeit dar, welche er in subjektiver Hinsicht zu vertreten hat.

 

Der ihm in den Punkten 2 und 3 zur Last gelegte Sachverhalt wurde daher sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht, weshalb der Schuldspruch zu Recht ergangen ist.

 

Was diesbezüglich die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so wird festgestellt, dass diese von der Behörde in Form einer Ermessensentscheidung vorzunehmen ist, wobei natürlich die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zu berücksichtigen sind.

 

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, in wie weit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Zu berücksichtigen sind weiters die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Weiters sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei der Bemessung der Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Grundsätzlich muss dazu festgestellt werden, dass den sogenannten "Fahrerfluchtdelikten" ein besonderer Unrechtsgehalt zukommt, dies spiegelt sich auch im vom Gesetzgeber festgelegten Strafrahmen wider. Insbesondere aus generalpräventiven Gründen ist daher gegen Übertretungen dieser Art mit einer entsprechend strengen Bestrafung vorzugehen, um die Allgemeinheit entsprechend zu sensibilisieren. Weiters sind auch spezialpräventive Überlegungen dahingehend anzustellen, dass der Beschuldigte durch die Verhängung der Strafe von der Begehung weiterer derartiger Übertretungen abgehalten werden soll.

 

Was das Ausmaß des Verschuldens im vorliegenden Falle anbelangt, so mag es durchaus zutreffen, dass der Beschuldigte bloß fahrlässig gehandelt hat, von einem geringfügigen Verschulden kann jedoch nicht die Rede sein. Strafmildernd zu berücksichtigen ist die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, straferschwerende Umstände sind keine hervorgekommen.

 

Unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch die Auffassung, dass im konkreten Falle eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafen in beiden Punkten auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß vertretbar ist, weshalb diesbezüglich der Berufung teilweise Folge gegeben werden konnte. Eine weitere Herabsetzung kann jedoch aus den bereits erwähnten general- bzw. spezialpräventiven Gründen nicht in Erwägung gezogen werden.

 

I.7. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

§ 16 Abs.1 lit.a StVO 1960; Das Ausweichen auf ein befestigtes abgeerntetes Feld zwecks Überholen auf einer 3,6 m breiten Gemeindestraße ist nicht unzulässig.

Beachte: 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 30.10.2006, Zl.: 2005/02/0330-5

 

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