Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-160811/7/Ki/Da

Linz, 10.11.2005

 

 

 

VwSen-160811/7/Ki/Da Linz, am 10. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des S S, S, A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K S, S, S, vom 22.7.2005, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24.6.2005, VerkR96-4896-2004, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 8.11.2005 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 24.6.2005, VerkR96-4896-2004, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 1.12.2003 um 11:30 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von M auf der A , W, bei km in Fahrtrichtung L gelenkt. Er habe das Kraftfahrzeug mit einer Fahrgeschwindigkeit von 98 km/h gelenkt, wobei er zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug einen Abstand von 10 Metern = 0,37 Sekunden einhielt, und habe er somit keinen solchen Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. Er habe dadurch § 18 Abs.1 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 25 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 22.7.2005 Berufung mit dem Antrag, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ersatzlos aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

In der Begründung wurde auf die hiesige Entscheidung vom 21.1.2005, VwSen-160173/5/Ki/An, verwiesen, wonach die nunmehr der Abstandsberechnung zu Grunde gelegte Geschwindigkeit mangels Existenz der Videoaufzeichnungen nicht als erwiesen angesehen wurde.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 8.11.2005. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber im Beisein eines Rechtsvertreters sowie eine Vertreterin der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck teil. Weiters hat an der Verhandlung teilgenommen der verkehrstechnische Amtssachverständige Ing. J L und als Zeuge wurde der Meldungsleger RI M F einvernommen.

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des vormaligen Landesgendarmeriekommandos für Oö. (Verkehrsabteilung) vom 4.12.2003 zu Grunde. Beigefügt ist der Anzeige in Kopie eine Ablichtung, auf welcher auch das Fahrzeug des Berufungswerbers in knappem Abstand hinter einem vorausfahrenden Fahrzeug zu erkennen ist, eingeblendet ist am rechten unteren Rand eine Geschwindigkeit von 104 km/h.

 

Bei dieser eingeblendeten Geschwindigkeit handelt es sich, wie auch der Meldungsleger als Zeuge bestätigte, um die Geschwindigkeit des Dienstfahrzeuges und es wurde unter Zugrundelegung dieser Geschwindigkeit (nach Abzug der Messtoleranz) der vorwerfbare Sekundenabstand errechnet. Der Zeuge bestätigte, dass die Videoaufzeichnung der gegenständlichen Nachfahrt nicht mehr vorhanden ist, erklärte jedoch, dass eine Nachfahrt in einem annähernd gleichen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durchgeführt wird und so auf die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges geschlossen werden kann.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Gutachten betreffend den Vorfall erstellt und in diesem Gutachten festgehalten, dass eine fotogramethische Auswertung des vorliegenden Standbildes ergeben habe, dass der erforderliche Sicherheitsabstand nicht eingehalten wurde, durch Rückrechnung des Abstandes in Meter (10 Meter) entspricht dieser Abstand bei einer Geschwindigkeit von 98 km/h dem vorgeworfenen Sekundenabstand von 0,37.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte der Sachverständige, dass er diesem Gutachten eine Geschwindigkeit von 98 km/h zu Grunde gelegt hat, führte jedoch auf Befragen aus, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, dass das Beamtenfahrzeug auf das Beschuldigtenfahrzeug nicht aufgeschlossen hat. Man könne grundsätzlich nicht ausschließen, dass im vorliegenden Falle die Geschwindigkeit geringer war, man müsse sich diesbezüglich auf die Aussagen des Meldungslegers verlassen können.

 

Im oben erwähnten Verfahren VwSen-160173/5/Ki/An hat der auch in diesem Verfahren beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige festgestellt, dass auf Grund der vorliegenden Unterlagen kein schlüssiges Gutachten betreffend tatsächlich gefahrener Geschwindigkeit erstellt werden könne, da das bei der Verwaltungsübertretung angefertigte Video nicht archiviert worden sei. Er führte dazu aus, es sei nicht ausgeschlossen und werde angenommen, dass es sich um eine gültige Geschwindigkeitsmessung gehandelt habe.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Es steht für die Berufungsbehörde außer Frage, dass ein Sekundenabstand im Ausmaß von 0,37 nicht ausreicht, um allenfalls ein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Anhalten zu bringen, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abbremst und es hat ein derartiger Abstand mit Sicherheit einen Auffahrunfall zur Folge, sodass derartige Vergehen jedenfalls einer strengen strafrechtlichen Ahndung bedürfen.

 

Wie bereits im Verfahren VwSen-160173/5/Ki/An festgestellt wurde, ist auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden. Danach ist das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zu Grunde zu legen. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

 

Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Beweise kann jedoch im gegenständlichen Verfahren nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit abgeleitet werden, dass der Beschuldigte tatsächlich mit einer Geschwindigkeit von 98 km/h unterwegs war bzw. lässt sich die von ihm gefahrene Geschwindigkeit auch nicht mehr rekonstruieren. Ohne dem Meldungsleger eine falsche Angabe unterstellen zu wollen, kann aus der Geschwindigkeit des Dienstfahrzeuges alleine im vorliegenden Falle nicht auf die Geschwindigkeit des Fahrzeuges, welches der Berufungswerber gelenkt hat, geschlossen werden, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Zuge des Aufholens des Dienstfahrzeuges dieses eine wesentlich höhere Geschwindigkeit eingehalten hat als der Berufungswerber. Dementsprechend kann auch eine Beurteilung des Gesamtvorganges durch den verkehrstechnischen Amtssachverständigen, welche durch Auswertung des Videobandes möglich gewesen wäre, nicht mehr vorgenommen werden, zumal dieses Videoband nicht mehr zur Verfügung steht.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt daher auch in diesem Verfahren fest, dass ein Nachweis der tatsächlich eingehaltenen Geschwindigkeit nicht mehr möglich ist. Nachdem aber die Feststellung der tatsächlichen Geschwindigkeit eine wesentliche Berechnungsgrundlage für den Sekundenabstand ist, kann auch der zur Last gelegte Sekundenabstand im vorliegenden Falle nicht als erwiesen angesehen werden.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn u.a. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Wie bereits dargelegt wurde, besteht mangels Vorliegen des entsprechenden Videobandes keine Möglichkeit zur Erstellung eines schlüssigen Gutachtens betreffend die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit durch einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen und es entfällt daher auch die Grundlage dafür, den tatsächlich eingehaltenen Sekundenabstand zu errechnen. Wenn der Sachverständige dazu feststellt, es sei allerdings nicht ausgeschlossen und werde angenommen, dass es sich um eine gültige Verkehrsmessung gehandelt hat, so kann diese Vermutung einer Bestrafung nicht zu Grunde gelegt werden.

 

Da somit die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung, jedenfalls nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht erwiesen werden kann, war in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

 

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