Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161026/9/Fra/Sp

Linz, 28.06.2006

 

 

 

VwSen-161026/9/Fra/Sp Linz, am 28. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn Ing. FA gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 22. November 2005, betreffend Übertretung des § 9 Abs.2 StVO 2960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in Verbindung mit einem Lokalaugeschein am 26. Juni 2006, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 9 Abs. 2 StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a leg.cit gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 58 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er am 25.6.2005 um ca. 13.20 Uhr den Pkw, Kennzeichen auf der Hauptstraße, Fußgängerübergang vor dem Gasthaus SA in K gelenkt hat, wobei er als Lenker eines Fahrzeuges einem Fußgänger, der einen Schutzweg erkennbar benützen wollte, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht hat.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung eine öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Juni 2006 in Verbindung mit einem Lokalaugenschein erwogen:

 

Unstrittig ist, dass der Bw den in Rede stehenden Pkw zu der im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Örtlichkeit und zum angeführten Zeitpunkt gelenkt hat.

 

Das dem Bw zur Last gelegte Verhalten wurde durch den Gendarmerieposten Kremsmünster am 29.6.2005 angezeigt. Der nunmehrige Bw brachte bereits in seinem Einspruch gegen die vorangegangene Strafverfügung vom 7.7.2005, VerkR96-15190-2005, vor, den Meldungsleger, Herrn F telefonisch kontaktiert zu haben. Der Meldungsleger erwähnte ihm gegenüber, er habe sich gewundert, dass die Lenkerin vor ihm ihren Pkw nicht angehalten habe, aber diese habe eben Glück gehabt, weil ihm ihr Fahrzeugkennzeichen nicht bekannt sei. Offensichtlich habe auch diese Lenkerin die Absicht der Schutzwegbenützung nicht erkennen können, weil sich die Personen am Gehsteig unterhalten haben. Er (der Bw) sei weder zu schnell, noch mit zu geringem Abstand hinter dem angesprochenen Fahrzeug gefahren, als Herr F zwischen den Fahrzeugen mit einer Seitwärtsbewegung auf die Fahrbahn kam. Weil das Fahrzeug vor ihm den Fußgängerübergang passierte und Herr F den Oberkörper entgegen seine Fahrtrichtung hielt und erst unmittelbar vor dem Fahrzeug die Fahrbahn betrat, habe er den Eindruck gehabt, dass die Fahrbahn hinter ihm abgesperrt werden solle. Er respektiere jeden Schutzweg, habe aber nicht damit rechnen können, dass ein Polizist Fahrzeuge herankommen lasse und genau zwischen zwei Fahrzeugen die Fahrbahn überqueren möchte. Herr F habe ihm telefonisch bestätigt, dass auch sein am Gehsteig stehender Kollege gesehen habe, dass unmittelbar vor ihm ein Pkw gefahren sei und habe ihn auf die Möglichkeit der Sachverhaltsdarstellung bei der Behörde hingewiesen, weil er mit der Anzeige nicht länger warten habe wollen und außerdem beobachtet habe, dass seine Beifahrerin bei dem Vorfall süffisant lächelte.

 

Inspektor M B, Polizeiinspektion Kremsmünster, gab zeugenschaftlich am 30.9.2005 einvernommen an, betreffend der Überquerung des Schutzweges keine genauen Angaben machen zu können.

 

Herr Inspektor F A, Polizeiinspektion Kremsmünster, gab zeugenschaftlich am 30.9.2005 einvernommen an, es sei richtig, dass er ein Fahrzeug vor dem Angezeigten bemerkt habe, das am Schutzweg vorbeifuhr ohne anzuhalten, weshalb er einen Schritt auf die Fahrbahn (Schutzweg) machte. Für ihn war klar, dass der Angezeigte entweder zu schnell unterwegs gewesen sein musste, einen zu geringen Abstand zum Vorderfahrzeug hatte oder nicht genügend Aufmerksamkeit den Personen neben dem Schutzweg widmete. Ansonsten hätte er angehalten, wenn eine Person einen Schritt auf den Schutzweg macht. Um einen Verwaltungsmehraufwand zu ersparen, hat er in weiterer Folge versucht, den Bw telefonisch zu kontaktieren und über die für ihn offensichtliche Übertretung zu befragen. Da er niemanden erreicht habe, habe er die Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems erstattet. Weiters sei es richtig, dass er sich nur das Kennzeichen des zweiten Fahrzeuglenkers (des Bw) gemerkt habe, da beide Fahrzeuge unmittelbar hintereinander am Schutzweg vorbeigefahren waren.

 

In seiner Einvernahme am 20. Oktober 2005 verwies der Bw grundsätzlich auf seine vorherigen Angaben. Weiters hielt er fest, dass die Absicht des Überquerens der Fahrbahn der Fußgängergruppe bzw. des Polizisten für ihn nicht ersichtlich war. Er sei weder zu schnell gefahren noch in irgendeiner Weise vom Geschehen auf oder neben der Straße abgelenkt gewesen. Er hatte aufgrund des Verhaltens des Polizisten vielmehr den Eindruck, dass dieser hinter ihm die Straße absperren wollte. Der vor ihm fahrende Pkw habe wahrscheinlich ebenfalls die Überquerungsabsicht nicht erkennen können, zumal dieser sonst schon angehalten hätte. Ein Überqueren der Fahrbahn zwischen zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen (normaler Sicherheitsabstand) erscheine ihm als unübliche Handlung. In seinem Rechtsmittel gegen das Straferkenntnis wiederholte der Bw im Wesentlichen seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben und wiederholte, dass er nicht damit gerechnet habe, dass ein Polizist Fahrzeuge herankommen lasse und genau zwischen zwei Fahrzeugen die Fahrbahn überqueren möchte. Herr F sei längere Zeit am Gehsteig gestanden und hätte den Schutzweg bereits vor dem vor ihm fahrenden Fahrzeug benützen können, habe aber die Fahrzeuge herankommen lassen und vor dem vor ihm fahrenden Fahrzeug mit einem Schritt die Fahrbahn betreten, aber dann angehalten und das Fahrzeug passieren lassen. Erst danach habe er mit einer Seitwärtsbewegung den Gang auf die Fahrbahn fortgesetzt und abermals angehalten. Es sei dadurch der Eindruck entstanden, dass er passieren soll und Herr F hinter seinem Fahrzeug die Fahrbahn absperre und auf die sich unterhaltende Personengruppe wartet oder zu dieser zurückkehre. Durch sein Verhalten vor dem vor ihm fahrenden Pkw sei die Absicht einer Überquerung nicht erkennbar gewesen. Das Verweilen des zweiten Polizeibeamten mit weiteren Personen habe sein Anhalten auch plausibel gemacht.

 

Bei der Berufungsverhandlung verwies der Bw inhaltlich auf sein bisheriges Vorbringen.

 

Der Meldungsleger gab zeugenschaftlich befragt insbesondere an dass sowohl das vom Bw gelenkte Fahrzeug als das vor ihm fahrende Fahrzeug vorschriftsmäßig fuhren. Er sei mit einer Personengruppe in Richtung Fußgängerübergang gegangen und sei beim Schutzweg gestanden, als ein Fahrzeug und in der Folge das vom Bw gelenkte Fahrzeug diesen überquerten. Er habe zu der ihn begleitenden Personengruppe zurückgeschaut und habe sich gefragt, warum diese nicht weitergeht. In diesem Moment hatte er nicht die Absicht bzw. Intention den Schutzweg zu überqueren. Er habe lediglich auf die Personengruppe gewartet.

 

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, ua einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

 

Für den Vorrang eines Fußgängers genügt es, dass dessen Absicht objektiv aus seinem Gesamtverhalten erkennbar ist. Für den Fußgänger besteht auch nach wie vor die Verpflichtung, einen Schutzweg nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker nicht überraschend zu betreten (§ 76 Abs.4 lit.a StVO 1960). Das Betreten des Schutzweges wird für den Lenker eines herannahenden Fahrzeuges dann überraschend sein, wenn er den Umständen nach, insbesondere dem Gesamtverhalten des Fußgängers nach, nicht damit rechnen musste, dass der Fußgänger unmittelbar vor dem Fahrzeug auf den Schutzweg treten werde. "Unmittelbar" vor einem herannahenden Fahrzeug wird ein Fußgänger den Schutzweg dann betreten, wenn sich dieser bereits innerhalb des Anhalteweges befindet.

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass vor dem vom Bw gelenkten Fahrzeug ein weiteres Fahrzeug fuhr und der Meldungsleger erst nach dem Passieren des ersten Fahrzeuges seine Blickrichtung wendete sowie bei der Berufungsverhandlung ausdrücklich bekundete, auf die Personengruppe gewartet zu haben und in diesem Moment keine Absicht hatte, den Schutzweg zu überqueren, kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bw überhaupt tatbildlich gehandelt hat, denn Voraussetzung für die Erfüllung des ihm zur Last gelegten Tatbildes wäre der Nachweis der Absicht, dass der Fußgänger den Schutzweg überqueren wollte. Dieses Tatbildelement ist nicht mit hinreichender Sicherheit erwiesen. Weites ist davon auszugehen, dass sich das Fahrzeug des Bw bereits innerhalb des Anhalteweges befand.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

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