Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160787/3/Br/Gam

Linz, 13.09.2005

 

VwSen-160787/3/Br/Gam Linz, am 13. September 2005

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R T, B, S. P i L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, vom 18. Juli 2005, Zl. VerkR96-6189-2005, zu Recht:

 

I. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatort mit "Strkm 6,9" und der Nachfahrabstand mit "ca. 15 m" zu präzisieren ist; im Strafausspruch wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr.51, idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z3 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 7 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 220 Euro verhängt, weil er am 17.2.2005 um ca. 08.40 Uhr als Lenker des Kraftwagenzuges mit dem Kennzeichen: Anhängerkennzeichen: auf der A9 zw. Strkm 7,1 und 5,7 in Richtung Sattledt lenkte und hinter einem ebensolchen Fahrzeug den Mindestabstand von 50 m unterschritten habe.

 

1.1. Begründend stützte die Behörde erster Instanz den Schuldspruch auf die dienstliche Wahrnehmung zweier Autobahngendarmen und deren im Zuge des Ermittlungsverfahrens erstatteten Stellungnahme.

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner dagegen fristgerecht erhobenen Berufung. Darin verweist er auf die praktischen Abläufe bei Überholvorgängen, die, um den Überholweg zu verkürzen, ein etwas knapperes Auffahren auf das Vorderfahrzeug bedingten. Dies müssten die Gendarmeriebeamten bemerkt haben.

 

2.1. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in sich bereits aus der Aktenlage hinreichend ergibt und der Berufungswerber über Rückfrage auf eine Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtete, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

 

 

3. Laut Anzeige wurde der vom Berufungswerber gelenkte Lkw-Zug von zwei Gendarmerie- bzw. nunmehr Polizeibeamten vom Nordportal des Wartberg-Tunnels bei Strkm 6,9 beobachtet, als er aus dem Tunnel kommend, ca. 15 m hinter einem anderen Lkw-Zug her fuhr. Ob das zu diesem Zeitpunkt gerade vor dem Lkw-Zug des Berufungswerbers fahrende gleichartige Fahrzeug den Berufungswerber unmittelbar vorher überholt hat - wie dieser behauptet - und sich folglich knapp vor ihm einordnete, kann jedenfalls nicht widerlegt werden. Vielmehr entspricht eine Darstellung durchaus der täglichen Erfahrung, wonach sich Überholvorgänge unter Lkw´s typischer Weise über eine längere Zeitspanne erstrecken, was letztlich ein möglichst rasches Einscheren indiziert um den Verkehrsfluss der Pkw´s nicht mehr als unnötig zu behindern. Mit Blick darauf wirkt dies der Intention des § 18 Abs.4 StVO auf diese kurzen Zeitspannen bezogen nur schwer erkennbar entgegen. Nach einem derart ausgeführten Überholvorgang hätte der Lenker des überholten Lastkraftwagenzuges seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern um möglichst rasch den 50 m - Abstand zu erreichen, was dies aus der Sicht der Praxis zur Folge hätte, ist hier ebenfalls nicht zu kommentieren. Diesbezüglich kann dem Berufungswerber in seiner Verantwortung daher durchaus gefolgt werden.

Während sich bei einer Geschwindigkeitsdifferenz eines mit 85 km/h überholenden LKW-Zuges (Länge 18,7 m) aus einem Tiefenabstand zum Vorderfahrzeug von 50 m heraus bis zum Wiedereinordnen mit einem ebensolchen Abstand zu einem mit 80 km/h fahrenden überholten gleichartigen Fahrzeug, über eine Strecke von 2.339 m erstreckt, liegt diese bei Tiefenabständen von jeweils 20 m nur mehr bei 1.319 m (Berechnung mit Analyzer Pro 4,5). Daraus ergibt sich eine um immerhin 43 Sekunden kürzere Blockierung des linken Fahrstreifens der Autobahn.

Wenn nun die Beamten weiter festhielten, dass der Abstand bis Strkm 5,7 (das wären 1.800 m) "ziemlich gleich" geblieben sein soll, belegt dies in ebenso nachvollziehbarer Weise die vorübergehende Unterschreitung des 50 m - Abstandes in recht anschaulicher Weise. Dass der Abstand während der Nachfahrt nicht wirklich exakt festgestellt werden konnte, ergibt sich aus dem ungünstigen Blickwinkel, was wohl in der Darstellung der Meldungsleger mit der bloß "ungefähren" Bezifferung des Abstandes zum Ausdruck gelangt. Wenn schließlich der Lkw-Zug des Berufungswerbers bei Strkm 5,7 von den kontrollierenden Beamten überholt worden war, besagt dies, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt der Abstand nicht mehr verkürzt gewesen sein konnte, weil widrigenfalls doch ein vorschriftsmäßiger Überholvorgang nicht hätte ausgeführt werden können.

Der Sachverhalt lässt sich demnach als typischer Fall eines Überholvorganges zweier Schwerfahrzeuge auf der Autobahn qualifizieren.

Auf die übrigen zur Anzeige gelangten Übertretungen ist angesichts deren Einstellung durch die Behörde erster Instanz an dieser Stelle nicht mehr einzugehen.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.4 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl.) auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.

Das Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO ist primär in der Überholmöglichkeit von Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen zu erblicken. Die gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs.4 StVO soll gewährleisten, dass eine Kolonnenbildung durch mehrere hintereinanderfahrende Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen, insbesondere von Lkw-Kolonnen, verhindert wird, die auf Freilandstraßen ein erhebliches Hindernis durch andere Fahrzeuge bilden können. Dies trifft - wie vorhin rechnerisch dargestellt - bei möglichst kurz gehaltenen Überholvorgängen auf Autobahnen aber gerade nicht zu. Daher kann aus empirischer Sicht mit dem kurzzeitigen Unterschreiten des Mindestabstandes beim gegenseitigen Überholen von Schwerfahrzeugen, zumindest das in der Erleichterung des Überholens definierte Schutzziel der genannten Bestimmung wohl eher nicht geschädigt erachtet werden. Dies belegt vor allem die auf Autobahnen tausendfach festzustellende Realität. Es liegt aber nicht im Ermessen der Vollziehung dies zu kritisieren. Nur dem Gesetzgeber wäre es anheim gestellt im Lichte der gepflogenen Praxis und der Praxisauswirkungen den 50 m - Abstand für Autobahnen auszunehmen.

 

5.1.1. Daher ist hier dem Berufungswerber die Unterschreitung des 50 m-Abstandes als objektives Fehlverhalten zur Last zu legen, wenngleich die hier verhängte Geldstrafe im gegenständlichen Fall weder dem Tatunwert noch der Tatschuld angemessen gewertet werden kann.

Dadurch, dass der Berufungswerber zumindest über einige hundert Meter einen Abstand von etwa nur 15 m einhielt, wurde gegen den klaren Wortlaut dieser Bestimmung verstoßen und er hat daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung subjektiv und objektiv zu verantworten.

 

 

6. Zur Strafzumessung:

 

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich des Schutzzweckes auf die obigen Ausführungen verwiesen. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Weder erschwerende noch mildernde Umstände gelangen hier bei der Strafzumessung zur Wertung. Im Lichte der obigen Ausführungen vermag der Behörde erster Instanz nicht darin gefolgt werden, wenn diese vermeinte, dass spezial- und generalpräventive Gründe einer niedrigen Bestrafung entgegen stünden.

Der begangenen Verwaltungsübertretung ist im gegenständlichen Tatbild auch kein erheblicher Unrechtsgehalt inne, weil mit dem aus der Fahrdynamik resultierenden vorübergehenden Verkürzen des 50 m--Abstandes (im Gegensatz zum Sicherheitsabstand iSd § 18 Abs.1 StVO) das Überholen für schnellere Fahrzeuge gerade nicht wesentlich erschwert, sondern vielmehr begünstigt.

In Anbetracht dieser Umstände und unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers kann die nunmehr verhängte Geldstrafe als durchaus der Tatschuld angemessen erachtet werden. Gemäß § 21 Abs.1 VStG könnte die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutsam sind. Eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG kommt jedoch unter Hinweis auf die bekannte einschlägige Spruchpraxis der Unabhängigen Verwaltungssenate nicht in Betracht. Dieser Übertretung ist demnach ein bloß geringes Verschulden nicht zuzuordnen, was in derart gelagerten Fällen mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot durchaus nicht unproblematisch zu bezeichnen sein mag. Davon könne laut einschlägigen Entscheidungen aber nur dann die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter den in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (UVS-Tirol v. 27.10.2003, 2003/25/116-2 mit Hinweis auf VwGH 30.01.1990, 89/03/0084; 27.05.1992, 92/02/0176 uvm).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Tatunwert, Schutzziel

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