Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400298/6/Gf/Km

Linz, 19.10.1994

VwSen-400298/6/Gf/Km Linz, am 19. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des T vertreten durch RA, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Steyr-Land zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, daß die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 29. August 1994, 7.40 Uhr, bis zum 17. Oktober 1994, 13.40 Uhr, rechtswidrig war.

II. Der Bund (Bezirkshauptmann von Steyr-Land) ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 8.453,33 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. März 1993, Zl. 20-Vr-2377/92-Hv-7/93, wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, wegen Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) und absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren verhängt.

1.2. Am 16. August 1994 hat der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt; dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. August 1994, Zl. 94-02982-BAL, abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesminsters für Inneres vom 26. September 1994, Zl.

4344930/2-III/13/94, abgewiesen.

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 17. August 1994, Zl. Sich-41-5-1994, wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 17. August 2004 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und zugleich die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

1.4. Zur Sicherung der Durchsetzung dieses Aufenthaltsverbotes im Wege der Abschiebung wurde über diesen mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 17.

August 1994, Zl. Sich41-5-1994, die Schubhaft verhängt.

1.5. Sowohl gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid als auch gegen den Schubhaftbescheid hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. August 1994 Berufung erhoben. Dieser wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. August 1994, Zl. St-245/94, insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot wegen örtlicher Unzuständigkeit der Erstbehörde aufgehoben wurde; die Berufung gegen den Schubhaftbescheid wurde als unzulässig zurückgewiesen.

1.6. Am 29. August 1994 wurde der Beschwerdeführer um 7.40 Uhr vorzeitig (bedingt) aus der Gerichtshaft entlassen, dem Bezirkshauptmann von Steyr-Land zur fremdenpolizeilichen Behandlung überstellt und von diesem in die Schubhaft durch Einweisung in das Polizeigefangenenhaus Steyr übernommen.

1.7. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Innsbruck vom 31. August 1994, Zl. 5-FW819, wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 15. September 2004 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

1.8. Am 17. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer um 13.40 Uhr wegen krankheitsbedingter Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

1.9. Mit der vorliegenden, am 13. Oktober 1994 unmittelbar beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Anhaltung in Schubhaft vom 29. August 1994 bis zum 17. Oktober 1994.

2.1. Im oben unter 1.4. angeführten Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß wegen einer gerichtlichen Verurteilung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer beabsichtigt und deshalb zu befürchten sei, daß er sich der damit einhergehenden Abschiebung zu entziehen suchen werde.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß er sich seit 1989 in Österreich aufhalte und ihm in der ehelichen Wohnung in W eine ausreichende Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehe und seine Ehegattin und sein Bruder für ihn sorgen würden. Außerdem würde - da er kurdischer Abstammung sei - die Abschiebung in seinen Heimatstaat auch einen Verstoß gegen das "refoulement"-Verbot des § 37 FrG bedeuten und somit von vornherein unzulässig sein.

Aus allen diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen; gleichzeitig hat sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Steyr-Land zu Zl.

Sich41-5-1994; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden:

FrG), von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1.

dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 FrG hat ua. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung anzurufen.

Nach § 41 Abs. 1 FrG können Fremde in Schubhaft angehalten werden, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 48 Abs. 2 FrG darf die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

4.2. Im gegenständlichen Fall, wo sich der Beschwerdeführer seit fünf Jahren in Österreich aufhält und über verwandtschaftliche Beziehungen (zu seiner Ehegattin und seinem Bruder) sowie über geordnete Wohnsitzverhältnisse (in W) und finanzielle Unterstützung verfügt, ist nichts hervorgekommen, was die Annahme rechtfertigen könnte, daß sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft dadurch den gegen ihn beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen suchen könnte, daß er in der Anonymität untertaucht und so jeglichen behördlichen Zugriff auf seine Person faktisch verunmöglicht. Derartige Anhaltspunkte werden insbesondere auch von der belangten Behörde im oben unter 1.4. angeführten Schubhaftbescheid nicht angesprochen.

Zwar ist der belangten Behörde zuzugestehen, daß im Regelfall die Annahme naheliegt, daß sich ein Fremder im Wissen um die gegen ihn beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen auch diesen dadurch zu entziehen oder sie zumindest zu erschweren versuchen wird, daß er durch Verschleierung seines wahren Aufenthaltsortes einen behördlichen Zugriff auf seine Person vereitelt. Doch ist dieser Grundsatz anders zu beurteilen, wenn es sich nicht um einen Fremden handelt, der sich erst seit kurzer Zeit und ohne Vermögen oder festen Wohnsitz im Bundesgebiet, sondern um einen als in Österreich sozial integrierten Ausländer handelt: Je höher der Sozialisationsgrad, desto konkreterer Anhaltspunkte bedarf es auf der anderen Seite, um die Annahme einer Vereitelungsgefahr stichhaltig begründen zu können. Der bloße Umstand, daß der Fremde eine gerichtliche Haft verbüßt hat, mag zwar geeignet sein, daß gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt werden kann, er reicht jedoch nicht hin, um zusätzlich auch ein konkretes Sicherungsbedürfnis i.S.d.

§ 41 Abs. 1 FrG zu begründen.

In diesem Zusammenhang darf nämlich auch die Bestimmung des Art. 1 Abs. 3 zweiter Halbsatz des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, nicht übersehen werden, aus der sich zwingend ergibt, daß ein Freiheitsentzug jeweils nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zulässig ist.

4.3. Aus diesen Gründen war sohin der vorliegenden Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Steyr-Land vom 29. August 1994 bis zum 17. Oktober 1994 als rechtswidrig festzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a AVG antragsgemäß Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von 8.453,33 S (Schriftsatzaufwand:

8.333,33 S; Barauslagen: 120 S) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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