Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400308/2/Gf/Fb

Linz, 08.11.1994

VwSen-400308/2/Gf/Fb Linz, am 8. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des B vertreten durch RA, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am 21. Oktober 1994 als rechtswidrig festgestellt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 52 FrG iVm § 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der ehemaligen jugoslawischen Föderation, reiste am 13. Oktober 1984 ohne Reisepaß und Sichtvermerk sowie unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein.

1.2. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20.

März 1985, Zl. 206008/4-II/6/85, wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer als Flüchtling iS Flüchtingskonvention anzusehen und daher zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.

1.3. Infolge mehrfacher Verwaltungsübertretungen und einer Verurteilung wegen gerichtlich strafbarer Handlungen wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. Jänner 1989, Zl. Fr-68690, rechtskräftig seit 9. März 1989, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt; aus Billigkeitsgründen wurde dabei ein Vollstreckungsaufschub von drei Monaten gewährt. In weiterer Folge wurde auch tatsächlich von einer Abschiebung des Beschwerdeführers abgesehen.

1.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Oktober 1993, Zl. 9303563-BAL, wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer das ihm mit dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid zuerkannte Recht auf Asyl verliert; die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1993, Zl. 4206008/2-III/13/93, rechtskräftig seit 25. November 1993, abgewiesen.

1.5. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 7.

Februar 1994, Zl. Fr-69690, wurde über den Beschwerdeführer erstmals die Schubhaft verhängt und dieser durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz am 18. Februar 1994 vollzogen. Dagegen hat der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat erhoben, die mit Erkenntnis vom 28. Februar 1994, Zl. VwSen-400253/3/Gf/La, abgewiesen wurde.

1.6. Mit Schriftsatz vom 23. Februar 1994 hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des über ihn rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. März 1994, Zl. Fr-68690, abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Mai 1994, Zl. St134/94, keine Folge gegeben.

1.7. Mit Schriftsatz vom 30. März 1994 hat der Beschwerdeführer gemäß § 54 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG), einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Jugoslawien gestellt; dieser wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Mai 1994, Zl. Fr-68690, zurückgewiesen.

1.8. Am 17. August 1994 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

1.9. Am 18. Oktober 1994 hat das jugoslawische Generalkonsulat in Salzburg mit Schreiben vom selben Tag, Zl.

394/94-KS-0205, für den Beschwerdeführer ein bis zum 18.

November 1994 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt.

1.10. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 19.

Oktober 1994, Zl. Fr-68690, wurde über den Beschwerdeführer neuerlich die Schubhaft verhängt und diese durch Festnahme des Beschwerdeführers am 20. Oktober 1994 und dessen Inhaftierung im Polizeigefangenenhaus Linz vollzogen.

1.11. Am 21. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer nach Jugoslawien abgeschoben.

1.12. Mit einer am 31. Oktober 1994 zur Post gegebenen, unmittelbar bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die mit dem oben unter 1.10. angeführten Bescheid verhängte Schubhaft.

2.1. Im oben unter 1.10. angeführten Schubhaftbescheid legt die belangte Behörde begründend dar, daß sich der Beschwerdeführer seit dem 9. März 1993 einem rechtskräftigen Aufenhaltsverbot zuwider unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Da er seither seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, habe zum Zweck der zwangsweisen Außerlandesschaffung im Wege der Abschiebung die Schubhaft verhängt werden müssen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß er sich bereits seit 10 Jahren in Österreich aufhalte und seine Gattin, seine drei Kinder sowie seine übrige Familie als anerkannte Flüchtlinge im Bundesgebiet leben würden. Außerdem würden die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbaren Handlungen bereits längere Zeit zurückliegen; seither habe er sich stets wohlverhalten.

Schließlich habe die Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig lange gedauert und sei seine Abschiebung nach Jugoslawien wegen eines Verstoßes gegen das "refoulement"-Verbot des § 37 FrG von vornherein unzulässig.

Aus allen diesen Gründen wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft und der Unzulässigkeit der Abschiebung in seinen Heimatstaat Jugoslawien, in eventu ein Abschiebungsaufschub beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser wird insbesondere auch darauf hingewiesen, daß die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bis zum 17. August 1994 nicht erlangbar gewesen sei. Als das Heimreisezertifikat am 19. Oktober bei der belangten Behörde einlangte, sei der Beschwerdeführer neuerlich in Schubhaft genommen und unverzüglich, nämlich am 21. Oktober 1994, nach Jugoslawien abgeschoben worden.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-68690; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs. 1 FrG hat derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Nach § 41 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 48 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich (Abs. 1), insgesamt jedoch grundsätzlich nicht länger als zwei Monate dauert (Abs. 2). Kann oder darf ein Fremder jedoch u.a. nur deshalb nicht abgeschoben werden, weil er die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt, so kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach dem Einlangen dieser Bewilligung bei der Behörde, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden (Abs. 4).

4.2. Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt und die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst darlegt, wurde der Beschwerdeführer zunächst vom 18. Februar 1994 bis zum 17.

August 1994, also sechs Monate, in Schubhaft gehalten. Dann mußte er, weil bis dahin das zur Durchführung der Abschiebung erforderliche Heimreisezertifikat vom jugoslawischen Konsulat nicht ausgestellt worden war, aus der Schubhaft entlassen werden. Nachdem das Heimreisezertifikat einlangte, wurde über den Beschwerdeführer vom 20. Oktober 1994 bis zum 21. Oktober 1994 wiederum die Schubhaft verhängt.

Diese neuerliche Inschubhaftnahme erweist sich jedoch aus folgenden Gründen zum Teil als rechtswidrig:

Dem verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 1 Abs. 3 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1998, entsprechend läßt sich aus § 48 FrG hinsichtlich der Dauer der Schubhaft unmißverständlich das Prinzip ableiten, daß diese schon prinzipiell nur so lange aufrechterhalten werden darf, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist, höchstens jedoch zwei Monate (Abs. 2). Ausnahmsweise darf diese Zweimonatsfrist u.a. überschritten werden, wenn es zur Abschiebung eines Heimreisezertifikates bedarf, und zwar grundsätzlich bis zum Ablauf der vierten Woche nach dem Einlangen desselben; länger als insgesamt sechs Monate darf die Schubhaft jedoch auch in diesem Fall nicht aufrechterhalten werden. Die Sechsmonatsfrist des § 48 Abs. 4 FrG stellt sohin eine zwingende Maximalfrist dar, nach deren Ablauf die Schubhaft jedenfalls aufzuheben ist (bzw. eine solche gegen ein und denselben Beschwerdeführer gegebenenfalls nur mehr aus anderen Gründen verhängt werden dürfte).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die gesetzliche Maximalfrist des § 48 Abs. 4 FrG durch die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 18. Febraur 1994 bis zum 17. August 1994 nahezu vollständig - nämlich bis auf einen Tag (vgl. § 32 Abs. 2 AVG) - ausgeschöpft. Bei der neuerlichen Inschubhaftnahme am 20. Oktober 1994 - die nicht aus einem anderen Grund erfolgte, sondern nach wie vor dem Zweck diente, das rechtskräftige Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. Jänner 1994 zu vollstrecken - war somit nur mehr der erste, nicht jedoch auch der folgende Tag gesetzlich gedeckt.

Im Ergebnis zwingt die gesetzliche Regelung des § 48 Abs. 4 FrG sohin die Behörde in jenen Fällen, wo die Ausstellung des Heimreisezertifikates einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, gleichsam dazu, sich durch zwischenzeitliche Freilassung des Beschwerdeführers einen ausreichenden "Zeitvorrat" für eine neuerliche Inschubhaftnahme nach Einlangen des Heimreisezertifikates zu reservieren, da ansonsten die Abschiebung nicht mehr im Wege der Schubhaft, sondern nur mehr anderweitig (etwa durch bloße Überwachung der Ausreise) und damit viel weniger effektiv gesichert werden könnte.

4.3. Der gegenständlichen Beschwerde war daher gemäß § 52 FrG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG schon aus diesen Gründen insoweit stattzugeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am 21. Oktober 1994 als rechtswidrig festzustellen war, ohne daß noch auf das weitere vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen werden mußte.

5. Eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG war mangels eines darauf gerichteten Antrages des Beschwerdeführers nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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