Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161041/9/Bi/Be

Linz, 20.01.2006

 

 

 

VwSen-161041/9/Bi/Be Linz, am 20. Jänner 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau R P, vom 7. Dezember 2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 22. November 2005, VerkR96-3362-2005, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 20. Jänner 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird im Zweifel Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro (2 Tagen EFS) verhängt, weil sie am 2. April 2005 um 12.05 Uhr den Pkw im Ortsgebiet von Lambach auf der Salzburger Straße auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Haus Nr. 1-3 gelenkt habe, wobei sie es als Beteiligte an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, bei dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, unterlassen habe, die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen ein Schaden eingetreten ist, unterblieben sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 20. Jänner 2006 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Bw und des Zeugen W L durchgeführt. Ein Vertreter der Erstinstanz ist nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, bei der Frau, die der Zeuge einsteigen gesehen habe, habe es sich um ihre Tochter gehandelt, die 1,72 m groß sei und einen starken Körperbau habe. Es habe sich um eine Extremsituation gehandelt, um einen Tobsuchtsanfall eine autistischen Menschen. Sie habe sich, um "etwaige Vorkommnisse" zu verhindern, schon Visitenkarten ins Auto gelegt.

Vorgelegt wurde eine "ärztliche Stellungnahme" vom Konventhospital der Barmherzigen Brüder in Linz, Prim. Dr. F, vom 6. Dezember 2005, wonach die Bw ihre Tochter Ester betreut, die nach einer schweren Schädel-Hirnverletzung ausgeprägt deutlich deforme Verhaltensmuster zeige und zur Unfallzeit mit ihr im Auto "war". Sie habe nach dem Unfall zuerst die Tochter beruhigen müssen und habe sie nicht alleine lassen können, weil sich diese in die Hand gebissen habe. Sie habe den Unfall melden wollen, aber das sei wegen des Eintreffens der Beamten nicht möglich gewesen. Sie sei mit dem Kind nach Hause gefahren und habe es dort beruhigt.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz berücksichtigt und der Zeuge unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde.

Fest steht, dass die Bw am 2. April 2005 gegen 12.05 Uhr als Lenkerin des Pkw WL-805AM am Marktplatz in Lambach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden insofern verursacht hat, als sie beim Ausparken den neben ihrem abgestellten Pkw gestreift hat. Sie hat den Schaden auch bemerkt, jedoch ohne sofortige Meldung an die nächste Polizeidienststelle die Heimfahrt angetreten, ohne der Geschädigten ihren Namen und ihre Anschrift nachzuweisen.

Die Bw hat in der Verhandlung glaubhaft geschildert, dass bei dem Vorfall ihre 12jährige autistische Tochter am Beifahrersitz gesessen sei, die die Streifung des Pkw mitbekommen und sich sehr darüber aufgeregt habe, was sich darin geäußert habe, dass sie sich in die Hand gebissen habe. Sie habe ihr auch angezeigt, dass sie auf die Toilette müsse, und sei bereits im Begriff gewesen, auszusteigen, aber sie habe sie dazu bekommen, wieder einzusteigen. Das habe der Zeuge vermutlich gesehen. Ihre Tochter sei größer als sie und wenn sie sich aufrege, könne das eine Stunde oder fünf Minuten dauern, aber sie könne sie dann nicht alleine lassen. Deshalb habe sie beabsichtigt, den Schaden von zu Hause aus telefonisch zu melden, zumal sie auch kein Handy mitgehabt habe. Sie hätte weder die Polizeiinspektion noch eine Telefonzelle aufsuchen können, sondern sie habe ihre Tochter beruhigen müssen. Sie mache das so, dass sie sie durch Reden über andere Themen abzulenken versuche. Als sie die Polizei anrufen habe wollen, seien die Beamten schon da gewesen.

Der Zeuge W L bestätigte, er sei damals vom Kaffeehaus gekommen und habe vor dem Überqueren der Salzburger Straße warten müssen. Dabei sei ihm aufgefallen, dass ein Pkw beim Ausparken den daneben stehenden Pkw gestreift habe. Die Lenkerin sei auf ihren Platz zurückgefahren, habe das Fenster geöffnet und den Schaden angesehen. Dann sei plötzlich eine Frau da gewesen, die in den Pkw eingestiegen sei und die Lenkerin sei weggefahren. So weit er sie habe sehen können, sei die Frau etwas kleiner und etwas dicker gewesen. Wo sie hergekommen sei, habe er nicht gesehen, sie sei auf einmal da gewesen und eingestiegen. Er habe dann im Geschäft gefragt, wem das beschädigte Auto gehöre und habe dann der Geschädigten mitgeteilt, dass eine Frau angefahren sei und das Kennzeichen. Er habe deshalb so gehandelt, weil ihm der letzte Parkschaden sehr teuer gekommen sei.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Angaben des Zeugen, der einen sehr guten und glaubwürdigen persönlichen Eindruck gemacht hat, nicht widersprüchlich zu denen der Bw insofern, als die Bw Fotos ihrer Tochter vorgelegt hat und die Beschreibung der "Frau" mit dem Foto der Tochter weitgehend übereinstimmt. Der Zeuge konnte nicht sagen, wo die Frau hergekommen ist, sodass auch nicht auszuschließen ist, dass die Verantwortung der Bw, die Tochter sei aus dem Pkw aus- und wieder eingestiegen, stimmen kann. Dabei ist durchaus nachvollziehbar, dass der Zeuge sich auf das weitere Verhalten der Lenkerin nach dem Anstoß konzentriert hat und ihm deshalb die Frau erst beim Einsteigen aufgefallen ist. Er konnte in der Verhandlung nicht sagen, ob überhaupt und wo die Frau herkam, sie "war auf einmal da".

Dass bei einer solchen Behinderung in einer solchen Situation - die Fotos zeigen die Bisswunden am Unterarm der Tochter - die Bw ihre Tochter nicht alleine lassen konnte, ist durchaus nachvollziehbar. Die Bw hat ausgeführt, ihre Tochter schreie nicht, wenn sie sich aufrege, aber man könne auch den Zeitraum der Aufregung nicht einschätzen. Ihr bleibe nichts anderes übrig, als zu versuchen sie abzulenken, indem sie mit ihr über andere Dinge rede. Sie könne aber den Pkw nicht verlassen, um zB bei der Polizeiinspektion den Unfall zu melden oder von einer Zelle aus zu telefonieren. Auch diesen Aussagen ist aus der Wahrnehmung des Zeugen nichts entgegenzuhalten, dem diesbezüglich nichts aufgefallen ist.

In rechtlicher Hinsicht war daher im Zweifel der Bw Glauben zu schenken und davon auszugehen, dass eine Meldung des Verkehrsunfalls mit Sachschaden unmittelbar danach aufgrund des Verhaltens der Tochter nicht möglich war. Aus dem Akt geht auch hervor, dass sich der Unfall um 12.05 Uhr in Lambach ereignet hat und die Bw um 13.45 Uhr zu Hause in Steinerkirchen von einem Beamten der dortigen Polizeiinspektion befragt wurde, wobei sie den Unfall nie abgestritten und sich so verantwortet hat wie auch im Verfahren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Zeuge + Bw glaubhaft + Einstellung im Zweifel

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