Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400411/19/KL/Rd

Linz, 05.08.1997

VwSen-400411/19/KL/Rd Linz, am 5. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Im Grunde des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 24.2.1997, B 2676/96-6, hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des M, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit dem 2.7.1996 durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die Anhaltung in Schubhaft ab dem 2.7.1996 als rechtswidrig festgestellt wird. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand in der Höhe von 8.400 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

III. Der Antrag über Gebührenbefreiung wird als unzulässig zurückgewiesen. Rechtsgrundlagen: Zu I.: §§ 51 Abs.1, 2 und 4 sowie 48 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idgF iVm § 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG. Zu II.: §§ 52 Abs.2 FrG, 79a AVG und § 1 Z1 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995. Zu III.: §§ 67a ff AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 4.7.1996, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am selben Tage, wurde Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie wegen Anhaltung in Schubhaft seit 2.7.1996 durch die BPD Linz erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowie der Kostenersatz beantragt.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer (Bf) bereits aufgrund eines Schubhaftbescheides der BPD Wiener Neustadt vom 6.12.1994 in Schubhaft bis zum 2.5.1995, also 4 Monate und 26 Tage angehalten wurde. Mit Bescheid der BPD Linz vom 28.5.1996 wurde gegen ihn die Schubhaft angeordnet und vollzogen, sodaß er mit dem 2.7.1996 insgesamt 6 Monate in der Schubhaft verbracht habe. Dies widerspreche dem § 48 Abs.4 FrG, wonach die Schubhaft insgesamt nicht länger als 6 Monate aufrechterhalten werden darf. Auf die Judikatur des VfGH vom 15.12.1994, B 1405/94-8, wurde hingewiesen. Schließlich wurde um Gebührenbefreiung ersucht.

2. Die BPD Linz als belangte Behörde hat in ihrer Stellungnahme vom 4.7.1996 bestätigt, daß sich der Bf vom 6.12.1994 bis 2.5.1995 bei der BPD Wiener Neustadt in Schubhaft befunden hat, wobei diese Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung verhängt wurde. Von der BPD Wiener Neustadt wurde letztlich kein Aufenthaltsverbotsbescheid erlassen, sodaß die Schubhaft tatsächlich nur zur Sicherung des Verfahrens diente. Unabhängig davon wurde von der BPD Linz ein eigenständiges Ausweisungsverfahren durchgeführt und mit Bescheid vom 29.5.1996, zugestellt am 30.5.1996, die Ausweisung verfügt und durchsetzbar. Der zitierten VfGH-Judikatur wurde entgegengehalten, daß die gegenständliche Schubhaft einem völlig anderen Verfahren, nämlich dem Ausweisungsverfahren, dient. Selbst nach Zusammenrechnung des Aufenthaltsverbots- und Ausweisungsverfahrens gelte die nunmehrige Schubhaft seit 30.5.1996 als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Dazu wurde dargelegt, daß auch denkbar sei, daß ein Fremder nach 5-monatiger Schubhaft einen aufenthaltsrechtlichen Titel bekommt und sodann die Ausweisung und Schubhaft hinfällig werden. Ein Jahr später liegen dann Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Verhängung der Schubhaft vor und es müßte dann der Fremde nach einem Monat entlassen werden, was zur Folge hätte, daß unter Umständen aufgrund vorangegangener Schubhaften kein fremdenpolizeiliches Verfahren zu keiner Zeit mehr geführt werden könnte. Es wurde daher die Abweisung der Beschwerde und Kostenersatz beantragt. Gleichzeitig wurden die bezughabenden Verwaltungsakte vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in die bezughabenden vorgelegten Verwaltungsakte Einsicht genommen und es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sodaß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben kann.

4. Es ergibt sich im wesentlichen folgender für die Entscheidung erheblicher Sachverhalt:

4.1. Der Bf ist ghanesischer Staatsangehöriger und wurde am 28.5.1996 im Zuge einer Gastarbeiterstreife durch die BPD Linz in Linz, gemäß § 16 FrG einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und ohne Reisepaß und ohne Aufenthaltsberechtigung für Österreich und im Besitz von insgesamt 700 S Barmittel angetroffen. Im Bundesgebiet polizeilich nicht gemeldet - eine amtliche Abmeldung in Wien erfolgte am 13.5.1996 -, hielt sich der Bf aber bereits seit mindestens 15.5.1996 in dieser Unterkunft auf. Er wurde daher iSd § 85 Abs.2 FrG am selben Tag um 20.00 Uhr zum Zweck einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde vorläufig festgenommen, der Behörde vorgeführt und es wurde mit Bescheid der BPD Linz vom 28.5.1996 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw. Zurückschiebung aus den vorangeführten Gründen verhängt. Dieser Bescheid wurde dem Bf am selben Tage persönlich übergeben und es ist gleichzeitig eine Information über die Haftgründe in englischer Sprache erfolgt. Die Schubhaft wurde sodann in Vollzug gesetzt. Weiters scheint der Bf seit 13.5.1996 aus einer Anschrift in Wien amtlich abgemeldet auf.

4.2. Am 29.5.1996 unter Beiziehung eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen gab der Bf an, daß er bereits im April 1994 mit einem gültigen ghanesischen Reisepaß und einem österreichischen Sichtvermerk für die Dauer von 6 Monaten aus Ungarn nach Österreich eingereist sei, seinen Reisepaß aber nach der Einreise verloren habe und nicht mehr bekommen habe. Nach einem Aufenthalt in Wien sei er nach Wiener Neustadt verzogen und habe er dort 6 Monate unangemeldet gewohnt. Sodann sei er in Wiener Neustadt etwa 5 Monate in Haft gewesen, weil er keinen Reisepaß hatte. Nach Ausstellung eines Reisepasses durch die ghanesische Botschaft in Bern sei er dann im Mai 1995 aus der Haft entlassen worden und nach Wien verzogen, wo er sich erst am 20.10.1995 polizeilich gemeldet habe. Seit 24.5.1996 halte er sich bei Freunden in Linz auf. Nach Österreich sei er deshalb gekommen, weil er hier studieren und Ingenieur werden wolle. Derzeit habe er nur einen Deutschkurs belegt. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch Geldzuwendungen seiner Eltern, nämlich monatlich 400 US-$. Er habe auch keine Verwandten in Österreich. Es wurde daher der Bf dahin belehrt, daß die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der ghanesischen Botschaft beantragt werde und beabsichtigt sei, ihn nach Ghana abzuschieben. Zum Verbleib seines Reisepasses gab er an, daß er ihn im April 1996 nach Accra geschickt habe, weil in Ghana neue Reisepässe ausgestellt werden.

4.3. Mit Bescheid vom 29.5.1996, Fr-92.508, wurde der Bf gemäß § 17 Abs.1 iVm § 15 Abs.3 Z2 sowie § 19 FrG ausgewiesen und es wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer eventuellen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Zustellung am 30.5.1996 wurde die Ausweisung wirksam und durchsetzbar. Mit Strafverfügung vom 30.5.1996 wurden gegen den Bf Geldstrafen von 2.000 S und 1.000 S wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet von Österreich und Nichterfüllung der Meldepflicht verhängt. Weiters wurde mit Schreiben vom 3.6.1996 an die Botschaft der Republik Ghana in Bern mit dem Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf herangetreten. Mit Vollmacht vom 4.6.1996 wurde die Vertretung durch S, der Behörde bekanntgegeben. Weiters wurde der fremdenpolizeiliche Akt der BPD Wiener Neustadt eingeholt. Danach wurde der Bf wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet und Übertretung des Meldegesetzes am 6.12.1994 in Wiener Neustadt ohne Reisepaß aufgegriffen und festgenommen und es wurde mit Bescheid vom 6.12.1994 der BPD Wiener Neustadt zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und sogleich vollzogen. Auch wurde über die österreichische Botschaft in Bern die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf beantragt. Aufgrund des Umstandes, daß ein Angehöriger des Bf den Reisepaß des Bf an die BPD Wiener Neustadt aushändigte, und der Zusage, daß dieser von seinem Vater Unterhalt bekommen werde, wurde der Bf am 2.5.1995 aus der Schubhaft entlassen.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht. In der Beschwerde wurde Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Anhaltung in Schubhaft ab dem 2.7.1996 behauptet. Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt; die Beschwerde ist daher zulässig.

5.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Aus dem erwiesenen Sachverhalt steht fest, daß der Bf sich ohne gültiges Reisedokument, ohne Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich und ohne die erforderlichen Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhaltes - er ist lediglich im Besitz von 700 S - und ohne ständige Unterkunft im Bundesgebiet aufhält. Es ist daher vorderhand die Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Erlassung einer Ausweisung nicht von der Hand zu weisen. Zumal der Bf mittellos und unterkunftslos ist, eine rechtmäßige Ausreise des Bf mangels der erforderlichen Reisedokumente zunächst nicht möglich ist und er sich unrechtmäßig in Österreich aufhält, war daher der Verdacht der belangten Behörde begründet, daß sich der Bf einem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde und in die Illegalität untertauchen werde. Es war daher die Verhängung der Schubhaft und die Erlassung des Schubhaftbescheides rechtmäßig. Auch wurden dem Bf die Gründe für die Inschubhaftnahme in verständlicher Sprache unmittelbar bei Inschubhaftnahme zur Kenntnis gebracht und wurde er daher bei seiner Inhaftnahme ausreichend belehrt.

5.3. Aber auch die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft (bis zum 2.7.1996) erweist sich als rechtmäßig. Bereits an dem der Inschubhaftnahme folgenden Tag wurde die Ausweisung des Bf gemäß § 17 Abs.1 FrG verfügt und es wurde diese Ausweisung mit Zustellung des Bescheides am 30.5.1996, weil einer Berufung die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, auch mit dem diesem Tage durchsetzbar (§ 22 Abs.2 FrG). Es hat daher der Fremde dann unverzüglich auszureisen.

ISd ergangenen Schubhaftbescheides iVm § 48 Abs.3 FrG gilt daher ab der Durchsetzbarkeit der Ausweisung und weil eine Überwachung der Ausreise des Fremden im Grunde der vorangeführten Gründe (keine rechtmäßige Ausreise möglich; Untertauchen in die Illegalität; keine Unterkunft) notwendig ist, die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bf wurde daher ab dem 30.5.1996 zur Sicherung der Abschiebung weiterhin in Schubhaft angehalten.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 leg.cit.).

Im Grunde der Sachverhaltsdarstellung ist ersichtlich, daß die Behörde stets bemüht war, die Schubhaft auch so kurz wie möglich zu halten. Insbesondere hat sie unverzüglich einen Ausweisungsbescheid erlassen und sie hat auch in der Folge ohne Verfahrensverzögerung sich um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf bei der ghanesischen Botschaft in Bern bemüht. Es kann daher von einer überlangen Dauer der Schubhaft nicht gesprochen werden, insbesondere deshalb, weil auch kein Grund zur Annahme vorhanden ist, daß das Ziel, nämlich nunmehr die Abschiebung in sein Heimatland, nicht mehr erreicht werden kann. Aus diesem Grunde waren auch die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft gegeben (vgl. VwGH vom 8.9.1995, 95/02/0322 sowie 9.6.1995, 95/02/0041).

5.4. Zur behaupteten Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit dem 2.7.1996 hat der O.ö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 9.7.1996, VwSen-400411/4/Kl/Rd, die Auffassung vertreten, daß die weitere Anhaltung nicht rechtswidrig war und die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Dieser Bescheid wurde mit dem eingangs zitierten Erkenntnis des VfGH vom 24.2.1997 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) aufgehoben und dazu in rechtlicher Hinsicht ausgeführt: "3.1. Wie dargelegt (s. oben Pkt. I.1.), befand sich der Beschwerdeführer vom 6. Dezember 1994 bis zum 2. Mai 1995, also bereits vier Monate und 26 Tage in Schubhaft. Am 28. Mai 1996 wurde er neuerlich in Schubhaft genommen und hatte am 2. Juli 1996 insgesamt 6 Monate in Schubhaft verbracht. Dennoch hat die belangte Behörde seine Anhaltung in Schubhaft ab dem 2. Juli 1996 für rechtmäßig erklärt.

3.2. In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Meinung, daß die Dauer der Schubhaft bei der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 6. Dezember 1994 bis 2. Mai 1995 mit jener der Schubhaft bei der Bundespolizeidirektion Linz nicht zusammengerechnet werden dürfe. Der UVS sei weiterhin der Auffassung, daß die Bundespolizeidirektion Linz ein eigenständiges Verfahren eingeleitet und durchgeführt habe und zum Zwecke der Sicherung dieses eigenständigen Verfahrens 'Vorhaften' (wie die Schubhaft bei der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt) nicht anzurechnen gewesen wären. Für eine Anrechnung gebe auch das FrG, insbesondere § 48 FrG, keinen Hinweis. Vielmehr würde eine solche Auslegung den Zielsetzungen des FrG sogar widersprechen (so auch die Ausführungen der Bundespolizeidirektion Linz in ihrer Gegenschrift). Dies aus folgenden Gründen:

Habe nämlich ein Fremder wegen mangelnder Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität, Erhebung sämtlicher Rechtsmittel usw. (Gründe nach § 48 Abs.4 FrG) die Dauer von sechs Monaten Haft einmal 'abgesessen', so dürfte er nach dieser Auslegung nie mehr wieder in Schubhaft genommen werden. Dies würde auch bedeuten, daß er dann zwar immer illegal in Österreich aufhältig ist, aber ein Fremdenverfahren gegen ihn mangels eines der Behörde bekannten Aufenthaltsortes nicht durchgeführt werden könnte. Auch könnte eine zwangsweise Ausreise nie mehr durchgesetzt werden, weil ja jede weitere Anhaltung rechtswidrig wäre.

Sei ein Fremder - sowie auch im gegenständlichen Fall - zwar in Schubhaft genommen, aber wieder freigelassen worden, und tauche dieser in der Folge in Österreich unter, und werde er dann in zeitlichem Abstand wieder an anderen Aufenthaltsorten aufgegriffen, so sei bei seiner Aufgreifung ein vorausgegangenes nicht abgeschlossenes Aufenthaltsverbots-/Ausweisungsverfahren und eine diesbezügliche Schubhaft der Aufgreifbehörde nicht bekannt. Es könne daher keine Berücksichtigung stattfinden.

In weiterer Konsequenz würde das aber auch bedeuten, daß ein Fremder, wenn er einmal in Österreich in Schubhaft angehalten wurde, außer Landes geschafft wurde (abgeschoben wurde), dann neuerlich nach Österreich einreist und gesetzliche Gründe für eine Schubhaft vorliegen, auch in diesem Falle nicht mehr in Schubhaft genommen werden dürfe bzw. nur mehr für die verbleibende 'Differenzzeit'. Angesichts der bisherigen Erfahrung, daß Fremde auch trotz Ausweisung und Abschiebung wieder versuchen, nach Österreich zu gelangen, wäre bei einer solchen Interpretation nach der derzeitigen Rechtslage des FrG keine gesetzliche Grundlage für ein geordnetes Aufenthaltswesen gegeben.

Es vertrete daher der O.ö. Verwaltungssenat weiterhin die Rechtsauffassung, daß die Frist zur Berechnung der Schubhaft bei einem neuen Anlaß und einem neuen Verfahren auch neuerlich zu laufen beginne.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich durch das Vorbringen in der Beschwerde nicht veranlaßt, von seinem Erkenntnis VfSlg. 13.988/1994 abzugehen.

Gemäß § 48 Abs.2 FrG darf die Schubhaft außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs.4 FrG vor, kann die Schubhaft auch über die Dauer von zwei Monaten hinaus ausgedehnt, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. § 48 Abs.4 FrG normiert demnach eine Ausnahme von der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft gemäß § 48 Abs.2 FrG. Die höchstzulässige Dauer der Schubhaft von sechs Monaten beginnt allerdings dann neu zu laufen, wenn der Fremde Österreich verläßt und dann wieder in das Bundesgebiet einreist.

Weder § 48 Abs.2 noch § 48 Abs.4 FrG ist - wie die belangte Behörde vermeint - zu entnehmen, daß sich die höchstzulässige Dauer der Schubhaft nur auf die Anhaltung aufgrund eines einzigen Schubhaftbescheides bezieht, und daß diese Frist daher bei Erlassung eines neuen Schubhaftbescheides 'neu zu laufen' beginnt. Würde dieser Auffassung der belangten Behörde gefolgt, so könnte ein Fremder aufgrund mehrerer, aufeinanderfolgender Schubhaftbescheide letztlich auf unbestimmte Dauer festgehalten werden, sofern dies als notwenig erachtet wird (Art.1 Abs.3 BVG persFr. iVm § 41 Abs.1 FrG). Dies würde aber nicht nur den zeitlichen Beschränkungen des § 48 Abs.2 und 4 FrG ihren Sinn nehmen und insofern schon zu einem nicht vertretbaren Ergebnis führen. Vielmehr würde damit nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art.1 Abs.3, erster Halbsatz BVG persFr. widersprochen, weil die Aufrechterhaltung der Schubhaft über die Dauer von sechs Monaten hinaus nach dem Zweck der Maßnahme - Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bzw. Sicherung der Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung - nicht notwendig ist. Eine solche - verfassungswidrige - Anordnung trifft das FrG - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 13.988/1994 ausgesprochen hat - indes gar nicht. Vielmehr lassen sich die Bestimmungen des § 48 Abs.2 und 4 FrG ohne weiteres dahingehend auslegen, daß die Schubhaft insgesamt idR nicht länger als zwei Monate, in Ausnahmefällen nicht länger als sechs Monate dauern darf. Für eine solche Auslegung sprechen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 48 FrG, 692 BlgNR 18. GP, 53, wonach 'das für Österreich vorgesehene Höchstmaß der Freiheitsbeschränkung' auf ein halbes Jahr beschränkt bleiben sollte.

Im vorliegenden Fall war zunächst am 6. Dezember 1994 von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes [das allerdings nicht erlassen wurde] und der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana verhängt worden. Nach einer Frist von vier Monaten und 26 Tagen wurde der Beschwerdeführer jedoch aus der Schubhaft entlassen. Die neuerliche Schubhaft wurde am 28. Mai 1996 von der Bundespolizeidirektion Linz ebenfalls zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw. Zurückschiebung nach Ghana verhängt.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß darin keinesfalls ein anderer als der vor dem angenommenen Grund für die Verhängung der Schubhaft iS des § 48 Abs.2 FrG erblickt werden kann, der die Fremdenpolizeibehörde dazu ermächtigen würde, die Schubhaft abermals zu verhängen. Wenn die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt nach einer Schubhaftdauer von vier Monaten und 26 Tagen - aus welchen Gründen immer - von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und von der Abschiebung Abstand genommen hat, so ist es einer anderen Fremdenpolizeibehörde aufgrund der Bestimmung des § 48 Abs.4 FrG verwehrt, eine neuerliche Schubhaft in der Dauer von mehr als einem Monat und vier Tagen zu verhängen. Daran ändert auch das Vorbringen der belangten Behörde nichts, daß der Bundespolizeidirektion Linz weder das vorangegangene fremdenpolizeiliche Verfahren noch das Schubhaftverfahren bekannt war. Der belangten Behörde war jedenfalls die frühere Anhaltung bekannt.

Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht würde es jeder Fremdenpolizeibehörde erlauben, sich über die Sechsmonats-Frist des § 48 Abs.4 FrG einfach dadurch hinwegzusetzen, daß ein begonnenes fremdenpolizeiliches Verfahren nicht zu Ende geführt und zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder aufgenommen wird.

3.4. Die belangte Behörde hat damit dem FrG einen verfassungswidrigen, nämlich dem Art.1 Abs.3 BVG persFr. widersprechenden Inhalt unterstellt." Weil der O.ö. Verwaltungssenat gemäß § 87 Abs.2 VfGG mit den zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den in der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen hat, war daher der zitierten Rechtsanschauung des VfGH Folge leistend, die Anhaltung ab dem 2.7.1996 spruchgemäß als rechtswidrig festzustellen.

6. Gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG steht dem Bf als obsiegender Partei der Kostenersatz zu, wobei nach der geltenden Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, der Ersatz für den Schriftsatzaufwand in der Höhe von 8.400 S zuzusprechen war. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war hingegen aus diesem Grunde abzuweisen.

7. Der Antrag auf Gebührenbefreiung war als unzulässig zurückweisen, weil ein solches Begehren weder im AVG noch in den betreffenden bundesgesetzlichen Vorschriften für das Schubhaftverfahren vorgesehen ist.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Zusammenrechnung der Schubhaft; Schubhaftdauer; Änderung des Sachverhaltes; Änderung des Zweckes

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