Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161068/2/Bi/Be

Linz, 02.02.2006

 

 

 

VwSen-161068/2/Bi/Be Linz, am 2. Februar 2006

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn P O, vom 9. Dezember 2005 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 2. November 2005, VerkR96-5162-2005, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Punkt 2) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt wird.

Im Punkt 1) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Im Punkt 2) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

Der Rechtsmittelwerber hat im Punkt 1) zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 14,40 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.2 lit.b iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 20 Abs.1 1.Satz iVm 99 Abs. 3lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 72 Euro (48 Stunden EFS) und 2) 50 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 4. Februar 2005 um 7.20 Uhr in Regau auf der 1265 Schörflinger Straße bei km 4.800 in der Rechtskurve vor der Ortschaft Himmelreich das Kfz mit dem Kennzeichen xxgelenkt habe, wobei er

1) vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein mehrspuriges Fahrzeug überholt habe und

2) als Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst habe, indem er trotz eisglatter Fahrbahn eine Geschwindigkeit von ca 100 km/h eingehalten habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 12,20 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z3 VStG).

3. Der Bw macht unter Hinweis auf seine Ausführungen im Einspruch und seine Einvernahme vor der Erstinstanz im Wesentlichen geltend, der Tacho des Dienstkraftfahrzeuges sei nicht geeicht gewesen und gehe nirgends hervor, dass dieser unter 100 km/h genau gehe. Es ergebe sich auch keine Nachfahrt von zumindest 500 m bis 1 km in gleichbleibendem Abstand. Wie schnell er gefahren sei, sei nicht angegeben - wie schnell hätte er fahren dürfen, wovon werde ausgegangen? Es stelle sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Beamten und daher sei auch dessen Aussage über das Überholmanöver in Zweifel zu ziehen. Bei der Erstinstanz sei ihm überdies gesagt worden, die Geschwindigkeitsüberschreitung werde ihm auf Grund der Beweislage nicht mehr zur Last gelegt. Beantragt wird Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Meldungsleger Insp. R K (Ml) gegen den Bw Anzeige erstattet hat, weil dieser am 4. Februar 2005 um 7.20 Uhr an der genannten Straßenstelle eine Kolonne von mindestens sechs Pkw überholt und das Überholmanöver in einer unübersichtlichen Kurve abgeschlossen habe. Der Ml lenkte laut Anzeige das erste Fahrzeug in der Kolonne, einen Dienstkraftwagen mit Deckkennzeichen, mit 80km/h in Richtung Regau, als der Bw auf eine Länge von mindestens 300 m mit hohem Geschwindigkeitsunterschied mit mindestens 100 km/h die Kolonne überholte und, noch bevor er das Überholmanöver abgeschlossen hatte, in den Kurvenbereich bei km 4.800 kam. Er fuhr dann mit unverminderter Geschwindigkeit weiter in den 60 km/h-Bereich in der Ortschaft Himmelreich, wo er den Pkw ausrollen ließ. Der Ml bestellte den Zulassungsbesitzer, den Bw, zum GP Lenzing, wo sich herausstellte, dass dieser den Pkw selbst gelenkt hatte. Er gab laut Anzeige das Überholen in der unübersichtlichen Kurve zu, bestritt aber die Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Ml erstattete Anzeige wegen §§ 16, 52a Z10a und 20 Abs.1 StVO und hielt seine Aussagen auch bei der Zeugeneinvernahme am 17. Juni 2005 vor der Erstinstanz aufrecht, wobei er die Tachogenauigkeit bis 100 km/h ebenso betonte wie die letzte eisglatte Stelle ca 100 m nach der Abzweigung Schacha. Der Bw habe beim GP auf die erlaubte Geschwindigkeit von 100 km/h und auf die einwandfreien Reifen und Bremsen seines Pkw hingewiesen.

Der Bw hat im Einspruch gegen die Strafverfügung ausgeführt, es sei richtig, dass er in Richtung Himmelreichkreuzung ein Fahrzeug überholt habe, jedoch in einer solchen Entfernung zur genannten Kurve, dass ein gefahrloses Überholen und Einordnen ohne weiteres möglich gewesen sei. Der Fahrbahnrand sei mit Schnee und Schneematsch bedeckt gewesen, aber die beiden Fahrstreifen seien salznass gewesen, sodass eine Geschwindigkeit von 100 km/h gefahrlos möglich gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 16 Abs.2 litb StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außer den in Abs.1 angeführten Fällen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen, nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

Nach der Judikatur des VwGH gilt das Überholverbot des lit.b bei den dort aufgezählten Gegebenheiten absolut und unabhängig davon, ob Gegenverkehr vorhanden ist oder nicht. Der Überholvorgang muss vor der unübersichtlichen Kurve abgeschlossen sein (vgl 29.5.1974, 1391/73; 18.6.1997, 97/03/0029).

Der Ml war nach seiner Beschreibung der Verkehrssituation im ersten Fahrzeug der Kolonne unterwegs, wobei sein Fahrzeug offensichtlich nicht als Polizeifahrzeug erkennbar war. Abgesehen davon, dass dem Ml damit die beste Sicht auf den Abschluss des Überholmanövers durch den Bw zuzubilligen ist, muss von ihm auch erwartet werden können, dass er beurteilen kann, ob ein Überholmanöver bereits im Bereich einer unübersichtlichen Kurve abgeschlossen wird oder schon vorher, noch dazu, wenn das letzte überholte Fahrzeug vor Beendigung des Überholmanövers das von ihm selbst gelenkte war und er daher im Fall eines Gegenverkehr einer Gefährdung ausgesetzt wäre. Dass der Bw, wie er im Einspruch angegeben hat, "vor der genannten Kuve ein Fahrzeug überholt" hat, ist sicher richtig, widerspricht aber grundsätzlich nicht der Schilderung des Ml.

Wie der vom System DORIS entnommenen Straßenkarte bzw dem Orthofoto der gegenständlichen Kurve bei km 4,800 der L1265 zu entnehmen ist, handelt es sich dabei in Fahrtrichtung Regau tatsächlich um eine unübersichtliche Kurve, sodass die Aussagen des Ml nicht unglaubwürdig sind, noch dazu wenn dieser bestätigt hat, der Bw habe beim GP Lenzing diesen Vorwurf nicht bestritten - dazu hat sich der Bw nicht mehr geäußert.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht daher kein Anhaltspunkt für grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Ml bei der Schilderung des Überholmanövers des Bw, auch wenn er bei seiner Geschwindigkeitsfeststellung dem ungeeichten Tacho des Polizeifahrzeuges offenbar ungeprüft gefolgt ist. Die Beurteilung einer derart konkreten Verkehrssituation wie des Wiedereinordnens eines überholenden Fahrzeuges direkt vor ihm hat nichts mit der Geschwindigkeit zu tun, sondern mit der Qualifikation der Kurve als unübersichtlich und der Beschreibung der Örtlichkeit der Beendigung des Überholmanövers und ist ihm daher schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten laut Orthofoto jedenfalls zuzumuten. Auch wenn der Bw sein Überholmanöver auf der langen geraden Strecke vorher völlig gefahrlos begonnen hat, hätte er dieses jedenfalls vor Beginn der unübersichtlichen Kurve beenden müssen, notfalls durch ein Wiedereinordnen innerhalb der Kolonne.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht daher davon aus, dass der Bw den ihm im Punkt 1) des Straferkenntnisses zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO bis zu 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist nicht unbescholten, sondern weist aus den Jahren 2003 und 2004 insgesamt zwei Übertretungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen auf, die im Hinblick auf diesen Tatvorwurf als einschlägig und daher straferschwerend zu sehen sind. Er hat nach eigenen Angaben eine Einkommen von 1100 Euro netto monatlich, kein Vermögen und keine Sorgepflichten.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz mit der Verhängung der genannten Strafe den ihr zustehenden Ermessensspielraum in irgend einer Weise überschritten hätte. Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw in Zukunft zur genauesten Beachtung der Überholverbote anhalten.

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 20 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Verfahrensakt, dass die L1265 auf einzelnen Stellen eisglatt war, nach der Schilderung des Ml zB ca 100 m nach der Abzweigung Schacha, dh nicht im Bereich der Kurve bei km 4,800. Diese war aber als Tatort im Spruch angeführt. Wenn daher der Ml nicht einmal behauptet hat, es habe dort Eisglätte bestanden, ist kein Grund ersichtlich, warum der Bw, dessen Geschwindigkeit in keiner Weise objektivierbar festgestellt wurde - fest steht nur ein "großer" Geschwindigkeitsunterschied zum Fahrzeug des Ml, die aber auch nicht eruierbar oder sonstwie einzuordnen ist - und der auch an keine Geschwindigkeitsbeschränkung im Sinne des § 52a Z10 lit.a StVO gebunden war, zu schnell für die bestehenden Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnisse gefahren sein soll.

Es mag sein, dass der Ml auf dem Tacho des Dienstfahrzeuges 80 km/h abgelesen hat, wobei aber weder von einem gleichbleibenden Nachfahrabstand die Rede ist noch von einer objektiven, dokumentierten Feststellung einer Tachoabweichung (zB durch vorangegangene Lasermessung beim Dienstfahrzeug).

Aus diesem Grund war im Zweifel gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz bzw dessen Entfall im Punkt 2) ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Keine Eisglätte + keine Geschwindigkeitsfeststellung § 20/1 eingestellt. Überholmanöver in unübersichtlicher Kurve beendet

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