Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161000/11/Zo/Da

Linz, 01.02.2006

 

 

 

VwSen-161000/11/Zo/Da Linz, am 1. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau R G, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H E, E, vom 15.11.2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 31.10.2005, VerkR96-11132-2004, wegen zwei Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.1.2006 zu Recht erkannt:

 

 

  1. Hinsichtlich des Schuldspruches wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es anstelle "Verkehrsunfall" zu lauten hat "Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde".
  2.  

  3. Hinsichtlich der verhängten Strafen wird der Berufung teilweise Folge gegeben und es werden sowohl die zu Punkt 1 als auch die zu Punkt 2 verhängten Geldstrafen auf jeweils 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 48 Stunden) herabgesetzt.
  4.  

  5. Die Verfahrenskosten für das erstinstanzliche Verfahren reduzieren sich auf 20 Euro, für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I. und II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG

Zu III.: §§ 64 ff VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die Erstinstanz hat der Berufungswerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 29.10.2004 um 9.40 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen GM- in Gmunden auf der Pensionatstraße lenkte, wobei sie auf Höhe der Zufahrt Pepöckstraße an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Obwohl ihr Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, habe sie es unterlassen,

  1. ihr Fahrzeug sofort anzuhalten und
  2. von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Sie habe dadurch zu 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und zu 2. eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.2 2.Fall StVO 1960 begangen, weshalb über sie Geldstrafen von 220 Euro zu 1. bzw. 218 Euro zu 2. (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 108 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 43,80 Euro verpflichtet.

 

2. In der rechtzeitigen Berufung bringt die Berufungswerberin vor, dass sie auf Grund des haltenden LKW hinter diesem anhalten musste und dann am LKW nur ganz langsam vorbeigefahren sei, sodass schon aus diesem Grund nicht anzunehmen gewesen sei, dass eine Person verletzt worden sei. Sie habe kein Geräusch vom Zurückklappen eines Außenspiegels gehört und ihr rechter Außenspiegel sei auch nicht zurückgeklappt, verstellt oder beschädigt gewesen. Dies wäre ihr im Anschluss an den Vorfall natürlich aufgefallen. Ihr sind keinerlei Umstände zu Bewusstsein gekommen, aus welchen sie auf die Möglichkeit eines Unfalles bzw. die Verletzung einer Person hätte schließen können.

 

Beim Zeugen sei lediglich ein Druckschmerz im Bereich der Muskulatur des mittleren Unterarms festgestellt worden, es sei aber nach dem Ambulanzbericht des LKH Gmunden kein Hämatom tast- oder sichtbar gewesen. Hätte sie den Zeugen tatsächlich mit solcher Wucht gestreift, dass der Außenspiegel zurückgeklappt ist, so hätte eine stärkere Verletzung auftreten müssen. Die Angaben des Zeugen hinsichtlich seiner Verletzungen würden daher mit dem Vorgang nicht in Einklang stehen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.1.2006, bei welcher die Berufungswerberin und ihr Rechtsanwalt sowie die Erstinstanz gehört und die Zeugen W und K unter Ermahnung an die Wahrheitspflicht einvernommen wurden. Weiters wurde ein Gutachten eines Sachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik eingeholt und erörtert.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin lenkte zur Vorfallszeit den PKW mit dem Kennzeichen GM- in Gmunden auf der Pensionatstraße. Sie hatte ihr Fahrzeug im Bereich einer Baustelle bei der Zufahrt zur Pepöckstraße hinter einem LKW angehalten und fuhr in weiterer Folge vom Stand weg seitlich an diesem LKW vorbei, wobei sie lediglich eine geringe Geschwindigkeit einhielt.

 

Der Zeuge W stand zu diesem Zeitpunkt im Bereich des linken hinteren Endes des LKW um Mischgut vom LKW herabzulassen. Die Berufungswerberin streifte beim Vorbeifahren den Zeugen im Bereich des rechten Unterarms, wobei es zu einer geringfügigen Verletzung, nämlich entsprechend dem Ambulanzbericht einem Druckschmerz im Bereich der Muskulatur des mittleren Unterarms gekommen ist. Ein Hämatom war nicht tast- oder sichtbar.

 

Der verbleibende Platz für das Vorbeifahren war jedenfalls schmal. Das ergibt sich aus den Angaben der Berufungswerberin und des Zeugen K. Der Umstand, dass die Angaben hinsichtlich des Abstellortes des LKW unterschiedlich waren, bedeutet nur, dass sich die Beteiligten nicht mehr an alle Details erinnern. Bezüglich der wesentlichen Angaben sind die Aussagen der beiden Zeugen widerspruchsfrei.

 

Die Berufungswerberin hat ihr Fahrzeug nicht angehalten sondern die Fahrt fortgesetzt. Sowohl der Verletzte, Herr W, als auch der Zeuge K haben das Einklappen des rechten Seitenspiegels des von der Berufungswerberin gelenkten Fahrzeuges gehört, beide gaben auch an, dass der rechte Außenspiegel eingeklappt war, während die Berufungswerberin behauptete, dass dieser zumindest in weiterer Folge nicht zum Fahrzeug geklappt verblieben ist.

 

Dazu ist im Rahmen der Beweiswürdigung festzuhalten, dass beide Zeugen bei der Verhandlung einen glaubwürdigen und sachlichen Eindruck hinterlassen haben. Sie konnten auch nachvollziehbar schildern, dass sie aus geringer Entfernung Sichtkontakt zum Fahrzeug hatten, weshalb durchaus wahrscheinlich ist, dass der Außenspiegel tatsächlich eingeklappt geblieben ist. Zu Gunsten der Berufungswerberin wird dies aber nicht mit Sicherheit angenommen sondern es wird als möglich angesehen, dass der Außenspiegel nur geringfügig aus der ursprünglichen Stellung herausbewegt und selbständig wieder in diese zurückgeklappt ist.

 

Letztlich konnte nicht endgültig geklärt werden, ob zur Unfallszeit in der Nähe der Unfallstelle eine Straßenwalze betrieben wurde und welche Lautstärke diese allenfalls hatte. Es haben allerdings sowohl die Berufungswerberin als auch beide Zeugen übereinstimmend angegeben, dass ihnen keine auffallend lauten Umgebungsgeräusche erinnerlich sind. Insbesondere konnten beide Zeugen das Einklappen des Außenspiegels hören.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, haben gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 sofort anzuhalten, wenn sie ein Fahrzeug lenken.

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

 

5.2. Auf Grund des oben festgestellten Sachverhaltes ist erwiesen, dass die Berufungswerberin an einem Verkehrsunfall beteiligt war, bei welchem der Zeuge W - wenn auch nur ganz geringfügig - verletzt wurde. Sie hat jedoch ihr Fahrzeug nicht angehalten und die nächste Sicherheitsdienststelle nicht vom Verkehrsunfall verständigt. Sie hat damit die ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Zum Verschulden ist auszuführen, dass für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dann anzunehmen, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles sowie die Möglichkeit der Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte.

 

Im gegenständlichen Fall hat die Berufungswerberin beim Vorbeifahren am Zeugen W keinen seitlichen Abstand eingehalten, weil sie diesen eben mit dem Seitenspiegel gestreift hat. Auf Grund dieses fehlenden Sicherheitsabstandes wäre sie zu einer erhöhten Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. Der rechte Außenspiegel ist vom Fahrersitz auch zur Gänze wahrnehmbar und sie hätte bereits beim Vorbeifahren am Zeugen durch einen Blick zum rechten Außenspiegel feststellen können, dass sie diesen gestreift hat. Von einem geprüften Kraftfahrzeuglenker muss verlangt werden, dass er mit den Abmessungen seines Fahrzeuges soweit vertraut ist, dass er das seitliche Anstreifen an einer Person oder an einem Gegenstand wahrnimmt, jedenfalls dann, wenn der Kontakt mit einem Teil des Fahrzeuges erfolgt, welchen man vom Fahrersitz aus durch eine leichte Drehung des Kopfes direkt einsehen kann.

 

Sollte der Seitenspiegel tatsächlich eingeklappt geblieben sein, so hätte die Berufungswerberin dies jedenfalls nach dem Passieren der Engstelle durch einen Blick feststellen müssen. Sofern der Außenspiegel aber selbständig wieder in die Normalstellung zurückgeklappt ist, so ist festzuhalten, dass damit ein charakteristisches Geräusch entsteht. Dies wurde auch bei der Verhandlung vom Sachverständigen an dem von der Berufungswerberin zum Vorfallszeitpunkt gelenkten Fahrzeug demonstriert. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass derartige Geräusche durch die Karosserie im Fahrzeuginneren verstärkt werden, sodass die Hörbarkeit im Fahrzeug noch höher ist. Dem zuständigen Mitglied des UVS ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass das Anstreifen mit dem Außenspiegel im Fahrzeug gut hörbar ist. Schließlich konnten auch beide außerhalb des Fahrzeuges befindliche Zeugen das Geräusch des Einklappens des Außenspiegels hören, weshalb dies auch für die Berufungswerberin wahrnehmbar sein musste.

 

Sofern tatsächlich in der Nähe der Unfallstelle eine Straßenwalze betrieben wurde, so ist doch anzuführen, dass sich weder die Berufungswerberin noch die beiden Zeugen bei der mündlichen Verhandlung an einen besonderen Umgebungslärm erinnern konnten. Jedenfalls haben beide Zeugen das Einklappen des Außenspiegels gehört, sodass dieses für die im Fahrzeug sitzende Berufungswerberin ebenfalls hörbar sein musste.

 

Die Berufungswerberin musste deshalb wahrnehmen, dass sie mit ihrem rechten Außenspiegel den Zeugen gestreift hatte, weshalb sie verpflichtet gewesen wäre, sofort anzuhalten und sich wegen einer allfälligen Verletzung des Zeugen zu erkundigen. Nachdem sie dies unterlassen hat, hat sie fahrlässiges Verhalten zu verantworten.

 

Die Spruchkorrektur war iSd § 44a VStG erforderlich und zulässig, weil der Umstand "Verkehrsunfall mit Personenschaden" bereits in der Strafverfügung - und damit in einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung - enthalten war.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Bestimmungen über das Verhalten nach einem Verkehrsunfall zählen zu den wesentlichen verkehrsrechtlichen Regelungen. Letztlich konnte die Unfalllenkerin nur deshalb festgestellt werden, weil sich die Zeugen das Kennzeichen ihres Fahrzeuges merken konnten. Es müssen deshalb nicht nur ganz geringfügige Geldstrafen verhängt werden.

 

Andererseits ist zu Gunsten der Berufungswerberin zu berücksichtigen, dass sie bisher unbescholten ist und ihr lediglich fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Auch die bloß geringfügige Verletzung verlangt keine besonders hohe Bestrafung. Unter Berücksichtigung ihrer ungünstigen persönlichen Verhältnisse (monatliches Nettoeinkommen von 700 Euro bei Sorgepflichten für eine Tochter und keinem Vermögen) konnten daher die von der Erstinstanz festgelegten Geldstrafen deutlich herabgesetzt werden. Der gesetzliche Strafrahmen für derartige Übertretungen beträgt gemäß § 99 Abs.2 StVO 1960 zwischen 36 Euro und 2.180 Euro. Nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS sind die herabgesetzten Geldstrafen erforderlich und ausreichend, um die Berufungswerberin zukünftig von der Begehung ähnlicher Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

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