Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400364/5/Gf/Km

Linz, 27.07.1995

VwSen-400364/5/Gf/Km Linz, am 27. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des I.

R., vertreten durch RA Dr. H. B., ..............., ............., wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von ............ zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers vom 25.

Juli 1995 bis zum 27. Juli 1995 festgestellt wird; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und unter einem festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft erforderlichen Voraussetzungen mit der Maßgabe, daß diese nunmehr als zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Abschiebung verhängt gilt, vorliegen.

II. Der Bund (Bezirkshauptmann von ............) ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 8.453,33 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 66 Abs. 4 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsbürger und Angehöriger der albanischen Volksgruppe, hat in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 1995 von Ungarn aus kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines Reisepasses sowie eines gültigen Sichtvermerkes zu sein das Bundesgebiet betreten. In der Folge versuchte er, am 31. Mai 1995 bei Simbach die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland zu überschreiten, wurde dabei jedoch von den deutschen Grenzkontrollbehörden betreten und am 1. Juni 1995 nach Österreich zurückgeschoben.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von ......... vom 1. Juni 1995, Zl. Sich40-12514, wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Zurückschiebung nach Ungarn die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus ..... sofort vollzogen.

1.3. Mit Schreiben vom 1. Juni 1995, Zlen. Sich40-12490, 12513 u. 12514, stellte die belangte Behörde gemäß dem österreichisch-ungarischen Abkommen über die Übernahme von Personen an der gemeinsamen Grenze, BGBl.Nr. 315/1995, für den Beschwerdeführer einen Übernahmeantrag an die Botschaft der Republik Ungarn. Hiezu vertrat jedoch in der Folge das Landeskommando der ungarischen Grenzwache den Rechtsstandpunkt, daß die Voraussetzungen für eine Rückübernahme deshalb nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer ursprünglich nicht rechtmäßig, sondern ebenfalls unter Umgehung der Grenzkontrolle in Ungarn eingereist sei.

1.4. Am 13. Juni 1995 hat der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Zl. 9502339-BAL, abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995, Zl. 4346707/1-III/13/95, abgewiesen.

1.5. Am 26. Juni 1995 hat der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 54 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG), gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von .......... vom 10. Juli 1995, Zl.

Sich40-12514, mit der Begründung zurückgewiesen, daß gegen ihn weder ein Ausweisungs- noch ein Aufenthaltsverbotsverfahren anhängig und die Republik Ungarn außerdem als langjähriges Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention ein sicherer Drittstaat sei.

1.6. Am 25. Juli 1995 wurde dem Beschwerdeführer niederschriftlich mitgeteilt, daß die über ihn verhängte Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes über zwei Monate hinaus ausgedehnt und er auf seinen eigenen Wunsch hin nach Albanien abgeschoben werden wird.

1.7. Gegen seine auf dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid basierende Anhaltung in Schubhaft wendet sich der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, am 25. Juli 1995 beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten Beschwerde.

2.1. Im oben unter 1.2. angeführten Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß sich der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet aufhalte; da er über keine ordnungsgemäße Unterkunft verfüge und auch völlig mittellos sei, sei sowohl zu befürchten, daß er sich letztere durch die Begehung strafbarer Handlungen zu verschaffen versuchen könnte, als auch, daß er sich der Zurückschiebung durch Untertauchen in der Anonymität entziehen würde.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß im Rahmen des Zurückschiebungsverfahrens keine Möglichkeit zur Geltendmachung des refoulement-Verbotes des § 37 FrG bestanden hätte, obwohl hinlänglich bekannt sei, daß im Falle einer Zurückschiebung nach Ungarn nach der dortigen Behördenpraxis seine weitere Abschiebung in den Kosovo erfolgen würde, wo ihm eine ernsthafte Gefahr politischer Verfolgung drohe.

Außerdem werde es - wie das bisherige Verfahren gezeigt habe - faktisch unmöglich sein, seine Zurückschiebung nach Ungarn durchzuführen.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH .......... zu Zl.

Sich40-12514; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 FrG hat derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung anzurufen.

Nach § 41 Abs. 1 FrG können Fremde in Schubhaft angehalten werden, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 48 Abs. 2 FrG darf die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann; sie darf u.a. nur dann länger als zwei Monate dauern, wenn der Fremde die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt.

4.2. Im gegenständlichen Fall wurde die Schubhaft zunächst zur Sicherung der Zurückschiebung (nach Ungarn) verhängt.

Eine Zurückschiebung ist nach § 35 Abs. 1 Z. 1 FrG dann zulässig, wenn der Fremde unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist ist und binnen sieben Tagen betreten wurde. Da diese beiden Voraussetzungen vorliegendenfalls offenkundig zutrafen und es seiner zwangsweisen Anhaltung bedurfte, um einerseits neuerliche unerlaubte Grenzübertritte des Beschwerdeführers sowie - angesichts des Fehlens einer ordnungsgemäßen Unterkunft - dessen Untertauchen in der Anonymität bzw. andererseits - angesichts völliger Mittellosigkeit - die Verschaffung der zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel im Wege der Begehung strafbarer Handlungen zu verhindern, war die Verhängung der Schubhaft zu diesem Zweck sohin rechtmäßig.

Dem dagegen erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, daß seine Zurückschiebung nach Ungarn - also in ein Land, wo er, was erselbst nicht bestreitet, vor Verfolgung sicher wäre gegen das refoulement-Verbot des § 37 Abs. 1 und 2 FrG verstoße, weil er in diesem Fall seine weitere Abschiebung in den Kosovo - wo er dann politischen Repressalien iSd genannten Bestimmung ausgesetzt wäre - zu gewärtigen hätte, kommt hingegen schon deshalb keine Berechtigung zu, weil die genannte Bestimmung (arg. "dort") ausdrücklich nur darauf abstellt, daß der Fremde unmittelbar in jenem Land, in das er von Österreich aus zurück- oder abgeschoben wurde, keine unmenschliche Behandlung oder Strafe bzw. die Todesstrafe zu befürchten hat. Dies ist aber in der Republik Ungarn selbst offenkundig nicht der Fall. Da dieser Staat zudem bereits seit 1989 Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention ist, besteht weiters kein Grund für die Annahme, daß dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention, die sich mit jenen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG inhaltlich decken, tatsächlich vorliegen, eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo erfolgen würde.

4.3. Da im gegenständlichen Fall eine Zurückschiebung infolge einer Weigerung - ob gerechtfertigt, kann hier dahingestellt bleiben - der ungarischen Behörden tatsächlich nicht durchführbar war, wurde dem Beschwerdeführer am 25.

Juli 1995 niederschriftlich mitgeteilt, daß die belangte Behörde beabsichtigt, ihn nach Erlassung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes nach Albanien abzuschieben.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt die bereits zuvor unter 4.2.

dargestellten Sicherungsgründe i.S.d. § 41 Abs. 1 FrG offenkundig nach wie vor vorlagen, ist der belangten Behörde hiebei jedoch insofern ein Formalfehler unterlaufen, als sie deshalb einen neuen Schubhaftbescheid zu erlassen gehabt hätte, weil der oben unter 1.2. angeführte Bescheid die Inschubhaftnahme explizit nur zu dem Zweck, "um die Zurückschiebung zu sichern" angeordnet hat. Da die belangte Behörde diesen Zweck aber im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 25. Juli 1995 implizit offenkundig aufgegeben hat, wenn dort einerseits auf § 48 Abs. 4 FrG Bezug genommen wird und von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie einer sich daran anschließenden Abschiebung und der Beantragung eines Heimreisezertifikates die Rede ist, hätte sie auch eine dementsprechend neue bescheidmäßige Grundlage für die Schubhaftverhängung schaffen müssen (vgl. dazu auch VfGH v. 12. Oktober 1994, B 1419/93).

4.4. Indem sie dies unterlassen hat, basierte die Anhaltung des Beschwerdeführers seit dem 25. Juli 1995 sohin nicht mehr auf einem tragfähigen Schubhaftbescheid und war somit seither bis zum heutigen Tag rechtswidrig.

Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

Im übrigen war die Beschwerde hingegen nach § 66 Abs. 4 AVG - weil die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates mit deren Erlassung an die Stelle des Schubhaftbescheides tritt (vgl. VfSlg 13039/1992; VfGH v. 26. Juli 1994, B 1449/94-4) - abzuweisen und unter einem gemäß § 52 Abs. 4 FrG festzustellen, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft erforderlichen Voraussetzungen mit der Maßgabe, daß diese gemäß § 41 Abs. 1 AVG nunmehr als zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Abschiebung verhängt gilt, vorliegen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer - wenngleich dieser bloß zum Teil obsiegt hat - nach § 79a AVG antragsgemäß Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von 8.453,33 S zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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